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Machthorn Vorstellung
Hallo allerseits,
ich bin beim Stöbern über dieses Forum gestolpert und spontan begeistert, mit wieviel Fachkompetenz einerseits und respektvollem Umgang andererseits (das muss erwähnt werden, ist nicht selbstverständlich!) hier über mein liebstes Hobby gefachsimpelt wird.
Kurz zu mir: Ich habe das Orgelspiel überwiegend autodidaktisch erlernt (Orgelschule von Friedhelm Deis) und betrachte mich als ambitionierten Laien. In der Neuapostolischen Kirche bin ich seit inzwischen einigen Jahren in wechselnden Gemeinden (Umzüge, nicht weil man mich verscheucht hätte [grin] ) ehrenamtlich an der Orgel zu finden. In meiner derzeitigen Gemeinde bespiele ich eine Steinmeyer von 1953 (II/P 9, elektropneumatische Taschenlade). Es handelt sich dabei um ein zumindest aus Konstruktions- und Geschichtssicht nicht ganz uninteressantes Instrument, bei Interesse erzähle ich gerne mehr davon, Allerdings wäre das dann OT, sie ist je "echt" und keine DO.
Zuvor hatte ich es in kleineren Gemeinden aber auch schon mit Digitalen zu tun, zuletzt war es eine Ahlborn DS26.
Mangels Budget habe ich bislang noch kein eigenes Instrument zuhause, versuche aber gerade, das Thema bei meiner Finanzministerin durchzusetzen. [wink] Zudem versuche ich mir darüber klar zu werden, was ich genau will, mehr als 5000€ sind jedenfalls nicht drin. Eigentlich war ich auf der Suche nach weitergehenden bzw. unabhängigen Informationen zur Studio 150, aber die Infos hier zur Klassik 226 Jubiläum und die darauf gehörten Beispiele haben mich echt ins Rudern gebracht - aber das gehört nicht zur Vorstellung...
Soviel zu mir, ich freue mich jedenfalls auf bereichernde Diskussionen!
P.S: Mein Nickname entspringt dem Nachthorn 4' eben jener Steinmeyer - das Ding ist für eine Flöte mächtig kräftig intoniert, taugt fast schon als weiches symphonisches Prinzipal, und hat bei uns damit diesen Spitznamen erhalten.
Danke! Habe gerade Urlaub, da ist genug Zeit vorhanden.
Zu "meiner" Orgel:
Es handelt sich wie schon erwähnt um eine Steinmeyer aus dem Jahr 1953. Die Traktur ist elektrisch und steuert über Elektromagnete direkt an der Lade die ja eigentlich pneumatisch arbeitende Taschenlade an. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um die bei Walcker und anderen übliche wartungsunfreundliche stehende Tasche, bei der der gesamte Pfeifenstock abgeräumt werden muss, wenn man dran will, sondern um eine liegende Tasche nach Steinmeyer-Patent, die einfach von unten abgeschraubt werden kann. Durch den hohen Winddruck (der wartende Orgelbauer schätzt ihn auf ca 90mm WS!) ist diese Traktur extrem schnell, einen Unterschied zu mechanischen Trakturen habe ich bislang nicht ausmachen können.
Die Disposition ist sehr klein:
Pedal:
Subbass 16'
Manual I:
Gedackt 8'
Prinzipal 4'
Waldflöte 2'
Mixtur IV 1 1/3'
Manual II:
Rohrflöte 8'
Nachthorn 4'
Prinzipal 2'
Quinte 1 1/3'
Normalkoppeln
Die Aufstellung des Instumentes ist ungewöhnlich. Die Orgel verteilt sich auf zwei etwa 1,5m hohe Podeste links und rechts des Altarraumes in Freipfeifenbauweise. Auf diesem zugegeben kleinem Bild kann man das etwa erkennen:
Das Bild ist übrigens etwas gestaucht, eigentlich ist die Orgel etwas breiter. Links des Altares befindet sich das Manual I, rechts das Manual II, der Subbass ist nach C-Cis hinter beiden verteilt. Der Spieltisch steht übrigens hinter dem Altar.
Um trotzdem ein symmetrisches Bild zu erreichen, hat Steinmeyer mehrfach in die Trickkiste gegriffen. Das Prinzipal 4' steht links mit Ausnahme seiner kleinsten fünf Pfeifen im Prospekt, als Stimmeinrichtung findet sich knapp unter der Oberkannte eine Expression. Rechts hingegen steht das Nachthorn im Prospekt, da allerdings sind die tiefsten fünf Pfeifen mit etwas kürzerem Fuß nach hinten verlegt. Dazu kommt, dass die Expression im Prospekt hier deutlich tiefer liegt und damit die Pfeifen eine Überlänge haben, mit der sie die tiefsten fünf verdecken können. Mit diesem Kniff wird trotz gleicher Optik rechts eine weitere Mensur erreicht.
Die Rohrflöte auf der rechten Seite wurde mit sehr kurzen Füßen und die tiefste Oktave als Holzgedackt gebaut, damit sie wiederum nicht übersteht. Es ist dem Intonateur eine saubere Anpassung gelungen, der Wechsel der Bauart ist nur mit geübtem Ohr und einzelnem Abspielen des Überganges überhaupt zu hören.
Spannend finde ich auch die Diskrepanz zwischen Intonation und Disposition. Während die einzelnen Stimmen in sich einen deutlich symphonischen Klang entwickeln - weich, gut mischend, kaum Ansprache hörbar, ist die Stellung der Stimmen zueinander eher bewegungstypisch steil. Der Subbass hält sich dezent zurück, die Rohrflöte ist sehr zart, das Gedackt schon kräftiger aber immer noch weich. In 4'-Lage ist das Prinzipal schon sehr mächtig, das Nachthorn auch nicht von schlechten Eltern. Eine schöne Flöte fehlt in dieser Lage folglich ganz (leider). Das 2'-Prinzipal steht dem 4' in nichts nach, die Waldflöte ist mein Liebslingsregister. Als Spitzflöte gebaut entwickelt sie trotz des hohen Winddrucks einen wunderbar weichen und trotzdem klaren Klang. Gemeinsam mit dem Gedackt eignet sie sich prima für Soli. Die 1 1/3'-Quinte ist dem 2'-Prinzipal sehr ähnlich intoniert und durchaus geeignet, mit ihm zusammen eine Art 2-fach-Mixtur für ein kleines Plenum zu bilden. Genau so setze ich sie auch bevorzugt ein, für eine Solokombination ist sie meist zu kräftig. Die eigentliche Mixtur ist der Hammer. Wer kam auf die Idee, in einer Orgel ein Drittel der vorhandenen Pfeifenreihen in eine Mixtur zu packen? Dieses Ding ist nur bei voll besetzter Gemeinde wirklich einsetzbar, ansonsten schreit sie alles nieder. Nur Chöre abstecken ist bei Taschenladen schwierig. Man müsste jede Pfeife des Chores einzeln stillegen. Und ob dann noch das Druckgleichgewicht mit den anderen Taschen der Mixtur stimmt, müsste sich erst im Versuch herausstellen.
Ich habe bewusst in meiner Vorstellung nicht von einem schönen sondern einem interessanten Instrument geschrieben. Mit Ausnahme neuer Belederung auf den Taschen im Zuge einer Generalüberholung ist das Instrument noch im Originalzustand von 1953 und damit Zeugin einer noch von deutlichen finanziellen Zwängen geprägten Zeit. Dementsprechend klein ist das Instrument ausgefallen und zur Kompensation wurde zu kräftiger Intonation gegriffen, um den Raum füllen zu können. Freipfeifen waren in Mode, daher die innovative Prospektgestaltung. Der Orgelbewegung entsprechend wurde steil diponiert, gleichzeitig aber ist zumindest am für Klang und Funktion verantwortlichen Material eine sehr solide und so gar nicht fabrikmäßige Handwerksarbeit zu erkennen.
Im Ganzen ist diese Orgel ein recht ambivalentes Instrument. Obendrein mussten die Möglichkeiten des Instrumentes erst erarbeitet werden. Oktaviert man z.B. das 4'-Prinzipal nach unten, fällt die Koppel I/P aus. Mangels eigenständigem 8' und schwachem Subbass im Pedal ist man dann schon fast gezwungen, die Rohrflöte ans Pedal zu koppeln und damit das Manual II quasi außer Betrieb zu nehmen. Die richtige Wahl der Registrierung für Literatur wird beisweilen zur harten Denksportaufgabe.
Nichts desto trotz liebe ich diese Orgel. Sie hat ihren ganz eigenen Charakter und wenn man sich auf sie einlässt, kann man damit trotz allem schöne Musik machen. Ich wünsche mir. dass sie als Kind ihrer Zeit noch lange unverfälscht erhalten bleibt.
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