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Neu: Viscount Sonus
#76 RE: Neu: Viscount Sonus
So, liebe Leute, hier ist er nun, der große Gloria-Concerto-350-Blitztest:
Fangen wir bei der Hardware an: Spieltisch in der mittlerweile verbreiteten „Bauhaus“-Architektur. Mir gefällt das Möbel – sehr funktional, auf das Wesentliche reduziert. Gerade als Wohnzimmermobiliar sehr dezent und unaufgeregt wirkend. Wer die Orgel natürlich zum Prunkstück und Mittelpunkt seines Wohnambientes machen will, ist mit einer Optik à la Johannus Symphonica besser bedient - aber die ist ja auf der Johannus-HP nicht mehr zu sehen, also offenbar aus der Produktion genommen. Platz für die Lautsprecher und Schwelltritte ist allemal genug da. Die beiden Tweeter stecken hinter unauffälligen schwarzen Gittern. Sie liegen an den Gehäuseecken im Registerbrett und bieten damit dem Spieler in Sitzposition eine sehr breite Stereobasis. Die Schwelltritte wirken übrigens nur auf Pos und Sw. Der äußerste linke ist der Crescendotritt. Ich vermute aber mal, dass sich die Belegung leicht ändern lässt, wenn es jemand gern anders hätte.
Überhaupt lässt sich an dieser Orgel so ziemlich alles den Wünschen des Kunden anpassen – und zwar serienmäßig und aufpreislos. (An einen USB-Port lässt sich der Physis-Editor anschließen, mit dem NOCH mehr geht als über das eingebaute Menü mit Display. Zu den Mehrkosten und Vorteilen kann sich Aeoline sicher qualifiziert äußern.) Das Prinzip der Customisierung ist weitgehend umgesetzt. Aber davon später mehr.
Die Klaviaturen entsprechen dem üblichen Viscount-Standard. Ich bleibe dabei: Vom Spielgefühl mit dem tiefen Tastenfall und dem deutlichen Druckpunkt sind sie die besten Kunststoff-Serienklaviaturen am Markt. Man stellt sich sehr schnell positiv darauf ein.
Das 32-Tasten-Pedal scheint mir in der Mensur etwas enger zu sein als üblich. Ohne nachzumessen habe ich die Tastenbreite als etwas zu schmal empfunden, ebenso die Tastenteilung. Pedal-dis0 liegt unter Manual-dis1. Das war von den 70er Jahren an bis in die 90er hinein weit verbreitete BDO-Norm. Inzwischen hat sich im (deutschen) PO-Bau wieder c0 unter c1 durchgesetzt – aus vielen guten Gründen. Aber auch das ist Gewöhnungssache. Da meine Dienstorgel dis unter dis hat, käme mir diese Pedalteilung sogar entgegen. Rein subjektiv fühlt sich mein Gloria-360-Pedal „besser“ an. Es ist präziser geführt und hat kräftiger eingestellte Federn.
50 Register lassen kaum Wünsche offen. Die Disposition ist klanglogisch sorgfältig durchdacht. Fast alles da, was man so braucht (ich vermisse den 1’ – aber irgendwas muss man halt weglassen) und da, wo es hingehört. Und auf die Disposition kann man ja leicht Einfluss nehmen – jederzeit, auch nachträglich und vor allem: ohne saftigen Aufpreis. Die Software ermöglicht es, jede Registertaste mit jedem Register der Datenbank zu belegen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich habe allerdings weniger mit der Technik, sondern mehr mit den Tasten herumgespielt. Mich hat in erster Linie interessiert, wie die Orgel klingt.
Und da ist in Theorie und Praxis möglich, dass keine der anderen gleicht. Eine Orgel, die völlig nach den Kundenwünschen zu disponieren und zu intonieren ist – und das deutlich unter 10.000 € - das ist in meinen Augen eine Sensation. Bisher gab’s das nur im Monarke-Segment.
Wenn ich an der Disposition zu basteln hätte, würde ich die 16’-Trompete im Hw gegen eine 4füßige auswechseln, denn die braucht man für ein barockes frz. Grand Jeu eher.
Die vorgegebene Disposition gibt es in vier fest eingespeisten Intonationsvarianten: deutsch, barock, sinfonisch, romantisch. (Die sind natürlich registerweise in allen Parametern veränderbar.) Ich habe es in vier Stunden nur dazu gebracht, die deutsche neobarocke Intonation mit der barocken zu vergleichen. Romantik und Sinfonik blieben außen vor für den „2. Arbeitsgang“, den es wohl geben wird. Das Ausstellungsstück im Hause Kisselbach war noch nicht fertig intoniert. Als schöne Einzelstimmen sind mir (in der Variante &bdquoDeutsch&ldquo Cromorne 8’ im Pos und die Trompette harm. 8’ im Sw aufgefallen. Auch das Fagott 16’ im Sw ist sehr gut gelungen, über die Pedalkoppel eine schöne mezzoforte-Zungenfarbe für die Baßlinie. Bei den Zungen greifen die Intonationswerkzeuge wohl am intensivsten in den Obertonaufbau ein. Da ist wohl die größtmögliche Anpassung an persönliche Kangvorstellungen und Vorlieben zu erreichen. Mit besonderer Sorgfalt sind die Ein- und Ausschwingvorgänge der Zungenblätter bearbeitet – das wird vor allem in der Baßregion deutlich. „Basse-de-cromorne“-Mischungen klingen einfach bezaubernd.
Deutlicher Quantensprung: die bei Viscount oft und zu recht bemängelten Mixturen. Sie klingen (immer in Variante &bdquoDeutsch&ldquo sehr gut. Da ist wirklich intensiv dran gearbeitet worden. Die Flöten sind in der deutschen Variante rund und voll, in der barocken etwas herber, obertöniger und geräuschhafter – in sich und im Ensemble durchaus stimmig. An der Balance der Stimmen untereinander wurde am Aufstellungsort wohl noch wenig gearbeitet. Einiges im Pedal wirkte mir zu dröhnend.
Die Stärke dieser Orgel liegt eindeutig in der umfassenden Intonierbarkeit. Sie einfach von der Stange zu kaufen und irgendwo aufzustellen, würde bedeuten, die entscheidenden Vorzüge nicht zu nutzen. Eine sorgfältige Endintonation am Standort scheint mir unerlässlich, um das Potential wirklich auszureizen.
Ein weiteres dickes Plus: Es gibt vier Speicherplätze, an denen der Besitzer aus der Datenbank zusammengestellte Dispositionen und Intonationen nach Gusto zusammenstellen und abspeichern kann. Das wäre dann so meine Spielwiese ...
Nun zum größten Quantensprung, zur Abstrahlung. Als ich nach Hause gekommen, bin, habe ich mich mit dem frischen Klangeindruck sofort an meine Gloria 360 gesetzt und verifiziert, ob sie wirklich noch „besser“ klingt. Allen Besitzern zum Trost: JA.
Es gibt noch einen Unterschied.
Aber: Ich war verblüfft, was aus dem minimalistischen Gehäuse der Concerto bzw. den verbauten Speakern herauskommt. Mit dem Sequenzer habe ich ein paar Takte eingespielt und mir das Ergebnis im Raum abgehört. Erstaunlich, wie gut die Orgel im Raum trägt. Ich denke, die interne Abstrahlung wird mühelos mit Gemeindesälen und kleinen Dorfkirchen mit bis zu 150 Sitzplätzen fertig – ungeachtet der Tatsache, dass eine externe Abstrahlung zur Versammlungsraum-Beschallung immer die bessere Alternative ist. Am Spieltisch ist der Klang präsent und räumlich, die 32’er kommen gut. Deren Präsenz und die Kanaltrennung in einem 6.1-System sind optimal – wenn sie auch nicht an die Abstrahlung der 360 heranreichen. Aber da ist schließlich noch mehr Hardware verbaut. Das hört man auch.
Die Concerto ist also kein 360-Killer. Aber alles von der Stange unter 10.000 € muss sich warm anziehen. Und ich würde die Concerto jeder Serien-Vivaldi jenseits dieser Preismarkierung vorziehen. Ich gehe davon aus, dass die großen Unicos über eine externe Anlage besser klingen. Aber intern schlägt sie die Concerto um Längen. Wenn Viscount seine höherpreisigen Orgeln aktuell halten will, wird man diese Abstrahlung wohl zum Standard machen müssen.
Mein Fazit: Eine Orgel mit markantem Charakter – und dieser Charakter ist enorm wandlungsfähig. Für 8.450 € Hauspreis bietet die Orgel Möglichkeiten, die andere Hersteller erst deutlich jenseits der 20T bereitstellen. Sollte bei mir zuhause jemals der Trend zur Zweitorgel gehen, wäre die Concerto die erste Wahl – in dezentem mattschwarz (sicher möglich) unauffällig zwischen Hifi-Turm und CD-Regalen im Wohnzimmer platziert. Jetzt müsste ich noch etwas am WAF arbeiten ...
LG
Michael
Danke für den detaillierten Bericht, lieber Michael.
Meinst du also, dass hier nicht bloß eine Unico im "Sommergewand" mit etwas aufgewerteter Abstrahlung steht, sondern dass tatsächlich auch intern an den Klangfarben gearbeitet wurde? Oder wäre der Concerto-Klang auch an einer CL-6 zu erzielen, wenn ich mich als Kunde ins Intonationsmenü begebe?
Kurz gefragt: Ist die Gloria Concerto eine Unico S - oder steckt mehr in ihr?
Hallo Michael,
auch von mir ein Dankeschön zu deinem 500., von vielen erwarteten Beitrag hier (wenn man sich die Zugriffszahlen gestern angeschaut hat) [smile]
Ich habe nur eine Frage. Du schriebst:
Zitat von Wichernkantor
Das Ausstellungsstück im Hause Kisselbach war noch nicht fertig intoniert. (...) An der Balance der Stimmen untereinander wurde am Aufstellungsort wohl noch wenig gearbeitet. (...) Die Stärke dieser Orgel liegt eindeutig in der umfassenden Intonierbarkeit. Sie einfach von der Stange zu kaufen und irgendwo aufzustellen, würde bedeuten, die entscheidenden Vorzüge nicht zu nutzen. Eine sorgfältige Endintonation am Standort scheint mir unerlässlich, um das Potential wirklich auszureizen.
Heißt das, dass die Werkseinstellungen teilweise nicht ganz optimiert sind, d.h. jedenfalls (durch Kisselbach oder den Käufer) eine Veränderung der Intonation notwendig ist?
Werden die von Kisselbach optimierten Intonationsparameter dann evtl. auf verkaufte Instrumente übertragen? Ansonsten könnte doch der klangliche Eindruck bei Anlieferung enttäuschen, wenn die Werks-Viscount eben längst nicht so gut klingt wie das von kundiger Hand überarbeitete Ausstellungsstück, und statt dessen zeitaufwendige Intonationsarbeiten anfallen? Es soll ja auch User geben, die eher an einer "fertigen" Orgel interessiert sind [wink]
Viele Grüße und noch mal danke!
Martin
#79 RE: Neu: Viscount Sonus
Ich denke, gerade im klanglichen Bereich steckt halt viel Kisselbach-know-how drin. An dieser Orgel ist sehr vieles spezifisch "Deutsch". Ich denke, die Leute in Mondaino sind gut beraten, diesen Sektor ihres Geschäftsfeldes als Hardware-Zuliefer dem deutschen Marktführer zu überlassen und sich auf das "Restgeschäft" zu konzentrieren, in dem eine völlig andere Ästhetik gefragt ist. (Das haben sie ja schon mal gemacht mit der untergegangenen Marke "Benedict". Da waren leider viel klangliches Können, Wissen und orgelbauerisches Herzblut gepaart mit mangelndem kaufmännischem Denken ...)
Ich kann nicht beurteilen, ob man diesen Klang auch mit dem Standardmodell hinkriegt. Man müßte es halt mal probieren. Sicher hängt es auch davon ab, welche Mixturen als "Rohmaterial" eingespeist sind. Sie scheinen mir die durchgreifendste klangliche Verbesserung gegenüber der Serien-Unico.
LG
Michael
Zitat von Martin78
ein Dankeschön zu deinem 500., von vielen erwarteten Beitrag
Oho! Ein würdiger 500. war das, Michael! Prost:
Zu den nicht fertig intonierten Concertos: Ich hoffe sehr, dass ich in Augsburg ein intonatorisch auf dem Baunataler Stand befindliches Instrument vorfinde... :help:
#81 RE: Neu: Viscount Sonus
@Martin:
Ich nehme einfach mal an, dass Viscount nur die Hardware liefert und Kisselbach die entsprechend modifizierte Software aufspielt. Auf jeden Fall wird Gerd Kisselbach kein "halb fertiges" Instrument ausliefern, an dem ein Gloria-Firmenschild prangt. Und wie gesagt: Der entscheidende Arbeitsgang spielt sich m.E. am Aufstellungsort beim Kunden ab: die End- und Feinintonation.
LG
Michael
#83 RE: Neu: Viscount Sonus
Hinweis zum Physis-Editor:
Die Stimmung der Register oder Einzelton-Stimmung ist nur mit dem Physis Editor (in halb-Cents-Schritten) möglich. Ebenso die Lautstärke der Register pro Taste.
Aha: Auf den Kisselbach-Seiten der "Concerto" gibt's jetzt jeweils einen "Produktkatalog" (PDF, in dem aber nicht mehr drinsteht als schon auf der HP zu lesen ist) und zwei Klangbeispiele. Davon eins ein "Basse de Cromorne", merkwürdigerweise mit Tremulant (zieht man den zu einem Basse de Cromorne?). Das andere, als "Plenum" bezeichnet, ist eher ein Trio und macht einen schönen Eindruck einer mitteldeutschen Barockorgel.
Nach den Informationen im PDF und auf der Homepage gehe ich mal davon aus, dass das von Michael beschriebene 32-Tasten-Pedal eine Sonderausstattung ist.
Zitat von Copula
Nein, dass doppelt-geschweifte 32er-Pedal ist Standard-Ausstattung der Concerto III. Bei der Concerto II ist aber, meines Wissens, ein gerades 30er Standard.
In dem Fall wird Firma Kisselbach sicher noch die HP updaten, genauso wie bzgl. des "Untersatz 16'" bei der kleinen 235 und ggfs. auch bzgl. der Schwelltrite (zwei oder drei, wie von Michael beschrieben?).
#89 RE: Neu: Viscount Sonus
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