Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
"Fluch der Karibik"
#1 RE: "Fluch der Karibik"
... dieses Opusculum entwickelt sich ja offensichtlich zum direkten Amtsnachfolger der "Epidemischen". Früher fragten die Brautpaare: "Kennen Sie das Stück von Exeption?" - und meinten BWV 565. Heute muss es gleich ein Piratenfluch sein. Ich habe natürlich - kürzlich derart befragt - freimütig zugegeben, dass mir solche Gipfelwerke der Orgelkunst nicht zugänglich sind und sie gebeten, doch mit der Toccata des Herrn Bach oder der des Herrn Dubois oder ähnlich Lapidarem vorlieb zu nehmen. (Natürlich sozialverträglicher ausgedrückt...)
Da ich gerade so dem Alter entwachsen bin, in dem ich Piratenfilme geguckt habe, habe ich mal bei Youtube gestöbert und war verblüfft ob der zahlreichen Virtuosen, die ihre Orgeln mit derlei traktieren - und habe beschlossen, ins Grab zu fahren, ohne dieses Werk auf der Repertoireliste zu haben. Dafür gibt es noch viel zu viel zu lernen, was "richtig" für Orgel geschrieben ist.
Das Brautpaar habe ich übrigens gefragt, ob sie es gut finden, den Weg vor den Traualtar und ins Eheglück wirklich mit einem "Fluch" zu beginnen ... Das käme zwar möglicherweise in paar Jahre später, aber man müsse es ja nicht beschreien. [grin] Sie waren recht einsichtig und mit Alfred Hollins' "Trumpet minuet" auch wohl zufrieden ... Das Honorar fiel überdurchschnittlich aus.
Nun begab es sich, dass ich Sonntag vor acht Tagen spielfrei hatte und die Sekretärin einen strebsamen Jüngling aus ihrem Heimatdorf dienstverpflichtet hatte. Und der meinte nun, meine an Barockes und Romantisches aus Deutschland, Frankreich, England, an moderat Modernes und stilteue Eigenbauten gewöhnte Gemeinde mit ebendiesem Piraten-Cantus zu "beglücken". Man reagierte "not amused". Und ich bin richtig stolz auf "meine" Leute. Offenbar war mein Mühen geschmacksbildend ...
Ich lasse es ja auch mal gelegentlich "jazzen" - wenn die Konfis einen Gottesdienst vorbereitet haben. Aber wenn ich ihnen die Orgel zeige, finden sie auch das Pedalsolo aus BWV 540 oder 549 "geil". Aber ich frage mich, ob unser Gottesdienst solche Piratengesänge braucht. Ich habe die Frage auch mal an unsere LKMDin geschickt mit der Bitte, sie beim nächsten Kantorenkonvent auf die TO zu setzen. Denn ich denke, da wäre jeder seriöse Orgellehrer gefragt, gesckmacksbildend auf seine Schüler einzuwirken.
Ich habe dieses Thema bewusst nicht unter der Rubrik "Musikalisches" gepostet. Ich will auch kein Dogma aufstellen. Wer so was mag, der soll sich damit zudröhnen, bis die Nachbarn die Polizei holen. Aber er soll bitte nicht sagen, das sei geeignete Musik für den Gottesdienst - es sei denn, für den ökumenischen Eröffnungsgottesdienst zum Jahreskongress der Filmkomponisten (die sich dann - bis auf einen - grün und blau ärgern, dass das eigene Opus nicht zum Zuge gekommen ist).
LG
Michael
[grin] Habe deine Schilderung wieder einmal sehr genossen, lieber Michael. [grin]
Fernab von hoher Literatur kam ich verwichenen Sonntag anlässlich unseres Erntedankfestes in musikalische Hochgenüsse. Die Gottesdienstmusik war im Vorfeld zwischen Pfarrband ("Schrumm-Schrumm", ihr erinnert euch?) und mir aufgeteilt worden. Die Orgel "Durfte" zwar quantitativ mehr musizieren, musste dafür aber genau an jenen Stellen schweigen, wo die eigentliche Thematik des Tages - Erntedank - zum Zuge kam: Einzug und Gabenbereitung gehörte der Schrumm-Schrumm-Fraktion.
Am liebsten hätte ich schallend losgelacht, als beim Eingangslied die versammelte Gemeinde mehr oder minder genötigt wurde, einen "Kürbis, dick — und — rund" zu besingen.
Ja Herr im Himmel! Haben wir denn schon Halloween, oder was?
#4 RE: "Fluch der Karibik"
@Aerodynic
Wenn Du meinst ... und Zeit und Muße dafür hast ... Denn üben muss man das schon.
Ich denke mir immer: verschwendete Übungszeit.
Um gleich mal noch etwas OT zu gehen: Nachdem nun die Opera der letzten Seminarmusiklehrer des 19. Jh. dem Vergessen entrissen und neu aufgelegt wurden, stürzen sich die Herren Editores momentan auf alles, was sich nicht dagegen wehrt, transkribiert zu werden. Das ging ja los mit den "Bildern einer Ausstellung", die als Orchesterwerk faszinierend, in der Orgelbearbeitung einfach fad klingen. Die einzig gelungenen Transkriptionen, die mir in letzter Zeit in die Finger gefallen sind, waren Erwin Horns Bruckner-Bearbeitungen - 1. weil Bruckners sinfonische Orchesterwerke "Orgelmusik für Sinfonieorchester" sind und 2. Horn es wirklich kann ...
LG
Michael
#5 RE: "Fluch der Karibik"
@Gemshorn:
Bei uns war's heute früh richtig schön im Erntedankgottesdienst - mit Chor, Buxtehudes F-Dur-Toccätchen vorne weg und Johann Speths eleganter "Toccata prima" hintenweg.
Ich habe mich übrigens erdreistet, im GL neu zu räubern und ein dort neu aufgenommenes "Credo in unum Deum" als Kehrvers für Chor zu setzen. Dann habe ich den deutschen Text - wie angegeben - kantilliert. Das Publikum war durchaus amused. Ich habe natürlich nicht verraten, dass das bei den Papisten geklaut ist. Nur meine Chorsänger wissen es - und die halten dicht.
Seit ich mal in St. Pauls zu London im "Evensong" vierstimmige Psalmodien von britischen Romantikern gehört habe, mache ich derlei nach - natürlich auf deutsch. Unsere Gemeinde schätzt es, den Introituspsalm gelegentlich mal zu hören, statt ihn zu sprechen. Und der Chor singt das ganz gern.
LG
Michael
#7 RE: "Fluch der Karibik"
Hm, also, wenn ich mit einem "Ave Maria" daherkäme, dann gäb's wahrscheinlich (berechtigten) Ärger. Aber "Menschen, die ihr wart verloren" habe ich mal für Solo, Chor und Orgel bearbeitet und in einer Christvesper gesungen. Das kam ganz gut an, obwohl ich zugegeben habe, es im anderen Gesangbuch geklaut zu haben. Das ist mehr so ein "running gag" zwischen mir und dem Pfarrer, dass wir uns gegenseitig der Häresie überführen ...
Kyrie und Sanctus einer Messe von Karl Kraft habe ich auch mal mit dem Chor gesungen. Denn in unserer lutherischen Abendmahlsliturgie gibt es ja die entsprechenden liturgischen Orte. Und ein gewisser Herr Bach, Johann Sebastian mit Vornamen, hat (außer einem "Magnificat") drei "lutherische Messen" in lateinischer Sprache komponiert, jeweils aus Kyrie und Gloria bestehend ...
Kyrie und Gloria-Ruf sind ja auch bei uns und in den Kirchenordnungen der meisten ev. Landeskirchen feste Bestandteile der Eingangsliturgie.
LG
Michael
Das Gerangel um die Konfessionalität der Lieder verstehe ich ohnedies nur begrenzt.
Alles was in den Bereich Lob/Dank/Bitte usw. fällt, müsste prinzipiell ökumenisch austauschbar sein. Die Zahl der ö-Lieder ist im neuen GL ja nochmals angewachsen. Ich denke, dass hier mehr gemeinsam sein kann, als man auf den ersten Blick sieht; es sind ja nicht alle Lieder in jedem Buch abgedruckt, das gilt auch innerkonfessionell.
Bin in diesen Fragen immer für große Offenheit.
#9 RE: "Fluch der Karibik"
Tja, an Paule Gerhard, Fritze Spee und Angelus Silesius kommt so schnell keiner der zeitgenössischen Verseschmiede heran. R.A. Schröder und Jochen Klepper ausgenommen - und natürlich Bonhoeffer, der wohl nie damit rechnete, dass seine "guten Mächte" dermaleinst vertont würden.
LG
Michael
#10 RE: "Fluch der Karibik"
... ich meine zu erinnern, daß einer unserer Mitforianer vor längerer Zeit, mit diesem musikalischen "Fluch" seine Gloria via YT hier gepostet hatte. Da hat sich niemand drüber aufgeregt.... Ich fand das damals mutig.
Hat eigentlich jemand eine gute Transcription davon? Was ich bislang sah , war nicht so berauschend. Reizen tät es mich schon....
Achtung Ironiemodus an:
Allein für den Fall, daß meine Gemeinde einen Kürbis per Diktat einer "Schrumm-Schrumm-Gruppe" besingen müßte, oder falls es dem Liturgiekreis im Sinne einer "zeitgemäßen" Liturgie einfiele ein "Halloween"-Hochamt zu feiern. Da wär ich doch gern gerüstet. Wenn ich recht entsinne, hat unser Pfr. sogar ein Piratenkostüm in seinem Fundus... Ironiemodus aus
Zu den Bildern einer Ausstellung schaue man doch mal hier (da war er noch sehr jung!) ab etwa 5:40:
Die Orgel als "orchestrales Instrument" auch in der Liturgie, halte ich durchaus verwendbar. Dan Miller macht es ja auch immer wieder vor. Wenn es paßt und sich die Orgel in die Liturgie einordnet, rümpft keiner die Nase. Alles andere ist "Gut gemeint" = "voll daneben".
So habe ich anläßlich eines Kinderrequiems "Gabriel´s Oboe" ex "The Mission" in Verbindung mit Buxtehudes "Klaglied" (BuxWV 76,2) mit beeindruckenden Reaktionen der Messbesucher gespielt.... Beides echte Transcriptionen und von Hause aus orgelfremd. Es ist immer die Frage, was man wann - wie - zu welchem Anlaß macht.
LbG
clm
Zitat
Das Gerangel um die Konfessionalität der Lieder verstehe ich ohnedies nur begrenzt.
Eine auch bei uns von Laien immer wieder gerne angeführte Argumentation ist, das "neue" (inzwischen ca. 10 Jahre alte) Gesangbuch sei nicht "neuapostolisch" genug. Mir persönlich ist die Herkunft eine Textes (fast) egal, solange sein Inhalt in sich stimmig ist und zum entsprechenden konfessionellen Theologieverständnis passt. Wichtig ist doch letztlich nur, dass das Lied zum Gottesdienst passend (also liturgisch und thematisch) vorgetragen wird.
Mal zurück zum eigentlichen Thema:
@Wichernkantor: Bingo! Genau diese Einstellung meine ich. Das Brautpaar ernst nehmen in seinem Wunsch, dass die Musik bitte irgendwie hörbar sein soll und dann auch hörbare Musik bieten. Und siehe da: Du warst glücklich, ohne Fluch auszukommen und das Paar war es offenbar auch. Das erfordert aber genau dieses Händchen dafür.... Und ich füge hinzu: ich vermute, das Publikum hat auch gehört, dass Du mit Freude gespielt hast.
#13 RE: "Fluch der Karibik"
@Clemens: Damit habe ich überhaupt kein Problem. Daheim soll jeder an seiner Orgel spielen, wozu er lustig ist und es meinetwegen auch bei Youtube posten.
Gottesdienst ist eine öffentliche Gemeindeveranstaltung. Und da wird die "Szenemusik" der Kirche gemacht - eben Kirchenmusik. In einem heavy-metal-Schuppen wird ja auch kein Hiphop gespielt.
Und ich denke, da ist von der Reformation bis zur Gegenwart eine Menge geschrieben worden, was die Mühe des Übens lohnt. Da muss ich nicht nach Transkriptionen suchen. Und ich kann mir nicht helfen. Die Bilderausstellung gefällt mir im Original einfach erheblich besser als in der Orgelbearbeitung - aller Fingerfertigkeit und registriertechnischen Raffinesse zum Trotze und Trutze.
Ich habe als "junger Wilder" (meistens im Zusammenhang mit irgendwelchen blödsinnigen Wetten) auch "A whither shade of pale" von "Procul Harum"sub sacramentum in die Tasten geschmachtet und mal den rosaroten Panther um die Kirche schleichen lassen ...
Heute würde ich das sicher nicht mehr machen - obwohl ich immer noch für Blödeleien zu haben bin. Die gibt's aber dann hinterher beim Kirchenkaffee.
LG
Michael
Zitat von Laurie Phelps
Ich wünschte mir, dass man häufiger solch Cross-Over hörte, wo man sich der schlichten Melodie bemächtigte und sie (warum nicht auch ganz klassisch bachmäßig?) verarbeitete!
Mir fällt da gerade folgendes Beispiel ein. Dies wurde ich schon im Gottesdienst einsetzen. Ein reine Lady Gaga Melody jedoch nicht.
Jetzt anmelden!
Jetzt registrieren!