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Besuch beim Orgelbauer
#1 RE: Besuch beim Orgelbauer
Vorsicht, very OT!
Ich bin ja derzeit in Slowenien in Urlaub und wir haben – nach Zwischenstopp bei Gemshorn und kurzer Betastung von dessen Dienstorgel – drei Tage in Rogaska Slatina verbracht. Dort hat der Orgelbauer Anton Skrabl seine Werkstatt. Wobei der Begriff "Werkstatt" leicht untertrieben ist, denn die Firma hat 60 – in Worten: SECHZIG Mitarbeiter. Damit dürfte sie eines der größten Unternehmen der Branche in Europa sein. Ich kann mich entsinnen, dass bei uns nur Klais, Oberlinger und Walcker in ihren (Nachkriegs-) Glanzzeiten so viele und mehr Leute beschäftigten.
Anton hat ja bei Sandtner gelernt und dann in Ludwigsburg die Meisterschule absolviert. Inzwischen sind die Mitarbeiter „Eigengewächse“. Aber die Meister gehen alle zur Ausbildung nach Ludwigsburg. Eine ganze Galerie deutscher Meisterbriefe hängt im Büroflur.
Was ich gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt. Ich habe ja Anfang der 70er in den Semesterferien immer als Praktikant bei Orgelbauern gearbeitet. Und seither hat sich etliches geändert – vor allem in der Holzbearbeitung und Verarbeitung. Was war es in meinen Jünglingsjahren ein mühsames uns zeitaufwändiges Geschäft, an einer Windlade nach dem Einleimen der Kanzellenschiede die Lade winddicht „abzurichten“ und das Fundamentbrett zu verleimen. Für Stöcke und Bohrungen wurden Schablonen gefertigt, die 1:1 mit peinlichster Genauigkeit aufs Holz übertragen wurden.
Heute wird eine CAD-Zeichnung erstellt. Die wird an die Fräse übertragen, die das eingespannte Werkstück mit Laser abtastet und die kompliziertesten Verführungen auf den Zehntelmillimeter genau ausfräst. Was seinerzeit Tage dauerte, ist mit modernen Maschinen ein „kurzer Prozess“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Nur in der Pfeifenmacherei geht noch alles von Hand. Die Gießbank und die Rundiermaschine erlauben das Herstellen offener 32’er. Unter der Hand hat mir der Meister verraten, wer seine großen Metallpfeifen alles bei ihm fertigen lässt ...
Eine ganze Abteilung fertigt Zungenregister. Auch das ist nach wie vor sehr arbeitsintensiv. Und vom Können des Zungenintonateurs habe ich mich dann in der Orgel in Rogla überzeugt. Da fand ich eine ausgezeichnete Oboe vor. Völlig gleichmäßig und rund im Ton, absolut perfekt egalisiert und vom Timbre an die Cavaillé-Colls in der Trinité und St. Ouen erinnernd.
Die Firma hat in 25 Jahren mehr als 300 Instrumente gebaut – mehr als die Hälfte in Slowenien, viele in Österreich, etliche in Deutschland und in letzter Zeit mehrere in England, Belgien und den Niederlanden.
Wertarbeit zu Preisen, die erstaunen.
Das Holz stammt überwiegend aus unmittelbaren Umgebung. Und die Vorratshaltung im Holzlager ist so ausgelegt, dass vier bis fünf große Instrumente pro Jahr gebaut werden können.
Wenn ihr mal in die Gegend kommt, lohnt sich ein Besuch. Die Skrabls sind sehr gastfreundlich. Nicht jeder hätte sein Sekretariat einen halben Tag lang damit beschäftigt, mit den diversen Pfarrämtern Termine für die Betastung von Referenzinstrumenten in der Umgebung auszumachen ...
Da ich ein Aufnahmegerät ins Urlaubsgepäck geschmuggelt hatte, habe ich einen Sack voller Klangproben.
So, jetzt ist die Hausfrau fertig mit der Morgentoilette und wir ziehen los.
Samstag geht es zurück in die Heimat.
LG
Michael
Ich habe Herrn Skrabl und seine Firma letztes Jahr im Oktober bei der Kirchenmesse Gloria in Augsburg kennenlernen dürfen. Deine Eindrücke kann ich so nur bestätigen: sehr freundlich und aufgeschlossen (war dann sogar mit mir bei Kisselbach am Stand zum Plaudern; es ging um Hybridorgeln. Seine kleinen Instrumente, die er zur Ausstellung dabei hatte, haben durchaus Lust auf mehr gemacht. Truhenorgel für den Kirchenchor? Bei Skrabl fragen. Gefühlt 5.000,- € günstiger als hier zu Lande!
Wäre natürlich höchst interessant zu wissen, welche Firmen ihre Metallpfeifen bei ihm produzieren lassen. Aber auch diese Tatsache spricht ja für seine Qualität...
#3 RE: Besuch beim Orgelbauer
Zitat von Subbass
Wäre natürlich höchst interessant zu wissen, welche Firmen ihre Metallpfeifen bei ihm produzieren lassen. Aber auch diese Tatsache spricht ja für seine Qualität...
Durchaus renommierte Etablissements, die in jüngerer Zeit attraktive Großaufträge ausgeführt haben. Ich war immer erstaunt, wenn ich deren mehr als akzeptable Preise erfuhr. Mit neuem Erkenntnisstand wird mir klar, wie solche günstigen Offerten zustande kommen - und das ohne Qualitätseinbußen. Ich habe natürlich versprochen, die Namen für mich zu behalten. Die gibt's auch nicht per PN …
Also, wo X oder Y draufsteht, ist bisweilen Skrabl drin. Und das ist gut so - vor allem, wenn man sich die phantastischen Zungen anhört. Die Orgel in Rogla hatte auch eine Posaune 16' in Metall - die war der Hammer. So was von fest und klar im Ton. Und weit entfernt von polterndem Gebrüll.
LG
Michael
Das ist doch wirklich mal was anderes! Ich weiß nur nicht, wie herum ich das Bild halten soll, ohne dass mir schwindlig wird! [grin]
Die Koppelanlage verstehe ich nicht so ganz:
I = III, II-I, III-Ped., II-Ped.
Ich dachte, beim Koppelmanual sei ein Manual fest gekoppelt. Warum gibt es trotzdem eine Manualkoppel II auf I? Ist das, damit man das Hauptwerk auch auf dem ergonomisch günstigeren ersten Manual ungekoppelt spielen kann (wenn ich keine Koppeln brauche)? Wenn ich dann manualkoppele, ist das ungekoppelte HW auf III, oder?
#5 RE: Besuch beim Orgelbauer
Du hast das SW fest an I und III. II (HW) kannst Du an I koppeln. So hast Du (bei gezogener Koppel II-I) beides an I gekoppelt, auf II das HW allein und auf III das SW allein. Ungekoppelt kannst Du Trios auf I und II spielen. Das liegt wirklich besser in der Hand.
Die Kirche ist architektonisch sehr interessant. Das Prinzip sind zwei nebeneinander gestellte Kegelsegmente unterschiedlicher Höhe und unterschiedlichen Durchmessers, daneben ein Vollkegel als Turm. Es gibt keine gerade Wand- oder Deckenfläche, die schmale Stirnseite des Eingangs ausgenommen. Der Raum hat nur etwa 100 Plätze, aber drei Sekunden Nachhall. Die ganze Innenschale ist in Holz ausgebaut - mit hervorragenden Resonanzeigenschaften. Die ganze Orgel wirkt wie eine optische Täuschung. Das Auge muss sich am waagerecht stehenden Spieltisch orientieren.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor
Du hast das SW an I und III. II kannst Du an I. koppeln. So hast Du (bei gezogener Koppel II-I) an I beides gekoppelt, auf II das HW allein und auf III das SW allein. Ungekoppelt kannst Du Trios auf I und II spielen. Das liegt wirklich besser in der Hand.
Ah, danke für die Info! Dann ist die HP des OB diesbezüglich wohl fehlerhaft (I. Manual = HW etc.)
Ist das links im Prospekt bei dieser Orgel ein offenes 16'-C?
Zitat von Wichernkantor
(...) denn die Firma (Skrabl) hat 60 – in Worten: SECHZIG Mitarbeiter. Damit dürfte sie eines der größten Unternehmen der Branche in Europa sein. Ich kann mich entsinnen, dass bei uns nur Klais, Oberlinger und Walcker in ihren (Nachkriegs-) Glanzzeiten so viele und mehr Leute beschäftigten.
Klais glänzt wohl noch heute - so steht's zumindest in diesem Zeit-Artikel.
LG
Martin
#7 RE: Besuch beim Orgelbauer
Nein, ein F. Mehr geht nicht, denn links vom Gehäuse an der gegenüberliegenden Wand ist der tiefer gezogene Eingangsbereich im Turm, den die Wandschräge anschneidet. Die tiefsten vier vom Prinzipalbass liegen in Holz hinter dem Prospekt.
Ja, Klais dürfte derzeit der größte Orgelbauer bei uns sein, nachdem Oberlinger "abgewickelt" wurde. Und da er mittlerweile wieder ein sa(a)genhaftes Intonationsteam hat, spielt er wieder ganz vorn in der Oberliga. Für eine Intonation von Saage (Speyerer Dom, Ev. Kirche Kaufbeuren) lasse ich alle Schreihälse aus eidgenössischen Nobelschmieden stehen.
Klais hat ein gigantisches Holzlager. Und seine Verarbeitung war und ist stets picobello. Eine Kegellade von Klais, so ab den 30er Jahren gebaut, kriegst Du nicht kaputt. Alle 30 Jahre mal kräftig drübergepustet, und die Dinger gehen bis zum Jüngsten Tag. Ans Zungenbauen hat er sich nie getraut. Dafür gab's ja Giesecke/Furtwängler. Aber m.W. sind die auch in Konkurs, wie auch Laukfhuff ja nur gerettet werden konnte, weil ein neues Team einstieg. Dabei war der Laukhuff-Katalog mal die Bibel der Orgelbauer …
Inzwischen sind sie in Weikersheim aber wieder ganz gut im Geschäft, u.a. mit digitalisierten Setzeranlagen. Ein Freund von mir ist Spezialist auf dem Gebiet elektronischer Spieltischeinrichtungen und kooperiert eng mit L.
LG
Michael
Die erste Orgel die Anton Skrabl in Österreich baute, ist die in der Filialkirche von Wartmannstetten (Filialkirche der Pfarre Neunkirchen) mit 9 Registern auf 2 Manuale und Pedal.
Initiiert wurde diese Orgel von einem in der Pfarre Neunkirchen ansässigen Orgelliebhaber, dem es nach anfänglicher Skepsis gelang, W. Senstschmid und Vikariatskantor Albert Mülleder(+) von diesem Projekt zu überzeugen. Dieser Orgelliebhaber unternahm mit W. Sengstschmid und Albert Mülleder(+) eine Reise zur Orgelbauwerkstätte in Rogaska Slatina, was im Ergebnis dazu führte, dass diese - nach anfänglicher großer Skepsis - vollends mit großer Begeisterung dieses Orgelprojekt unterstützten.
Disposition dieser Orgel (Bj. 1995):
Manual I:
- Rohrflöte 8'
- Prinzipal 4'
- Mixtur 1 1/3' (4fach)
Manual II:
- Gedeckt 8'
- Gemshorn 4'
- Prinzipal 2'
- Rauschquinte 1 1/3'
- Tremulant
Pedal:
- Subbass 16'
- Pommer 8'
Koppeln: II/I, I/P, II/Pedal
Dieses Instrument ist mit einer "mechanischen" Freikombination versehen, d.h. die Registerzüge, deren Kopf nach innen gedreht wird, fahren bei Betätigung der Kombinationstritte hinaus bzw. hinein. Dieser Orgel war sozusagen der erste Prototyp der Skrabl-Orgeln in Österreich, viele weitere Orgeln folgten diesem Instrument.
Die Orgel wurde zu einer Zeit gebaut, als Slowenien noch ein Lohnniveau von ca. 13% (!) hatte. Das spielt natürlich bei der Preisgestaltung und bei Lohnkosten von 70% der Gesamtkosten eine enorme Rolle. Eine hervorragende und exakte Mechanik, wo selbst die Manualkoppel kaum zu spüren ist. Andere Instrumente sind selbst ohne Manualkoppel schwergängiger. Eine 9-registrige-Orgel konnte somit seinerzeit um S 600.000,00 realisiert werden, zur damaligen Zeit hätte ein Instrument eines österr. Orgelbauers mindestens das doppelte betragen.
Dieses Instrument ist auch hervorragend intoniert, klingt sie im Kirchenraum doch ganz anders, als man sie aus der Organisten-Perspektive wahrnimmt. Man hat hier versucht, mit 9 Registern doch auch einen raumfüllenden Klang zu erzeugen, ohne aufdringlich zu wirken.
Johannes
Hier ein Bild direkt von der Homepage des Orgelbauers Anton Skrabl/Slowenien:
Oh! Die Orgel in Wartmannstetten kenne auch ich, habe sie vor Zeiten auch einmal probegespielt. Der Klang hat mich voll und ganz überzeugt - und ich empfahl meiner Gemeinde damals, die geplante neue Orgel von Skrabl bauen zu lassen.
Widerstand kam dann vom Kirchenmusikreferenten der Region; man möge doch "keinen Ausländer beauftragen" (O-Ton!), denn sonst gebe es keinen Cent Förderung von seiten der Diözese. Nett, oder?
Zitat von Gemshorn
Widerstand kam dann vom Kirchenmusikreferenten der Region; man möge doch "keinen Ausländer beauftragen" (O-Ton!), denn sonst gebe es keinen Cent Förderung von seiten der Diözese. Nett, oder?
Ich nehme an, es müsste sich in Deinem Fall um den Kirchenmusikreferenten der Diözese Eisenstadt handeln. Denn Walter Sengstschmid (Leiter vom Amt für Kirchenmusik und des Diözesankonservatoriums Wien) und Albert Mülleder (Vikariatskantor Vikariat Wien SüD) wurden vollends von diesem Orgelprojekt überzeugt, nachdem sie selbst einen Besuch in der Orgelwerkstätte des Anton Skrabl abstatteten.
Eine weitere Skrabl-Orgel in Deiner Nähe mit 16 Registern befindet sich in Kirchau bei Scheiblingkirchen. Die solltest Du dir unbedingt auch einmal ansehen - diese wurde in das historische (alte Gehäuse) eingebaut.
Johannes
Nein, es war eine andere Region. Mehr sage ich hier aber auch schon nicht, denn der Herr ist noch in Amt und Würden. [wink]
Danke für den Tipp; die würde ich mir tatsächlich gerne ansehen.
Ebenfalls von Skrabl ist die Orgel in der Wallfahrtskirche Kleinmariazell. Ein klangliches Kleinod, meiner Meinung nach.
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