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RE: Die Orgeln der Trierer Konstatin-Basilika
#1 RE: Die Orgeln der Trierer Konstatin-Basilika
Vor einigen Wochen hatte ich ja meine Eindrücke von einer neuen Orgel in der Kath. Gießener Hauptkirche st. Bonifatius mitgeteilt. Mein Kurzresümee: viel zu laut.
Nun hat der selbe Orgelbauer vor Jahresfrist ja eine große Orgel in die Trierer Konstantinbasilika gebaut. Obwohl ich in der Gegend aufgewachsen bin und bei jedem Besuch in der Heimat daran vorbeifahre, habe ich es noch nicht geschafft, das neue Instrument live zu hören. Aber dankenswerter Weise hat mir einer unserer Forumskollegen die erste CD zugespielt, die der "Hausherr" Martin Bambauer eingespielt hat.
Die Basilika, Kirche der Ev. Kirchengemeinde Trier, ist mit rund 61.000 cbm Rauminhalt einer der größten Räume Deutschlands. Die monumentale Wirkung des Raumes wird verstärkt durch seine schnörkellose Form. das ist einfach eine riesige Halle von der Kubatur eines auf die Seite gelegten Schuhkartons. Kein Pfeiler, kein Gewölbe, eine flache Holzdecke und relativ viel Licht durch große Klarglasfenster.
Mehr über den Raum hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantinbasilika
In eine der Fensternischen (schlaffe 11 Meter hoch ...) hat Schuke anno '61 II/31 gebaut. Trotz heftiger Disposition (Spanierinnen 16,8,4 im Hw, das Pedal nur mit Prinzipalreihen, vielchörigen Mixturen und Fortissimo-Zungen in Schlachtschiffmensur besetzt) und deftiger Intonation "schaffte" die Orgel maximal das vordere Raumdrittel. Eine üppige Weigle aus dem späten 19. Jh. war von der britischen Luftwaffe anno '44 "radikalsaniert" worden ...
Ihr Platz an der Rückwand blieb leer. 70 Jahre lang leistete die Denkmalpflege erbitterten Widerstand gegen jedes Ansinnen, auch nur einen Quadratmeter der historisch bedeutsamen, ästhetische Höchstreize vermittelnden Ziegelmauer durch ein hässliches Orgelgehäuse zu entstellen (Vorsicht: Satire!).
Da auch Landesoberkonservatoren (die Basilika gehört dem Land) sterblich sind, erlahmte der Widerstand biologisch bedingt und so entstand an der akustisch günstigsten, raumbeherrschenden Stelle eine angemessene Hauptorgel, die im Herbst '14 inauguriert wurde. Das Land hat sie überwiegend bezahlt (ich glaube, der Spaß kostete drei Millionen). Der Auftrag ging an Eule, Bautzen.
Hier die technischen Details und die Disposition:
https://de.wikipedia.org/wiki/Orgeln_in_...stantinbasilika
Ein ganz schön fettes Teil also. Und ein Raum, der noch mehr vertragen hätte ...
Nun zu meinen Eindrücken: Die CD
https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/...er/hnum/7333765
fängt Raumklang ein - also keine der in Mode stehenden nahmikrophonierten Aufnahmen ("close-up-recording" nennt man das auf deutsch). Da der Raum akustisch völlig tückenfrei ist, sieht man von der Größe und der hoch liegenden Wahrnehmbarkeitsschwelle ab, wirkt die Orgel ungemein klar und präsent. Und ich bin baff, wie sogfältig ausbalanciert und differenziert das alles ankommt. Gerade der Karg-Elert (Partita retrospettiva) ist ein Paradestück für einen Farbenzauber sondergleichen.
Sogar die - im deutschen (Groß-)Orgelbau ja inzwischen wohl obligatorische - Hochdruck-Krawalltröte auf gefühlten fünf Atü Druck und 120 Dezibel wirkt unter diesen Rahmenbedingungen fast dezent - vor allem, wenn der User weiß, wofür sie gedacht ist und das klug berücksichtigt. Schade, dass das - ansonsten nicht nur horizontweitende, sondern auch souverän dargebotene - Programm keinen Bach enthielt. Denn das kann der Interpret nachweislich. Und ich vermute, die Orgel gibt auch das hervorragend her.
Auf jeden Fall steht die Orgel ganz oben auf der Liste der Instrumente, die ich in nächster Zeit live erleben will.
Ganz dickes Kompliment an alle am Projekt Beteiligten: Die Schuke wurde nicht schlechtgeredet und nach Polen verscherbelt. Sie wird auch nicht in Würde sterben oder "reorganisiert", sondern dient weiterhin als eigenständige und im Gottesdienst gern genutzte "Chororgel". Bei der letzten EKD-Synode in Trier hatte ich das Vergnügen, den Hausherrn an diesem Instrument im Gottesdienst zu hören. Beide haben mich total überzeugt.
Mein Gesamteindruck: Die Basilika dürfte jetzt eine der gelungensten Orgelanlagen des Landes besitzen.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor
https://de.wikipedia.org/wiki/Orgeln_in_der_Konstantinbasilika
Ein ganz schön fettes Teil also. Und ein Raum, der noch mehr vertragen hätte ...
Nun zu meinen Eindrücken: Die CD
https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/eule-orgel-konstantin-basilika-trier/hnum/7333765
LG
Michael
Wow, die Gute hat ja schon richtig Domorgelcharakter rgel:
Zitat von Orgelfan
Wow, die Gute hat ja schon richtig Domorgelcharakter rgel:
Soll das ein Witz sein?
Also, wenn der Raum und die Orgel keinen Domcharakter haben ... [grin]
Der Wiederaufbau der Palastaula und die Übergabe an die evgl. Gemeinde vor 150 Jahren war mit der Intention verbunden, evangelischerseits in der rheinischen Landeskirche ein Pendant zum Kölner Dom zu schaffen. Die Rückwand, an der die Orgel mit ihrem 32'-Prospekt hängt, ist 30 m breit und 36 m hoch, die einzelnen Felder das Kassettendecke haben mit 3 x 3 m durchaus Zimmerformat. Die Proportionen sind also riesenhaft; wenn in der römischen Palastaula ein kleiner Provinzfürst zu einer Audienz vom vorne thronenden Kaiser empfangen wurde, ist der vermutlich sooo klein mit Hut gewesen, ehe er vorne angekommen ist!
Da gibt es manche katholische Dome, die kleinere Dimensionen haben düften, so z.B. ist dieser hier nicht wirklich groß und auch der in Aachen nicht - erst recht nicht, wenn man den gotischen Chor abzieht. Der EisenstäDter Dom sieht auch nicht so riesig aus...
Im blauen Forum hatte ich etwas über eines der ersten Konzerte an der Trierer Eule-Orgel geschrieben.
LG
P.S. Es gibt auch einen elektrischen Spieltisch im Schiff, der an mehreren Position aufgestellt werden kann. Hier zu sehen.
Zitat von Wichernkantor
Die Schuke wurde nicht schlechtgeredet und nach Polen verscherbelt. Sie wird auch nicht in Würde sterben oder "reorganisiert", sondern dient weiterhin als eigenständige und im Gottesdienst gern genutzte "Chororgel".
Hmmh, in der Tat würde mich auch mal interessieren, wie oft bei der Schuke in diesem Jahr der Motorschalter gedrückt worden ist, wo das schöne, neue Instrument zur Verfügung steht ...
Meines Wissens sind in der "Basilika" regelmäßig auch nicht mehr Gottesdienste als das, was mittlerweile in vielen katholischen Kirchen (noch) Standard ist: Ein Sonntagsgottesdienst. Für den Winter steht der Caspar-Olevian-Saal (kleine Van-Vulpen-Orgel) zur Verfügung.
#8 RE: Die Orgeln der Trierer Konstatin-Basilika
Gerade im normal besetzen Sonntagsgottesdienst würde ich die Schuke vorziehen. Die Basilika fasst ca. 2500 Personen. Wenn da Sonntagfrüh 50 bis 100 Hansel vorn auf den Kirchenstühlen sitzen, dann hat man mit der Chororgel den viel besseren und direkteren Draht zur singenden Gemeinde. Außerdem eignen sich die kantigen Prinzipalchöre sehr gut zur Begleitung. Trotz der zu überwindenden Distanz von rund 60 Metern plus Treppenspindel würde ich für ein romantisches Nachspiel dann eben "Stellungswechsel" machen. Ich nehme nicht an, dass Kollege Bambauer die schöne Orgel verkommen lässt ...
LG
Volle Zustimmung; dass man mit der Schuke-Orgel gut begleiten können sollte, steht außer Frage. Und dass Herr Bambauer die Wartungsverträge für die Schuke-Orgel kündigt, ist nicht wirklich zu erwarten.
Ich habe gerade in einem nicht öffentlich zugänglichen Artikel im Archiv des Trierischen Volksfreunds eine Konzertkritik von einem Konzert der Moselfestwochen 2005 gelesen, damals musste man Stühle aufstellen, da mehr als 1.200 Besucher da waren. Ich hatte auch was von 1.200 Sitzplätzen im Kopf ... 2.500 Besucher passen ganz gewiss in den Raum, dann braucht man aber ne Menge Stühle! Putze: [grin] rgel:
Zum Sonntagsgottesdienst kommen aber schon mehr als 50 Gläubige. Man hat ja letztes Jahr auch die Christuskirche geschlossen, so dass neben der ev. Kirche im Stadtteil Ehrang nur noch die "Basilika" als evangelischer Gottesdienstraum in der Domstadt übrig geblieben ist.
#10 RE: Die Orgeln der Trierer Konstatin-Basilika
1.200 Kirchenstühle stehen drin - und da sind ja im hinteren Drittel noch gute 20 Meter Platz für die ganzen Touri-Gruppen, die da reingeschleust werden. Lass 150 Leute im GoDi sein - das sind bei der normalen Bestuhlung keine acht Bankreihen - von 40 oder so ...
@Orgelfan: Das ist der größte Kirchenraum auf deutschem Boden links des Rheins und die größte ev. Kirche des Landes - ein paar Kubikmeter umbauter Innenraum mehr als der Kölner Dom, wenn ich das richtig im Kopf habe. Nur wenn man das Volumen der Türme und der Chorkapellen mitrechnet, ist Köln größer. Durch die großen Flächen und die Proportionen wirkt die Basilika optisch kleiner, so lange kein Mensch als "Bezugsgröße" im Bild ist. Die Kassetten der Decke sind jeweils decken jeweils 9 qm ab. Von unten wirken sie wie die Wandkacheln im Badezimmer ...
Da wirkt ein offener 32' in der Relation zum Raum wie ein 4' in einer Stadtkirche. Selbst ein 64' würde die Rückwand nicht optisch erschlagen.
LG
Zitat von Wichernkantor
@Orgelfan: Das ist der größte Kirchenraum auf deutschem Boden links des Rheins und die größte ev. Kirche des Landes - ein paar Kubikmeter umbauter Innenraum mehr als der Kölner Dom. Nur wenn man das Volumen der Türme und der Chorkapellen mitrechnet, ist Köln größer.
H. G. Klais nennt in seinem Aufsatz "Die Orgel im großen Raum" (in: Die Orgel als sakrales Kunstwerk, Band III) für die Münchener Liebfrauenkirche 70.000 cbm, das ist also ungefähr eine Größenordnung mit der Konstantinbasilika; der Kölner Dom wäre dagegen mit 195.000 cbm ziemlich genau dreimal so groß. Zumindest wird diese Zahl in diesem Aufsatz genannt - oder bezieht sich diese so viel größere Zahl auf das umbaute Volumen an sich, d.h. inkl. Turm-Obergeschosse und Dachboden, die nicht zum zu beschallenden Hauptraum gehören? Das fände ich dann etwas unseriös, da man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen kann...
Die Kathedralen in Speyer, Mainz, Xanten, Trier, Lübeck, Magdeburg, Ulm ("größte evangelische Kirche in Deutschland"), Landshut, Freiburg, der Nevigeser Wallfahrtsdom (6.000 Plätze) sowie die Annabasilika Altötting, die angeblich 8.000 Personen fasst, gehören sicher auch in die Kategorie der wirklich großen Kirchenräume
#13 RE: Die Orgeln der Trierer Konstatin-Basilika
München ist eine sehr gute Vergleichsgröße - auch von der relativ unkomplizierten Raumstruktur her. Denn das ist eine schnörkellose frühgotische Halle. Auch da gibt es eine üppige Hauptorgel und im vorderen Bereich eine seitlich platzierte Chororgel mit 30 plus x Stimmen.
Die Kubatur von Köln mit allen Türmen, Fialen, Seitenkapellen etc. liegt sicher bei 160.000 cbm. Aber das Innenvolumen dürfte wohl kaum über der sechsstelligen Grenzmarke liegen.
Bei Ulm ist wohl auch die Außenkubatur gerechnet. Der Turm allein dürfte es bereits auf einen fünfstelligen cbm-Wert bringen ...
Die Annabasilika in Altötting ist auch ein der Konstantinbasilika vergleichbarer Raum. Da ist das Pedal mit offenem 32' als Rückpositiv in die obere Empore gehängt und trägt an dieser Stelle optisch auch nicht stärker auf als ein 4' in einer mittelgroßen Dorfkirche. Allein die Orgelempore hat die Grundfläche einer Schulturnhalle.
LG
#14 RE: Die Orgeln der Trierer Konstatin-Basilika
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