klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien

11.01.2016 09:12
#1 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Mich würde aus aktuellem Anlass interessieren, wo jetzt insbesondere der große vor allem klangliche Unterschied zwischen Saugwindinstrumenten (= amerikan. System) und den Druckwindinstrumenten (= französischen System) besteht?

Natürlich gibt es einige auffällige Unterschiede, anhand derer auch ein Laie sofort zwischen Druck- und Saugwindinstrumenten unterscheiden kann:

Druckwind-Harmonium (= frz. System, älteren Typs in Europa):
1) Expressionszug
2) Manualteilung zwischen e' und f'
3) Klaviaturumfang (C-c4)

Saugwind-Harmonium (= amerikan. System, neueren Typs in Europa, preiswerter herstellbar):
1) fast nie ein Expressionszug
2) Manualteilung zwischen h und c'
3) Tonumfang (F bis f3)
4) Oktavkoppeln

Einerseits gibt es eine eigenständige, wenn auch eingeschränkte Literatur für Harmonien, andererseits dienten diese früher auch als Orgelersatz in Kirchen und Kapellen. Als Orgelersatz dienten oft auch Pedalharmonien in zweimanualiger Ausführung, die nachträglich um ein elektrisches Gebläse erweitert wurden.

Johannes


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11.01.2016 09:54
#2 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Moderator

Beim Saugwind-System wird der Unterdruck durch entsprechende Federn gleichmäßig gehalten. Sie klingen daher im Ton fester und konstanter, was dazu führte, dass auch in Deutschland viele Harmonium-Bauer so konstruiert haben.
Der Druckwind lässt sich ebenfalls auf Gleichmaß regulieren - aber mit dem Expressionszug ist der entsprechende Federbalg (quasi das "Magazin" abschaltbar. Dann wirkt sich der durch die Intensität des Tretens modifizierbare Druck direkt auf die Laustärke und die Tonkraft aus. (Die Franzosen nannten das Harmonium ja "orgue expressif". Karg-Elert bezeichnet es als "Kunstharmonium".)
Bei mangelhafter Trettechnik können die Töne "flattern".
Saugwind ist also starrer, aber "betriebssicherer".

LG
Michael


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11.01.2016 10:37
#3 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Hat jemand entsprechende Erfahrungen mit einem Pedalharmonium als Übeinstrument?

Johannes


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11.01.2016 11:57
#4 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Zitat von Johannes

Hat jemand entsprechende Erfahrungen mit einem Pedalharmonium als Übeinstrument?

Johannes



Hallo Joahannes,
nice to have, aber was möchtest du damit üben? Wenn du Neueinsteiger bist mags ok sein, ein Gefühl für die Tasten und Technik zu bekommen. Ansonsten wirst du dich mit langsamen Passagen begnügen müssen.
rgel:


Mit musikalischen Grüßen
Bernhard

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11.01.2016 12:23
#5 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Moderator

Von Karg-Elert gibt es ausgesprochen virtuose Harmoniumstücke. Irgendwo hatte Clemens mal ein YT-Video verlinkt, dass die Vorstellung vom Harmonium als Diakonissen-Sedativ widerlegte. Mit dem Perkussionszug, durch den die Zungen von kleinen Hämmerchen angeschlagen werden, damit sie prompt ansprechen, ließ sich das Ansprache- und Repetitionsverhalten durchaus einer mechanischen Orgeltraktur annähern. Das war natürlich nur bei den Instrumenten der gehobenen Kategorie eingebaut, da es den Einbau einer Hammermechanik erfordert, die fast so viel Aufwand erfordert wie die eines Klaviers.

LG
Michael


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11.01.2016 13:17
#6 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Administrator

Ganz zu schweigen vom eigenen Charme, den solche alte Harmonien haben. In der Seitenkapelle des EisenstäDter Doms stand früher eines, welches regelmäßig zur Bespielung der werktäglichen Gottesdienste genutzt wurde. Obwohl man dem Ding sein Alter nicht nur ansah, sondern auch anhörte, schaffte es eine eigene Atmosphäre, die ich als Schüler bei den Frühmessen sehr schätzte. Meine Freistunden verbrachte ich öfter in jenem Kapellchen, um mich beim Spiel an dem alten Harmonium mit seinen (für mich damals "exotischen" Registern zu erfreuen.

Aus Nostalgiegründen würde ich mich freuen, wenn die Digitalorgelhersteller nicht nur die üblichen "Orchestrals" in den hinteren Regalen der Registerbibliotheken hinterlegen würden, sondern auch eine Auswahl an schönen Harmoniumsklängen. Gerade für Hausmusik fände ich das sehr passend.


Auf Orgelsuche.

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11.01.2016 15:40
#7 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Immerhin handelt es sich um ein äußerst hochwertiges Druckwindharmonium aus der Zeit um ca. 1870, das einerseits schnell anspricht und auch über die bereits angesprochene Percussion-Einrichtung verfügt. Es steht demnach einem M u s t e l-Harmonium nicht viel nach, handelt es sich um ein zweimanualiges "Peter-T.-Harmonium". Diese zählten in der Monarchie zu den besten ihres Faches. Da würde sich schon fast das kunsthistor. Museum in Wien dafür interessieren. Allerdings besteht ein doch nicht unbeträchtlicher Restaurierungsbedarf.

Eine vollständige Namensnennung des Harmoniumbauers möchte vermeiden, damit dies nicht von jeder Suchmaschine sofort erfasst wird.

Johannes


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11.01.2016 21:29
avatar  pvh
#8 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
pv
pvh

Hallo,

ich habe selbst keine Erfahrung mit Pedalharmoniums, kenne aber eine ältere Dame, die sich mit einem solchen Übeinstrument (mit elektrischem Gebläse) nach der Verrentung von 0 bis zur D-Prüfung emporgearbeitet hat. Ich finde die "Orgelersatz"-Harmonien ab den 20er und 30er Jahren nicht ganz so spannend, weil dafür ja heute Digitalorgeln (DO) zur Verfügung stehen. Und schnelle Läufe sind ja auch mit Zungenregistern von Pfeifenorgeln wegen der trägeren Ansprache nicht so ganz ohne. Außerdem nimmt so ein Pedalharmonium mindestens genauso viel Platz weg wie eine DO.

Ein Pedalharmonium aus dem 19. Jahrhundert ist natürlich etwas sehr besonderes und eines von Peter T. aus W. kann man ja als Mercedes, besser Maybach unter den Harmoniums bezeichnen. Allerdings benötigt man doch vermutlich entweder einen Kalkanten oder einen Gebläsemotor. Wenn man selber tritt, wird man entweder das Pedal oder die Expressionsmöglichkeiten nicht nutzen können. Man muss das wohl als ganz eigenständiges Instrument sehen.

Zitat von Gemshorn

Ganz zu schweigen vom eigenen Charme, den solche alte Harmonien haben. [...]
Aus Nostalgiegründen würde ich mich freuen, wenn die Digitalorgelhersteller nicht nur die üblichen "Orchestrals" in den hinteren Regalen der Registerbibliotheken hinterlegen würden, sondern auch eine Auswahl an schönen Harmoniumsklängen. Gerade für Hausmusik fände ich das sehr passend.


Dazu mehr in einem eigenen Faden.

Beste Grüßevon der Waterkant
Christoph P.


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12.01.2016 08:14
#9 RE: klangliche Unterschiede zw. Druckwind- und Saugwind-Harmonien
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Zitat von chp

Hallo,

Ein Pedalharmonium aus dem 19. Jahrhundert ist natürlich etwas sehr besonderes und eines von Peter T. aus W. kann man ja als Mercedes, besser Maybach unter den Harmoniums bezeichnen. Allerdings benötigt man doch vermutlich entweder einen Kalkanten oder einen Gebläsemotor. Wenn man selber tritt, wird man entweder das Pedal oder die Expressionsmöglichkeiten nicht nutzen können. Man muss das wohl als ganz eigenständiges Instrument sehen.

Beste Grüßevon der Waterkant
Christoph P.



Das zweimanualige Peter-T.-Harmonium dürfte in den 50er Jahren ein elektrisches Gebläse erhalten haben, wobei dann die Tretbälge stillgelegt wurden. Ursprünglich war dieses Instrument so konzipiert, dass man wahlweise das Pedal unten hineinschieben und mit 2 Klammern fixieren konnte, wollte man keinen reinen Harmoniumbetrieb mit den Expressif-Bälgen haben.

Der Tastenanschlag und der Klang gefallen mir wesentlich besser als bei einem mir bekannten etwas jüngeren einmanualigen Instrument von dessen Schwiegersohn Teofil Kotkiewicz. Im Moment befindet sich dieses Instrument bereits beim Orgelbauer, der für die Restaurierung ein Zeitfenster von ca. 5-6 Monate in Aussicht gestellt hat.


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