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RE: Gloria Klassik 224 / Gloria Cantus 230 - ein Vergleich in der Praxis
#1 RE: Gloria Klassik 224 / Gloria Cantus 230 - ein Vergleich in der Praxis
Wir haben ja jetzt bis zum Sonntag Judika „Winterkirche“ im Gemeindesaal. Seit 2006 steht dort eine Gloria Klassik 224 (sie ersetzte das dortige Kreischpositiv), das Vorgängermodell der aktuellen Klassik 226. (Einziger Unterschied: 226 hat im Pedal Prinzipalbass 16 und Gedecktbass 8‘ zusätzlich.)
Im Gottesdienstraum des Seniorenzentrums besitzen wir seit Sommer eine Gloria Cantus 230.
Da ich derzeit beide Instrumente allsonntäglich unmittelbar nacheinander nutze, bietet sich ein Vergleich an.
Zu den Räumen: Der Gemeindesaal misst 12x8x4 Meter, klassische Schuhkarton-Form, glatte Wände, fester Boden, unstrukturierte Decke. Er ist akustisch tückenlos und hat sogar einen Tick Eigenakustik, der dem Musizieren entgegenkommt. Deshalb habe ich den Hall auf null gepegelt. Die 224 hat bereits die schönen Silbermann-Samples, die in diesem Raum ein polyphon zeichnendes, kräftiges Plenum erzeugen. Obwohl das labiale Bassfundament nur aus einem Subbass besteht, trägt die Orgel den Gemeindegesang gut. Die interne 4.1-Abstrahlung (ohne Tweeter) reicht für Literaturspiel und die Begleitung der durchschnittlich 60 Häupter zählenden sonntäglichen Gottesdienstgemeinde aus. Wenn zu erwarten ist, dass es voller wird (Konfirmanden-Vorstellung etc.), hänge ich das Dave 8 dran. Damit packen wir es dann garantiert.
Der Gottesdienstraum im Seniorenzentrum liegt im Keller – Deckenhöhe 2,40 m. Er hat etwa die doppelte Größe eines Standardwohnzimmers, seitlich ist eine Sakristei- und Orgelnische angebaut, in der bis zum Kauf der Cantus 230 eine fürchterlich mageres und grelles Positiv stand. Wenn 50 Leute im Raum sind (und das ist die "Standardbesatzung"), ist der Laden proppevoll. Die Akustik ist mausetot. Daher habe ich einen Tick Hall über den Klang gestreut - wirklich nur einen Hauch, den man in diesem Raum noch „glaubt“. Die Cantus 230 Trend hat eine dreikanalige interne Abstrahlung – ebenfalls ohne Tweeter. Für die Beschallung unseres Gemeindesaals wäre das sicher grenzwertig, bzw. zu schwachbrüstig. Im Seniorenzentrum reicht das völlig aus.
Nun die Eigenschaften der Instrumente im Vergleich:
Dispositionen:
Klassik: Im Pedal würde ich mir gelegentlich den Gedecktbass 8‘ wünschen, den die Nachfolgerin ja hat – ansonsten bietet diese Orgel alles, was man so braucht für das gottesdienstliche Spiel und ein breites Spektrum an Literatur. Von Buxtehude bis Mendelssohn geht alles, besonders gut klingen barocke Franzosen. Mir gefallen die Samples ausnehmend gut, vor allem Prinzipale und Zungen. Die Pedalposaune habe ich zum sonoren Fagott umintoniert, weil sie in der Werksintonation recht kräftig ausgelegt ist. Bei ihrer Wiedergabe stößt die interne Abstrahlung an ihre Grenzen – über den Dave klingt sie gleich zwei Klassen besser.
Die sechs Register mehr bei der Cantus erhöhen den Gebrauchswert im gottesdienstlichen Spiel. Vor allem die Dopplung der Prinzipale 8‘ und 4‘ in den Manualen erlaubt ein ausgesprochen flexibles, dynamisch reich gestuftes Begleiten. Die Samples klingen ordentlich, die Zungen erreichen nicht ganz die Qualität der Klassik.
Die Klassik ist intonierbar, ich habe sie nach dem Kauf mit dem Intonat auf den Gemeindesaal abgestimmt, zugleich eine zweite Intonation auf dem Rechner abgelegt, die auf die Kirche ausgelegt ist. Dort verwenden wir das Instrument einige Male im Jahr zur Chorbegleitung vorne im Altarraum. Die Intonation muss dann jeweils eigens aufgespielt werden. Das ist kein großer Akt. Aber die Orgel hat keinen zweiten Speicher.
Die Cantus erlaubt lediglich ein Anpassen der Lautstärke-Parameter. Dafür gibt es drei Registersätze: barock, romantisch und sinfonisch. In den beiden letzteren steht dann statt der Pedalmixtur ein lingualer 32‘ zur Verfügung – der bringt die Abstrahlung dann aber schon etwas in Verlegenheit. Der Dave, den ich spaßeshalber mal angehängt habe, kommt damit erheblich besser klar. Ich habe mich ertappt, beim Begleiten generell den barocken Registersatz zu verwenden, aber beim Literaturspiel öfter die romantischen Stimmen zu verwenden – auch bei barocker Literatur. Die Mixturen gehen nämlich in der barocken Einstellung kräftig und brillant zur Sache. Und da ich sie nicht zurücknehmen kann, ohne den Prinzipalen ihre Tragkraft zu nehmen, zugleich vermeiden möchte, dass im Auditorium hektische Aktivität an den reichhaltig präsenten Hörgeräten beginnt, ist der Wechsel des Samplesets das Mittel der Wahl.
Klaviaturen:
Klassik: Die bei Johannus lange üblichen Standard-Klaviaturen sind auch in der 224 verbaut. Sie sind ordentlich, arbeiten zuverlässig, sind heute allerdings nicht mehr üblicher Standard. Da unsere PO in der Kirche ein Flachpedal hat, haben wir auch die Klassik mit Flachpedal geordert (genau wie die Cantus). Das Pedal stammt aus der – zum Glück überwundenen – Zeit, in der die Johannus-Pedale vorne in ausgesägten Brettern geführt wurden. Während die doppelt geschweiften Radialpedale durch die Scherbewegung beim Anschlag die Befilzung an den Seiten der Schlitze abscheuern (bei meiner privaten 360 zeigen sich seit ein paar Wochen erste Verschleißerscheinungen), ist das Flachpedal dafür offenbar nicht so anfällig. Es spielt sich präzise und angenehm.
Die Cantus kann mit den hervorragenden Standardklaviaturen von Viscount absolut punkten. Da wir immer zuerst den Godi im Seniorenzentrum haben, empfinde ich hinterher die Orgel im Gemeindesaal zunächst etwas „labbrig“ im Anschlag. Das Pedal der Cantus ist etwas schwerer gängig als das der Klassik und der Druckpunkt ist nicht so genau definiert.
Handling:
Beide Instrumente haben beleuchtete Registerwippen, die störungsfrei arbeiten. Gewöhnungsbedürftig bei der Cantus: Man muss die Registerwippe zum Einschalten unten, zum Ausschalten oben antippen. Bei der Klassik ist das egal, das Register schaltet beim Betätigen in den Alternativzustand. Die Cantus hat die von der PO bekannte und sinnvolle Schaltung „Handregister ein“ via Druckknopf. Bei der Klassik stellt ein kurzer Druck auf den Nullsteller die vorher eingestellte Handregistrierung wieder her.
Der Schweller der Klassik wirkt auf Man. II, die Cantus hat zwei Schwelltritte, wobei das Pedal mit dem Man. I geht.
Preis: Für die Klassik haben wir damals rund 5000 € bezahlt. Sie hat ein Vollgehäuse mit abschließbarem Rolldeckel, das ich wichtig im multifunktional genutzten Gemeindesaal. Die Cantus im schlichten Trend-Gehäuse kostete 3750 €.
Mein Fazit: wir haben für beide Anwendungen zufriedenstellende Lösungen gefunden – und das zu einem äußerst günstigen Preis-Leistungsverhältnis. Beide Instrumente werden von den Hörern als authentische Orgeln wahrgenommen. Gerade im Gemeindesaal bekomme ich jedes Jahr zu Beginn der Wintersaison positive Rückmeldungen von den Hörern, wie gut und farbig dieses Instrument doch klinge – auch und vor allem im Vergleich zu dem, was wir dort vorher hatten. Eine alte Kirchenvorsteherin, die damals an der Kaufentscheidung beteiligt war (und zwar als Kritikerin!), sagte noch letzten Sonntag nach dem Gottesdienst zu mir: „Das war mal gut angelegtes Geld“.
Beide Instrumente klingen erprobtermaßen an externen Abstrahlungen noch besser. Die 500 € Mehrkosten für ein Dave 8 sind – vor allem „unten herum“ – hörbar.
Klanglich hat für mich die Klassik die Nase vorn – vor allem wegen ihrer differenzierten Anpassungsfähigkeit und der ausgezeichneten Basis-Samples. Die Cantus rangiert mit nicht allzu großem Abstand dahinter.
Bei der Haptik hat die Cantus wegen der knackigeren Klaviaturen die Nase leicht vorn.
LG
Michael
#2 RE: Gloria Klassik 224 / Gloria Cantus 230 - ein Vergleich in der Praxis
Das Abschleifen der Befilzung an den Pedaltastenvorderenden führt leicht zu einem Festkleben beim Spiel durch Kleberreste.
Daher hatte ich vor einigen Jahren die Pedalklaviatur auseinandergebaut, die Restbefilzung samt des hartnäckigen Klebers abgeschabt. An diese Stelle kamen Streifen aus weichem Ziegenleder. Seitdem habe ich keinerlei Probleme mit hängenbleibenden Pedaltasten.
Ist natürlich eine ziemlich dröge Arbeit.
#3 RE: Gloria Klassik 224 / Gloria Cantus 230 - ein Vergleich in der Praxis
Zitat von PeterW
Das Abschleifen der Befilzung an den Pedaltastenvorderenden führt leicht zu einem Festkleben beim Spiel durch Kleberreste.
Daher hatte ich vor einigen Jahren die Pedalklaviatur auseinandergebaut, die Restbefilzung samt des hartnäckigen Klebers abgeschabt. An diese Stelle kamen Streifen aus weichem Ziegenleder. Seitdem habe ich keinerlei Probleme mit hängenbleibenden Pedaltasten.
Ist natürlich eine ziemlich dröge Arbeit.
Beledern ist natürlich die dauerhafteste Lösung.
Aber an den derzeitigen Glorias aus Ede ist wieder das "neue" Johannus-Pedal verbaut, bei dem die Tasten wieder zwischen Rundstäben geführt sind - wie es sich gehört.
Ich hoffe, das Pedal ist mit meinen Kontakten kompatibel - eigentlich müsste das ja gehen. Und ich will wieder so eines an meiner Orgel. Als Interimslösung habe ich die ausgeschlagenen Tastenführungen mit zugeschnittenen Gleitfilzen für Möbel ausgarniert. Es waren nur ein paar Töne, aber die anderen würden im Lauf der Zeit wohl folgen ...
LG
Michael
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