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Hochzeitserlebnisse
#1 RE: Hochzeitserlebnisse
Die Heiratssaison ist erst wenige Wochen alt und ich habe schon wieder Schwänke erlebt, die Aussicht darauf haben, dermaleinst in meinem Handbuch zu stehen.
Hier was für das Großkapitel "Pleiten, Pech und Pannen":
Ein befreundeter Pfarrer hat eine Nachbargemeinde mit übernehmen müssen, deren recht hübsche Orgel sich durch eine bedeutende Innovation auszeichnet: Sie hat ein Radialpedal. Grund für alle Kollegen der Umgebung, für Vertretungsanfragen stets ein Alibi zu haben. Ich war also mal wieder der allerletzte Nothelfer. Na ja, ich war ein Stündchen früher da, um mich mit diesem schrägen Zeug unter den Füßen wenigstens halbwegs anzufreunden. (Ganz werde ich das in diesem Leben nicht mehr schaffen ...) Die Kirche war natürlich schon besetzt - von der inzwischen hierzulande üblichen Karaoke-Sängerin aus dem Freundeskreis der Braut. Sie hatte eine besonders hochwertige PA-Anlage im Einsatz: Einen Kofferverstärker, wie ihn mein kleiner Bruder vor 40 Jahren als Lead-Gitarrist der berühmt-berüchtigten Formation "Captain Sperrmüll" an seiner E-Gitarre hatte. High-Fidelity-Sound! (Ich habe ihn immer gefragt, ob er noch am Stimmen ist, oder schon spielt ...)
Den Soundtrack für ihre Versuche, englisch mit mittelhessischem Akzent zu radebrechen, bezog sie von einem I-Phone. Ein gelungenes "Joint Venture" also zwischen guter, alter Röhrentechnik und hypermodernster IT-Technologie.
Die Feierstunde nahm ihren Verlauf. Mein Freund ist ein wirklich begnadeter Gottesdienstleiter und kriegt einfach kraft seiner Persönlichkeit und seiner authentisch wirkenden Art "Atmosphäre" hin. Und so war das denn auch ganz erbaulich, bis die Virtuosin zu Stimme und I-Phone griff. Sie kam wenige Takte weit. Irgendeiner ihrer zweifellos zahlreichen Fans verspürte jedoch just während der hochwertigsten Darbietung das dringende Bedürfnis fernmündlicher Kommunikation. Es kam wie es kommen musste: Das I-Phone meldete den Versuch einer Kontaktaufnahme - nicht via Klingelton, wie auf meinem Primitiv-Handy (es hat demonstrativ das scheppernde Knarzen eines preußischen Feldtelefons), sondern wie heute üblich durch das Abspielen eines halben Rockkonzertes.
Die Klänge, die dem Verstärkerkoffer entsprangen, erinnerten an Stockhausens Tonband-Experimente mit serieller und aleatorischer "Musik" ...
Irgendwie apart.
Die Diva drückte das Gespräch weg, fand wieder halbwegs in die Tonspur, hatte es jedoch erneut versäumt, die bewegliche Fernsprechendstelle definitiv auf "kein Anschluß unter dieser Nummer" zu stellen. Und der Verehrer der Künstlerin war hartnäckig. So dass sich der Kunstgenuss wenige Sekunden später wiederholte. Was blieb der kreidebleichen Dame jetzt anders übrig, als ihre Darbietungen einzustellen und sich mit dem Phone in den Turmraum hinter der Orgel zu begeben. Die Konversation war kurz. Sie war zwar nicht im Wortlaut zu verstehen, aber die Stimmfärbung einer Teilnehmerin deutete darauf hin, dass sie absolutely not amused war ...
Inzwischen hatte mein Freund die Eheleute vor Gott und den Menschen rechtskräftig kopuliert. So nahm die Feier ihren Fortgang. Dass die Stimme der Diva etwas zitterte, als sie erneut anhob, war menschlich nachvollziehbar.
Als ich nach vollendetem Postludium durch den Turm nach unten stieg, schlich sie sich in meinem Windschatten "ruhmbedeckt" davon...
Ephraim Kishon würde schreiben: "Der Nachmittag machte mal wieder den Unterschied deutlich zwischen einem gewöhnlichen Konzert und einem künstlerischen Ereignis ..."
LG
Michael
#2 RE: Hochzeitserlebnisse
Here the next one: Vor nicht mal zwei Stunden live erlebt - in der Wichernkirche.
Also, Trauung ohne Firlefanz, mit ordentlicher Kirchenmusik, ohne Karaoke-Sängerinnen und Virtuosen aus dem Familienkreis. Die Braut ist ein "Wichernkind", in der Kirche getauft, in unserer "Wohnwagenkirche" im Kigo gewesen, Überlebende unserer berüchtigten Konfi-Freizeit. Jetzt also vor dem Traualtar. Liedauswahl der Braut: natürlich die Ziege, die das Gras am Ufer frißt. Aber auch: Tut mir auf die schöne Pforte - im Konfi-Unterricht bei Michael auswendig schmettern gelernt ... (Hach, welch Erfolgerlebnis!).
Machte mir Spaß. Sogar die Ziege.
Viel "Laufkundschaft" - "Wichern-Adel", wie unser Küster das zu nennen pflegt. Also machen wir beide zwei Minuten vor Beginn unseren üblichen Handy-Sketch. Alle lachen und setzen ihre Geräte offline.
Die Braut wartete indes draußen, denn sie wollte "amerikanisch" einziehen - d.h.: die Hochzeitsgesellschaft wartet in der Kirche, der Bräutigam am Altar, zu festlichen Orgelklängen (David German, Trumpet tune - nach Vorspielen durch den Unterfertigten gern genommen) geleitet der Brautvater sein Töchterlein zum Altare und übergibt es dem neuen Besitzer ...
Sie hatte unsere "Belehrung" draußen natürlich nicht mitbekommen - wir haben den selben Joke zwar wahrscheinlich schon bei ihrer Konfirmation gemacht - aber das ist immerhin acht Jahre her ...
Vorher hatte ich durch das Emporenfenster beobachtet, wie sie - als "Braut im Wartestand" - hinter der Kirche noch heftig fernmüDlich kommuniziert und das Gerät nach Gebrauch in ihrem Täschchen verstaut hatte.
Ihr ahnt es - das einzige Handy, das während der Feierlichkeit klingelte, war das der Braut. Alle haben spontan losgewiehert - und ich kam nicht umhin, diese Einlage mit einem Tusch zu würdigen. Was der Würde der Feier wenig Abbruch tat. Denn "Lobe den Herren" haben sie anschließend mitgesungen wie die Stiere. (Ich bin ihnen auch nach E-Dur entgegengekommen ...)
Hach, schön, dass es das auch noch gibt ... [grin]
LG
Michael
#3 RE: Hochzeitserlebnisse
Ach so: hier unsere Standardeinlage, wenn wir vermuten, dass die "Kundschaft" die Hausnummer nicht mehr so genau kennt - also meistens vor Hochzeiten, der Christvesper oder der Konfirmation:
Mein Handy hat als Klingelton das schnarrend-schrille Geräusch eines Feldtelefons. Ich lege es scharf gestellt (wegen der hervorragenden Reonanzeigenschaften) auf die Orgelbank. Fünf Minuten vor Beginn der Feier ruft der Küster mich aus der Sakristei darauf an. Ich lasse ausgiebig klingeln - bis ich den Eindruck habe, dass es wirklich jeden nervt. Dann hebe ich hab und die Gemeinde wird Ohrenzeugin folgenden (Halb-)Dialogs:
"Hallo Andreas, das ist aber schööööön, dass Du anrufst. Aber gerade passt es mir gar net. Ich muss nämlich gleich Orgel spielen. Jaa, prima Idee, das mit dem Biergarten, aber das machen wir hinterher. Ja, der Peter kommt sicher auch mit, aber der muss gleich eine Trauung halten. Ja, Andreas, ich muss jetzt aber wirklich meine Register ziehen, gleich geht es hier los. Und da haben die Leut' kein Verständis für Störungen. Jaaaa, Tschüss, Andreas, grüß' mir Deine ehemalige Verlobte!"
Ende des Gesprächs, Andreas kommt aus der Sakristei, sein Handy hochhaltend. Wenn die Meute sich ausgetobt hat, bemerkt er: "Damit es ihnen nicht geht, wie Michael und mir: Gucken Sie doch mal, ob Ihr Handy ausgeschaltet ist."
Klappte immer - bis heute ... [grin] D
LG
Michael
Bei mir stand heute ne Goldene Hochzeit zum Beorgeln an. Ergreifend: Nicht nur das Jubelpaar samt überschaubarem Familienkreis war da, nein, auch jener Priester, der sie vor 50 Jahren getraut hatte; er stand nun auch der Jubiläumshochzeit vor. Musikalisch war nur "sehr Einfaches" gewünscht, was bei uns in Ostösterreich bedeutet: Schubertmesse und "Segne du, Maria". Den Wünschen wurde entsprochen - die Feier war schlicht und schön. Und die kleine Festgemeinde beteiligte sich durchwegs am Gesang. Übrigens kam auch ich den Leutchen entgegen, die meisten Lieder einen Halb- bzw. einen Ganzton tiefer.
#5 RE: Hochzeitserlebnisse
Ich hatte mal eine Trauung, da war das Paar bereits 25 Jahre miteinander standesamtlich verheiratet. Und die Braut hielt während der Zeremonie ihr Enkelkind auf dem Arm. Die waren wochenlang um unseren Kigo-Wohnwagen geschlichen, der einmal pro Woche Nachmittags im "Eulenkopf" Station macht - das Viertel gehört zur Gemeinde und gilt als der berüchtigteste Slum Mittelhessens. Irgendwann trauten sie sich dann, den Pfarrer anzusprechen. Sie hätten Silberhochzeit. Der Pfarrer: "Na prima, da machen wir einen Dankgottesdienst." Sie drucksten 'rum und rückten schließlich heraus: Damals hätte man halt nicht kirchlich geheiratet in ihren Kreisen. Reaktion des Pfarrers: "Dann wird's aber höchste Zeit."
Denen habe ich sogar meine "Sakralversion" von "A whither shade of pale" von "procul harum" gespielt - das ist ja sowieso bei Bach geklaut.
LG
Michael
Zitat
Eigentlich ergreifend.
Ja, finde ich auch sehr schön! Ich glaube, unser Himmlischer Vater wird niemandem seinen Segen verweigern, der ihn wirklich haben will. Warum sollten wir Menschen dem im Wege stehen, nur weil das Brautpaar ein bisschen gebraucht hat, um zu Gott zu finden? Wir sollten uns mit ihm freuen!
Zitat von Wichernkantor
Denen habe ich sogar meine "Sakralversion" von "A whither shade of pale" von "procul harum" gespielt - das ist ja sowieso bei Bach geklaut.
Hallo Michael
Hast du davon eventuell Noten? Oder eine Quelle, wo man sie erwerben kann?
Merci und beste Grüsse aus der Schweiz
#9 RE: Hochzeitserlebnisse
Zitat von Ebi
Hallo Michael
Hast du davon eventuell Noten? Oder eine Quelle, wo man sie erwerben kann?
Merci und beste Grüsse aus der Schweiz
Sorry, ich spiele da einfach eine fallende Bass-Sequenz mit den zugehörigen Füllakkorden (quasi basso continuo) und darüber solistisch mit Sesquialter oder Solozunge die üppig ornamentierte Melodie. Als Orgelschüler haben wir uns so was heimlich zurechtgefummelt. Da schmolzen die MäDels im Schulgottesdienst dahin und der amtierende Liturg merkte nix. Aber ich vermute, so wie der tickte, wollte er nix merken ... [grin]
Ich habe es in den zurückliegenden Jahrzehnten nie geschafft, mein "Sakralarrangement" mal der Nachwelt zu überliefern. Aber vielleicht sollte ich es wirklich mal aufschreiben. Aber heut' nicht mehr. Gleich kommen die Jungs aus meiner Gang zum Fußballgucken. Und hinterher - nach dem gewaltigen Sieg von "La Mannschaft" über Italien - machen wir ein Fäßchen auf. Prost:
Oder zwei. Prost: Prost: Und wenn wir verlieren sollten: Wer Sorgen hat, hat auch Likör ... Prost: Prost: Prost:
Haken an der Sache: Morgen früh zwei Gottesdienste, den zweiten mit Chor, Abendmahl und allem Zubehör. Ich könnte doch mal sub scramentum ... nein, vade retro, Satana! Es bleibt bei der geplanten Partita über "Ich will Dich lieben, meine Stärke" [grin]
LG
Michael
#10 RE: Hochzeitserlebnisse
Der Horror lebt! Und zwar in Mittelhessen.
Und es begann ganz harmlos: vergangenen Freitag früh die (fast schon übliche) Brandmail einer Gemeindesekretärin: "Morgen haben wir eine Hochzeit und noch (!) keinen Organisten. Könntest Du mal ..." Ja, ich konnte. Antwortmail: "*Seufz*, Danke! Die Lieder kriegst Du später."
Hm, "später" ist ein eher ungenauer Begriff. Samstag früh waren sie nicht da. Und das Gemeindebüro natürlich nicht besetzt. Und auch bei Pfarrers war nur der AB geschaltet.
Also mal wieder "Operation Wundertüte" - man erfährt in letzter Sekunde (wenn es zu spät ist), was drin steckt - eine vielen kath. Kollegen ja durchaus geläufige Erfahrung.
Na ja, ich kenne die Orgel. Also packte ich ein paar Sachen ein, von denen ich weiß, dass sie an dem gewaltigen Instrumente (Bj. 1854, I/7) halbwegs ordentlich klingen und war rechtzeitig am Tatort. Sukzessiv dämmerte mir, warum der dort amtierende Kollege ein Alibi vorgeschützt hatte. Dass der übliche Sägebock aufgebaut war und die in voller Kriegsbemalung angetretene Sportmannschaft des Bräutigams mit Lockerungsübungen für's spätere Spalierstehen beschäftigt war, konnte mich nicht irritieren. Solange die Freundinnen der Braut nicht aus der Tabledance-Szene kommen ... [grin]
Ich erklomm die Empore, alsogleich nahm ein dort postierter Jüngling Kontakt auf und teilte mir mit, das Brautpaar benötige keinen "Einzugsmarsch", sondern werde zu Klängen der Spielschar "Silbermond" einziehen. Und so geschah es. Derlei hatten weder ich, noch die Feldsteine und Fachwerkbalken der kleinen, stilvollen Dorfkirche aus dem 16. Jh. jemals gehört. Aus den zwei apfelsinengroßen Membranen des bis zum Anschlag aufgedrehten Ghettoblasters drang ein Röcheln und Wummern durch den Raum, das eher an einen Todeskampf als an eine Kopulation erinnerte ...
Immerhin - sogar die Gemeinde durfte singen. Natürlich von der am Ufer grasenden Ziege und Einsteins Kontakt mit dem Element H2O. Und auch die übliche Freundin der Braut fühlte sich genötigt, die Feier mit angelsächsisch-mittelhessischen Vokalanmutungen und verschliffenen Konsonanten zu Geräuschen aus der eben beschriebenen hochwertigen PA-Anlage zu karaokisieren.
Immerhin - zum Beschlusse ließ die Pfarrerin "Lobe den Herren" singen. Das weckte wohl in der Großelterngeneration des Brautpaares Erinnerungen an die eigene Konfirmandenzeit und die Gesangsbeteiligung erreichte den Tageshöchstwert.
Großzügiger Weise blieb es mir vergönnt, die Gemeinde dann mit dem imposanten "Plenum" in die Flucht zu Orgeln - mit meiner bewährten "marche nuptiale" über selbigen Cantus.
Als ich zur Gegenzeichnung der Honoraranweisung in die Sakristei kam, meinte die (junge) Küsterin: "Einfach furchtbar, diese Bumsmusik (Welch herrliche Umschreibung! Ich hätte es als "akustische Pornographie" bezeichnet ...). Dein Orgelspiel ist für die doch viel zu schade ..."
Mir fiel es spontan schwer, ihr zu widersprechen ...
Und in mir gewinnt die Versuchung immer mehr Raum, solche "Wundertüten" einfach nicht mehr anzunehmen. Eine Versuchung, denen die meisten Kollegen wohl schon erlegen sind.
LG
Michael
Bei einer Goldenen Hochzeit musste ich eine Sängerin begleiten, die u. a. das Stück "Lascia ch'io pianga" aus Händels "Rinaldo" auf dem Programm hatte. Ich fragte sie, ob sie wisse, was sie da singe ("Lass mich mein grausames Schicksal beklagen". Sie wusste es nicht. Hoffentlich auch nicht das Jubelpaar.
#12 RE: Hochzeitserlebnisse
Zitat von Guilain
Bei einer Goldenen Hochzeit musste ich eine Sängerin begleiten, die u. a. das Stück "Lascia ch'io pianga" aus Händels "Rinaldo" auf dem Programm hatte. Ich fragte sie, ob sie wisse, was sie da singe ("Lass mich mein grausames Schicksal beklagen". Sie wusste es nicht. Hoffentlich auch nicht das Jubelpaar.
Im Hintertaunus wird auch immer wieder gern der Sterbechoral "So nimm denn meine Hände" genommen. Das satirische Potential wird selbst nach Verweis auf den üblichen soziokulturellen Kontext geflissentlich ignoriert ...
Auf diversen sinnfreien "Hochzeitsseiten" im www. taucht es immer wieder als Empfehlung auf. Kann man diese üblen Seiten eigentlich nicht als Pornographie oder Volksverhetzung sperren lassen? Der Sache müsste ich mal nachgehen ... [grin] Dafuer:
LG
Michael
"So nimm denn meine Hände" wird auch bei uns in Ostösterreich gerne bei Trauungen gewünscht. Die erste Strophe scheint mir kompatibel mit dem Anliegen, die beiden Folgestrophen zumindest nicht abwegig ("bis dass der Tod uns scheidet".
Die Klassifikation als Sterbechoral scheint mir eher auf lokalen Traditionen zu beruhen denn auf Textinhalt.
Im Österreichteil des neuen GL ist das Lied unter "Vertrauen und Trost" einsortiert.
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