Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Orgel Carolinensiel
Zitat von wohli
Hinrich Just Müller - Orgel von 1780/81 (https://de.wikipedia.org/wiki/Carolinensieler_Kirche)
Was für eine hübsche Dispo!
Gerade ein Musterbeispiel dafür, dass die Barockorgeln im deutschsprachigen Raum eben nicht immer schulbuchmäßig aufgebaut waren, sondern durchaus landschaftliche Unterschiede zu finden sind:
I Hauptwerk C–c3
1. Principal 8?
2. Bordun 16?
3. Octava 4?
4. Quinta 3?
5. Mixtur IV
6. Trompete B/D 8?
II Oberwerk C–c3
7. Principal 4?
8. Gedact 8?
9. Nassat 3?
10. Waltflöte 2?
11. Dulcian B/D 8? L
Tremulant
Pedal C&ndashD1
angehängt
Nicht "schulbuchmäßig" wäre:
- Kein Prinzipal 2' im HW
- Kein leiser 8' für Begleitaufgaben im HW (Rohrflöte oder so ähnlich)
- Keine Klangkrone i.e.S. im zweiten Manual
- 4'-Flöte fehlt
- Keine selbständigen Pedalregister - o Gott!
Dagegen finde ich toll für ein Instrument dieser Größenordnung:
- Zwei Zungen, Plenumzunge und Solist! (Der Dulcian kam allerdings erst bei der letzten Restaurierung hinzu...)
- HW-Plenum auf 16'-Basis
Jetzt noch bitte statt des OW-Nassat eine Sesquialtera mit Halbzug für den 3' und ins HW eine Rohrflöte 8', dann noch eine Manualkoppel und eine Transmission des HW-Bordun sowie der Rohrflöte ins Pedal (optional: selbständiger Subbass und weicher Oktavbass). [wink]
Nicht immer geht alles, was wünschenswert wäre - in der Beschränkung liegt die Kunst - aber auch so ist das sicher eine Orgel, auf der man schöne Musik machen kann! Prost: rgel: Dafuer:
Wie hätte man elf Register bei einer Dorforgel der 60er "schulbuchmäßig" disponiert?
1. Holzgedackt 8'
2. Prästant 4'
3. Waldflöte 2
4. Mixtur IV 1'
5. Quintadena 8'
6. Rohrflöte 4'
7. Prinzipal 2'
8. Quinte 1 1/3'
9. Zimbel II 1/4'
10. Subbass 16'
11. Choralbass 4'
(Mist, die Pedalmixtur passt schon gar nicht mehr rein ... Duckundweg
Zitat von Martin78
Was für eine hübsche Dispo!
In der Tat ein tolles Instrument, zumal in einem Dorf.
https://www.dropbox.com/s/7etboxjayy7zq9...ro%202.jpg?dl=0
Eine der wenigen dörflichen 2manualigen hier in der Region. Mit dem angehängten Pedal kann man leben - gut, mein Freund Max R. geht da überhaupt nicht, aber Musik aus der Zeit der Erbauung - erste Sahne! Leider gibt es hier keine evangelischen Organisten, die damit umgehen können, man behilft sich teilweise mit Ehrenamtlichen mit rudimentären Klavier- oder Akkordeonkenntnissen [sad]
Als ich das Instrument erstmals bespielte waren viele der Einwohner darob erstaunt welch wundersame Klänge erschollen (Zitat: Ich wusste gar nicht, was für eine tolle Orgel wir hier haben ...), da der gemeine Dorfbewohner nicht zu den regelmäßig stattfindenden Konzerten geht und - wenn überhaupt - nur das Gedudele sonntags kennt. rgel: rgel: rgel:
#3 RE: Orgel Carolinensiel
Solche "großen" Kleindispositionen sind in der friesischen Orgellandschaft (die sich beiderseits der Grenze D/NL erstreckt) bis weit ins 19. Jh. gar nicht so selten. Vor allem in den NL trifft man entlang der Nordseeküste zahlreiche historische Orgeln mit angehängtem Pedal an.
Das hatte vor allem Kostengründe. Die Gemeinden brauchten Orgeln, die zur Begleitung des (reformierten) Gemeindegesangs ein saftiges Plenum lieferten. Andererseits reichte das Geld nicht für die großen Pedalstimmen. Oft stehen diese Orgeln dann auch noch - um Pfeifenlänge, damit Material und Geld zu sparen - in Stimmtönen über 460 Hz, im sog. "Chorton". Der Kammerton, in dem die Orchester damals einstimmten, lag um die 415 Hz. Und Orgeln in dieser tiefen Stimmung konnen sich nur die reichen städtischen Kaufmannsgemeinden leisten. Da war dann auch Geld da für üppige Pedaldispositionen und prächtige Gehäuse.
Eine reformierte Dorfgemeinde im Norden mit einem - qua strikter sozialer Kontrolle - Kirchenbesuch von quasi 100 Prozent hätte eine "orgelbewegte" Spardisposition in Grund und Boden gesungen.
Ich habe so was mal auf Texel erlebt. Da stand in der "gereformeerde Kerk" ein Sparinstrument auf 4'-Prinzipalbasis (mit Minimapedal-Subbass). Das wurde von der sonntäglichen Gemeinde "niedergekämpft". Am Sonntag drauf gingen wir in die "doopsgezinte Gemeinde" - so heißen dort die Baptisten. Da stand eine dieser pedallosen Zweimanualigen mit Boudon 16' im Hw. Die Orgel wurde mit der (nicht minder kräftigen) Gesangsbeteiligung locker fertig.
Wenn man einen kräftigen Gemeindegesang hören will, muss man in keine amerikanische "Mega-Church". In den Dörfern Nordhollands findet man das auch ...
In den Städten hingegen haben ich viel gottesdienstliche Tristesse (und viel Firlefanz) beobachtet.
LG
Michael
Pedallose Dispositionen sind andernorts gar nicht so unüblich ...
Letztes Jahr waren wir in den Niederlanden in Brouwershaven (in einem Ferienpark). Das kleine schmucke, aber etwas verschlafene StäDtchen (eher: Dörfchen) hat einen wahren Dom als Kirche, selbst in der heutigen nur hälftigen Nutzung als Kirche noch viel zu groß. Leider hab ich die Van-Vulpen-Orgel von 1968/1980 nicht gehört (Dispo hier unten).
Wie man auf so einer Orgel ein klassisches Trio registriert, führt in diesem Video (die vollen 24 Minuten lohnen sich!) ein wahrer Meister des Fachs, Sietze de Vries vor. Siehe ab Minute 5.35: Begleitung HW-Prinzipal 16' nach oben oktaviert, der klingt im angehängten Pedal in Normallage, dazu das obligatorische Sesquialtera-Solo im RP - herrlich! Nur die am RP angebrachten Registerzüge sind furchtbar unpraktisch.
#5 RE: Orgel Carolinensiel
Na, wo denn jetzt?
Ich mach' mal hier weiter.
Was wurde gespielt auf solchen Orgeln?
Sicher Sachen, die nicht mehr Instrument erforderten, als das hier bereits mehrfach erwähnte "Husumer Orgelbuch".
Die meisten Orgeln dieser Machart entstanden im ländlichen Raum erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh. - also in einer Zeit, in der die säkulare Musik bereits tief in der Klassik steckte.
Konrad Küster in Freiburg hat viel über die ländliche Musizierpraxis in der Region gearbeitet und bei Carus folgende drei Bände herausgegeben:
http://www.bodensee-musikversand.de/prod...ducts_id=129941
Darin steht vieles, was diesen Orgeln auf den Leib geschrieben zu sein scheint.
LG
Michael
Zitat von Martin78
Begleitung HW-Prinzipal 16' nach oben oktaviert, der klingt im angehängten Pedal in Normallage, dazu das obligatorische Sesquialtera-Solo im RP - herrlich!
Genauso gehts in Caro: HW Bordun 16' oktaviert als Begleitung, angehängtes Pedal in Normallage + OW was nettes aus dem Fundus. Scheint außer mir da niemand auf die Idee gekommen zu sein. Wie bereits an anderer Stelle gesagt eben Klavierspieler die OW "gedackten" und HW "prinzipalen" und bei Bedarf auf-radauen ... Pedal - Wozu?
#7 RE: Orgel Carolinensiel
Moin [wink] Michael -
eigentlich alles von Scheidt bis Mitte 19. Jahrhundert. Ich selber habe mit einer Konzertsängerin 2008 aber auch schon aus Dvoraks Biblische Lieder op. 99 und Langlais' Benedictus und Agnus Dei aus der 'Missa in simplicate' (traumhaft schön) begleitet. Dafuer:
Hier findest du einen kleinen Fremdeindruck der Orgel:
https://orgeljournal.wordpress.com/2016/...r-wunderschoen/
LG Bernd
#9 RE: Orgel Carolinensiel
Auch 'ne interessante Seite - wer macht die denn? Leider kein Impressum ...
Ja, das hab' ich vergessen - die norddeutsch-niederländische Literatur der Sweelinck-Schule ist sicher auch gut zu machen. (Spät-) Barocke Engländer könnte ich mit auch ganz nett darauf vorstellen.
Ich habe die ganzen Scheiben von "Nomine" in meinem Fundus. Ein löbliches Projekt. Vielleicht ist sie ja da schon irgendwo verewigt ...
Ich werde Montag mal gucken.
Wenn ich mich mal in Eure Ecke verlaufe, dann steht diese Orgel sicher auf der Speisekarte.
Zu den Dvorak-Liedern habe ich mir mal selber Orgelsätze gemacht. Da gab es lange nur die Bearbeitung von Bornefeld ... und die war streckenweise schon etwas ... hm ... "speziell". Das war lange in Vor-Notensatzprogramm-Zeiten. D.h. irgendwo in einem Stapel liegt noch ein Manuskript (im wahren Wortsinn) zu dessen Übertragung in lesbare Notation noch kein Anlass bestand.
LG und schönes Wochenende
Michael
#10 RE: Orgel Carolinensiel
Interessante Frage - vor meinem geistigen Ohr gehört hast du recht. Und wenn man mal die Dispo vergleicht, kann man das fast 1:1 umsetzten - fehlt lediglich der 3' im HW:
(leider verzerrt, sorry)
Barock (Trost) über HOFFRICHTER SE24m [Einzeltonsampling]
Man. I Flauto Traverso 16' Man. II Großprinzipal 8' Pedal Prinzipal 16'
Prinzipal 8' Gedackt 8' Subbaß 16'
Rohrflöte 8' Gemshorn 4' Violon 16'
Gambe 8' Flauto Douce 4' Oktavbaß 8'
Oktave 4' Nasat 2 2/3' Posaune 16'
Superoktave 2' Waldflöte 2' Trompete 8'
Sesquialter 2f. Oktave 1' Koppel I/Ped
Mixtur 6-9f. Mixtur 3-4f. Koppel II/Ped
Trompete 8' Vox humana 8'
Koppel II/I
Tremulant Glockenspiel (c1-c3)
3x8 Setzerplätze
LG Bernd
#12 RE: Orgel Carolinensiel
Zitat von wohli
Genauso gehts in Caro: HW Bordun 16' oktaviert als Begleitung, angehängtes Pedal in Normallage + OW was nettes aus dem Fundus. Scheint außer mir da niemand auf die Idee gekommen zu sein.
Ja, oft vermisse ich bei Organisten eine gewisse Unvoreingenommenheit, was das Registrieren angeht!
Ich finde es sehr interessant, zuzuhören, wie andere Organisten registrieren. Gelegentlich schleifen sich bei Platzhirschen gewisse Standardregistrierungen ein, da nehme ich mich - jedenfalls damals, als ich noch eine feste Stelle hatte - gar nicht aus.
Viele scheinen nicht auf den Gedanken zu kommen, dass man auch eine 4'-Flöte oktaviert nach unten zu Begleitzwecken einsetzen kann (da man sich sowieso nicht oft in der tiefen Oktave beim Spielen aufhält); dann muss halt immer die Rohrflöte 8' im HW dran glauben. Oder es wird immer auf den gleichen beiden 8' und 4' im Nebenwerk das Vorspiel gemacht. Wie klingt ein labialer 16' im HW, oktaviert nach oben? Wie klingen die 4'-Prinzipale der verschiedenen Manualwerken in den tiefen Oktaven? Wie klingt eine oft an nasardlosen Orgeln anzutreffende 1 1/3'-Quinte, oktaviert gespielt mit einer schönen 4'-Flöte, evtl. mit Tremulant? Wie klingt ein 16'-Manualplenum an einer Orgel ohne labialen 16' in den Manualen, einfach nur durch Tiefoktavieren und Beiziehen höherliegender Stimmen gewonnen? Oder ein 16'-Zungenplenum mit Trompete oder Oboe 8'? Wie verändern sich die Klänge romantischer Orgeln durch Hochoktavieren? Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich viele Organisten da nicht allzuviel Gedanken machen oder zu bequem sind - Register oktaviert zu spielen erfordert natürlich viel Umregistrieren, was bei mechanischer Registertraktur durchaus etwas Arbeit machen kann.
Dabei ist doch, was es so interessant macht, fremde Orgeln zu erkunden, dass eben jede anders klingt. Und viele bieten mehr Registriermöglichkeiten, als es zunächst scheint!
Dem kann ich nur zustimmen. Habe in den 1980ern in einer D'Dorfer NAK_Gemeinde nur eine einmanualige AHLBORN SONATINA (ohne Manualteilung und Möglichkeit den Bass anders zu registrieren) gehabt, die mein Vorgänger wie sein zuvor traktiertes Harmonium registrierte und spielte. Als ich dann den 16' als Basis nahm und SAT oktaviert und den B in Normallage gespielt habe, war das klanglich wie eine Offenbarung ...
Jetzt anmelden!
Jetzt registrieren!