Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.

15.03.2017 17:11
avatar  Romanus ( gelöscht )
#1 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ro
Romanus ( gelöscht )

Mich persönlich konnte die angeblich so beliebte Notenreihe D.S.I.M. noch zu keinem Kauf verlocken, weil man aus Gratis-Noten, wie man sie bei IMSLP findet, im Handumdrehen eine mindestens gleichwertige Sammlung zusammenstellen könnte.

Dass der Herausgeber offensichtlich nichts von Originaltreue hält und die Werke alter Meister sinnlos verfälscht, habe ich erst jetzt bei einem kurzen Blick in den neuen Band VII bemerkt:

Man beachte die beim d-Moll-Präludium BWV 539 vom Herausgeber willkürlich eingefügten 1/8-Pausen, sogar in der Bass-Stimme, wo der Komponist ausdrücklich Haltebögen vorschreibt, eine Halbe in Takt 5 wurde einfach weggelassen, dafür wurden in Takt 12 2 originale Viertel im Bass zu einer Halben vereinigt. Und das ist nur die Spitze des Eisberges, würde man sich die Mühe machen, das gesamte Stück nach Verschlimmbesserungen zu scannen, käme bestimmt noch viel mehr zum Vorschein.

http://www.stretta-music.com/chilla-das-spiele-ich-morgen-vii-nr-665170.html?ia-pkpmtrack=100-9353835313236323131303-110-144-101
(Siehe Vorschauseiten !)


Ich verstehe beim besten Willen nicht, wozu das gut sein soll: Das Stück wird dadurch weder leichter noch schöner und widerspricht an vielen Stellen den Intentionen des Komponisten, dem wohl kaum jemand - und ganz sicher nicht der Herausgeber dieser Reihe - das Wasser reichen kann.

Wer leicht spielbare, repräsentative Orgelstücke sucht, die sich gut für Amateur-Organisten mit wenig Vorbereitungszeit eignen und dem es zu mühsam ist, in Fundgruben wie IMSLP zu stöbern, dem würde ich eher z.b. folgendes empfehlen:

http://www.stretta-music.com/search/q/%22Organo+pleno%22/organo-pleno-nr-496531.html

Der Inhalt übertrifft 7 Bände der obengenannten Reihe, man bekommt ausschließlich Originalwerke und wird sogar vom Preis-Leistung-Verhältnis her besser bedient (wenn man den Preis pro Stück betrachtet).


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15.03.2017 21:31
avatar  Schwarzspieler ( gelöscht )
#2 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Sc
Schwarzspieler ( gelöscht )

Dagegen: Also, ich finde diese Reihe von Chilla sehr gelungen. Im Gegensatz zu "Organo pleno", wo ja wohl fast alle Stücke gleich klingen (vgl. Simon-Präludien), findet sich hier eine große Bandbreite an Epochen und Stilen von Renaissance über Distler bis zur Gegenwart, die aber leider meint, ihr Heil in der U-Musik zu finden. Mir persönlich gefällt auch nicht das Carus-Notenbild mit dem durchscheinenden Papier. Bei "Das spiele ich morgen" mit schönem Nogenbild kann man das Pedal meist effektvoll einsetzen. Zugegeben, dieses Bach-Präludium ist bekannt. Aber es ist in meinen Augen in keinster Weise verunstaltet, und ich verstehe nicht die Empörung. Da gibt es wirklich einfallslosere Kollektionen wie "Sonntagsorgel" mit 30-Sekundenstücken aus Oberlehrerseminarbüchern etc. Und: Ich würde eine Publikation nie nach dem Betrachten willkürlich gescannter Notenseiten bei stretta verurteilen!


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15.03.2017 23:14
avatar  Romanus ( gelöscht )
#3 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ro
Romanus ( gelöscht )

Die Musikauswahl bleibt natürlich immer Geschmacksache, die kann man gut finden oder nicht, die war auch nicht Gegenstand meiner Kritik (obgleich sie mich in diesem Fall nie überzeugen konnte).

Dass es noch einfallslosere Kollektionen gibt, da gebe ich dir völlig Recht, aber die betrachte ich auch nicht als Maßstab.

Ich weiß nicht, was man an einem Bach-Präludium alles verändern müßte, damit es in deinen Augen verunstaltet wäre. Ich finde, jede kleinste Veränderung ist schon zu viel, weil sie das Original verfälscht, das meiner Meinung nach keiner Korrektur bedarf. Das Stück ist dadurch weder schöner noch leichter geworden (letzteres entspräche zumindest der Intention dieser Serie, die Stücke möglichst leicht spielbar zu halten, aber auch das rechtfertigt für mich keine "Bach-Korrektur", also macht die Verfälschung in meinen Augen weder musikalisch noch spieltechnisch Sinn.

Ich würde aber nicht sagen, dass ich deswegen "empört" bin. Es wurde und wird schon so viel an den Werken alter Meister herumgepfuscht, dass ich viel zu tun hätte, mich über jede einzelne Verschlimmbesserung zu empören. [grin]

Was ich damit sagen wollte, ist nicht mehr und nicht weniger als dass ich jedem Organisten empfehle, Orgelliteratur im Original zu spielen, besonders dann, wenn sie von einem der unbestreitbar größten Komponisten stammt.
Bach´s Musik kann durch willkürliche Veränderungen eines Herausgebers, der Bach an kompositorischer Genialität nicht mindestens ebenbürtig ist, nur schlechter werden.

Dass bei "Organo pleno" fast alle Stücke gleich klingen, kann ich (als zufriedener Käufer dieser reichhaltigen Sammlung Dafuer nicht bestätigen. Das ist schon allein deshalb unmöglich, weil Stücke aus allen gebräuchlichen Dur- und Moll- Tonarten vertreten sind und die Komponisten aus verschiedenen Regionen Europas stammen (Deutschland, Österreich, Böhmen, Italien, Frankreich, Niederlande, England), deren Stile sich deutlich unterscheiden und nicht einmal die Simon-Präludien klingen "alle gleich", wenn man genau hinhört.
Die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle 138 Stücke dieses Albums aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen, was ich aber nicht als Nachteil empfinde.
Worauf gründet sich deine Meinung, dass sie fast alle gleich klingen ? Hast du sie alle gespielt oder gehört ?


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16.03.2017 07:19
avatar  Schwarzspieler ( gelöscht )
#4 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Sc
Schwarzspieler ( gelöscht )

Organo pleno habe ich mal besessen und viele Stücke waren mir schon bekannt. Wie schon der Titel verrät, ist hier eine Abwechslung gar nicht intendiert. Und wir sind uns doch einig, dass in dieser Sammlung wirklich fast alle Stücke die selbe Strickart und Stilistik aufweisen, was Affekt und Aufbau betreffen. Aber jedem sein Plaisierchen... Da empfehle ich eher das abwechslungsreichere Freiburger Orgelbuch, wenns unbedingt Carus sein muss. Die Chilla-Hefte sollen auch abwechslungsreicher sein und noch einfacher. Da findest Du neben der Vierne-Berceuse eben auch ein Krieger-Präludium. Und bezüglich Bach meine ich gelesen zu haben, dass dieses kleine Präludium gar nicht aus seiner Feder stammt. Das überrascht nicht, wenn man die sehr schöne und ausladende Violinfuge danach spielt. Ich habe auch kein Problem damit, mal Bach vom Sockel zu stoßen. Man möge mich danach 40 Tage den schmerzvollen Rosenkranz beten lassen...


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16.03.2017 17:05
avatar  Romanus ( gelöscht )
#5 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ro
Romanus ( gelöscht )

Das "Freiburger Orgelbuch" enthält einige durchaus interessante Stücke, aber leider auch diverse Zutaten aus dem mittleren und späten 20. Jh., die ich persönlich nicht brauche und daher nicht mitkaufen will.
Es muss übrigens keineswegs immer Carus sein, ich habe meine Noten noch nie nach dem Verlag ausgesucht !
Wie schon gesagt, finde ich in einer halben Stunde bei IMSLP oder ähnlichen Seiten mehr brauchbare Noten (u.a. auch Krieger, Vierne und andere Originalwerke, denen noch kein Chilla-Stempel aufgedruckt wurde) als in einem "Das spiele ich morgen"-Heft und den "Rock-Pop-Einzug" brauche ich auch nicht wirklich.

Dass diverse Bäche nicht von J.S. persönlich stammen sollen, wird ja von vielen immer wieder behauptet, aber fast nie bewiesen. Und gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, das für Bach durchaus stiltypische d-Moll-Präludium wäre NUR von J.L.Krebs oder irgendeinem Abkömmling der Bach-Dynastie, würde ich es doch lieber in der Originalversion spielen als in einem von Hrn. Chilla vorgekauten Eintopf. Die mit dem d-Moll-Präludium gemeinsam überlieferte, wie du richtig bemerkt hast, sehr schöne Fuge wirst du höchstwahrscheinlich in keiner Chilla-Publikation finden, vielleicht auch gut so, denn ich möchte gar nicht wissen, was er daran alles abändern würde.
In der oben besagten Notenreihe tragen fast alle Stücke den Stempel "Arr.: Karl-Peter Chilla" mit seinen willkürlichen Änderungen, deren musikalischer oder spieltechnischer Sinn sich mir nicht erschließt, die vermutlich hauptsächlich dazu dienen, dem Herausgeber "Urheberrechte" an Stücken zu sichern, die nicht von ihm stammen.

Um jemanden "vom Sockel zu stoßen", muss man ihn erstmal in seiner Domäne übertreffen ! [wink]


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16.03.2017 18:11 (zuletzt bearbeitet: 03.07.2021 10:15)
#6 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ma

Zitat von Romanus

Das "Freiburger Orgelbuch" enthält einige durchaus interessante Stücke, aber leider auch diverse Zutaten aus dem mittleren und späten 20. Jh., die ich persönlich nicht brauche und daher nicht mitkaufen will.


Worauf gründet sich deine Meinung, dass diese nicht klingen ? Hast du sie alle gespielt oder gehört ?
Oder hast du eine generelle Abneigung gegen moderne Orgelmusik?
Also, für meinen Teil finde ich gerade auch die modernen Sachen sehr schön, z.B. von Kodaly, Essl, Dupré, Langlais, de Kort. Eine tolle Auswahl, das Freiburger Orgelbuch; ein weiterer Band würde sich sicher ebenfalls wieder wie geschnitten Brot verkaufen. Nicht so überzeugend fand ich persönlich den Band 2 mit Halleluja-Vorspielen.

Du teilst hier ziemlich gegen Chilla aus ("sinnlos verfälscht", "Verschlimmbesserung", :bloed:, "einfallslos") - meine persönliche Meinung ... warum sollte er sich Urheberrechte an gemeinfreien Noten längst verstorbener Komponisten, die sowieso für diese Hefte neu gesetzt werden müssen, sichern müssen?

Ich persönlich habe mit den Achtelpausen in diesem nicht gerade epischen Bachwerk kein allzugroßes Problem. :duckundweg:
Vielleicht hat er als Orgellehrer schon öfter die Erfahrung machen müssen, dass das Stück bei seinen Schülern zu einem langweiligen Legato-Kaugummi :orgel: verkommen ist, und wollte daher durch die Achtelpause ein kräftiges Abheben verdeutlichen. Vielleicht empfindet er das Stück einfach anders als du. :prost:

Gloria Concerto 350 Trend

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16.03.2017 19:06
avatar  Romanus ( gelöscht )
#7 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ro
Romanus ( gelöscht )

Zitat von Martin78

Worauf gründet sich deine Meinung, dass diese nicht klingen ? Hast du sie alle gespielt oder gehört ?
Oder hast du eine generelle Abneigung gegen moderne Orgelmusik?


Ich habe sie nicht gespielt, will ich auch nicht, aber ich kann Noten lesen und man findet Einspielungen bei YT.
Es gibt tatsächlich moderne Komponisten, die für meinen Geschmack schöne Musik machen, wie John Rutter, Grimoaldo Macchia, Gert van Hoef, Roman Bissinger ... Die sind aber leider nicht im Freiburger Orgelbuch vertreten, schade eigentlich !
Wenn "modern" aber dissonant, unangenehm, formlos und schlicht und einfach (für meine Ohren) häßlich bedeuten muss, ja, dann habe ich tatsächlich eine Aversion dagegen und stehe auch dazu ! Das ist genauso wie meine Aversion gegen kratzend-scharfe Mixturen.

Zitat von Martin78

Du teilst hier ziemlich gegen Chilla aus ("sinnlos verfälscht", "Verschlimmbesserung", , "einfallslos" - meine persönliche Meinung ... warum sollte er sich Urheberrechte an gemeinfreien Noten längst verstorbener Komponisten, die sowieso für diese Hefte neu gesetzt werden müssen, sichern müssen?


Du kannst es "Austeilen" nennen, aber ich behaupte nichts, was nicht nachweislich stimmt.
Tatsache ist, wenn jemand an einem rechtfreien Stück (= Werk eines mindestens 70 Jahre verjährten oder anonymen Komponisten) nur eine Note ändert und das veränderte Stück publiziert, ist es nicht mehr rechtfrei, dann hat der Bearbeiter das "Urheberrecht" für sein Machwerk, wobei keinerlei Regeln bezüglich Sinnhaftigkeit und Qualität der "Bearbeitung" existieren. Er muss sich natürlich nicht die Rechte an den Stücken sichern, tut es aber in dieser Notenreihe systematisch, warum auch immer, vielleicht aus Angst, andere könnten die Stücke einfach nachsetzen, ihrerseits publizieren und ihm damit Konkurrenz machen. Nachdem ich in den Veränderungen speziell beim Bach-Präludium in oben ganannter Publikation keinen musikalischen oder spieltechnischen Sinn erkennen kann und in besagter Notenreihe fast alle Stücke diesen Stempel tragen, ist das eben meine einzige Erklärung dafür. Hast du eine bessere ?

Zitat von Martin78

Ich persönlich habe mit den Achtelpausen in diesem nicht gerade epischen Bachwerk kein allzugroßes Problem.
Vielleicht hat er als Orgellehrer schon öfter die Erfahrung machen müssen, dass das Stück bei seinen Schülern zu einem langweiligen Legato-Kaugummi rgel: verkommen ist, und wollte daher durch die Achtelpause ein kräftiges Abheben verdeutlichen. Vielleicht empfindet er das Stück einfach anders als du. Prost:


Er empfindet das Stück nicht nur anders als ich, sondern offensichtlich anders als der Komponist ! Es geht übrigens bei genauer Betrachtung keineswegs nur um ein paar Achtelpausen, wobei ich auch hier der Meinung bin, wenn Bach (oder ein anderer Barockkomponist) die Pausen so gewollt hätte, dann hätte er sie auch so geschrieben. Es werden z.b. auch 2 Viertel zu einer halben zusammengefasst, was deiner "Legato-Theorie" widerspricht, an anderer Stelle wird eine Halbe einfach weggelassen, für mich sind das einfach völlig willkürliche, launische Änderungen ohne jede Logik und jedes Konzept.
Ob du das Stück "episch" findest oder nicht, du musst es ja nicht spielen. Peter Planyavsky war sich jedenfalls nicht zu gut, um es (übrigens in der Originalversion) auf CD einzuspielen. Ich habe zumindest so viel Respekt vor dem Komponisten, dass ich sein Werk so stehen lasse, wie er es geschrieben hat.
Für mich ist das so, als würde jemand einen Leonardo mit ein paar schnellen Pinselstrichen übermalen und sich dann noch die Rechte daran sichern und dafür kann ich mich einfach nicht begeistern und mache von meinem guten Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch. Punkt.


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16.03.2017 19:36
avatar  pvh
#8 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
pv
pvh

Hallo,

nur 3 kleine Anmerkungen:

Zitat von Romanus

Tatsache ist, wenn jemand an einem rechtfreien Stück (= Werk eines mindestens 70 Jahre verjährten oder anonymen Komponisten) nur eine Note ändert und das veränderte Stück publiziert, ist es nicht mehr rechtfrei, dann hat der Bearbeiter das "Urheberrecht" für sein Machwerk, wobei keinerlei Regeln bezüglich Sinnhaftigkeit und Qualität der "Bearbeitung" existieren.


In diesem Fall hat der Bearbeiter nur Rechte auf seine Bearbeitung, nicht aber auf das ursprüngliche Stück, das natürlich gemeinfrei bleibt. Jedermann kann also nach wie vor eine neue, eigene Ausgabe von BWV 539 nach der Ausgabe von 1867, die sich bei ISMLP findet herausgeben, egal wie Herr Chilla das Stück für seine Ausgabe arrangiert hat.

Zitat von Martin78
Vielleicht hat er als Orgellehrer schon öfter die Erfahrung machen müssen, dass das Stück bei seinen Schülern zu einem langweiligen Legato-Kaugummi rgel: verkommen ist, und wollte daher durch die Achtelpause ein kräftiges Abheben verdeutlichen.


Ich bin weder Musikwissenschaftler, noch habe ich viel an Bach-Werken geübt. Ich denke aber, das ist genau der Punkt. Alle möglichen Orgellehrer haben mich und die Kollegen/innen im Rahmen von Nebenamtlerschulungen bei Barocker Musik darauf hingewiesen, klar abzusetzten und zwischen den Noten zu "lüften". Gerhard Weinberger, dessen Bach-Gesamteinspielung ich sehr schätze, setzt vor den Achteln im Bass bei BWV 539 auch deutlich ab. Ich würde wie Martin vermuten, dass die Achtelpausen die Zielgruppe von Chilla (Neben- oder Ehrenamtler/innen) möglicherweise genau dazu zwingen sollen.

Anmerkung: Wer kennt denn die Bach-Aufnahmen von Albert Schweitzer? Da kann man auch fragen, ob Bach das so gemeint hat.

Ich schätze die Hefte von Chilla auch, habe allerdings nur das Weihnachtsheft. Dort finden sich beispielsweise Noels von Daquin, die des Französisch-Barocken sozusagen entkleidet sind, die aber auch auf romantischen Orgeln wunderbar klingen. So habe ich diese Musik vor Jahren kennengelernt und mir später historisch korrektere Ausgaben angesehen.

Zu dem Verweis auf IMSLP:

Zitat von Romanus
Wie schon gesagt, finde ich in einer halben Stunde bei IMSLP oder ähnlichen Seiten mehr brauchbare Noten [...]


Dabei muss man allerdings bedenken, dass viele dieser Noten bei IMSLP Scans von Bänden aus dem 19. Jahrhundert sind. Damals hat man Bach und Co lustig romantisiert, Bindebögen und Manualwechsel oder auch Registriervorschläge nach Gusto hineingeschrieben, was durch nichts gerechtfertigt ist. Extrem finde ich in dieser Hinsicht etwa die Pachelbel Ausgabe von Matthäi, die bis in die 70er (?) Jahre bei Bärenreiter erhältlich war. Nicht dass ich Romantisierung nicht schätze: Die Romantik-Bäche von Jan Ernst an der Ladegastorgel des Schweriner Doms von 1871, gespielt nach Bachausgaben der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, sind großes Theater und die Idee, den Leuten diese Musik so zu präsentieren, wie sie etwa bei der Einweihung der Orgel klang, ist klasse. Aber eben auch nicht historisch korrekt.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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16.03.2017 19:45
avatar  Romanus ( gelöscht )
#9 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ro
Romanus ( gelöscht )

Wie schon gesagt, umfassen die Änderungen mehr als nur ein paar Achtelpausen, will mich nicht ständig wiederholen müssen, bitte genau lesen !

Man vergleiche Chilla´s Version mit den aktuell erhältlichen Ausgaben von Bärenreiter und Edition Peters, die als Standard gelten und die man wohl kaum als "romantisiert" bezeichnen kann !

Nein, ich will hier niemanden schlechtreden, wirklich nicht. Jeder hat das Recht, seine eigene Edition zu veröffentlichen. Wenn diese Noten gern gekauft werden, ist das auch okay, was zählt, ist nur der Erfolg.
Leben und leben lassen, das war schon immer einer meiner Grundsätze !

Die etwas sehr freien Änderungen bei BWV 539 haben mich einfach nur gestört, weil ich vor Bach großen Respekt habe.


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19.06.2018 13:08
#10 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Ma

Zitat von Martin78

Also, für meinen Teil finde ich gerade auch die modernen Sachen sehr schön, z.B. von Kodaly, Essl, Dupré, Langlais, de Kort. Eine tolle Auswahl, das Freiburger Orgelbuch; ein weiterer Band würde sich sicher ebenfalls wieder wie geschnitten Brot verkaufen. Nicht so überzeugend fand ich persönlich den Band 2 mit Halleluja-Vorspielen.


Tatsächlich ist ein weiterer Band des Freiburger Orgelbuchs in Vorbereitung (erscheint 2019), siehe Seite 7 im Carus-Prospekt. Wenn ich nicht zwei Drittel der darin enthaltenen Werke schon da haben sollte, was ich nicht glaube, werde ich da zuschlagen.

Gloria Concerto 350 Trend

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20.06.2018 12:18
avatar  Larigot
#11 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
La

Zitat von Romanus

Dass der Herausgeber offensichtlich nichts von Originaltreue hält und die Werke alter Meister sinnlos verfälscht, habe ich erst jetzt bei einem kurzen Blick in den neuen Band VII bemerkt:



Es geht noch schlimmer - Das hübsche d-moll-Offertoire aus den "Heures mystiques" von Boëllmann (bei Ch. in Band II als "Entrée" bezeichnet) wird geradezu entstellt:

- Der erste Ensatz des Fugatos im Mittelteil fällt einem optionalen Sprung zum Opfer... (Braucht man ja auch nicht wirklich, denn das "richtige" Thema kommt ja später noch oft genug... Devil

- später werden ganze Passagen gestrichen, darunter die halbe Reprise des Hauptthemas (Wozu auch eine vollständige Reprise? hat man ja alles schon mal gehört... ). Einziger für mich erkennbarer Grund: Der Drucksatz sollte mit vier Seiten auskommen...

- am schlimmsten finde ich, dass der Herausgeber (wie andere auch) die Registrierangaben ignoriert: (G) bedeutet am Harmonium 16'-Basis. Wenn man einen solchen im Manual nicht zur Verfügung hat, spielt man tunlichst eine Oktave tiefer, ansonsten kommt man immer wieder in die Situation, dass man gerade in forte- oder fortissimo-Passagen mit beiden Händen im Diskant unterwegs ist; das ist ja gerade auf neobarocken Instrumenten keine echte Freude... Es ist wirklich kein großer editorischer Aufwand, noch ein "16' " oder "8va basso ad lib." hinzuzufügen.
Ich rege mich deshalb so darüber auf, weil ich das bei meinen ersten Begegnungen mit dieser Musik selbst noch nicht wusste, dementsprechend notengetreu gespielt habe und die Stücke dann schnell als "nicht hübsch" wieder beiseite gelegt habe.

So kann man schöne Musik wirklich kaputteditieren...

Zum Glück habe ich die Bände nicht gekauft, sondern in der örtlichen Stadtbibliothek ausgeliehen. Nach dieser Erfahrung ist das Thema auch für mich durch (wobei ich die Auswahl der Stücke durchaus gut finde und einige Anregungen bekommen habe, auf die ich sonst nie gekommen wäre).


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21.06.2018 10:33
avatar  Schwarzspieler ( gelöscht )
#12 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
Sc
Schwarzspieler ( gelöscht )

Kann Deine Kritik nicht ganz nachvollziehen, da ich das Stück erst neulich auf meinem Sakralkeyboard im Altenheim gespielt hatte. Gegen Kürzung habe ich nichts - das Werk hat ja durchaus seine Längen. Natürlich sollte man sowas möglichst ohne 2' / Mixturen und auf breiter Grundtonbasis spielen. Im Mittelteil hatte ich nach Schwebungen umregistriert. Auch ein leichter Zungenklang klingt ganz gut. Das Werk ist einfach nur bearbeitet und nicht "kaputteditert". Natürlich kann man immer sagen, man spielt nur Originalversionen. In der Gottesdienstpraxis finde ich Bearbeitungen aber absolut ok.


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21.06.2018 19:38
avatar  Larigot
#13 RE: Hier meint wohl jemand, Bach korrigieren zu müssen.
La

Zitat von Schwarzspieler

Gegen Kürzung habe ich nichts - das Werk hat ja durchaus seine Längen.



Da bin ich absolut d'accord, ich würde mich in der Hinsicht sogar als absolut schmerzfrei bezeichnen... Aber ich bemühe mich dabei, die musikalische Logik im Auge zu behalten. Und wenn ohne Not ein Fugeneinsatz amputiert wird, nur um einen Sprung zu ermöglichen, geht die Logik eben flöten. (Es wäre ein Leichtes gewesen, den Sprung mit einem Doppelstrich auf die zweite Zählzeit zu legen und alles wäre gut)

Zitat von Schwarzspieler

Natürlich sollte man sowas möglichst ohne 2' / Mixturen und auf breiter Grundtonbasis spielen.



Die Registervielfalt eines Sakralkeyboards ist allerdings nicht überall gegeben, und die Reihe richtet sich ja bewusst (auch) an nebenamtliche Organisten, die oft an kleinen und sehr kleinen Instrumenten unterwegs sind.
Der Herausgeber hat ja die Lautstärkeanweisungen auch wegeditiert - in der Erstausgabe steht am Anfang piano und ab T. 17 fortissimo - das Stück ist in Bauplan und Gestus sehr stark mit dem Menuet Gothique verwandt. Das kann man auch auf kleinen Instrumenten gut abbilden, wenn man eine Oktave tiefer spielt und ein (paar) Register zuzieht. Dann wird der 2' zum 4' und alles ist gut. Und das ist jetzt kein Insidertipp, sondern oftmals gängige Praxis und darüberhinaus die bestmögliche Umsetzung des Notentextes (der ja die 16'-Basis durch die Registerangabe vorschreibt).

NATÜRLICH kann man es auch anders machen, und ich will auch gar nicht abstreiten, dass das schön oder sogar sehr schön klingen kann. Das ist ja das Schöne an der Orgel, dass man so viele klangliche Optionen hat. Aber das hat dann nicht mehr viel mit der ursprünglichen Idee des Komponisten gemeinsam, und ich erwarte von einer guten Edition, dass diese Idee erkennbar bleibt.
Wohlgemerkt - alles was ich kritisiere, ließe sich mit wenigen Ergänzungen im Notentext und evtl. einer Fußnote leicht realisieren. Weil das nicht geschehen ist, bin ich enttäuscht.

P.S. Wer sich dafür interessiert, was sich aus den Heures mystiques an einer großen Orgel (ACC Mulhouse) herausholen lässt, dem sei die Einspielung einiger Stücke von Jacques Kauffmann empfohlen. Als Hardware wohl leider vergriffen, aber als Download bei den gängigen Anbietern erhältlich.

LG Larigot


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