"Neue" Kirche ...

03.04.2017 08:48
#1 RE: "Neue" Kirche ...
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Moderator

Meine Dienstkirche hat(te) ja bisher vier Sekunden Nachhall und eine die Basslagen deutlich bevorzugende Akustik. Für unsere eher kleine Orgel war das optimal, für die Sprachverständlichkeit war schon eine "tricky" gepegelte LS-Anlage nötig. Das wollten wir verbessern. Und eine Lösung ergab sich, als die Polsterbeläge der Kirchenbänke nach knapp 50 Jahren einen Austausch erforderten. Also haben wir neue beschafft, ausdrücklich unter der Maßgabe, dass sie die Raumakustik etwas domestizieren. Das hat funktioniert, wie ich gestern beim ersten Gottesdienst in der Kirche (nach dem im Winter üblichen Gemeinehaus-Exil) festgestellt habe. Die Sprachverständlichkeit hat sich wesentlich verbessert, die Nachhallzeit hat sich knapp halbiert. Allerdings hat sich auch das Frequenzverhalten grundlegend verändert. Die Basslastigkeit ist weg. Das hat Konsequenzen für den Klang der Orgel. Der einzige 16', dessen Einsatz bisher ein in wahrsten Sinn des Wortes "fundamentales" Ereignis war, muss sich nun anstrengen. Er ist ja als weites Metallgedackt gebaut, was der Klarheit zugute kam. Sein leichtes Quintieren ist jetzt deutlicher zu hören bei reduzierter Substanz des Grundtons. Ich habe mir gestern mit dem (digital per CM 100 dazugemogelten) Holzprinzipal 16' beholfen - und zwar zur Gemeindebegleitung. Bisher blieb er dem großen Plenum vorbehalten und hat (durchaus beabsichtigt) ziemlich "reingehauen". Ich werde ihn wohl gegen einen tragenden Subbass auswechseln müssen. Das ebenfalls digitale Fagott ist zum schnurrenden Kater mutiert und wird wohl zur fülligeren Bombarde umgewidmet.
Aber mein schöner, mit viel Aufwand zurecht intonierter digitaler Prinzipal 8' wirkte gestern höchstens wie ein Gemshorn. Das wird wohl dauern, bis ich damit wieder zufrieden bin. Ab 4' ist alles beim Alten - so wie früher bei Christvesper-Besetzung, etwas schwachbrüstig mesuriert, aber die Proportionen sind stimmig. Und auf letzteres hatten wir bei der Generalüberholung und Nachintonation vor fünf Jahren besonders geachtet.
Ich bin jetzt gespannt, was der OBM meines Vertrauens vorschlägt. Er kommt Anfang Mai zur Generalstimmung. Er hat nicht nur keine Berührungsängste mit den digitalen Zusätzen, sondern hat mir seinerzeit auch ein paar Intonationskniffe verraten. Das damalige Ergebnis hatte der OSV im Abnahmegutachten als "erfreulich" bezeichnet.
Da müssen wir jetzt wieder hin.

LG
Michael


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03.04.2017 08:52
#2 RE: "Neue" Kirche ...
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Die Frage ist, welche weiteren "Einbußen" du dann bei vollem Haus (Christvesper?) verzeichnen wirst müssen...


Auf Orgelsuche.

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03.04.2017 09:33
#3 RE: "Neue" Kirche ...
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Ich denke mal, gar keine. Denn jetzt ist ja bereits "volles Haus" simuliert. Der Raum hat Trapezform und ist im Scheitelpunkt der in Holz ausgezimmerten Deckenkonstruktion so hoch wie lang. Da ist genug Luft nach oben, den Klang zu verwirbeln - egal, wieviel Pelzmäntel da in Bodennähe umeinanderwallen. Aber Akustik ist ein Terrain, auf dem hinter jeder Bodenwelle eine Überraschung lauern kann.
Im Zweifelsfall hinterlege ich prophylaktisch und präventiv eine Zweitintonation auf dem Expander und disponiere mir dort einen fetten, tragenden Prinzipalchor. Ich werde auch mal mit weiteren Kanälen experimentieren - der CM 100 ist ja serienmäßig auf sechs Ausgänge angelegt. Bisher reichten zwei.
Die Intonation der PO möchte ich eigentlich nicht verändern. Sie ist in sich stimmig, wenn auch jetzt einen Tick dezenter. Wir haben uns viel Mühe gegeben, die Pfeifen auf eine optimale, volle und unforcierte Tongebung einzustellen. Das unaufdringliche Singen der Plena wurde vom OSV ausdrücklich gelobt.
Am Wochenende lege ich mal das Aufnahmegerät unten in den Raum und höre mir das Ganze aus der Gemeindesänger-Perspektive an.

LG
Michael


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20.05.2017 07:06
#4 RE: "Neue" Kirche ...
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Moderator

Wir sind einen großen Schritt weiter. Gestern waren Clemens und Alfons auf Stippvisite da und wir haben einen Nachmittag lang ein paar wesentliche Korrekturen am digitalen Zusatz (CM100) vorgenommen. Die Arbeit mit drei Ohrenpaaren in unterschiedlichen Hörpositionen im Raum ist erheblich effizienter als der übliche ein-Mann-Betrieb.
Ich war nach eigenem Ohrenschein verblüfft, wie sehr die "Dämmstoffe" der neuen Bankbeläge die Präsenz der Basslage im Raum dämpfen und den Diskant verstärken.
Wir haben dem Instrument einen kompletten digitalen Prinzipalchor "verpasst", um die jetzt deutlich hörbar zu engen Mensuren der PO auszugleichen. Die "Doppelprinzipale" alla inglese machen den Klang wieder rund und lassen ihm dennoch die bisherige polyphone Qualität.
Das freilich so, dass der Charakter der Orgel mit ihrem unaufdringlichen neo-barocken Klangbild gewahrt bleibt.
In der Basslage haben wir kräftig "pimpen" müssen. Da hatte ich für den Zustand quo ante digital einen Offenbass 16' gebastelt. Den habe ich jetzt zum Contrabaß umgemodelt, d.h. ihm etwas mehr Kern und Strich gegeben. Zu Verstärkung des jetzt deutlich zu schwachen (Metall-)Pommer 16' des Pfeifenteils habe ich den Platz des Offenbasses 8' im Expander geopfert und ihn für einen runden Untersatz 16' verwendet, der den Pommer als Fundamentregister auffüllt und einbindet. Aus dem Fagott 16' ist eine (immer noch diskrete) Bombarde 16' geworden, mit etwas runderem und substantiellerem Ton in der tiefen Oktave.
Mit dem digitalen Prinzipal 8' bin ich noch nicht ganz zufrieden (wer hätte anderes vermutet ... [grin]).
Aber - kommt Zeit, kommt Prinzipal. Auch die digitale Mixtur, die die vorhandene 2-3fache der PO ergänzen und ersetzen kann (vor allem wenn erstere im Diskant allzu quer steht), ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denke ich. Auf der zweiten Speicherebene haben wir dann eine Prinzipalschwebung 8' (ital. voce umana) abgelegt. Dazu noch ein schönes Cromorne 8' für die Basse-Cromorne-Piècen der barocken Franzosen, die ich sehr mag.
Auch die (digitalen) Zungen haben wir modifiziert und die Verläufe z.T. erheblich geändert. Jetzt ist der Zustand "quo ante" wieder erreicht bzw. einen deutlichen Ticken verbessert.
Morgen findet die "Nagelprobe" statt - wir haben Konfirmation, da ist mit ziemlich vollem Haus zu rechnen. Ich bin gespannt, ob die Tragfähigkeit beim Begleiten des Gemeindegesangs wieder ihr bisheriges Niveau erreicht hat.
Sobald die Raumtemperatur sich stabil auf Sommer umgestellt hat (im Moment ist sie noch arg tief), mache ich mal einen Samstag lang Klangproben für unsere Gemeindepage.

Herzlichen Dank an die beiden "Mit-Intonateure" ...
Ich hoffe, Ihr seid gut nach Kölle gekommen ...

LG
Michael


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20.05.2017 13:21
#5 RE: "Neue" Kirche ...
cl

Lieber Michael,
die gemeinsame Klangarbeit hat uns richtig Freude bereitet, wie auch die anschließenden Aktivitäten. Besonders das vollkommene Menue, in so kurzer Zeit gezaubert, bereitete auf ganzer Linie Grand Plaisir. Die Fonds Deiner 360 klingen immer noch nach.... bei passender Gelegenheit erbitte ich höflichst Nachschlag. Auch die Würdigung Deiner Bibliothek mit den bibliophilen musikalischen Schätzen kam ja zeitlich gehörig zu kurz (evtl. läDst Du uns vom grob durchgegriffenen "Macht hoch die Thür" einen Scan ins Schatzkästlein <bitte, bitte!>... Der Gesprächsstoff auf allen Ebenen geht uns ja nie aus... und so war auch hier die Zeit viel zu kurz.
Gespannt sind wir auf das Ergebnis der klanglichen "Nagelprobe" .
Sollte Bedarf an zwei hörenden Ohrenpaaren und/oder Bedürfnis bestehen, so reiten wir gerne wieder ein.
Deiner Göttergattin und Dir
ein herzliches Danke schön!
Alfons und Clemens

Liebe Grüße vom Clemens

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20.05.2017 13:31
#6 RE: "Neue" Kirche ...
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Ganz offtopic: Dein Sager vom Schatzkästlein, lieber Clemens, hat mich spontan bewogen, die doch etwas sperrige Schatzkammer umzubenennen. Danke für die Idee. [smile]


Auf Orgelsuche.

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20.05.2017 13:43
#7 RE: "Neue" Kirche ...
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Moderator

Zitat von clemens-cgn

Sollte Bedarf an zwei hörenden Ohrenpaaren und/oder Bedürfnis bestehen, so reiten wir gerne wieder ein.
Alfons und Clemens



Des walte Gottfried! Dafuer:

LG und Prost: rgel:
Michael


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22.05.2017 07:09
#8 RE: "Neue" Kirche ...
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Gestern hatten wir Konfirmation, erstmals richtig volle Bude in der veränderten Akustik. Und auch in dieser Hinsicht haben sich unsere Hoffnungen erfüllt. Die neuen Bankbeläge simulieren bereits einen voll besetzten Raum so weit, dass sich die Parameter durch Realpräsenz einer vielköpfigen Besucherschar nicht mehr signifikant verändern. Und unsere Bastelei am Expander hat sich wirklich gelohnt. Den Gottesdienst hielt unser ehemaliger (leider vor Jahresfrist in eine andere Gemeinde entfleuchte) Pfarrer, der diese Gruppe noch unterrichtet hatte. Und er meinte hinterher: "Hast Du wieder an Deinem Kistchen herumgespielt?"
Der doppelte Prinzipalchor war die absolut richtige Entscheidung. Die fülligeren, weicheren Digitalprinzipale fangen die jetzt deutlich zu engen PO-Prinzipale auf. Das wirkt sich beim Gemeindebegleiten hörbar aus. Ich habe da mal etwas herumprobiert und hinterher meine im Raum verteilten Chorsänger befragt. Sie haben den Unterschied deutlich wahrgenommen und fühlten sich von der Kombination beider Chöre am besten getragen. Der reine Digitalchor wurde als zu konturlos, der PO-Chor als zu mager empfunden. Auch das Plenum mit den nach unten anwachsenden Bässen und dem etwas "aufgebohrten" Lingualfundament wurde im Raum als gut balanciert und angemessen wahrgenommen.
Absoluter Publikumsliebling ist natürlich die Prinzipalschwebung. Sub sacramentum habe ich damit Sextakkorde durch die Gegend geschoben und mit der Flöterei im Positiv Kantilenen dazu gesungen. Man war durchaus amused.

Wer sich das Ergebnis selber mal live zu Gemüte führen will: Jederzeit gern.

Ein paar Klangproben mache ich irgendwann in den nächsten Wochen, wenn die Kirche Sommertemperatur hat. In diesen großen Betonburgen dauert es ein paar Wochen, bis sich die Wetterumstellung dauerhaft in die Stahlarmierung rumgesprochen hat ... [grin]

LG
Michael


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