Fingersatz

22.05.2017 22:44
#1 RE: Fingersatz
In

Ein fröhliches Hallo ins Forum und eine Frage zum Fingersatz:
Ich habe mich vor einiger Zeit in den Blog von Vidas Pinkevicius (www.organduo.lt) eingeschrieben. Er bringt da für mich als Autodidakt an der Orgel sehr schöne Beiträge, aber nun empfahl er im Zusammenhang mit Alter Musik folgenden Fingersatz für Tonleitern: 3-4-3-4-3-4-3-4 (aufsteigend) und 3-2-3-2-3-2-3-2 (absteigend). Für mich, vom Klavier kommend, mehr als ungewohnt und daher die Frage an die "Studierten": Macht man das wirklich so in der Praxis? Lohnt das Umlernen meiner nicht mehr ganz jungen Finger? - Ich frage bewusst nicht bei Vidas direkt nach, da er bereits in seinem Blog erläutert, warum er das gut findet.
Danke vorab für eure Meinungen!
Gruß, Oliver


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22.05.2017 23:55
avatar  pvh
#2 RE: Fingersatz
pv
pvh

Hallo,

ich bin kein professioneller Organist, sondern nur Hobby-Spieler, habe mich aber immer wieder mit der Frage, teilweise intensiv, auseinandergesetzt, wie die Musik, die ich spiele, ursprünglich gespielt wurde und geklungen hat (Artikulation, Tempo und Agogik, Finger- und Fußsatz, Registrierung usw.). Das finde ich spannend und insofern habe ich solche Sachen wie die angesprochenen Fingersätze auch schon ausprobiert. Mit Ulrik Spang-Hanssen hatte ich einmal das Vergnügen, über dessen Pedal-Technik zu sprechen; er spielt die Pedalparts des kompletten Buxtehude, ja der gesamten Barocklitertaur, hochvirtuos nur mit der Spitze. Und im Unterricht war die historisch informierte Spiel- oder Aufführungspraxis natürlich auch Thema.

Für den eigenen Einsatz im Gottesdienst bin ich da aber pragmatisch: Ich spiele so, wie es bequem ist, ich möglichst wenig Fehler mache und es gut klingt. Manchmal nehme ich für bestimmte Zwecke Stücke her und spiele sie womöglich in Tempo, Artikulation und Registrierung so, wie es der Komponist nie im Sinn gehabt hat. Ich persönlich finde, das macht nichts, wenn es gut klingt, passend ist und und mir und der Gemeinde gefällt. Und gute Musik klingt immer gut, wie dieses Beispiel zeigt (garantiert keine historisch informierte Aufführungspraxis).

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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23.05.2017 08:23
#3 RE: Fingersatz
Me

Danke Christoph, so sehe ich das auch.
Es ist interessant, alte Fingersätze auszuprobieren, das Spielgefühl zu testen und die dadurch entstehende Artikulation und musikalische Spannung, aber dann auf modernen Orgeln mit moderner Technik die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen. Ich verwende alte Fingersätze in der Praxis selten. Der Musik schadet das nicht.

Herzliche Grüße
Metallgedackt


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23.05.2017 08:43
avatar  Guilain
#4 RE: Fingersatz
Gu

Bei Daniel Chorzempa in Basel mussten wir historische Fingersätze verwenden, und zwar je nach Herkunft der Stücke den italienischen / süDdeutschen / französischen (gute Finger = auf betonter Note: 2 und 4) oder den spanischen / norddeutschen / englischen (guter Finger: 3). Ich bin beim norddeutschen Fingersatz geblieben, wende ihn aber nicht stur an. Man bewegt da die Hand einfach anders, wenn man zB auf Daumen-Untersätze weitgehend verzichtet. (das heißt nicht, dass der Daumen verboten wäre!) Bei barocken Franzosen wieder hilft der Fingersatz 2 4 sehr bei Artikulation und inegalem Spiel.


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23.05.2017 19:52
avatar  Viola da Gamba ( gelöscht )
#5 RE: Fingersatz
Vi
Viola da Gamba ( gelöscht )

Hallo,

ich habe mich im Studium auch ausführlich mit alter Musik und altem Fingersatz auseinandergesetzt. Ich habe auch Unterricht/ Kurse bei einigen der Gurus in diesem Bereich besucht. (Laukvik, Kooiman, Radulescu etc.) Mir hat es Spaß gemacht, mich hier reinzuarbeiten und bewusst diese Art von Musik anders anzupacken. Wenn man mit alten Fingersätzen spielt, klingen diese Stücke anders. Das non legato und die entsprechenden Finger- und - Fußsätze erzeugen Betonungen, Pausen, teilweise einen leichteren Anschlag und vieles mehr. Man muss dies allerdings Stück für Stück erarbeiten, wie jede andere Technik auch. Das ist die eine Seite. Andererseits spiele ich im Gottesdienst niemals Choräle mit alten Fingersatz und es ist manchmal mühsam ein Werk aus der alten Musik aufzuwärmen und dabei die Fingersätze zu beachten. Ich spiele aus allen Epochen Literatur und nutze nun einmal im Wesentlichen den nachlisztschen Fingersatz. Deshalb nehme ich es mit den alten Fingersätzen oft heutzutage nicht mehr so genau und es macht genauso viel Spaß. Aber eine Frescobaldi Toccata, eine Clerambault Suite, Sweenlinck etc. gekonnt mit alten Fingersatz klingt schön und ist was Feines!!!
Mir hat jemand auf einem zweiwöchigen C-Kurs in der KMF in Schlüchtern an verschiedenen Stücken dies ordentlich beigebracht und ich konnte mich dafür begeistern und diese Begeisterung ist die grundlage dafür so etwas zu erlernen. Es ist kein muss. Solltest du dich dafür interessieren, empfehlen ich Laukviks Orgelschule Band 1 v.a. wegen der guten Anleitung und den schönen Stücken im Notenband.

Ich habe jetzt mit meiner 355 CC die Zeit genutzt und mir historische Orgeln zusammengebastelt. Wenn ich jetzt einen alten Meister spiele machen mir meine Kenntnissse aus dem Bereich viel Freude, auch wenn ich manchmal nur 50 % aller Töne treffe.... Üben! Üben! Üben!

LG

Viola da Gamba


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24.05.2017 07:13
#6 RE: Fingersatz
In

Vielen Dank für die differenzierten Antworten! Das hat mal wieder meinen Horizont erweitert [wink]
Scheint ein bisschen so zu sein wie damals, als ich mich auf dem Klavier dem Jazz näherte und nach Fingersätzen für die Blues- und die modalen Tonleitern fragte, da bekam ich den Rat "Du musst es erst in dir fühlen, dann wissen deine Finger auch, wo sie hinmüssen".
In diesem Sinne eine orgeligen Himmelfahrtstag morgen!
Oliver


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