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Postludium - Favoriten und Geheimtips
Was die Nachspiele in meiner Organistentätigkeit betrifft, war ich immer schon wählerisch. Ich nehme nicht so leicht ein Stück in mein "Nachspiel-Repertoire" auf, was natürlich die Gefahr in sich birgt, die wenigen "guten" Nachspiele vielleicht etwas zu oft zu spielen. Durch einen Gewöhnungseffekt beim Zuhörer würden auch noch so geniale Stücke allmählich ihre Wirkung verlieren, was schade wäre. Deshalb suche ich auch immer wieder neue Nachspiele, was gar nicht so leicht ist.
Aber was macht eigentlich ein "gutes" Postludium aus ?
Mein "Kriterienkatalog" sieht folgendermaßen aus:
1. Es soll effektvoll sein, begeistern, die Leute sollen nicht gähnend, gelangweilt die Kirche verlassen, sondern beeindruckt, inspiriert, wachgerüttelt werden.
Damit erübrigen sich für mich rein getragene Stücke, die nur aus vollen Akkorden bestehen, es sollten immer auch schnellere Noten und möglichst auch virtuose Passagen ("Laufwerk" dabei sein.
2. Es muss (evt. abgesehen von wenigen Ausnahmen wie z.b. Allerseelen) laut genug sein, um nicht durch das angeregte Gequatsche diverser Musik-Ignoranten übertönt zu werden, also kommen für mich grundsätzlich nur Plenum-Stücke in Frage.
3. Es soll angemessen lang sein:
Für "gewöhnliche" Gottesdienste (Sonntage im Jahreskreis): >= 2, aber < 3 Minuten
Für Festgottesdienste zu kirchlichen Hochfesten, Trauungen: > 3 Minuten, zu Weihnachten und Ostern mindestens 4 Minuten.
4. Es sollte vom Charakter her zum jeweiligen Anlass passen.
5. Es sollte zum Instrument passen, also nicht unbedingt französische Spätromantik auf einer süDdeutsch-österreichischen Barockorgel.
6. Es sollte nicht zu schwer sein, ich will mich dabei sicher fühlen, habe nicht unbegrenzt Zeit und kann daher nicht für jede Sonntagsmesse wie für ein Konzert üben.
Hier eine kleine Liste meiner Lieblings-Postludien, die ich am liebsten spiele und die sich "bewährt" haben:
Für gewöhnliche Sonntage und deren Vorabende:
Jan Pieterszoon Sweelinck: Toccata in a (äolisch)
Johann Pachelbel: Toccata e-Moll, Toccata g-moll
Johann Speth: Toccata quinta
Johann Philipp Krieger: Toccata a-Moll
Johann Krieger: Präludium C-Dur
Jan Podbielski: Präludium d-Moll
Johann Sebastian Bach: Präludium C-Dur aus 8 kleine P.u.F., Präludium c-Moll aus "Wohltemperiertes Klavier I"
Johann Ernst Eberlin: Toccata prima (ohne Fuge), Präludium und Versus primus aus "Tonus primus"
Johann Caspar Simon: Präludium und Fuge c-Moll, Präludium und Fuge d-Moll
Johann Georg Albrechtsberger: Präludium d-Moll Op.3/4, Präludium A-Dur Op.3/10, Präludium D-Dur Op.12/2
Theodor Grünberger: Postludium minore aus Orgelmesse Nr. 3
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Präludium(Allegro moderato maestoso) C-Dur
Anton Bruckner: Präludium Es-Dur
Gustav Merkel: Präludium Es-Dur
Für Festgottesdienste/Hochämter:
Georg Muffat: Toccata I, Toccata XII aus Apparatus musico-organisticus
Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge c-Moll BWV 549, Präludium G-Dur BWV 568, Fantasie G-Dur BWV 572, Toccata d-Moll BWV 565, Präludium und Fuge d-Moll/G-Dur/g-Moll/a-Moll aus 8 kleine P.u.F.
Georg Friedrich Händel: Halleluja aus "Der Messias" (Orgeltranskription von Henry Smart)
Carl Philipp Emanuel Bach: Präludium D-Dur
Johann Georg Albrechtsberger: Präludium und Fuge G-Dur Op.6/4, Präludium G-Dur Op.3/8, Fuge über B-A-C-H
Johann Baptist Schiedermayr: Präludium für die heilige Weihnachtszeit D-Dur Op.76/6
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Allegro maestoso und Fuge aus 2. Sonate
Was sind eure Lieblings-Nachspiele und Geheimtips zur Repertoire-Ergänzung ?
Lieber Roman,
in deinem Kriterienkatalog würde mir noch ein nicht ganz unwichtiger Treiber fehlen:
Ist das Nachspiel "Musik zum Auszug", oder bleibt die Gemeinde auf den Plätzen und "muss bis zum Ende zuhören", das Nachspiel wird praktisch Teil der Liturgie? Ich habe in meinen Orgelstellen beides erlebt. Bei letzterer Variante steigt tendenziell der inhaltliche Anspruch, gleichzeitig liegt dann aber eher in der Kürze die Würze. Anders ausgedrückt: es wäre eine "Zumutung", die gesamte Gemeinde zu einem z.B. 5-minütigen Nachspiel festzuhalten, sofern es nicht explizit ein musikalischer GD ist und sich ein ausführliches Postludium aufdrängt. Wenn es allerdings "zum Auszug" ist, kann man m.E. deutlich längere Stücke nehmen ("Die Kirche leerspielen", dann bleibt nur zurück, wer wirklich zuhören will, aber freiwillig.
LG
Stephan
Zitat von SJL
Ist das Nachspiel "Musik zum Auszug", oder bleibt die Gemeinde auf den Plätzen und "muss bis zum Ende zuhören", das Nachspiel wird praktisch Teil der Liturgie? Ich habe in meinen Orgelstellen beides erlebt. Bei letzterer Variante steigt tendenziell der inhaltliche Anspruch, gleichzeitig liegt dann aber eher in der Kürze die Würze. Anders ausgedrückt: es wäre eine "Zumutung", die gesamte Gemeinde zu einem z.B. 5-minütigen Nachspiel festzuhalten, sofern es nicht explizit ein musikalischer GD ist und sich ein ausführliches Postludium aufdrängt. Wenn es allerdings "zum Auszug" ist, kann man m.E. deutlich längere Stücke nehmen ("Die Kirche leerspielen", dann bleibt nur zurück, wer wirklich zuhören will, aber freiwillig.
Hallo Stephan,
bei uns muss natürlich niemand das Nachspiel bis zum Ende anhören, wenn er nicht will. Manche Messbesucher tun das freiwillig, aber ich wage zu behaupten, dass diese Leute eher die Minderheit sind. Manche verlassen schnell und geräuschlos die Kirche, andere lassen mit Genuss die Tür laut zufallen, wieder andere bleiben in der Kirche, lauschen aber nicht dem Nachspiel, sondern quatschen laut auf das Angeregteste.
Deshalb ist der Punkt 2. meines Kriterienkataloges auch so unverzichtbar !
Von deutlich längeren Stücken nehme ich grundsätzlich Abstand, weil sich kaum jemand 10 Minuten lang hinsetzt und zuhört. An meinem 1. Ostermontag im Jahr 2003 habe ich z.b. BWV 565 mit Fuge zum Auszug gespielt und am Schluss war die Kirche nicht nur wie ausgestorben, sondern auch bereits zugesperrt und Licht abgedreht.
Glaub´ mir, die von mir angegebenen Zeiten sind wohlbedacht und beruhen auf langjähriger Erfahrung ! Ein Nachspiel > 5 Minuten macht eigentlich nur zu Weihnachten Sinn, wenn die Leute zum Kripperlschauen länger als sonst in der Kirche verweilen.
in unserer Filialkirche wird NACH dem Postludium das unvermeidliche "Jesus, Dir leb ich..." gebetet. Wenn ich da länger als 5 !Takte! spiele, höre ich schon lautstarkes Seufzen...
Bei meiner ersten eigenständig begleiteten Messe dort spielte ich ein längeres Stück, hörte unten noch Rumoren und dachte, es wären noch Leute da. Mein Kollege, der an dem Tag Mesnerdienst gemacht hatte, rief dann hinauf: "Sag mal, für wen spielst Du eigentlich noch ?" [grin]
und zum Thema: "ausschließlich Plenum": wird samstags anschließend noch der Engel des Herrn gebetet, passt es m.E. überhaupt nicht, wenn ich dann mit vollem Werk spiele. Da beginne ich eher leiser und würde - wenn es ein längeres Stück sein dürfte !! , erst nach ein paar Takten zusätzliche Register ziehen.
Schrecklich, diese postliturgischen Fleißaufgaben...
Mit dem Gehet hin in Frieden ist die Messe aus und die Orgel sorgt für einen würdevollen Ausklang. So hätte ich es bisher verstanden. Warum dann noch dringend dies und das "nachgebetet" werden muss, erschließt sich mir nicht.
#7 RE: Postludium - Favoriten und Geheimtips
ich fang mal an (standards, keine geheimtipps):
norddeutscher barock:
buxtehude -- präludium C-dur
bruhns -- kleines e-moll praeludium
süDdtsch barock: muffat -> schon da.
franz. barock:
couperin -- aus der messe des paroisses z.b. offertoire
clérambault -- aus dem 1ere livre d' orgue die suite du 2ème ton (schluss)
wegen des nachbarfadens zum donnerstück: balbastre -- cannonade (fun-stück https://www.youtube.com/watch?v=iQ8oo7rk3lY)
ital. barock:
frescobaldi -- aus den fiori z.b. bergamasca
iber. barock:
kenn ich wenig, daher stellvertretend kerll -- battaglia (Anfang+schluss) [aufgrund des nachbarfadens zu frau kaczor https://youtu.be/v9i8oqKs-Ig?t=4m20s]
tbc.
Hallo,
ich spiele, was mir gefällt, den Leuten gefällt und mir passend erscheint. In der Regel spiele ich einfachere Stücke, die um die 2-4 Minuten dauern und überlasse große Konzertstücke gerne den Profis.
In meiner ersten Phase habe ich vor allem Barockes gespielt, also Pachelbel, Späth, Krieger, auch die kleinen Präludien und etwas Buxtehude (oft zerlegt, also ein Teil zum Einzug bzw. vor dem Gottesdienst, ein Teil zur Kommunion, ein Teil als Nachspiel), und überhaupt das, was sich im Band "Freie Orgelstücke alter Meister" findet.
Dann habe ich mir Hefte mit Musik der französischen Dorforgelromantik gekauft und diese Musik, lustige fröhliche, manchmal etwas schräge Sorties, dominierte eine ganz Zeit lang meine Nachspiele (Auger, Battmann, Goupil, Fallouard,...).
Irgendwann habe ich französische Barockmusik entdeckt und in der Folge v.a. ziemlich viel Corrette gespielt, von dem ich mir bei IMSLP die Livre d'Orgel heruntergeladen und dann drucken und (ring-)binden habe lassen. Natürlich auch Noels von Daquin und vieles mehr.
Meine dienstlichen Aktivitäten in Spanien führten seit 5, 6 Jahren dazu, dass ich ziemlich viel spanische Barockmusik gespielt habe, Tientos, Batallas u.a. von Heredia, Cabanilles, den Italiener Zipoli, der dann als Jesuit nach SüDamerika gegangen ist, rechne ich einmal großzügig dazu. Die meisten Noten habe ich von IMSLP, sie sind in einem eigenen Ordner. Im letzten Jahr (oder schon vorletzten Jahr?) habe ich mir die neue Ausgabe von Martín y Colls "Flores de Música" gekauft, damit habe ich einen Schatz, der noch lange halten wird.
Vor fast 10 Jahren habe ich die Musik von Andreas Willscher entdeckt, ihn auch persönlich kennengelernt und 2 x für Konzerte bei uns engagiert. Ich spiele sehr regelmäßig seine Musik und melde das der GEMA, vor allem in den Jahren, in dem wir Statistik über nicht gemeinfreie Musik führen müssen. Auch hier spiele ich Stücke, die nicht so schwer sind, und bei den Leuten bestens ankommen.
Vor 3, 4 Jahren habe ich angefangen, mich mit deutscher Romantik zu beschäftigen, Piutti, Rinck, Merkel usw. In den letzten 10-15 Monaten habe ich dann vor allem auf Rinck und andere Lehrerbildner zurückgegriffen, was ja auch in die "Herausgabe" meines "Romantik-Albums" gemündet ist.
Laut und virtuos muss es nicht sein. Bei uns treffen sich die Leute zum Ratschen vor der Kirche, meist bleiben so um ein Dutzend Leute (von 120-150) zum Nachspiel sitzen, mal mehr, mal weniger. Im Mai lasse ich gerne nach einem kurzen, lauteren Stück noch die Vögel zwitschern, etwa Pachelbels Nachtigall, Daquins Kuckuck oder einen der Willscherschen Vögel (MäDchen mit der Taube = Hommage an Picasso). Im Advent oder auch in der Fastenzeit spiele ich gelegentlich nach dem Gottesdienst ein dezentes, passendes Choralvorspiel. Correttes "Grand jeu avec le tonnerre" habe ich regelmäßig im Sommer für den Fall eines Gewitters dabei, inkl. selbstgebauten Gewittertritt, es ergab sich aber noch nie die Gelegenheit.
Also eigentlich eine große Vielfalt, Musik aus allen Epochen und Stilrichtungen. Das Gleiche gilt für die Stücke vor dem Gottesdienst. Da wir keinen Turm und keine Glocken haben, spiele ich da viele Carillon-Stücke (französische Romantik, Willscher).
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
P.S.: Wir haben eine kleine Universal-Orgel, auf der aber eigentlich alles geht bzw. gut klingt. Sicher klingt etwa Daquin nicht wie im Original auf einer Cliquot-Orgel, aber trotzdem gut. Ich habe zwar Interesse an historisch informierter Spielpraxis, halte aber nichts davon, an einer bestimmten Orgel nur bestimmte Musik zu spielen. Viele deutsche Romantiker haben ihre Stücke ja auch auf Orgeln des (Spät-)Barock gespielt, gab ja vielfach nichts anderes.
#9 RE: Postludium - Favoriten und Geheimtips
Zitat
P.S.: Wir haben eine kleine Universal-Orgel, auf der aber eigentlich alles geht bzw. gut klingt. Sicher klingt etwa Daquin nicht wie im Original auf einer Cliquot-Orgel, aber trotzdem gut. Ich habe zwar Interesse an historisch informierter Spielpraxis, halte aber nichts davon, an einer bestimmten Orgel nur bestimmte Musik zu spielen.
das halte ich übrigens auch so. als organist hat man evtl mehrere orgeln und hat abwechslung, aber die gemeinde hört ja immer dieselbe orgel und sollte in meinen augen auch vielfältige musik geboten bekommen.
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