Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
RE: Wo andere Leute Urlaub machen ...
#1 RE: Wo andere Leute Urlaub machen ...
... spielt unser Mitforist Martin/mvn in einigen Gemeinden die Orgel.
Auf der Urlaubsfahrt durchs Rhonetal und nach Taize hatten wir Donnerstag spontan beschlossen, die Rückfahrtroute via Genfer See zu legen. Dort regnete es Bindfäden - die Stadterkundungen in Genf und Lausanne (Fisk-Orgel in der Kathedrale) fielen wortwörtlich ins Wasser und wir beschlossen, weiter nach Norden zu fahren. Auf der Karte lag der Thuner See gleich um die Ecke - und dort orgelt unser Martin. Eine Anfrage ergab, dass er seinen Urlaub schon hinter sich hat und so gingen wir gestern auf Orgelstreifzug durch Thun und Umgebung.
Letzere ist nicht nur traumhaft schön. Die Orgeln dort stehen der Landschaft in nichts nach.
Absolutes Highlight: die Orgel in der Stadtkirche Thun - eine Metzlerin aus 1950 mit tadelloser Mechanik und in einem Top-Zustand. Leute, diese Orgel ist ein Traum! Genau so stelle ich mir mein ideales Werkzeug zur Gottesdienstgestaltung vor. In einem schlichten Barocksaal in typisch refomierter Manier entfaltet sie ein samtweich leuchtendes Plenum, das den Gemeindegesang wunderbar trägt, wie ich es heute früh im Gottesdienst aus der Position des Gemeindesängers empfunden habe.
Nichts an dieser Orgel ist laut. Die Prinzipale singen herrlich, die Flöten sind samtig und rund, die Aliquoten verschmelzen ideal, die Zungen binden in den Labialfond ein, ohne ihn zu erschlagen. Das Pedal ist tragfähig und sonor. Gerade die vollendete Mischungsfähigkeit der Obertöne mit den Grundstimmen erlaubt ein schattierungsreiches Begleiten.
Ich habe schon lange keine Orgel mehr live gehört und betastet, die so perfekt intoniert war. Jeder Ton jedes Registers ist absolut gleichmäßig egalisiert. Die Zungen sprechen perfekt an. Die Mechanik reagiert sensibel. Das ganze Instrument weist eine Material- und Verarbeitungsqualität auf, die im Deutschland des Jahres 1950 selbst von renommierten Firmen kaum zu leisten war. Die Orgel steht nach knapp 70 Jahren da wie am ersten Tag. Das Pfeifenmaterial ist in hochwertigen Legierungen bzw. aus dicken Hartholztafeln gefertigt. An einer einzigen Subbaßpfeife kann man sich sattsehen, wie sauber sie verarbeitet ist und mit welcher Sorgfalt die klangbildenden Teile am Labium eigesetzt sind.
In dieser Kirche trafen alle glücklichen Faktoren zusammen, ein wunderschönes Instrument zu zeugen.
Hier ein paar Bilder:
https://www.dropbox.com/s/1j8nr1v9eqq2dq...ospekt.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/j68z0nkwj5oyl0...ltisch.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/jhuntman9ainem...schild.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/45lcxh1jcspkzm...0links.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/taggfvdi41ycvj...rechts.jpg?dl=0
LG
Michael
Mehr von anderen Orgelschätzchen demnächst ...
Da meinte ich doch, meine Dienstorgeln in- und auswendig zu kennen - und da kommt doch unser Wichernkantor, und entlockt ihnen auch für mich noch neue Klangfarben
Wir haben einige Stunden an 3 Instrumenten verbracht - aber nicht nur.
Den Durst Prost: haben wir mit "Thunerwasser" gelöscht ( neeeeeeiiiiiiin, dieses ist nicht "Thunerseewasser" - stammt also nicht aus dem selbigen und hat garantiert 0.000 Promille. Zudem hat dieses Wasser wirklich eine klare Farbe [wink].
Zum Schweizer-Raclette am Abend gab's dann doch einen Walliser mit goldgelber Farbe (wächst auf 1'000m ü.M.)
Nebst den schönen Klängen, die der Gast aus dem "grossen Kanton" fabrizierte, gab es viele geistreiche und humorvolle Gespräche.
Meine Frau und ich haben den unerwarteten Besuch genossen. Zudem blieb am Abend noch eine Flasche mit purpurrotem Inhalt zurück, die die Gäste aus dem "Languedoc" mitgebracht haben.
Martin, der Glückliche
#3 RE: Wo andere Leute Urlaub machen ...
Die zweite Orgel, die wir einem Stresstest unterzogen, hat Martin quasi vor der Haustür, fußläufig in der Kirche von Allmendingen. Die Kirche ist ein moderner Bau mit elliptischem Grundriß. Die Orgelempore steht an einer Schmalseite, nach vorne schließt sie nicht gerade ab, sondern in Form eines seitlich vorgezogenen Parabelsegmentes. Die Akustik hat also ihre Tücken. Es gibt Stellen, die wirken wie ein "Flüstergewölbe", an anderen Punkten hört man sich beim Sprechen zweimal.
Das kürzlich generalüberholte Werk der Firma Wälti hatte zwar etwas gewöhnungsbedürftige Tastenmensuren (kurze Barocktasten, aber mit dem annähernden Stichmaß von Klaviertasten in der Breite), aber die Traktur (einarmige Hebel) spielt sich durchaus angenehm und feingliedrig. Auch dieses Orgel hat einen sehr fein durchmodellierten, singenden Prinzipalchor, vor allem der 4' im Sw muss als einzige Stimme dieser Fußlage dort auch die Flöte vertreten. Das klangliche Ergebnis ist weit mehr als ein Kompromiss. Ein typischer Italienischprinzipal, sehr diskret, perlend, flötig und rund. Ein besonderer Clou ist der Streicher in II. Er hat einen Halbzug, der ihn leiser macht und ganz leicht unterschwebend. Mit diesem Register lassen sich erstaunlich viele, fein abgestufte Mischungen mit leichter Schwebung erzeugen. Koppelt man es auf den Prinzipal 8' im Hw, hat man eine italienische "voce umana", nimmt man es zum Nebenwerks-Prinzipal 4', ergibt sich quasi eine 4'-Schwebung. Die eigentlich intendierte Farbe (Gedeckt + leicht schwebender Streicher) wirkt da fast langweilig.
Angesichts der geringen Registerzahl ein Optimum an Klangvielfalt.
Hier habt Ihr noch ein paar Bilder:
https://www.dropbox.com/s/yobfx94fdsbdwe...ospekt.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/itg9czg3ekcxhc...ltisch.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/sijswtft607m06...0links.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/j9bx8h09ed018v...rechts.jpg?dl=0
Wir sind wieder im Elsass angekommen, haben heute weitliche und geistliche Baudenkmäler von Colmar besichtigt und sitzen jetzt gemütlich neben unserem Wohnmobil - vermutlich nicht mehr lange, denn am Vorgesenrand bauen sich Gewittertürme auf. Aber an Gewitternächte im Wohnmobil sind wir inzwischen gewöhnt ...
Morgen steht u.a. die Silberfrau in Ebersmünster auf der Speisekarte.
LG
Michael
#4 RE: Wo andere Leute Urlaub machen ...
Hier eine weitere Dienstorgel Martins, sie steht im Nachbarort Amsoldingen in einer bemerkenswerten romanischen Kirche, die an einem uralten Pilgerweg liegt.
Das Instrument (der Name des Orgelbauers ist mir entfallen) stammt aus dem Jahr 1812. Als Napoleon ganz Europa unter seinen Soldatenstiefel zwang und in weiten Teilen der besetzten Länder das wirtschaftliche und damit auch das kulturelle Leben zum Erliegen brachte, baute man am Thuner See eine solche Orgel:
https://www.dropbox.com/s/mbcy3a214igxzr...ospekt.jpg?dl=0
Und das nach allen Regeln der überlieferten Handwerkskunst: Mechanische Schleiflade mit einarmigen Hebeln, die ein hochsensibles Spiel erfordern, dafür mit fein nuancierter Ansprache und filigraner Ornamentik belohnen. Diese Orgel will erobert sein, dann klingt sie phänomenal.
Hier die Spielnische in der Orgelfront:
https://www.dropbox.com/s/87sp0mqoy1mhnc...chrank.jpg?dl=0
Die Trompete gehört zum Pedal. Sie ist hinterständig - im Gehäuse ist eigens ein Schlitz freigelassen, über den sämtliche Stimmkrücken von außen erreichbar sind, ohne dass eine Gehäusefüllung ausgehoben werden muss. Da hat jemand mitgedacht ... und den Dorfschulmeistern das Beistimmen einer Zunge zugetraut.
Dolcean 4' ist ein weiches Flötenregister mit dem Strich eines Gemshorns. Die "fehlende" Manualtrompete ersetzt das Cornet, das komplett durchgebaut ist und das Plenum durch die enthaltene "Hornterz" in allen Lagen kräftig verdickt und auffüllt.
Die eher kleine Kirche wird so von einem recht kompakten Plenum gefüllt, das majestätisch und kraftvoll daherkommt.
Eine sehr schöne Orgel - klein aber oho! Im wahrsten Sinne ein - ein äußerst taugliches Werkzeug zur Gottesdienstgestaltung.
LG
Michael
Der Orgelbauer war Johann Jakob Weber.
Eine bekannte Organisten in unserer Region hat die Orgel folgendermassen umschrieben:
Der Klang dieses Meisterwerks, obgleich ‹nur› als einmanualige Orgel mit acht Registern gebaut, lässt erkennen, wie viel ‹Grosses im Kleinen› verborgen ist. Die klaren Prinzipalstimmen und Farbigkeit der Flötenregister erklingen in meiner Wahrnehmung als Abbild der Landschaft mit ihren blühenden Matten, den perlend sprudelnden Bächlein, dem orchestralen Rauschen der tosenden Wasserfälle und der stillen Weite. Die Orgel ‹spricht› kernig, silbern und deutlich ‹zeichnend› ist ihr Dialekt. Dann hebt sie an zu singen: farbig leuchtend wie der Himmel im Sonnenglanz; sodann funkelnd, gleich der leuchtenden Sternennacht.
1 Manual und 9 Register. Mit diesem "kleinen" Instrument lassen sich erstaunlich viele Klangfarben erzeugen.
Ich bin dem Orgelbauer äusserst dankbar, dass er die Trompete hinten am Gehäuse frei zugänglich angebracht hat. So lässt sie sich jederzeit problemlos von uns Organisten nachstimmen.
Das i-Tüpfelchen bildet dann noch eine sensationelle Akustik, die die Orgel wirklich "brillieren" lässt.
Ich liebe dieses Instrument [grin]
LG Martin
Hier der richtige Link: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D42486.php.
#8 RE: Wo andere Leute Urlaub machen ...
Jetzt anmelden!
Jetzt registrieren!