Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe

25.10.2018 23:55
#1 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
Se

Hallo an euch,
zurückgekehrt aus Gößweinstein in der Fränkischen Schweiz möchte ich eine Frage loswerden:
im Gottesdienst des letzten Sonntags in der Basilika (Abschluß der dortigen Musiktage mit einer Rathgeber-Messe in D, übrigens mit Gemeinde-Agnus Dei, das AD der Messe während der Kommunion der Gemeinde) bemerkte ich voll Erstaunen, dass gesungene Parts des Zelebranten (Pater January aus dem dortigen Franziskanerkloster) unmittelbar von der Gemeinde + Orgel beantwortet wurden, ohne Tonhöhen-Differenzen. Auch wenn vorher längere Zeit keine Musik ertönte und also der Zelebrant sich nirgends in der Tonhöhe "anlehnen" konnte.
Hat also der Organist (Regionalkantor Schäffner) absolutes Gehör und kann die Tonhöhe des Zelebranten 1:1 abnehmen und umsetzen - oder gibt es andere Tricks?
Habt ihr eine Idee dazu?

Beste Grüße von
SeltenGedackt


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26.10.2018 00:35
#2 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
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Da ich fast ausschließlich protestantisch unterwegs bin, bin ich mit diesen Phänomenen nur geringfügig vertraut. Trotzdem ein paar Gedanken dazu:

Ein absolutes Gehör würde dem Organisten eventuell nichts nützen, da der Zelebrant bei einem frei aus der Luft gegriffenen Ton auch eine Tonhöhe erwischen könnte, die so zwischen den Tonstufen liegt (bspw. genau zwischen zwei Halbtönen, also einen Viertelton von jedem anderen Ton entfernt), dass eventuell gar keine echte Anknüpfung möglich ist. Allerdings müsste man da schon Pech haben.

Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass sich Gemeinden, die lange von einer einzigen Person beorgelt werden, häufig an Tonartenverhältnisse in der Liturgie gewöhnen, die evtl. jeden Sonntag gleich gespielt werden und dann ohne es zu wissen praktisch selbstverständlich die Tonhöhen verinnerlichen. Schlecht nur, wenn man als Fremdorganist eventuell gerne in anderen Tonarten spielt oder je nach Situation transponiert. Das kann zu Verwirrung führen.

In der Folge könnte es also sein, dass es gewisse Gewohnheiten bezüglich der Tonhöhen gibt, die intuitiv vom Zelebranten abgespeichert wurden? Manche Menschen haben auch einfach ein sehr gutes Tongedächtnis und merken sich Töne über lange Zeit.

Aber wie gesagt bin ich mit dem Beorgeln katholischer Messen nur unzulänglich vertraut und kann hier nur unzulänglich mutmaßen.

Es mag sein, dass nicht alle Musiker an Gott glauben; an Bach jedoch alle. - Mauricio Kagel

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26.10.2018 07:55
#3 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
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Administrator

Oder von der anderen Seite: Vielleicht hat der Zelebrant absolutes Gehör?


Auf Orgelsuche.

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26.10.2018 08:43 (zuletzt bearbeitet: 19.10.2019 08:59)
#4 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
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Moderator

Mehrere lutherische Agenden (z.B. die bayerische) sehen ebenfalls Wechselgesänge zwischen dem Liturgen und der Gemeinde vor, die grundsätzlich begleitet werden. In Bayern sogar noch mit einer besonderen Arabeske: Der Liturg singt (meistens) a cappella, die Gemeinde wird begleitet. (Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass der Organist die Gemeinde-Psalmverse des Introitus Silbe für Silbe "durchmorst". *grusel*)
Da habe ich alles mögliche und unmögliche erlebt - vom absolut hörenden Liturgen bis zum Amusicus, der keinen Ton von der Intonation abnehmen konnte.
In der Tat haben viele Gemeinden ein "schwarmintelligentes" Tongehör. Sie merken sich die Tonhöhe der Akklamationen und reagieren irritiert, wenn der Organist während der Liturige die Tonart ändert.
Ich spiele "Gloria Patri" und das "Und auf Erden Fried'" immer in D statt in F und muss mir dann einen Knoten ins Ohr machen, das Amen am Schluss des Kollektengebetes auch in D zu begleiten statt im - in diesem Fall angenehmer zu singenden - F.
In Wetzlar gab es einen Pfarrer (inzwischen i.R.), der eine nahezu anglikanische Hochliturgie pflegte, die den Organisten dauerbeschäftigte. Mit Ausnahme der Predigt wurde alles gesungen.
Und er sang gut, gern und treffsicher. Ich habe diese "liturgischen Geländespiele" gemocht, zumal die sehr schöne Orgel (http://organindex.de/index.php?title=Wet...Gemeindezentrum) der Kirche vorne seitlich von Altar und Kanzel steht, so dass man direkten Blickkontakt auf Kurzdistanz hat.
Da die Kirche nur ein paar Schritte vom Funkhaus entfernt steht, habe ich da oft geübt und an meinem monatlichen spielfreien Sonntag in Wichern dort einige Jahre lang regelmäßig ausgeholfen.

LG
Michael


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26.10.2018 11:52
#5 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
Se

Im genannten Fall gab es keinerlei Intonation von der Orgel.
Das hätte es dem Zelebranten ja deutlich erleichtert - wenn es kein Amusicus ist.
Dann hilft auch die beste Intonation nichts.
So war ich eben sehr erstaunt, dass z.B. am gesungenen Ende des Hochgebetes "Durch ihn und mit ihm..." mit Minuten ohne Musik vorher das "Amen" der Gemeinde + Orgel exakt, ohne Tonhöhendifferenz kam.


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26.10.2018 13:33
avatar  Larigot
#6 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
La

Ich habe schon mehrfach den "Trick" gesehen, dass der Organist kurz vor seinem Einsatz die Tonhöhe auf einem (sehr) leisen Nebenwerk mit (sehr) kurzen Tönen testet.
Die ungefähre Tonart kann ein geübter Sänger auch durch leises Mitsummen rauskriegen - in dem Fall wäre es nicht das absolute Gehör, sondern ein gutes Gefühl für die eigene Stimme.


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26.10.2018 13:38
#7 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
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Moderator

Genauso hat es mein erster Orgellehrer machen müssen. Sein Liturg war unberechenbar. Wenn selbiger anhub, tippte mein Lehrer im geschlossenen SW einen Ton des Salicionals an und erkannte die Hausnummer.

LG
Michael


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26.10.2018 16:42
#8 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
cl

liturgische Töne mit der Orgel abnehmen:
Ich habe Zelebranten erlebt, die ihre "persönliche" Tonart im gleichen Raum punktgenau treffen, obwohl sie niemals ein Instrument erlernt haben. Sie haben allerdings eines gemeinsam: Sie singen seit Kindertagen gern und viel - und hatten in ihrer Seminarausbildung gute stimmbildende Lehrer im Einzelunterricht (Rezitations- und Orationstöne wurden regelrecht gedrillt).
Liturgietonhöhen (Orations- oder Pslamtonhöhen) sind mir in Baßlage von d bis zum hohen Tenor c1 bekannt. Frei angestimmt liegen sie bei ungeschulten Klerikern zwischen es und gs.
So gibt es auch Kleriker, die haben entweder ihren persönlichen Ton im Kopf, selten ihren Ton mit Spezialstimmgabel auf dem Altar liegen. Es gab sogar mal einen, der hatte einen Selbstbausatz (Stylophon) von Dr. Böhm mit seinem "G" dabei.
Neben der Salicional Adlersuchmethode gibt es auch noch die Möglichkeit des Tonabnehmens via Stimmgabel durch den Organisten.

Ein derartiges Tonabnehmen kann auch bei Prozessionen notwendig werden, wenn eine a capella singende Gemeinde in die Kirche kommt und die Orgel einsetzt (z.B. Palmsonntag mit "Singt dem König Freudenpsalmen" (mel. EG-Entsprechung Mel.: Herz und Herz).

Liebe Grüße vom Clemens

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27.10.2018 00:40
#9 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
Se

An so was Ähnliches dachte ich auch schon: das Smartphone mit Stimm-App auf der Orgelbank.
Oder natürlich die gute alte Stimmgabel. Aber die ist mir im entscheidenden Moment auch schon mal heruntergefallen...
In Ermangelung eines quasi unhörbaren Registers musste ich auch schon mal dem Liturgen den Rezitationston mit der Orgel vorgeben, um dann mit dem antwortenden Chor nicht im Nirvana zu landen.


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27.10.2018 10:05
avatar  Positiv
#10 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
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Im neuapostolischen Gottesdienst singt jedes Mal ein Gemeindechor so ca. 4 Lieder aus einer eigenen Choralchormappe. Das bei zwei Gottesdiensten pro Woche mit also acht Liedern sich die Vorträge oft wiederholen, ist offenkundig. So erkenne ich beim Benutzen einer Stimmpfeife möglicherweise auch aus der Gestik des Dirigenten und des Anlasses (Eingang/ Ausgang etc) meistens das Lied bereits, wenn ich den Anstimmakkord höre.

Im evangelischen Gottesdienst in Baden gibt es Intonationen zum evangelischen Gesangbuch mit dem Anhang Liturgische Gesänge, herausgegeben von Prof. Carsten Klomp (Grenzüberschreitungen II). Carsten Klomp vertritt die m.E. zutreffende Ansicht, dass sich die Gemeinde eine Tonhöhe im musikalischen Gedächnis eine Zeitlang unterbewußt merken kann. Wenn das Eingangslied z.B. in C,c,G,g gesungen wird, dann folgt die Anrufung in C-dur. Das Gloria patri nimmt Bezug auf das Eingangslied. Prof. Klomp prüft beim C-Organisten das Vorspiel des Gloria patri in allen gängigen Tonarten und hat deshalb mindestens einen Kandidaten deswegen durchfallen lassen. Das Kyrie nimmt tonmäßig Bezug auf das Gloria-/ Bittlied. Das Amen nach dem Tagesgebet sowie das Halleluja nach der Lesung richtet sich nach der Tonart des Glorialiedes.

Im katholischen Gottesdienst werden mir die Lieder vorgegeben. Ich bemühe mich aber aus diesem Grund das Orgelstück zum Eingang rythmisch und tonhöhemäßig dem Eingangslied und ebenfalls das Orgelstück zur Kommunion dem nachfolgenden Danklied anzupassen.

Ohne ein absolutes Gehör vorzeigen zu müssen, prägt sich bei vielen Sängern bei den oft gehörten Liedern ein "Gemeindetrott" und auch eine Tonart ein. Das mal jedenfalls im neuapostolischen Gottesdienst, in welchem die Mehrzahl der Organisten unverändert die Sätze aus dem Orgelbuch spielen. Da fällt es durchaus auf, wenn plötzlich ein gewohntes Lied in C-Dur in Es-Dur erklingen würde.

Weiter meine ich, dass zu 99,9 % die pensionierten katholischen Pfarrer mit 40 oder mehr Dienstjahren das Halleluja im Traum nachts um 1 Uhr in der "richtigen" Tonart singen könnten.

Michael


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27.10.2018 15:19
avatar  pvh
#11 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
pv
pvh

Hallo,

Zitat von MagisterPerotin

Da ich fast ausschließlich protestantisch unterwegs bin, bin ich mit diesen Phänomenen nur geringfügig vertraut.


Ich verstehe SeltenGedackt so, dass Akklamationen gemeint sind, also Rufe und Antworten von Liturg und Gemeinde ("Der Herr sei mit euch" - "Und mit deinem Geiste". Unter Wechselgesängen verstehe ich so etwas wie etwa Kehrverse mit Psalmen usw., die von Kantor/in oder Schola und Gemeinde im Wechsel gesungen werden.

Dass solche Akklamationen zwischen Liturg/in und Gemeinde von der Orgel begleitet werden, kenne ich jedenfalls eigentlich nur aus dem Evangelischen Bereich (Nordkirche im Bereich der ehemaligen lutherischen Kirche Mecklenburg), z.B. das "Gloria Patri". Der/die Organist/in gibt dem/r Liturgen/in üblicherweise den Ton, das wird im Unterricht auch so vermittelt.

Im katholischen Bereich werden eigentlich seit der Neugestaltung der Lturgie Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre in allen mir bekannten Gemeinden die Wechselgesänge a capella gesungen, was ja seither auch für das "Vater unser" so gilt. Und ich habe Erfahrungen nicht nur aus dem Erzbistum Hamburg, sondern auch aus Würzburg, Augsburg, Berlin, Salzburg, Münster, Spanien... Früher war das anders und ich erinnere ich noch, wie mein Vater, während der Liturg anstimmte, der Tonart auf einem leisen Register hinterherstocherte. Vermutlich werden schon noch hier und da Akklamationen begleitet werden, aber ich wundere mich ein bisschen, dass man hier im Forum den Eindruck gewinnt, dass das im katholischen Gottesdienst die Regel sein soll.

Ich habe ein paar evangelische Gottesdienste bei einem Pastor begleitet, der tatsächlich, wie Gemshorn vermutete, ein absolutes Gehör hat. Vor meinem ersten Dienst mit ihm, habe ich gefragt, wie ich ihm den Ton geben soll. Er meinte, das sei nicht nötig. Na gut, dachte ich, ist ja egal, dann muss die Gemeinde eben die Tonart gegenüber dem Liturgen wechseln. Aber siehe da, der Ton des Liturgen stimmte tatsächlich.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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27.10.2018 23:16
#12 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
cl

Lieber Christoph,
das Begleiten von Akklamationen ebenso des Vater unser kommt wieder. Weil diese Gesänge häufig nicht mehr auswendig gekonnt werden, bzw. eine Stütze benötigen (bei den stark reduzierten Besucherzahlen). Im Anhang zum GL 1976 für Hildesheim waren die Begleitungen für die Meßakklamationen und das Vater unser in mehreren Tonarten abgedruckt!

Liebe Grüße vom Clemens

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28.10.2018 05:25
avatar  Jesaiah ( gelöscht )
#13 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
Je
Jesaiah ( gelöscht )

Aus Sicht des Diakons in der katholischen Liturgie:

Ich schau mir vor dem Gottesdienst an, in welcher Tonart der Zwischengesang ist und kann mir anhand dessen dann ausrechnen, wie ich das Halleluja anstimmen muss.
Und für das "Geheimnis des Glaubens" hilf mir, dass der Gong, der bei uns in der Wandlung verwendet wird, als Grundton das a hat ....

Es wäre ja möglich, dass gern singende Priester (unserer ist eher ein Sprechtyp) auch zum Teil solche Orientierungshilfen haben ...


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28.10.2018 22:27
avatar  pvh
#14 RE: Pfarrer und Organist auf gleicher Tonhöhe
pv
pvh

Hallo,

Zitat von clemens-cgn

das Begleiten von Akklamationen ebenso des Vater unser kommt wieder. Weil diese Gesänge häufig nicht mehr auswendig gekonnt werden, bzw. eine Stütze benötigen (bei den stark reduzierten Besucherzahlen).


nun, bei uns ging heute auch das lateinische Ordinarium ganz gut. Wir sind halt extreme Diaspora (4% Katholiken, 14/15% Protestanten), da sind die, die kommen, voll dabei.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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