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Wurde "Die Nacht ist vorgedrungen" von J.C.Kerll inspiriert ?
Romanus
(
gelöscht
)
#1 RE: Wurde "Die Nacht ist vorgedrungen" von J.C.Kerll inspiriert ?
Herr Machella hat heute den Link zu Johann Caspar Kerll´s "Ricercata in Cylindrum phonotacticum transferenda" veröffentlicht und siehe da, der Beginn des Themas ähnelt frappant dem Themenkopf des Adventliedes "Die Nacht ist vorgedrungen", das 1939 von Johannes Petzold komponiert wurde.
Ich hatte immer schon das Gefühl, dass diese Choralmelodie eigentlich viel älter klingt als ein Werk aus dem Jahr 1939.
https://www.youtube.com/watch?v=oQLjlja73Ho&feature=youtu.be&fbclid=IwAR3NSTNnnLwD2uwHcVq5kOZ9sT0V4PotqJPH5Hyp0jEEyWb3RNDsGkznVCQ
Auf jeden Fall eignet sich dieses Ricercar gut als Postludium am 4. Adventwochenende.
Verblüffend!
Es stimmt wohl, was beim Prediger geschrieben steht:
Zitat
Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Zwar gibt es bisweilen ein Ding, von dem es heißt: Sieh dir das an, das ist etwas Neues - aber auch das gab es schon in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.
#3 RE: Wurde "Die Nacht ist vorgedrungen" von J.C.Kerll inspiriert ?
Es kommt nicht selten vor, dass Motive und Themen von mehreren Komponisten gleichzeitig oder sukzessiv "gefunden" werden, ohne dass ein Plagiatsvorwurf zu konstruieren ist. Es gibt solche motivischen bzw. thematischen Parallelen z.B. auch zwischen Händel und Stanley oder Elgar und Rheinberger (Themen aus "Enigma" und der g-moll-Sinfonie stimmen überein).
Kerlls schöne Fuge findet sich hier bei IMSLP:
http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b6/IMSLP313088-PMLP447190-Kerll;_Ricercar_on_D.pdf
Einen Ton tiefer taugt sie auch als Choralvorspiel.
LG
Michael
Genau. rgel:
Vor wenigen Monaten hörte ich auf einem klassischen Radiosender symphonische Musik, die über weite Strecken dem Lied „Heil’ges Kreuz, sei hochverehret“ (nach der in Österreich üblichen Melodie) glich... Leider konnte ich bis zur Stunde nicht eruieren, wer der Komponist ist und wie das Werk heißt.
Danke, Roman, für den Hinweis - danke, Michael, für die Verlinkung der Noten.
Hallo,
ja, danke für den Hinweis. Ich habe mir das Stück gestern Abend schon heruntergeladen und gleich ausprobiert. Abgesehen von der etwas verwirrenden Stimmführung an 2 oder 3 Stellen ist es ja ganz übersichtlich.
Frage an die Experten: Soll man das ohne oder mit Pedal spielen? Komponiert ist das Stück ja offensichtlich für manualiter Spiel. Schließlich gabe es in München und Wien zu Kerlls Zeiten ja nur Orgeln mit beschränktem Pedalumfang. Wenn man Pedal verwendet, wird es in Takt 45ff knifflig: Was ist da Tenor und was Bass?
--- Denkpause ---
OK, das habe ich jetzt spontan herausgefunden:
Anastasius Kircher: Musurgia Universalis Sive Ars Magna Consoni Et Dissoni, veröffentlicht 1650. "Gaspare" Kerll, von dem der Text im Zusammenhang mit Erzherzog Leopold spricht, war da gerade 23 Jahre alt und hielt sich zu Ausbildungszwecken 1645-1649 in Wien und Rom auf.
Da die Basslinie jedenfalls bis zum c' geht, wäre das selbst auf der viel neueren Orgel der Michaelerkirche in Wien nicht mit Pedal spielbar gewesen.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
P.S.: Eine leider schon verstorbene Kollegin schrieb einst sinngemäß: "Diese Idee findet sich, wie alle vernünftigen Gedanken, schon bei Aristoteles."
Zitat von pvh
P.S.: Eine leider schon verstorbene Kollegin schrieb einst sinngemäß: "Diese Idee findet sich, wie alle vernünftigen Gedanken, schon bei Aristoteles."
Starker: "Die sicherste allgemeine Charakterisierung der Europäischen Philosophischen Tradition ist, dass sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht". Also unser Ari ist laut diese aussage nur ein Fußnot...
Das Zitat ist AN Whitehead zugeschrieben, ein Kompaan von Bertrand Russell ca 1910, "Principia Mathematica".
Originale tekst: The safest general characterization of the European philosophical tradition is that it consists of a series of footnotes to Plato; in: Process and Reality,39.
Gemshorn, Kohelet hat recht -Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
LG PM
Zitat
Frage an die Experten: Soll man das ohne oder mit Pedal spielen? Komponiert ist das Stück ja offensichtlich für manualiter Spiel.
Ich bin alles andere als ein Experte.
Allerdings habe ich für mich eine Lösung gefunden, wie ich mit Stücken dieser Art umgehe. Oft gibt es da ja Passagen, die nur dreistimmig sind, während andere Stellen vier Stimmen aufweisen. Wenn es mir praktisch erscheint*), spiele ich einzelne Passagen gerne mit Pedal, andere wiederum ohne.
___________________________________
*) Praktisch bedeutet in diesem Fall: Wenn die Stimmführung keine allzu schnellen Bewegungen oder besonders hohe Noten aufweist.
Für mich sieht es sehr danach aus, als wäre eine Aufführung pedaliter nicht sehr sinnvoll. Das Stück ist offenbar für eine Flötenuhr geschrieben, die vermutlich keinen 16' hatte. In 45 scheint mir recht eindeutig das erste c1 zum Bass zu gehören, das zweite ist wohl Tenor. Ich würde erst einmal ohne Pedal spielen. Ob man dann in den Schlußkadenzen Pedaltöne hinzu nimmt, kann man ja dann schauen. Das ist sicher drin. Grundsätzlich finde ich die Praxis des 19. und frühen 20. Jh. problematisch, immer die Bassstimme dem Pedal zuzuweisen, weil offenbar Orgelspiel ohne Pedal nicht denkbar war. Das findet sich bis in die Dammlung "Orgelspielen mit Hand und Fuß", die sonst ja nicht verkehrt ist. Das lähmt das Spiel auch ein Stück weit. Auch Bachs Canzona (passenderweise auch in d) wird ein völlig anderes Stück, wenn man nicht der Peters-Ausgabe folgt, sondern die verzierte manualiter Fassung spielt.
Grüße
Axel
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