Nichts Neues unter der Sonne?

15.12.2019 13:22 (zuletzt bearbeitet: 15.12.2019 17:35)
#1 Nichts Neues unter der Sonne?
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Moderator

Es gibt nichts Neues unter der Sonne. (Kohelet 1,9)
Das habe ich bisher auch gedacht. Nach rund 50 Jahren auf diversen Orgelbänken bin ich davon ausgegangen, so ziemlich alles erlebt zu haben, was einem Organisten widerfahren kann: Stromausfälle; falsch aufgesteckte Lieder; Irritationen manigfaltiger Art mit Liturgen oder solchen, die sich dafür halten; kaputte Orgeln; verstimmte Orgeln; gar keine Orgeln; Tote Vögel in offenen Pedalpfeifen; Maikäfer in Posaunenkehlen; eine Trauerfamilie, die sich für Opas Beisetzung den Radetzkymarsch wünschte; nicht zu vergessen die vielen Brautpaare, die eine kirchliche Trauung mit einem Popkonzert oder Discobesuch verwechselten - und, und, und ...

Mir ist heute früh was wirklich Neues passiert. Post festum sprach mich eine Kirchenvorsteherin in einem Städtchen meines Beritts an: Am vergangenen Sonntag sei eine Aushilfe dagewesen, die habe etwas gaaaaaaanz Tolles gespielt. Danach befragt, habe sie geantwortet, das Stück stamme von Richard Clayderman und heiße "Balade pour Adeline". Ob ich sowas nicht auch mal spielen könne, dann kämen sicher auch mehr Leute in den Gottesdienst.
Da sie das alles sehr gutgemeint und völlig ohne Arg sagte, raffte ich all meine Contenance zusammen, blieb freundlich und meinte, dass "Adeline" vermutlich nicht mal im kath. Heiligenkalender stehe, geschweige denn eine bekannte Gestalt der Reformationsgeschichte sei und ich keine Veranlassung erkenne, ihr am Schluss eines Gottesdienstes eine "Balade" zu spielen. Natürlich habe ich es etwas netter ausgedrückt.

Auf der Fahrt zum heimischen Sonntagsbraten ging mir jene Zeit der quietschentenbunten 70er durch den Kopf, als der Jüngling mit der Pagenfrisur seine Zuhörerinnen im Glitzeroutfit am Geflügel anschmachtete.
Ich war damals so Anfang 20, studierte in den ersten Semestern und pflegte die jungen Damen meines seinerzeitigen Kirchenchores in der Probenpause mit derlei Klimpereien zu enthusiasmieren. Clayderman war erste Wahl, gleich dahinter rangierte Scott Joplins Rag "The Entertainer".

Zuhause angekommen, machte ich mich (trotz verführerischer Düfte von gebratenem Wildschwein, die bereits in der Diele waberten) gleich auf ins Musikzimmer und fand tatsächlich unter den (stark eingestaubten) Klaviernoten mit Sonaten, Sonatinen und Sonatinchen den einschlägigen (und entsprechend abgegriffenen) Band von Boosey & Hawkes "Piano Pops for Beginners". Da stand nun alles beieinander, was man so als Klavierjüngling als Lockstoff für die holde Weiblichkeit eingesetzt hat.

Es gibt also wirklich nichts Neues unter der Sonne. Vermutlich hat die Dame (die von Hause aus Endfünfzigerin und Klavierlehrerin ist) dasselbe Heft im Notenschrank. Ob ich den Leuten in X mal verrrate, was sie möglicherweise erwartet, wenn sie wieder mal aushilft?

LG und schönen Restsonntag
Michael


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15.12.2019 15:22
#2 RE: Nichts Neues unter der Sonne?
cl

CASSANDRA staub die musische Kristallkugel ab!

Liebe Grüße vom Clemens

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