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Georg Ratzinger +
#1 Georg Ratzinger +
Gerade wurde gemeldet, dass der ehemalige Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger verstorben ist. Der ältere Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI. wurde 96 Jahre alt.
Als Domkapellmeister in Regensburg war er von 1964 bis 1994 tätig.
Aus Konzerten seines Chores, die ich hören durfte, bleiben mir vor allem die weltlichen und geistlichen Mendelssohn-Sätze in Erinnerung.
LG
Michael
Du schreibst es und ich las es soeben hier: https://religion.orf.at/stories/3003952/
Irgendwie erschreckend, dass am Ende eines 96jährigen Lebens die Geschichte rund um den Missbrauch übrig bleibt, auch im verlinkten Artikel.
#3 RE: Georg Ratzinger +
Ich habe Anfang der 90er Jahre zwei Interviews mit ihm geführt und eine Reportage über den Chor geschrieben, als er in Norbayern auf Konzertreise war. Mir fiel damals der familiäre Umgangsston positiv auf. Die Sänger sagten "Du" und "Chef" zu ihm. Und vor den Auftritten hatte er keine Maßregelungen nötig, um die Truppe in Reih' und Glied zu halten. Das wirkte alles gut eingespielt. Er war ein sehr bescheidener Mensch, der um seine Person kein Aufhebens machte. Wir haben nach einem Konzert mal mit ein paar Leuten ein Faß aufgemacht. Er ließ sich einen Tee bringen und ging vor zehn ins Bett.
Da habe ich ganz andere "Oberwichtlinge" erlebt.
Ich vermute mal, er hat den "Buhei" um repressive Eziegungsmethoden nicht verstanden. Und ich schreibe das als jemand, der Prügel in Schule und Kirche bis Ende der 60er Jahre erlebt und erlitten hat. Auch in den Elternhäusern meiner Freunde prügelten die Väter Kinder und Ehefrau. In meinem Elternhaus wurde nicht geschlagen. Und ich habe es mehrfach erlebt, dass meine Mutter in unserer Küche die Mutter eines meiner Kumpels medizinisch und seelisch "verarztet" hat, nachdem der jeweilige "Hausherr" hingelangt hatte. Prügel galt als gesellschaftlich anerkanntes, legitimes Disziplinierungsmittel. Lateinische Vokabeln und die binomischen Formeln haben wir zum Tarif von x Backpfeifen pro Stück gelernt ...
Ich hatte einen Musiklehrer, der schlug mit einem hölzernen Xylophonhämmerchen auf den Kopf. Und zwar ohne Grund. Einfach aus Spaß. Einige bis in die Landesregierung vernetzte Honoratioren in der Elternschaft meiner Klasse schafften es schließlich, dass der Mann ans Abendgymnasium versetzt wurde.
Im Saarland wurde das Züchtigungsrecht der Lehrer 1969 (!) abgeschafft. In manchen Elternhäusern ging es wohl noch munter weiter ...
LG
Michael
#5 RE: Georg Ratzinger +
Zurück zum Thema:
Die Domspatzen unter Ratzinger waren für mich in meiner aktiven (nebenamtlichen) Zeit als Chorleiter eines der klanglichen Vorbilder. Noch heute höre ich die unter Ratzinger entstandnen Chor-CD's mit sehr großem Genuß an, und als heute zum Ende eines klugen Nachrufs auf R. in B4Klassik eine Einspielung von Palestrinas "Sicut cervus" zu hören war, waren die Tränen nicht mehr sehr weit . . . Einfach himmlische Musik, sicher nicht "historisch informiert" musiziert, abr klanglich von solcher fast unübertrefflichen Schönheit . . .
Mit traurige Gruß
Flauten
Mit Georg Ratzinger verliert die Musikwelt eine außerordentlich bedeutende Persönlichkeit, die mich als ehemaligen Domspatzen musikalisch und auch persönlich sehr geprägt hat.
Die Formulierung von Bischof Voderholzer, dass bei Konzerten aus jedem Konzertsaal ein "Gebetshaus" werden konnte, spricht mir aus dem Herzen. Den Glauben im Gesang auszudrücken – ganz im Lutherschen Sinne – war sein Credo, das er an uns vermittelt hat. Egal, ob es sich um eine Frühmesse um 7 Uhr am Hochaltar des Doms handelte, oder ein "Hochamterl", bei dem auch mal die Missa Papae Marcelli aus dem Standardrepertoire reichen musste, weil keine Zeit zum Proben für "etwas Besonderes" war, sein letzter Satz beim Einsingen war immer: "Und jetzt gehn wir nauf (in den Altarraum) und feiern Gottesdienst." – Das war die erste Priorität, der alles untergeordnet wurde.
Es gab natürlich auch Reibungspunkte. In den Proben war er sicher manchmal alles andere als entspannt: 100–120 mehr oder weniger pubertierende Halbstarke über die ganze Probenzeit von zwei oder auch mal mehr Stunden im Griff zu behalten, war und ist auch heute nicht gerade einfach.
Negative Erlebnisse musste ich persönlich nie erfahren (ich weiß von anderen Schilderungen, die mich sehr betroffen machen). Vielmehr durfte ich ihn als Vorbild erleben, der z.B. die Leistung des normalen Laienchors der "Heimatpfarrei" der Domspatzen unter Leitung meines Vaters und danach bei mir schätzte und anerkannte.
Der "Scheef" – normalerweise respektvoll mit "Sie, Scheef" angesprochen (das "Du" war eigentlich nicht in Gebrauch) – hinterlässt für viele Ehemalige eine große Lücke. Wir werden ihn vermissen.
Wie predigte sein Bruder 1994 so treffend über den "Chormeister": "Du wohnst in den Lobgesängen Israels" – Ich wünsche Georg Ratzinger, dass er eben dort angekommen ist, und seinen Schalk nun nicht nur mit Mozart oder Bruckner austauschen darf, sondern auch mit Palestrina, Lasso oder König David. Johannes der Täufer und die Heilige Cäcilia mögen als Patrone der Kirchenmusik auch noch auf einen Ratsch vorbeischauen.
Lieber Scheef, ruhen Sie in Frieden. Vergelt’s Gott für alles!
#8 RE: Georg Ratzinger +
Die LP/CD mit Weihnachtsliedern (erschienen bei der Deutschen Grammophon) hat in meinem Fundus Kultstatus. Das mit dem "Du" habe ich in den frühen 90ern mit eigenen Ohren gehört.
In einem ev. Chor, der gern als die "nordbayerische Konkurrenz" bezeichnet wurde, wehte ein erheblich schärferer Wind. Der Leiter sah sich wegen seines rüden Führungsstils dann heftiger Kritik von Eltern und Öffentlichkeit ausgesetzt. Das war so Mitte der 90er.
LG
Michael
#10 RE: Georg Ratzinger +
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