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Weilburg: barockes Outfit, romantischer Inhalt
#1 Weilburg: barockes Outfit, romantischer Inhalt
Unsere gestrige Exkursion in die Orgellandschaft des Westerwaldes begann in der Weilburger Schloßkirche. Der Bau ist in der barocken Schloßanlage angegliedert. Der reich mit Stukkaturen ornamentierte, frühbarocke Kirchsaal hat Würfelform. An zwei gegenüberliegenden Seiten schließt er direkt an einen Schloßflügel an, dort sind auf zwei Ebenen Logen für die Herzogsfamilie und den Hofstaat angebaut. Auf der oberen Etage über der Kanzel ist mittig eine Empore ausgespart, die das Orgelgehäuse des Mainzer Meisters Johann Jacob Dahm aus 1718 trägt.
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Dahm baute folgende 23 Stimmen:
I. Hauptwerk: Principal 8', Octav 4', Super-Octav 2', Quint 1 1/2', (könnte ein 2 2/3' sein) Mixtur 5fach, Sesquialter doppelt, Flötten 4', Sollicional 8'; Vio de Gamb 8', Quintad 8', Trompet 8', Gros gedackt 16'.
II. Positiv: Principal 4', Octav 2', Quint 1 1/2', Mixtur fach halb (Diskantregister?), Groß gedackt 8', Klein gedackt 4', Flötten 4', Cornett 4fach durch's halbe Clavier
Pedal: Sub-Baß 16' Octav-Baß 8', Super-Octav-Baß 4'.
Das seitenspielige Werk hatte interessanter Weise nicht den üblichen Fagottbaß oder Posaunenbaß 16'.
Bis 1918 war die Schloßkirche zugleich Hofkirche eines regierenden Herrscherhauses. (Die Herzöge von Nassau-Weilburg waren bis 1866 Herren im eigenen Haus, wurden dann von Preußen "geschluckt" und bekamen als Ersatz das Großherzogtum Luxemburg zugewiesen, wo sie bis heute die Herrscherfamilie stellen.)
Für eine Hofkirche war diese Orgel zur Jahrhundertwende offenbar zu unzeitgemäß. Deshalb stellte Wilhelm Sauer 1900 ein pneumatisches Werk mit II/29 hinter den barocken Prospekt. Der Spieltisch stand weiterhin links neben der Orgel. Heute ist er - funktionslos geworden - ein Stockwerk tiefer auf der Ebene der Kanzel-Empore geparkt.
Sauer lieferte
I. Hauptwerk: Bordun 16', Prinzipal 8', Gambe 8', Flute harmonique 8', Gemshorn 8', Gedackt 8' Oktave 4', Rohrflöte 4', Cornett 3-4f, Rauschquinte 2f; Trompete 8'
II. Schwellwerk: Lieblichgedackt 16', Geigenprinzipal 8', Salicional 8', Voix céleste 8', Aeoline 8', Lieblich Gedackt 8', Konzertflöte 8', Fernflöte 4', Fugara 4', Piccolo 2', Sesquialter 2f
Pedal: Prinzipalbass 16', Subbass 16', Violonbaß 16', Oktavbass 8', Violoncell 8', Gedecktbaß 8', Posaune 16'
Als diese Orgel Ende der 60er Jahre immer störanfälliger wurde, wollte die Kirchengemeinde sie generalsanieren und zugleich erweitern.
1972 baute Steinmeyer einen neuen Spieltisch. Dafür wurde der Standort auf der Orgelempore aufgegeben. Seither wird die Orgel aus einer ebenerdigen, leicht erhöhten Nische gespielt, die sich in der der Empore gegenüberliegenden Wand öffnet. Bis ins Vorrelais ist die Traktur elektrisch. Durch die systembedingte Verzögerung der Sauer'schen Kegellade und die Laufzeitverzögerung durch die Entfernung Spieltisch-Orgelwerk resultiert für den Spieler bis heute ein träges Ansprechverhalten.
Hier der Spieltisch:
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Der Spieltisch ist dreimanualig, denn in einem weiteren Bauabschnitt war geplant, ein Positiv zu bauen, das seinen Platz vor dem Spieltisch im Kirchenraum bekommen hätte. Das hätte u.a. die präzise, verzögerungsfreie Begleitung eines Chores ermöglicht.
Zunächst begnügte sich Steinmeyer mit der Überholung und Teil-Elektrifizierung des vorhandenen Werkes und der "Aufnordung" des Registerbestandes.
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Alle Streicher und die Schwebung wurden entfernt, nur Gemshorn und Gamba überlebten. Die Fernflöte 4' wurde zu einer kräftigen 4'-Flöte umintoniert. Im Pedal haben alle Stimmen bis auf das Violoncell 8' den "Bildersturm" überstanden. Vor allem der Violon 16' zeugt bis heute mit seinem kraftvollen Strich von der Intonationskunst Sauers.
Auf dem rechten Registertableau sind bereits die Wippen für ein zusätzliches Positiv eingebaut. Zu dieser Maßnahme sollte es nicht mehr kommen.
Kleine Arabeske: Die Manualladen Sauers reichen bis f3, die Klaviaturen gehen bis g3 ...
Seit knapp 50 Jahren ist die Orgel ein Torso. Bei unserem Besuch konnten wir uns überzeugen, dass sie zwar die systembedingten Mängel aufweist, mit denen die dortige Kantorin leben muss, aber ansonsten in gutem Zustand ist. Vor allem in den Einzelregistrierungen und leisen Mischungen haben hörbare Spuren von Sauers Romantik überlebt.
Allerdings ist eine romantische Orgel in einem barocken Raum und in einem barocken Gehäuse letztlich seit 120 Jahren ein Anachronismus. Das sollte bedacht werden, wenn die Orgelfrage irgendwann einmal zur Debatte steht. Aber die Zeichen sprechen eher dafür, dass Sauers Kegelladen zum durchhalten verdammt sind ...
LG
Michael
#2 RE: Weilburg: barockes Outfit, romantischer Inhalt
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