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Dietkirchen: Urkirche der Region mit mustergültiger Orgel
#1 Dietkirchen: Urkirche der Region mit mustergültiger Orgel
Auf einem Felsen über der Lahn steht eine der „Urkirchen“ der Region an der unteren Lahn, die hochromanische Basilika St. Lubentius in Dietkirchen nahe Limburg. Sie dürfte die „Mutterkirche“ aller Gemeinden der Umgebung sein. Die dreischiffige Basilika mit Doppelturm-Anlage ist umgeben von einem Kapellenkranz auf drei Etagen.
Sieht man die vielgliedrige und majestätisch wirkende Basilika von außen und betritt dann die Kirche, ist man überrascht, wie „klein“ sie eigentlich ist. Die Rundbögen im Gewölbe beschränken durch ihre geringe Tragfähigkeit die Breite der Schiffe. Streng nach der Proportion 2:1 gebaut, ist das Hauptschiff doppelt so hoch wie breit. Der zum Bau verwendete helle Sandstein ist porös und entsprechend schalldämpfend. So entsteht eine warme, doch ziemlich „schluckende“ Akustik.
Hier baute der Mainzer Meister Johann Jacob Dahm 1711 eine einmanualige Orgel, deren Gehäuse die gesamte Emporenbreite einnimmt.
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Die Disposition lautete:
Manual: Principal 8‘, Octav 4‘, Superoctav 2‘ Quint zwei Fuß Ton (ob 2 2/3’ oder 1 1/3’ – darüber streiten sich die Gelehrten), Mixtur 4f, Flöte 4‘, Großgedeckt 8‘, Kleingedeckt 4‘, Solicional 8‘, Cornet 4fach durch’s halbe Clavier;
Pedal: Subbaß 16‘, Octavenbaß 8‘, Posaun 8‘.
Regionaltypisch ist die dreifache Besetzung der 4‘-Lage mit Prinzipal, Gedackt und (strichhaltiger) Flöte oder Gemshorn.
Der Limburger Orgelbauer Keller baute 1893, nachdem man die vorhandene Orgel als „unzeitgemäß“ beurteilt hatte, das folgende romantische Werk auf mechanischer Kegellade ins barocke Gehäuse:
Hauptwerk: Bourdon 16‘, Prinzipal 8‘, Hohlflöte 8‘, Gedackt 8‘, Gamba 8‘, Gemshorn 8‘, Oktave 4‘ Flöte 4‘, Oktave 2‘ Quinte 2 2/3‘, Cornett 4f, Mixtur 3-4f, Trompete 8‘;
Nebenwerk: Gedeckt 16‘, Prinzipal 8‘, Salizional 8‘, Dolce 8‘, Doppelflöte 8‘, Fugara 4‘ Flöte 4‘, Cornett 3f, Oboe 8‘;
Pedal: Prinzipalbaß 16‘, Subbaß 16‘, Violoncell 8‘, Posaune 16’.
1959 wurde bei Umbaumaßnahmen das Untergehäuse entfernt. Die ganze Orgel wurde von der Limburger Firma Wagenbach auf stählerne Stelzen gesetzt, bekam elektrische Traktur und wurde klanglich wieder barockisiert - freilich nicht im Sinne des Dahm'schen Originals, sondern "orgelbewegt".
I. Bourdon 16‘, Prinzipal 8‘, Hohlflöte 8‘, Gedackt 8‘, Gemshorn 8‘, Gamba 8‘, Oktave 4‘, Flöte 4‘, Quinte 2 2/3‘, Oktave 2‘, Cornett 4f, Mixtur 6f, Trompete 8‘;
II. Gedackt 8‘, Salizional 8‘, Prinzipal 4‘, Flöte 4‘, Oktave 2‘, Quinte 1 1/3‘, Zimbel 2f, Cornett 3f, Schalmey 8‘;
Pedal: Prinzipalbaß 16‘, Subbaß 16‘, Oktavbaß 8‘, Gedecktbaß 8‘, Prinzipalbaß 4‘, Pedalmixtur 4f, Posaune 16‘.
Diese Orgel war von Anfang an störanfällig und klanglich wenig befriedigend. Doch erst 2000 bekam die zuvor generalsanierte Kirche ein neues Instrument. Gerald Woehl restaurierte das ursprüngliche Dahm-Gehäuse. Die Orgel erhielt dabei wieder ihr Untergehäuse. Der gesamte Corpus wurde so weit vorgezogen, dass Platz für ein drittes Manual entstand.
Woehl konzipierte im Kern eine „klassische“ zweimanualige Disposition in der Ästhetik des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist das Fagott 8‘ als Solozunge anstelle des üblichen Krummhorns.
Hinzu trat ein Schwellwerk, das frühromantisch konzipiert ist. Woehl hat es eher zurückhaltend als „Farbwerk“ gestaltet und intoniert. Selbst über die Oktavkoppeln dominiert es das Plenum nicht, sondern färbt es ein und gibt gut balancierte Gravität.
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Die Orgel ist für diese Raumgröße recht stattlich und klanglich opulent. Ihre Registerzahl erlaubte eine unforcierte Intonation. Die Traktur spielt sich auch gekoppelt sehr angenehm, mit klar definiertem Druckpunkt und genügend Tastenfall.
Als wir die Kirche verließen, sprach uns ein Mitarbeiter der Gemeinde an und verriet uns einen Platz auf dem ehemaligen Friedhof neben der Kirche, von dem die Doppeltürme ein beeindruckendes Bildmotiv hergeben:
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Der freundliche Herr versorgte uns als Zugabe noch mit Informationen über die Entstehungsgeschichte und einstige Bedeutung der Kirche für das Limburger Umland.
Da hat sich eine Landgemeinde eine vorzügliche Orgel geleistet. Und man ist offenbar um die Pflege sehr bemüht. Die Zungen waren wohlgestimmt.
LG
Michael
Interessant, Danke für den Tipp - viel Orgel für den Raum!
An der Lahn kenne ich bislang nur das ehem. Kloster Arnstein, auch mit einer netten, aber kleineren Orgel (Sauer, Höxter-Ottbergen).
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kloster_Arnstein
https://organindex.de/index.php?title=Ob...,_Klosterkirche
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