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Brandenburg/Havel St. Katharinenkirche
#1 Brandenburg/Havel St. Katharinenkirche
Rechtzeitig zum 200jährigen Werkstattjubiläum des Hauses Schuke stellten die Mitarbeiter die größte Orgel des Landes und der Stadt Brandenburg fertig. In der Brandenburger St. Katharinenkirche gebietet der Organist nun über 96 Register, verteilt auf drei Standorte im Raum und von vier Spieltischen aus zu traktieren.
Die offizielle Weihe des Instrumentes wurde coronabedingt auf "bessere Zeiten" verschoben. Aber anlässlich des Firmenjubiläums ließen es sich die Orgelbauer aus Werder nicht nehmen, dem interessierten Publikum ihr jüngstes "opus magnum" zu präsentieren.
Eigentlich widerfuhr dieser Orgel das, was man heute "Reorganisation" nennt - eine Restaurierung mit opulenter Erweiterung.
Auf der oberen der beiden rückwärtigen Emporen steht das Gehäuse von Joachim Wagner, dem "Brandenburger Silbermann", aus dem Jahr 1727.
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Ursprünglich hatte das Werk Joachim Wagners 35 Register. Im ausgehenden 19. Jh. erneuerte der Mecklenburger Lütkemüller die bis heute vorhandenen Prospektpfeifen. Doch Wilhelm Sauer stellte hinter diesen Prospekt 1898 ein neues Instrument mit pneumatischer Traktur.
Alexander Schuke gab dieser Orgel 1936 ihre bis heute überkommene Klanggestalt. Die Traktur wurde elektrifiziert, auf der Grundlage der Sauer'schen Fonds entstand eine "moderne", orgelbewegte Disposition. Diese drei Manualwerke, Hauptwerk, Oberwerk und Schwellwerk, bilden nach wie vor den klanglichen Kern der neuen Gesamtanlage. In der ersten Phase des Projektes galt es, das Pfeifenmaterial gründlich zu überarbeiten und zu harmonisieren.
Schon 1993 hatte Schuke im Hauptgehäuse einen neuen elektrischen Spielschrank eingebaut. Der Spieltisch von 1936 wurde entfernt und verbrachte ein Vierteljahrhundert in einer Garage. Daraus hervorgeholt, wurde er gründlich überarbeitet. Einer der Schuke-Mitarbeiter zeigte mir ein Foto des Zustandes "quo ante" - ich hätte keinen Euro mehr für diesen Haufen aus gequollenen Tasten gegeben. Die Zelluloid-Tastenbeläge sahen aus wie krumm gewachsene Fingernägel. Sie wurden durch moderne, griffsympathische Klaviaturen mit Keramikbelägen ersetzt. Aber die 85 Jahre alten Wippen von Laukhuff hatten die Jahre des Exils überstanden.
Der Spieltisch steht nun auf der unteren Empore und erlaubt das Spiel der drei Manualwerke und des Pedals aus 1936.
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Diese Empore bietet einem großen Oratorienchor nebst Orchester genügend Platz.
Das folgende Bild zeigt nur die rechte Hälfte der Empore und des dahinter stehenden Auxiliaires. Die Tür liegt genau in der Mitte, d.h. links davon befinden sich spiegelbildlich zu den abgebildeten drei weitere Felder mit Jalousien.
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Angesichts des üppigen Platzangebotes und der Tiefe der Chorempore entstand die Idee, das Hauptorgelgehäuse zu "unterkellern". Über die gesamte Emporenbreite von ca. 10 Metern zieht sich ein gut drei Meter tiefer Schwellkasten, in dem mühelos ein Forumstreffen mit Gelage stattfinden könnte ...
Separate Laden für orchestrale und solistische Zungen, Flöten und einen reich bestückten Aliquotenzoo stehen auf Sturz und damit hervorragend zugänglich nebeneinander. An der Rückwand sind die Pfeifen einer waagerecht liegenden Holzgambe 16' aufeinandergestapelt.
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Dieses Auxiliaire umfasst 27 neue Register und ist am fünfmanualigen Zentralspieltisch als "Grand choeur" dem I. Manual zugeordnet.
Die Chorsänger stehen auf der unteren Empore nicht nur vor einer riesigen Wand aus Schwelljalousien, sondern auch mit den Füßen auf einem "fundamentalen" Teil der Orgelanlage. Unter dem Chorpodest ist quer liegend der offene 32' in Holz eingebaut, so daß die Pfeifenmündungen - seitlich nach oben sprechend - links am Podest herausragen. Ein Gitter und ein Geländer hinter dem alten Spieltisch verhindern, dass jemand auf die Idee kommt, in die Aufschnitte hinein zu stolpern. Die Kondukten, die jede Pfeife mit ihrem eigenen Wind versorgen, haben mehr Dicke als so mancher Windkanal einer orgelbewegten Piepskiste.
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Auf der linken Seitenempore steht an der Nahtstelle zwischen Hauptschiff und Chor ein weiterer Schwellkasten mit den Stimmen des Solowerkes. Dieses Werk ist alternativ dem I. oder dem V. Manual zugeordnet und enthält neben raumbeherrschenden Cornetten in 16'- und 8'-Ton auch die heutzutage unverzichtbare Tuba - kräftig, aber nicht brutal, denn sie steht "nur" auf 180mm Wind, wie die Orgelbauer angesichts meines Stirnrunzelns eilig betonten.
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Schließlich gibt es noch im Chorraum rechts unter einem kleinen Bogen seit 2005 eine Chororgel mit 12 Registern. Sie wurde gebraucht angekauft und stammt von den Gebrüdern Jehmlich, Dresden.
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Diese Orgel hat einen eigenen (den einzigen mechanischen) Spieltisch, liegt aber auch elektrisch traktiert am "Zentralstellwerk" auf dem V. Manual. Und dieses Stellwerk gibt es doppelt: Einmal als Spielschrank im Untergehäuse der Hauptorgel eingebaut und ein zweites Mal als im Raum frei zu platzierender, standardmäßig an den Stufen zwischen Schiff und Chor aufgestellter Spieltisch. An dieser Stelle des Raumes sind alle Teilwerke direkt zu hören und weisen in etwa identische Laufzeitverzögerungen auf.
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Und wie klingt diese gigantische Orgel?
Seit sie fertig ist, findet täglich (!) um 12.00 eine "Orgelmusik am Mittag" statt. Wir trafen (wg. Parkplatzsuche verzögert) ein, als der Organist Andreas Patzwalk gerade die ersten Takte eines Programms spielte, das in jeder Hinsicht überraschte. Denn es enthielt ausschließlich säkulare Arrangements, sowohl von bekannten Pop-Gruppen als auch aus der "leichten Muse".
Ich war ziemlich geplättet, "Nothing else matters" von "Metallica" mit den saftigen Fonds und den feinen Streichern dieser Orgel zu hören. Und als meine Verblüffung und mein Blutdruck sich normalisierten, dachte ich mir: "Why not?"
Das Arrangement taugte was, der Organist spielte kundig und mit geschickter Registerwahl. In Brandenburg liegt die Zahl der Kirchenmitglieder um die 10 Prozent - es scheint mir also durchaus legitim, kirchenferne und dennoch interessierte Hörer (freilich außerhalb des Gottesdienstes) mit der Musik zu beschallen, die sie kennen. (Klar, bei der "Epidemischen" würde es auch in vielen Hirnen "klick" machen: "aha, Käpt'n Nemo!")
Bei Ivanovicis "Donauwellen" zum Schluß des 40minütigen Programms gab's dann außer den glänzenden Solozungen zum Schluß auch ein fettes, doch keineswegs brutales oder grelles (General-?)Tutti zu hören.
Gern hätte ich mir um 16.30 Uhr noch das "richtige" Orgelkonzert des Hausherrn, KMD Fred Litwinski, angehört - aber meine Frau schwächelte gesundheitlich und es erwies sich als sinnvoll, vorher die Rückfahrt anzutreten. (Ich konnte am Infotisch der Kirchengemeinde immerhin noch eine CD des Organisten abgreifen, mit der wir uns die Heimfahrt verkürzt haben.)
Unser Mitforist Theo (trm) hat das Konzert aber gehört und schreibt vielleicht ein paar Takte - zumindest das Programm.
Also, wenn ihr mal nach Brandenburg/Havel kommt, nicht nur den sehenswerten (backsteingotischen) Dom und das Grab von Loriot besuchen, sondern auch in St. Katharinen vorbeischauen. Ich hatte den Eindruck, man ist mächtig (und berechtigter Weise) stolz auf dieses monumentale Orgelwerk und wird nichts unversucht lassen, es dem Publikum näher zu bringen.
LG
Michael
#2 RE: Brandenburg/Havel St. Katharinenkirche
Hier noch ein paar Bilder, die die räumliche Situation verdeutlichen:
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Die beiden Emporen für Orgel und Chor an der Westwand. Unter dem Hauptgehäuse ist das Auxiliaire im Hintergrund der Chorempore zu erkennen, ganz rechts der Spieltisch von 1936. Der fünfmanualige Spielschrank ist (auf der oberen Empore) mittig im Hauptgehäuse eingebaut.
Gehäusedetail der Hauptorgel. Die beiden Pedaltürme werden von geschnitzten Atlanten getragen.
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Blick von der Orgelempore auf das Solowerk.
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Blick vom Hauptschiff in den Chorraum. Hinter dem vorderen rechten Pfeiler steht die Chororgel zurückgesetzt in einer Wölbung. Rechts unten unter einem schwarzen Futteral ist der mobile Zentralspieltisch verborgen, nur das Notenpult ist zu erkennen.
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LG
Michael
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