Willibald Guggenmos konzertierte in Gackenbach

26.10.2020 13:45 (zuletzt bearbeitet: 26.10.2020 20:11)
#1 Willibald Guggenmos konzertierte in Gackenbach
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Moderator

Ich habe ja an anderer Stelle über eine Exkursion mit einem befreundeten Kollegen geschrieben, die uns u.a. nach Gackenbach geführt hat. Dort steht eine veritable zweiteilige Orgelanlage von stattlichen Ausmaßen in einer kleinen Westerwälder Dorfkirche.

Sonntag vor zwei Wochen gastierte der St. Gallener Domorganist Willibald Guggenmos mit einem französisch-sinfonischen Programm und wir legten unseren Sonntagsausflug so, dass wir das Konzert als Sahnehäubchen "mitnahmen".
75 Leute waren entsprechend den (nach damaligem Sachstand) in Rheinland-Pfalz geltenden Abstandsregeln zulässig. Wir bekamen nicht nur Plätze auf der Nachrücker-Liste, sondern zwei in der Vierung platzierte Stühle, von denen die Orgeln in Lang- und Querhaus gleichzeitig zu sehen (und folglich optimal) zu hören waren.

Der Interpret zeigte sich erfreut, nach Monaten mit lauter Absagen wieder ein Konzert spielen zu dürfen. Dass er darauf brannte, war seinem feurig-virtuosen Spiel anzuhören. In den immens differenzierten Farbenfundus der Orgelanlage und die wirkungsvollen stereophonen Möglichkeiten hatte er sich hervorragend eingearbeitet. Und so wurde dieses Konzert über die künstlerische Leistung hinaus zu einer beeindruckenden Demonstration, was mit diesem herrlichen Registerfundus möglich ist.
Guggenmos eröffnete mit drei Sätzen aus Widors 4. Sinfonie f-moll. In der einleitenden Toccata nutzte er die Emporenorgel als "großes Schwellwerk" und setzte sie in mannigfachen Plenumstufen effektvoll als Gegenspielerin der Chororgel ein.
Im Andante cantabile entwickelte er einen fein gesponnenen Dialog zweier (der drei vorhandenen!) Oboen. So detailliert ausdifferenziert und ausmusiziert habe ich diesen Satz noch nie live gehört.

Satte Grundstimmen-Mischungen ließen sich in einem der "Pastelle vom Bodensee" Karg-Elerts vermutlich wörtlich realisieren. Ein dynamischer Eklat im Mittelteil - K.E. hatte eine Vorliebe für solche "Wechselbäder" - war schön vorbereitet. Vor allem beim Decrescendo zum Schluß hin zeigte sich der souveräne Klangregisseur. (Schon mein erster Orgellehrer pflegte zu sagen: "Lauter kann jeder Stümper. Der Musiker zeigt sich beim Decrescendo.")

Expressiv-dramatisches Nischenrepertoire war mit Paul de Maleingreaus "Tumulte aus Prétoire" (Aufruhr im Prätorium) aus dessen Passionsszenen zu hören. Das "Théme varié" des Priestermusikers Jean-Marie Plum entpuppte sich als Variationenfolge eines schlichten Choralthemas, mit feinen Farben im Mezzoforte-Bereich und trickreicher Umsetzung mit beiden Klangkörpern.

Die Bearbeitungen gregorianischer Themen des Belgiers Guy Weitz sind ebenfalls eher selten auf Programmzetteln zu finden. Das Präludium über "salve regina" und die Paraphrase über "regina coeli" hatten bei aller kontemplativen Ruhe der Themen fein webende, motorische Kraft.
Um so populärer der Abschluß: Viernes Westminster-Carillon mit energischem Antritt und fulminanter Schlußsteigerung. Als Zugabe tupfte der Interpret Benedetto Marcellos "Coeli enarrant" im Arrangement von William Best in die Klaviaturen - ein freundlicher, optimistischer Farbtupfer in corona-bewegten Zeiten.

Leider gab's keine Gelegenheit dem Maestro eine persönliche Reverenz zu erweisen, denn der Abmarsch aus der Kirche hatte coronae causa eine durchdachte Choreographie.
Fazit: Meine Neugier, diese imposante Orgelanlage einmal in virtuoser Handhabung zu hören, wurde höchst kompetent gestillt.
Bis zum nächsten Konzert wird es indes wohl Frühjahr. Und ich werde da gern wieder hinfahren. Was ein kleiner, rühriger Verein da in einem 500-Einwohner-Dorf auf die Beine stellt, verdient Respekt und Unterstützung.

Wer mal in den Raum Limburg kommt, sollte einen Besuch dieser Orgel einplanen. Der (nebenamtliche) Organist ist ein sehr freundlicher und kollegialer Zeitgenosse, der die Orgel mit berechtigtem Stolz herzeigt. (Kontaktdaten über die HP des Vereins "Gackenbacher Orgelkonzerte") Solche Kollegen wünscht man sich überall.

LG
Michael


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26.10.2020 16:49 (zuletzt bearbeitet: 26.10.2020 16:49)
#2 RE: Willibald Guggenmos konzertierte in Gackenbach
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Intonationsmeister

Obwohl das Konzert schon 2012 war ist mir Willibald Guggenmos in sehr guter Erinnerung. Er war einer der Organisten der die Sauerorgel in Bremen mit ihren 100 Registern in allen Facetten zeigen konnte. Das Programm war mit recht unbekannten Stücken besetzt, aber sehr interessant.

Georges Athanasiades: Toccata,
Otto Barblan: Largo im Stile von Händel,
Jaques Vogt: Scene champetre et Orage, (mit Gewitter)
J.S.Bach: Air BWV 1068,
Franz Liszt: Der Hl. Franz von Paula auf den Wogen schreitend,
Markus Braun: Ondine,
Paul Huber: Toccata über die Glocken der Kathedrale St. Gallen,


Von der Gackenbacher Orgelanlage habe ich eine Muster CD aus dem Butz-Verlag mit englischer und amerikanischer Musik gespielt von Markus Lehnert mit sehr runden orchestralen Klang. Die war mal bei einer Ars-Organi Ausgabe dabei.

LG
Frank

Gloria Concerto 355cc

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26.10.2020 18:21
#3 RE: Willibald Guggenmos konzertierte in Gackenbach
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Moderator

Ja,, die Orgel hat Charakter - auch wenn er exotisch ist. Und sie ist ja noch nicht fertig. Auf der Empore sollen noch ein paar tiefe Aliquoten und ein paar Bässe in die Disposition. Da sie nicht mehr für den Chor verwendet wird, (der vorn bei der Hauptorgel steht, die eigentlich als "Chororgel" mit gerade mal 13 Stimmen gedacht war,) ist dort ausreichend Platz und genug Höhe für eine Posaune 16' mit voller (also 10 2/3') Becherlänge.

Das wird sicher in den kommenden Jahren hochspannend.

LG
Michael


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17.11.2020 22:24
avatar  Larigot
#4 RE: Willibald Guggenmos konzertierte in Gackenbach
La

Fraser Gartshore hat diese imposante Orgelanlage – wie immer gleichzeitig informativ und unterhaltsam – hier vorgestellt.


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