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Frage zum Cornet
#1 Frage zum Cornet
Hallo zusammen,
Ich habe eine Frage an die Experten. Viele Orgeln haben ein Cornet, oft ist das Cornet aber nur in Diskant, sehr selten auch bis in den Bass. Nun habe ich an mehreren Orgeln die scheinbar ein komplett ausgebautes Cornet haben aber festgestellt, dass dies tatsächlich dort nicht der Fall ist. Einige Töne im Bass sind durchaus noch ein Cornet, ab einem gewissen Punkt ist es jedoch ein in diesem anderes Register. An einer Orgel übernimmt dann z.B die Hohlflöte 8" .
Daher wollte ich einmal fragen, ob dies allgemein so gemacht wird? Ein Cornet ist ja soweit ich weiß meist mehrstimmig. In den Tiefen lagen fällt das aber nicht so wirklich auf. Wie sind da eure Erfahrungen und ist es so üblich?
#2 RE: Frage zum Cornet
Das Cornet (dt: kleines Horn, Hörnlein) ist grundsätzlich ein Diskantregister. Es diente in der altfrz. Registrierpraxis im solistischen Spiel der Verstärkung der bauartbedingt zum Diskant hin schwächer werdenden Trompette (saubere Stimmung vorausgesetzt). Daher war es nicht notwendig, es im Bass auszubauen. Je nach finanziellem Spielraum wurde es ab g0 oder c1 gebaut. Vor allem in einmanualigen Werken baute man dann ab dem auslaufenden 18. Jh. Gedackt 8' und Rohrflöte 4' nach unten aus. So konnte die l.H. ein Diskantsolo begleiten. Quinte, Oktave 2' und Terz setzten in diesemFall bei c1 ein.
Roland Eberlein widmet Cornet und Grand jeu in seinem Standardwerk "Die Geschichte der Orgel" (Siebenquart-Verlag, 2011, ISBN978-3-941224-01-8) ein sehr ausführliches Kapitel und ordnet darin diese Registergruppe und ihre Verwendung in den Kontext mehrerer Orgelbau-Schulen und Stilkreise ein.
Das Buch sollte man gelesen haben, wenn man kompetent mitreden will in Fragen zu Registrierung und Dispositionspraxis sowie in der funktionalen Beurteilung einzelner Register (z.B. Mixturen, Zungen, Aliquoten). Liest man dazu Ferdinand Klindas etwas angejahrte "Orgelregistrierung" (Breitkopf, letzte Auflage 1987, ISBN 3-7651-0212-1), ist man hinterher auch nicht dümmer. Das Buch dürfte es noch antiquarisch geben. Im B&H-Katalog ist es m.W. nicht mehr gelistet.
Auch Klotz, Supper, Smets, Ellerhorst, Mahrenholz, Rupp, schreiben in ihren z.T. 80 und mehr Jahre alten Publikationen nichts Falsches über Cornette und ihre Verwendung in der Praxis.
LG
Michael
#4 RE: Frage zum Cornet
#5 RE: Frage zum Cornet
Der Reiz der Mischstimmen ist ja gerade, daß man die Einzeltöne nicht hören soll, sondern den zusammengesetzten Klang. In der Tiefe wäre das nicht mehr gegeben und würde man das scharf intonierte Kornett der Orgel bei uns durchführen, wäre es im Baß viel zu dominant. Es ist als Solodiskantregister gebaut. Anders die Quinte und die Terz im gleichen Manual, die sowohl sanfter intoniert als auch komplett durchgeführt sind. Diese können sich harmonisch im Gesamtklang einfügen und färben die Baßlage.
#6 RE: Frage zum Cornet
#7 RE: Frage zum Cornet
Hier noch eine Besonderheit, eine sogenannte Cornettmixtur.
https://youtu.be/bG9Icr9oA0o
#8 RE: Frage zum Cornet
Die Cornettmixtur ist eben kein Cornett (=nicht repetierende Solostimme), sondern eine Mixtur. Das liegt u.a. daran, dass auch die Quint- und Terzchöre i.d.R. repetieren und dadurch bereits in der Melodielage die Aliquottöne zum 16' (5 1/3' und 3 1/5') auftreten. Cornettmixturen sind Kinder der Romantik. Vor allem im süddt. Orgelbau wurden sie zunächst anstelle einer Klangkrone in Nebenwerken disponiert - dort gelegentlich auch ohne Repetition. In kleineren Landorgeln war die Cornettmixtur dann schnell die einzige "gemischte" Stimme. Sie verdickte den Klang hornartig und füllte das Plenum aus 8' 4' 2' durch Ergänzung der fehlenden Teiltöne Quint und Terz zum "Orgelbrausen" auf, einem weit verbreiteten Klangideal der romantischen (vor allem kath.) Landorgel. In Oberschwaben oder Altbayern standen die Orgelbauer oft vor dem Problem, recht große Kirchen mit bescheidenen Orgeln zu füllen. Da kam die Cornettmixtur (im Verein mit weiten, lauten Prinzipalen) gerade recht. Solistisch waren diese Cornettmixturen wegen der Repetitionen selten zu verwenden. Sie hatten zudem keine engen Mixtur-Mensuren, sondern die in Cornetten üblichen weiten Mensuren und eine runde, flötige Intonation. Ich habe auch welche erlebt, die waren einfach nur laut und klebrig.
LG
Michael
#9 RE: Frage zum Cornet
In Tirol habe ich tatsächlich Mixturen mit Terzchor erlebt, die weder klebrig noch sonst unangenehm waren. Sehr geschickte Repetitionen ermöglichten in der Melodielage die Kornettfunktion. Ab e2 gab es dann keine Terz mehr und es war ein wirkliches Strahlen.
Die Mensurierung lag etwas enger als unsere weiten Kornette.
Bei meiner Dienstorgel beginnt das Kornett, auf meinen Wunsch, bereits bei co. Die Intonation ist in der kleinen Oktave etwas zurückhaltend und steigt dann an. Dadurch ist Tierce en Taille im Hauptwerk möglich. Dafür muss die Terz bei co beginnen.
Allerdings beginnen die Kornette, die ich sonst kenne bei fo, go oder c1. Sie sind echte Diskantregister. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Das macht die Orgel eben so spannend und interessant.
Roland Eberlein widmet Cornet und Grand jeu in seinem Standardwerk "Die Geschichte der Orgel" (Siebenquart-Verlag, 2011, ISBN978-3-941224-01-8) ein sehr ausführliches Kapitel und ordnet darin diese Registergruppe und ihre Verwendung in den Kontext mehrerer Orgelbau-Schulen und Stilkreise ein.
Das Buch ist momentan leider vergriffen
#14 RE: Frage zum Cornet
Im barocken thüringischen (vor allem) Orgelbau waren die terzhaltigen Mixturen eher traditionell. Meines Wissens haben die sich bis nach Sachsen und Franken durchgeschlagen. Trostsche Mixturen mag ich persönlich nicht unbedingt, die von Wagner sind schon viel dezenter. Die hier stehende Kopie von Wiegleb hat ebenso Terzmixturen ziemlich nach Trost-Vorbild, also vielreihig (glaube, 12-Fach im Hauptwerk) und stark prinzipalisch intoniert. Der Klang ist ja immer Geschmacksache, nach meinem Empfinden trüben solche Mixturen Polyphonie schon deutlich. Eher weiter mensurierte Cornette ohne Repetition verhalten sich da anders.
#15 RE: Frage zum Cornet
Eine ähnliche Frage noch angehängt:
Im Vogtland und vermutlich auch Sachsen tauchen vermehrt Orgeln um 1800 - 1870 auf, die einerseits noch ganz in Silbermannscher Anlehnung sind, aber folgende Besonderheit aufweisen: Im HW werden Quinte 2 2/3 und Terz 1 3/5 und zusätzlich ein Kornett disponiert, während das Oberwerk gar keine Terz aufweist. Bei Silbermann sehe ich, daß er dann eher die Terz im OW disponiert hat, um auch da entsprechend registrieren zu können. Kennt jemand die Gründe für diese Disponierweise? Sollte man gar die HW-Mixtur mit einer Terz vergolden können. Ansonsten scheint mir die Verdoppelung der Terz eben nicht wirklich so sinnhaft wie die Disponierung dieser im OW...
Viele Grüße
Ippenstein
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