Was wird in euren Gemeinden an Allerseelen gesungen?
Ich bemerke in den letzten Jahren ein schleichendes Schwinden des althergebrachten Liedguts; typische Lieder verflüchtigen sich aus dem Gedächtnis der Gemeinden, weil sie so gut wie nie gesungen werden bzw. die Tradenten der alten Lieder wegsterben.
In meiner Gemeinde bleibt mir heute nur 'Herr, ich bin dein Eigentum' und 'Wir sind nur Gast auf Erden', wobei Letzteres so gut wie unbekannt ist und nur aufgrund des organistischen DickschäDels auf der Liedertafel steckt. Als Danklied muss 'Nun danket all und bringet Ehr' mit den Strophen 1, 6 und 7 herhalten.

'Christus, der ist mein Leben' steht ebenfalls im Gotteslob, ist mir vom Text her allerdings ein wenig zu individualistisch gedacht für einen Tag wie ALLERseelen. Ich weiß nicht, ob mein Argument verständlich ist. 'Ach wie flüchtig' steht im Gotteslob, richtig. Für Allerseelen steht es mir aber zu sehr auf der Schiene 'Vergänglichkeit', während dieser Gedenktag doch österliche Aspekte in sich trägt bzw. tragen sollte.

In burgenländischen und Wiener Diözesananhang steht das m.E. sehr passende Lied 'Herr, gib Frieden allen Seelen'. Die Melodie steht in d-Moll und passt gut zum Text. Leider geriet das Lied aber zusehends in Vergessenheit - auch im neuen GL wird es nicht mehr vertreten sein. Der Text wurde 1973 in Anlehnung an ein älteres Lied von Heinrich Bone verfasst:

Zitat

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1. Herr, gib Frieden allen Seelen,
nimm sie auf ins ewge Licht,
wolltest du die Sünden zählen,
wer bestünde dein Gericht!

2. Schenke, was dein Sohn erworben
durch sein schweres Kreuz und Leid,
durch den Tod, den er gestorben,
Gnade vor Gerechtigkeit!

3. Auch der lieben Mutter Schmerzen
stellen wir dir bittend vor,
wie sie mit verwundtem Herzen
zu dem Kreuze blickt empor!

4. Nimm durch deines Sohnes Leiden
und durch seiner Mutter Schmerz,
Vater, in die ewgen Freuden
unsre Toten himmelwärts.

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Schlussakkord bitte auf Dur!

Zitat von Wichernkantor

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"Wachet auf, ruft uns die Stimme" das Wochenlied zum Ewigkeitssonntag, dem Sonntag VOR dem 1. Advent. Wenn ich da nicht BWV 645 ad introitum oder post lectionem spielen würde, bräche ein Volksaufstand los. Bei Euch ist das ein typisches Adventslied.

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Stimmt schon. Wenn aber das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen im Jahreskreis gelesen wird, steht - Adventlied hin oder her - 'Wachet auf' auf meinem Liedplan.

Zitat von Guilain

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Ein Lied als Antwortgesang?? Wie wär's mit dem Psalm, der im Lektionar angegeben ist?

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So schnell holt einen die Realität ein. Während Rom noch daran ist, uns Gloria- und Sanctusparaphrasen zu streichen, wird da und dort noch die 3. Strophe des Eingangsliedes nach der Lesung gesungen.

Auch in einer meiner Gemeinden war das bis kurz vor meinem Dienstantritt noch durchaus üblich. Dann noch lieber 'nur' das Halleluja samt Vers. Psalmodien werden immer noch nicht überall verstanden und gepflogen. Leider.

... sagt die Liturgiewissenschaft. Und ich unterstreiche dieses Anliegen, so gut ich kann. Ich psalmodiere gerne mit einer Gemeinde, wenn sie sich darauf einlässt.

Jedoch muss ich eine Erfahrung einstreuen, die mir selbst neu war, und die mein bisheriges Liturgieverständnis gehörig ins Wanken brachte. Eine Dorfgemeinde, kirchenmusikalisch verwahrlost, liturgisch bereits mit der Vollzahl der Lesungen am Sonntag überfordert. Verweigerung des Antwortpsalms durch konsequentes Beschweigen des Kehrverses (und sei er noch so einfach gestrickt). Der derzeitige Kompromiss zwischen liturgiebegeistertem Pfarrer und Organisten auf der einen und liturgisch ungeformter Gemeinde auf der anderen Seite sieht derzeit so aus, dass der Pfarrer auf die 2. Lesung und ich auf den Psalm verzichte, ergo: 1. Lesung, Halleluja samt Vers, Evangelium.

Natürlich wird die hohe Liturgiewissenschaft ob einer solchen Lösung die Nase rümpfen. Aber was ist die Alternative? Allsonntägliche Frustration aller Beteiligten? Bewusstseinsbildung, gewiss. Das aber braucht viel Zeit und offene Ohren auf beiden Seiten.

Ideallösungen wären schön - sind aber nicht immer umsetzbar. Leider Gottes.

Letztendlich erblicke ich in solchen Realitäten aber auch ernstzunehmende Impulse für eine gemeindetaugliche Gestalt von Liturgie von morgen, etwa dahingehend: Wie viel Gotteswort ist dieser und jener Gemeinde zumutbar? Kann der Mensch von heute noch länger als 5 Minuten bei irgendetwas zuhören? Oder schalten 90 % der Gemeinde bereits während der ersten Lesung auf Durchzug? Wieviel kann die Feiergemeinde überhaupt noch aufmerksam rezipieren - und was wäre bereits zuviel? Muss für alle Gemeinden das Gleiche gelten? Muss für junge Stadtgemeinden mit einem Altersschnitt von 30 Jahren der gleiche Maßstab gelten wir für eine überalterte Landgemeinde mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren? Wem dient eine Liturgie, die an den rezeptorischen Kapazitäten (meine Güte, was für ein Unwort!) oder schlicht und einfach an den Bedürfnissen einer Gemeinde vorbeifeiert? Usw. usf.

GL 920 (Wien) ist ein wunderbar passendes Lied.
Ich muss seit Jahren darauf verzichten, weil es die wenigsten Leute kennen. Und seit ich erfahren habe, dass es im neuen Gotteslob ohnedies nicht mehr enthalten sein wird, habe ich begonnen, mich gänzlich von diesem Allerseelenlied zu verabschieden.