Theaterorgeln

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17.01.2014 22:50
#16 RE: Theaterorgeln
cl

Die Werbung für die letzten beiden LifeKonzerte CC´s in Köln und Wiesbaden war eher unterirdisch schlecht. Ohne Flüsterpropaganda hätte ich von beiden Konzerten nie erfahren! Trotzdem waren sie voll, wenn auch nicht absolut ausverkauft.

In meiner Kindheit gehörten die Lifeübertragungen im Radio aus dem Hamburger Funkhaus mit Gerhard Gregor zum samstäglichen Familienritual. Dies Instrument hatte Gregor noch mit einer Art "Hammondorgel" zusätzlich erweitern lassen. Von daher ist mir dieser Sound bis heute noch im Ohr. So manche Idee schöpft heute noch aus den Erinnerungen. Seine Interpretation der Bingeschen Elisabeth-Serenade gilt für mich als Maßstab. Tracey hats ja auf Johannus vor einiger Zeit wieder eingespielt....

In keinem der ARD-Funkhäuser fehlt eine Funkorgel im Sendesaal. Die Disposition der WDR-Orgel hier in Köln würde so manchem Puristen heute gar nicht mehr gefallen. Mit Theaterklängen und nach amerikanischer Manier versenkbarer elektrischer Spieltisch [grin]

Seit nun über 10 Jahren habe ich meine Kölner Orgelstelle als gebürtiges Nordlicht inne. Vor zwanzig Jahren hätte ich jogos Thesen auch noch unterschrieben. Heute verwende ich sehr wohl wenn es paßt "Theaterklänge" und Harmonien in der katholischen Liturgie. Während des Studiums haben meine Lehrer mir noch bestimmte Harmoniewendungen (die z.B. bei NGL unerläßlich sind) regelrecht verboten. Ein durchgeführter Walking-Bass galt als Sakrileg.... Jazz auf der Orgel... und es kann so toll klingen...
Weil ich meinen Dienst als dienende "Predigt" mit musikalischen Mitteln auffasse, sehe ich mich in der Pflicht die Menschen da mental abzuholen, wo sie stehen. Daß das "kölsche Hätz" mitunter anders tickt als ein dröger Niedersachse, ist dabei mit zu berücksichtigen. Ehrlich muß ich gestehen, daß es mir zu Beginn sehr schwer gefallen ist....
So wird z.B. am übernächsten Sonntag (Gemeindekarneval der mit "Meß op Kölsch" begonnen wird) ein liturgiefähiger kölscher Text von der Gemeinde auf die Mel. Highland-Cathedral gesungen werden (So wie es Bläck-Föss karnevalistisch vorgemacht haben). Das Orgelarrangement habe ich mir halt selbst geschrieben...
Daß da eine "Sackpfeife" aus dem Expander dazu muß versteht sich doch von selbst, weil unsere Dudelsackspielerin an diesem Sonntag auf Dienstreise sein wird.
Chimes, Glockenspiel, SChellenkranz, Zimbelstern und Xylophon sind hier in Köln von (dem als konservativem Puristen verschrienen) Prof. Klotz diponiert und gebaut worden (Karthäuserkirche gerade frisch restauriert). Und sie werden sogar noch benutzt
Auch in der Barockzeit und der Romantik haben in Kirchenorgeln Schlagwerke etc. in der Liturgie ihren Zweck erfüllt (z. Italien: Bergamo auf Sarassiorgel life ein Erlebnis wenn ein Könner spielt). Auch in D und in den Alpenregionen jenseits der deutschen Grenze, wo Bergziegen in den Bergen beheimatet sind, traf ich auf historisch barocke "Zymplstern, Paucken und Vogerlgschrey". Niemand kommt heute mehr auf die Idee, derartiges aus den Instrumenten zu entfernen. Zu allen Zeiten wurden weltliche Klänge in liturgische Lieder und Musiken adaptiert.

Aus dem Theater- bzw. Salonorgelbereich möchte ich gerne noch auf die Selbstspielinstrumente der Fa. Welte aufmerksam machen. Eine steht z.B. in der Villa Hügel (Krupp). Diese frühe Form der 1:1 (pneumatisch digitalisierten) Aufnahmen, unter anderem von Reger, Gigout, Widor,..... sind höchst spannend. Wo Komponisten ihre Werke selbst einspielten, kam ich zu für mich ganz neuen Einsichten. Widor spielt seine eigene Toccata V erheblich langsamer. Nach dem Hören von Edwin Lemares Wagnertranskriptionen oder Hollins: Von wegen eine pneumatische Traktur ist träge!

Zu Empfehlen wäre hier die Serie Britanic. (Bei jpc gibt's Hörproben!) Diese Orgel soll die Schwesterorgel der untergegangenen Titanic sein. - Sie stand zuletzt in der Nähe von Köln - steht heute in der Schweiz und wurde durch Kuhn restauriert. Gigout´s Toccata mit Glockenspiel hatte mich zu Anfang sehr irritiert - nach mehrfachem hinhören habe ich dadurch einen Kontrapunkt entdeckt, den ich so in den letzten 50 Jahren noch von niemandem life herausgehört, noch selbst in den Noten entdeckt hätte. Ich werde diesen Sound sicher selbst ausprobieren....

Lieben Gruß
Clemens

Liebe Grüße vom Clemens

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