Fette zweimanualige Dispositionen

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05.01.2015 16:36
#1 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
Ma

Zitat

(...)
2Manuale 50 Register*
4Manuale 80 Register*
(...)
*bin mir mit den Registern nicht mehr ganz so sicher... da achte ich nicht so drauf



Die IngolstäDter Münsterorgel sollte 70 Register haben.

Eine Orgel mit 50 Registern auf zwei Manualen? Da würde mich aber mal die Dispo sehr interessieren.

Bisher dachte ich, dieses Schätzchen sei mit seinen 44 Registern (eine Tuba Mirabilis ist wohl im SW noch ergänzt worden oder dies war zumindest angedacht, siehe auch hier) die registerreichste zweimanualige Orgel im deutschsprachigen Raum.

So etwas kennt man doch sonst nur von DO, wo zweimanualige Orgeln möglichst viele Wünsche erfüllen sollen ("eierlegende Wollmilchsau", was dann zu zweimanualigen Disposition um die 40 Register führt, weil das SW zusätzlich Pos-Aufgaben erfüllen soll:
- Im SW bitte ein Zungenchor...
- ein Krummhorn wäre auch nicht schlecht, kommt dann à la Johannus ins SW (problematisch, wenn dafür dort die Trompete geopfert wird); machen wir noch ne Vox Humana ins HW...
- die dorische Toccata will man ja auch spielen, daher kommt ins SW eine hochliegende Klangkrone (kleines Scharff)...
-> Leider wird dann meist eine tiefliegende Mixtur, damit man ordentlich was zum Schwellen hat, vergessen

Mitte des 20. Jahrhunderts wurden im Gegensatz dazu ja ganz andere Lösungen propagiert, Dreimanualigkeit möglichst schon bei (unter) 30 Registern; war im Buch von der Orgel von Hans Klotz nicht eine Dispo / eine Schnittzeichnung einer sparsam disponierten Dreimanualigen mit 26 oder 28 Registern drin?

Gloria Concerto 350 Trend

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05.01.2015 17:18
#2 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Klotz und Smets empfehlen in der Tat sehr früh die Dreimanualigkeit. Hans Klais hat öfter mal den Fundus von drei Werken auf zwei Manuale verteilt, Hw und Sw, dazu ein drittes Werk ohne eigene Klaviatur als (von beiden warm beworbenes) Auxiliarie.

Supper empfiehlt bei großen Zweimanualigen das Hw so zu bauen, dass aus ihm ein Positiv auszuziehen ist, d.h. recht enge Flöten 8' und 4', eine sehr brillante Superoktave 2' und eine Zimbel als 2. Klangkrone, dazu neben der Trompete 8' ein Krummhorn und eine 4'-Schalmey, das II.Man, dann als großes Schwellwerk auf Prinzipalbasis 8' mit den volleren Flöten, einer kompletten Aliquotreihe und einer Mixtur auf 2'-Basis. Dazu ein angemessen saftiges Pedal. Gebaut wurde so was selten. Denn ab etwa 10 Registern empfiehlt sich ohnehin die Teilung einer Lade. Sie dann mit eigener Klaviatur auszustatten, war bei den bis in die 60er (auch bei Schleifladen) im rheinischen/süDdeutschen Orgelbau verbreiteten nichtmechanischen Trakturen eigentlich kein großer Akt. Siegfried Sauer (Höxter) hat in den 90ern einige recht große Zweimanualige gebaut. Simon Preston hat auf einer (ich glaube in Waltrop) Teile seiner Bach-Einspielung für die Deutsche Grammophon gemacht - klingt nicht schlecht, vor allem die großen Sachen wie BWV 540, 542 und 547. Historisches Vorbild war offensichtlich Gotttfried Silbermann, der in seinem stark typisierten Bauprogramm auch eine große Zweimanualige mit 32 Stimmen hatte (Freiberg, Petrikirche).

LG
Michael


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05.01.2015 20:09
avatar  Dulcan 16 ( gelöscht )
#3 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
Du
Dulcan 16 ( gelöscht )

@Martin

Danke war mir bei der Münsterorgel nicht mehr sicher... Hab bei der 50Register Orgel die Koppeln und Spielhilfen mitgezählt... Auch blöD das die in der Liste mit drinn stehen... sind 36 Register... (leider...)außerdem war ich da lang nicht mehr dran... war kaputt


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05.01.2015 21:02
avatar  Anonymous ( gelöscht )
#4 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
An
Anonymous ( gelöscht )

Mir ist eine üppig besetzte 2-manualige Orgel deutlich lieber als ein spärlich ausgestattes 3-manualiges Instrument.
Welche Meinung habt ihr?


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05.01.2015 21:22
#5 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Na ja, das hängst wohl viel von den eigenen klanglichen Vorlieben ab. Ich kenne sehr schöne "kleine" Dreimanualige mit ca. 30 Registern von Marcussen oder Ahrend, die kammermusikalisch dezent und durchsichtig klingen. "Triosonaten-Orgeln" im besten Wortsinn.
Wer romantische Differenzierung und entsprechende Klangsubstanz mag, ist natürlich mit einer großen Zweimanualigen besser bedient. Supper bezeichnete so etwas als "Orgel reichen Stils", d.h. über den Kernbestand an Prinzipalen und Flöten hinaus hat sie Farbstimmen (Streicher), recht viele Einzelaliquoten und differenzierte Solozungen, oft mit französisch-saftigem oder deutsch-lyrischem Einschlag. Die sog. "elsässischen Reformorgeln" nach Rupp/Schweitzer zählen zu letzterem Typus. Zwischen den Weltkriegen wurden sie im Linksrheinischen und am Oberrhein häufiger gebaut.
Beide haben ihre Vorzüge und Nachteile, die sich aus der unterschiedlichen Ästhetik ergeben.

LG
Michael


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05.01.2015 22:51
#6 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
Ma

Hallo,

Zitat von Nachthorn
Mir ist eine üppig besetzte 2-manualige Orgel deutlich lieber als ein spärlich ausgestattes 3-manualiges Instrument.



hier mal ein paar Beispiele aus der Literatur:
Minimale dreimanualige Dispositionen, die somit komplett vom Trend der letzten Jahre (siehe der Threadtitel) abweichen!

Hans Klotz, Das Buch von der Orgel

I Positiv
Gedeckt 8'
Flöte 4'
Prinzipal 2'
Zimbel III 1'
Krummhorn 8' (französisch)

II Hauptwerk
Bordun 16'
Prinzipal 8'
Gedeckt 8'
Oktave 4'
Flöte 4'
Nachthorn III (2 2/3', 2', 1 3/5'?)
Farbenzimbel II
Mixtur IV 2'
Trompete 8'

III Schwellwerk
Offenflöte 8'
Viola da Gamba 8'
Prinzipal 4'
Scharf VI 1 1/3'
Dulzian 16'
Trompete 8'

Pedal
Subbass 16'
Offenbass 8'
Choralbass 4'
Rauschpfeife IV 2 2/3'
Posaune 8'

Walter Supper, Die Orgeldisposition, GD. 23

Positivwerk
Quintadena 8'
Spillpfeife 4'
Prinzipal 2'
Sifflöte 1 1/3'
Scharfmixtur III 2/3'
Schalmey 4'

Hauptwerk
Pommer 16'
Prinzipal 8'
Harfpfeife 8'
Oktav 4'
Mixtur V-VI 1 1/3' oder 2'
Trompete 8'

Oberwerk
Gedackt 8'
Rohrflöte 4'
Nasat 2 2/3'
Waldflöte 2'
Weitterz 1 3/5'
Prinzipalmixtur VII 4'
Dulzian 16'
Krummhorn 8'

Pedalwerk
Subbass (evtl. offen) 16'
Gemshorn 8'
Schweizergedackt 4'
Rauschbass V 4'
Fagott 16'
(Trompete oder Bassethorn 8'

Alternative von Walter Supper, ebd., GD. 68

Positivwerk
Quintadena 8'
Spillflöte 4'
Prinzipal 2'
Sifflöte 1 1/3'
Scharf III 1'
Krummhornregal 8'

Hauptwerk
Gedacktpommer 16'
Prinzipal 8'
Spitzgedackt 8'
Oktave I-II 4'
Blockflöte 2'
Mixtur VI 1'
Schalmey 4'

Ober- oder Schwellwerk
Koppelgedackt 8'
Rohrflöte 4'
Nasatquinte 2 2/3'
Hörnle II 2' + 1 3/5'
Prinzipalmixtur VI 4' (4', 2', 1' usw.)
Helltrompete 8'

Pedalwerk
Offenbass 16'
Holzprinzipal 8'
Gemshorn 8'
Schweizergedackt 4'
Hohlpfeife 2'
Hintersatz V 4'
Liebl. Posaune 16'

Na, welche ist eure Lieblingsdispo dieser drei?

Gloria Concerto 350 Trend

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06.01.2015 00:46
#7 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
cl

Lieber Martin,
die mE ausgewogenste Disposition (aber nur weil ich klanglich life auch weiß, wie er es hat umsetzen lassen) ist die vom guten alten Klotz.
Allerdings würde ich heute im Projekt versuchen:
1. sein Nachthorn 3f (Kornettino, weil auf der Lade stehend) in drei Register zu trennen
2. und auf Wechselschleifen zum Positiv setzen.
3. HW Bd. 16 ins SW, dann auf Kegelladen (und den dann in kleiner und großer Octav sachte pommernd,
Fortsetzung als Rohrbourdon) mit Extension um eine Octave.
4. Das SW (Pos) und HW gewinnt einen zusätzlichen labialen 8´,
5. Das Pedal gewinnt 2 variable Fond-Register zu 16´und 8´
5. im Pos. kann man ihn auch spielbar machen
6. Das Scharff 1 1/3´ wandert ins Positiv auf die Stelle der Zimbel.
7. Rauschpf. 2 2/3´ aus Pedal wandert als 4-6 f. Fourniture 2 2/3´ (1. Repetitionspunkt fs´ auf Wechselschleife SW/P
8. Die SW Trp. 8 (bei geöffnetem SW lauter als HW-Trp!) auf Wechselschleife SW/Ped
9. Der Dulcian 16 mutierte bei mir zum Cor anglais 16´ ebenfalls auf Wechselschleife SW/Ped

So sähe dann die Disposition aus:
I Positiv
1) Gedeckt 8'
2) Rohrbordun 8´ (SW)
3) Flöte 4'
4) Nazard 2 2/3´ (HW)
5) Prinzipal 2'
6) Flute 2´ (HW)
7) Tierce 1 3/5´ (HW)
Scharff-Mixtur II-IV 1 1/3'
8a) Vorabzug 1 1/3´ (Pos)
9) Krummhorn 8' (französisch) = Cromorne

II Hauptwerk
10) Bordun 16' (SW)
11) Prinzipal 8'
12) Gedeckt 8'
13) Rohrbordun 8´(SW)
14) Oktave 4'
15) Flöte 4'
16) Flötquinte 2 2/3' (Wechselschleife Pos)
17) Flageolet 2' (Wechselschleife Pos)
1 Terz 1 3/5' (Wechselschleife Pos)
20a) Vorabzug aus Mixtur Sifflet 1´
19) Farbenzimbel II
20) Mixtur III- IV 2'
21) Trompete 8'

III Schwellwerk
22) Bordon 16´
23) Offenflöte 8'
22a) Rohrbourdon 8´ (Extension)
24) Viola da Gamba 8'
25) Prinzipal 4'
26) Fourniture IV- VI 2 2/3'
26a)Vorabzug aus Fourn.Flute 2´
27) Cor anglais 16´ Wechselschleife Ped
2 Trompete 8' Wechselschleife Ped

Pedal
29) Subbass 16'
30) Schwellbourdon 16´(SW)
31) Offenbass 8'
32) Schwellgedackt 8´ (SW)
33) Choralbass 4'
34) Mixtur 4f 2 2/3 (SW)
35) Cor anglais (SW)
36) Trompete 8´(SW)

Damit kann man dann musikalisch so einiges anstellen.

Liebe Grüße vom Clemens

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06.01.2015 07:34
#8 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Ich schließe mich Clemens an. Mit dem Opus Klotz könnte ich am meisten anfangen, wiewohl ich Supper als Disponenten und "Klanglogiker" sehr schätze. Er hatte halt auch seine Marotten und dazu gehört es, bei "Orgeln einfachen Stils" nur eine 4'-Zunge auf ein Manualwerk zu stellen. Da, wo so was gebaut wurde, sind es die Dornröschen der jeweiligen Orgeln oder längst durch einen 8' ersetzt.
Der 8' als einzige Pedalzunge ist natürlich "typisch Klotz". Klotz hatte die c.f.-Funktion im Auge und im Ohr. Und da ist in der Tat eine Zunge 8' im Pedal erheblich vielseitiger einsetzbar als der (kaum mal in dieser Funktion zu hörende) obligatorische Choralbass 4' oder ein Clairon. Da wäre eine 16'-Bombarde (enge Posaunenmensur) für mich ein absolites Muss.
Man darf nie vergessen: Klotz war Widor-Schüler! Und auf den von ihm disponierten (und vor allem mensurierten) Orgeln geht eine Menge frz. Literatur.

LG
Michael


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06.01.2015 11:31
#9 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
Ma

Hallo Clemens,

ich kann jeden deiner Schritte nachvollziehen. Ob man so etwas aber als Neubau realisieren könnte? Drei Traktursysteme nebeneinander (Schleiflade, Schleiflade mit Wechselschleife und Kegellade) - da müssten die meisten OSV wohl erst einmal schlucken. [grin]

Bei 36 Registerzügen und drei Manualen wäre man auch in einem (nicht mehr minimalen dreimanuligen) Bereich angelangt, wo ich eine eigenständige grundierende 16'-Zunge im Pedal sehr vermissen würde (da gebe ich MIchael recht) - zumindest wenn die Orgel in einer nicht ganz kleinen Kirche für das liturgische Spiel taugen soll. Dafür würde ich auch zwei Transmissionen opfern [wink] Und die Dopplung von Gedeckt und (transmittiertem) Rohrbordun 8' in gleich zwei Manualwerken würde einen guten Intonateur erfordern, damit das musikalisch Sinn ergibt. Dann kann aber wirklich eine Orgel rauskommen, auf der sehr viel geht!

Zitat von Wichernkantor
(...) wiewohl ich Supper als Disponenten und "Klanglogiker" sehr schätze. Er hatte halt auch seine Marotten und dazu gehört es, bei "Orgeln einfachen Stils" nur eine 4'-Zunge auf ein Manualwerk zu stellen. Da, wo so was gebaut wurde, sind es die Dornröschen der jeweiligen Orgeln oder längst durch einen 8' ersetzt.


Eine Schalmey 4' ist toll - aber bitte neben einer schönen 8'-Zunge im Oberwerk und dann im HW Trompete 16' [grin] Eine Supper-Marotte scheint wirklich gewesen zu sein, ganze "Engchöre" (Prinzipalchöre) als "Prinzipalmixtur" auf einen Registerzug packen zu wollen - gut, dass sich das nicht durchgesetzt hat - und Manualwerke bis Prinzipal-2'-Basis mit einer Quintade als alleinigem labialem 8' zu grundieren. Letzteres geht für mich gar nicht. Da habe ich zwei Beispiele im Ohr, wo ein Orgelbauer so was versucht hat, und es klingt in beiden Fällen grauslich, ein ganzes Manual verschenkt, weil sich die Quintade mit nichts mischt. So sehr ich Quintaden liebe - aber das sind labiale Solisten und man sollte sie mit (geeigneten) Registern mischen können. Zerlegtes Kornett und Krummhorn zusammen in einem Werk (wie in der einen Supper-Dispo) finde ich auch nicht so prima.

Zitat von Wichernkantor
Der 8' als einzige Pedalzunge ist natürlich "typisch Klotz". Klotz hatte die c.f.-Funktion im Auge und im Ohr.


Ich finde eine kräftige, runde 8'-Trompete im Pedal auch toll - aber bitte ab einem mittelgroßen Raum erst, wenn eine entsprechende 16'-Zunge gebaut wurde (natürlich gibt es Ausnahmen in anderen Orgellandschaften)! Eine 8'-Pedalzunge würde ich immer ggü. Pedalrauschpfeifen oder -hintersätzen bevorzugen - aber sie ist ja wohl auch ein Stück teurer.

Gloria Concerto 350 Trend

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06.01.2015 13:13
#10 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Zitat von Martin78
Drei Traktursysteme nebeneinander (Schleiflade, Schleiflade mit Wechselschleife und Kegellade) - da müssten die meisten OSV wohl erst einmal schlucken [grin]



Meine erste Dienstorgel (Seifert, 1966, II/26) hatte bei elektrischer Traktur auch Schleifladen in den Man. und Kegelladen im Ped. - sie war ausgezeichnet, bis sie vor ein paar Jahren (von einer anderen Firma) bei einer Generalüberholung "verstochen" wurde. Den Angelsachsen (vor allem in USA) ist es bis heute wurscht, welches Traktursystem verwendet wird. Wenn es kaputt ist, gibt es halt was Neues ... Hauptsache, das Ganze spielt sich "easy" und man muss sich nicht mit mechanischen Koppeln plagen. Nicht wenige Interpreten aus GB/USA halten mechanische Trakturen bis heute für eine kontinentaleuropäische Form des Masochismus. (Ich denke das nur von unzuverlässigen und trägen Einstrom-Pneumatiken. )

Walcker hat hier in der Gegend in den 50ern einige kleine ein- und zweimanualige Instrumente gebaut, die im Pedal sogar pneumatische Taschenladen hatten - bei mechanischen Schleifladen im Man.
Ein befreundeter OBM, der in den späten 50ern bei Walcker gelernt hat, ezählte mir mal, dass damals dort fünf Windladensysteme nebeinenander gebaut und gern auch bunt durcheinander gemischt wurden. Walcker war damals eine Weltfirma und die OSV haben es klaglos geschluckt. Sogar Bornefeld soll vor dem alten Dr. Oscar Walcker "gekuscht" haben - Hauptsache, er bekam seine "Terzsepta" oder sein "Palettencornettino"...

Zitat von Martin78
Manualwerke bis Prinzipal-2'-Basis mit einer Quintade als alleinigem labialem 8' zu grundieren. Letzteres geht für mich gar nicht



Das sehe ich auch so. Hier in Hessen gab es von den späten 30ern bis in die frühen 60er hinein einen als OSV dilettierenden Pfarrer, der die ganze Gegend mit einer 14registrigen Reichseinheitsdisposition vollpflasterte. Dazu gehörte als "Basis" des Nebenwerkes mit schönem Regelmaß eine Quintade 8' - wenn das nicht, dann als einziger 4' ein quintig krächzender Pommer ... *grusel*

Schon wieder eine Idee für ein Kapitel meines "Handbuches der kirchenmusikalischen Perversionen": "Von Orgelpäpsten und ihrem verqueren Liebesleben ..."

Zitat von Martin78
Und die Dopplung von Gedeckt und (transmittiertem) Rohrbordun 8' in gleich zwei Manualwerken würde einen guten Intonateur erfordern, damit das musikalisch Sinn ergibt.



Ich finde es auch nicht glücklich, auf zwei Manualen zwei Gedeckte in Äquallage zu disponieren. In der Wichernkirche ist das auch so. Aber Holz- und Metallgedeckt sind ausgezeichnet ausintoniert, eines auf weiche Fülle, das andere auf polyphone Qualität. Gekoppelt geben sie ein schönes Paar ab - und wenn die Kirche hochgeheizt wird, hat man wg. unterschiedlicher Ausdehnungskoeffizienten der Pfeifenkörper sogar eine leichte "Gedacktschwebung" ... [grin]

LG
Michael


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06.01.2015 13:31
#11 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Administrator

Bei euren Erzählungen von Quintaden und nicht-tragenden Achtfüßern fällt mir die erste Pfeifenorgel meines Lebens ein: Ein elektrisch traktiertes Örgelchen aus der Werkstatt von Wilhelm Zika, Ottensheim bei Linz, erbaut 1938 — also in einer Zeit, wo nicht viel Geld zum Ausgeben übrig war. Sie war folgendermaßen disponiert:

I. Manual:
Rohrflöte 8'
Prinzipal 4'
Spitzquint 2 2/3'
Mixtur 1 1/3' 4f.

II. Manual:
Koppel 8'
Spitzflöte 4'
Prinzipal 2'
Zimbel 2/3' 2f.

Pedal:
Subbass 16'
Gedackt 8'
Choralbass 4'

... dazu sämtliche Normalkoppeln.
Die Rohrflöte im "Hauptwerk" war das leiseste Register der Orgel, sehr weit mensuriert, aber dezent verhalten. Der darüberliegende (Prospekt)Prinzipal 4' war dermaßen schreiend und grell intoniert, dass er ein Prinzipalplenum samt Mixtur ersetzen hätte können. Die Spitzquinte eher dezent, aber zur Mischung mit der Rohrflöte immer noch zu laut. Die Mixtur eine Kreissäge mit ohrenschäDigender Wirkung...
Das "Oberwerk" war in sich ebenfalls kaum stimmig. Die Koppel war ein schönes Holzgedackt, kräftig intoniert und wohlklingend. Die Spitzflöte war eigentlich ein Gemshorn mit leicht prinzipalischer Anmutung. Der zweifüßige Prinzipal sehr kräftig, aber nicht unschön. Die Klangkrone — eine Zimbel auf 2/3-Basis (in Worten: Zweidrittel!) unstimmbar, da die Pfeifen laut Orgelbauer zu kurz geschnitten seien. Dennoch brüllend laut, sodass sie im Plenum die Hauptwerksmixtur noch kräftig aufpolierte.
Das Pedal war in Ordnung. Ein solider Subbass, auch in der Großen Oktave gut polternd und wenig röchelnd, ein schönes Gedackt und ein bezaubernder Choralbass aus Katzenfutterblech, aber wirklich schön klingend, fast singend. Den hätte ich mir damals als 4-Fuß-Prinzipal im Hauptwerk gewünscht.


Auf Orgelsuche.

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06.01.2015 19:38
#12 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Hier z.B. fehlt kaum was:

http://www.trierer-orgelpunkt.de/hkreuz.htm

Ich kannte die dreimanualige Vorgängerin und kann nur sagen: Der "Rückschritt" auf 2 Man. war ein gewaltiger Fortschritt.

LG
Michael


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06.01.2015 21:54
#13 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
Ma

Zitat
Hier z.B. fehlt kaum was:

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.trierer-orgelpunkt.de/hkreuz.htm">http://www.trierer-orgelpunkt.de/hkreuz.htm</a><!-- m -->

Ich kannte die dreimanualige Vorgängerin und kann nur sagen: Der "Rückschritt" auf 2 Man. war ein gewaltiger Fortschritt.



Hallo Michael,

ja, eine schöne Orgel. Duprés "Sortie" aus op. 62 hat seinerzeit bei meiner D-Prüfung ordentlich dort gekesselt [wink]

Die Orgel hat nur einen pneumatischen Null-Tritt (Absteller) als Spielhilfe, ist vollmechanisch; alle Registerzüge liegen aber dicht beieinander, in der Reihenfolge der verlinkten Disposition (d.h. nach Funktionsgruppen), sodass man wirklich mit einer Hand bequem den ganzen Prinzipalchor aus dem HW oder den Zungenchor oder das zerlegte Kornett im SW ziehen kann.

Bist du dir sicher, dass die vorige Sebaldine dreimanualig war? Die Festschrift zur Orgelweihe gibt nichts her, im im Netz veröffentlichten SebaldWvz wird sie mit II/19, bei Bösken/Fischer/Thömmes (ohne Angabe einer Disposition ("liegt nicht vor") mit II/31 geführt...

Dort amtiert übrigens ein sehr guter Organist, Burkhard Pütz, Dekanatskantor. Leider ist die Kirche relativ kahl (Marke Flugzeughangar), ein Raum, der vorzugsweise dann gut wirkt, wenn sich die Gemeinde versammelt hat. Ins Hauptschiff dürften bestimmt 500 Leute passen... *seufz*

Hab übrigens eine noch kleinere dreimanualige Normalorgel-Dispo bei Walter Supper ("DIe Orgeldisposition" gefunden (GD. 65 i.V.m. GD. 52), dieses Mal also nur 19 Register:

Hauptwerk
1. Quintadena 16'
2. Prinzipal 8'
3. Spillpfeife 8'
4. Oktav 4'
5. Mixtur V-VI 1 1/3'

Positivwerk
7. Gedackt 8'
8. Holzflöte 4'
9. Prinzipal 2'
10. Terzian II
11. Scharf III 2/3'

Brustwerk
12. Krummhornregal 8'
13. Pommer 4'
14. Blockflöte 2'
15. Terzianscharf III 1/2

oder auch
12. Harfenregal 16'
13. Dulzianregal 8'
14. Schalmeyregal 4'
15. Kling. Zimbel III 1/2'

oder auch
12. Regal 8'
13. Kleingedackt 4'
14. Spitzflöte 2' oder 1'
15. Quintzimbel II 1/2'

oder auch
12. Rohrquintadena 8'
13. Kleingedacktflöte 4'
14. Spitzflöte 2'
15. Prinzipal 1'
20. Terzzimbel II 1/2'
21. Regalstimme 16' oder 8'

Pedalwerk
16. Subbass 16'
17. Holzflöte 8'
18. Liebliche Posaune 16'
19. Singend Kornett 4' oder Rauschbass III 4'

Das ist ja von der heutigen Ästhetik meilenweit weg. Obwohl ich ja an und für sich ein Herz für den Neobarock habe, frage ich mich, ob solche dreimanualigen Kleinstformen in Kirchen (nicht als Übeorgeln - da hat Supper noch andere Konzepte parat gehabt!) jemals realisiert wurden und sich Organisten in den "Rausch" spielen konnten...

Ein wenig problematisch bei Supper finde ich (wahrscheinlich haben es auch andere führende Theoretiker im Neobarock so vertreten), dass die unterste "genügende" Manualprinzipalbasis für eine Kirchenorgel anhand einer Tabelle viel zu gering festgelegt wird ("Rahmenregel" anhand seiner Beobachtungen - lediglich anhand der Zuhörerplätze!):
"Es genügt die
Prinzipal-1'-Basis für etwa 15-25 Menschen
Prinzipal-2'-Basis für etwa 80-100 Menschen
Prinzipal-4'-Basis für etwa 150-200 Menschen
Holzflöten(prinzipal)-8'-Basis für etwa 250-320 Menschen
Prinzipal-8'-Basis für etwa 420-500 Menschen
Prinzipal-16'-Basis ist unterstes Manualfundament für Räume mit über 600 Menschen, häufig durch gedackten 16' vertreten."

Nach Supper "schadet es nichts, wenn ein Raum mit beispielsweise 300 Menschen Fassungsvermögen bereits eine Orgel mit Metall-Prinzipal-8'-Basis hat. Die Prinzipal-16'-Basis wäre jedoch hier zu groß, es sei denn, die Orgel habe besonders vielseitigen Ansprüchen zu genügen (...)."

Ich habe mal auf einer vorzüglichen Hausorgel von Jann mit Manualprinzipal 8' in einem normalen Wohnraum üben dürfen. Diese Orgel wäre dann wie viele andere historische Werke (z.B. Stade, Basedow, Cappel, Altenbruch, LüDingworth) bei Herrn Supper sicher durchgefallen... [sad] Wie war das mit: "Die deutsche Orgel ist nicht schlecht, sie steht nur eine Oktave zu hoch"?

Auf die Wiedergabe der supperschen Monumentaldisposition (VI/IIP/267) verzichte ich mal [grin]

Gloria Concerto 350 Trend

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07.01.2015 08:07
#14 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Das Sebald-Opus in Heiligkreuz hatte Definitiv drei Manuale und 31 Register. Ich kannte den Organisten dort - er war mit einem meiner Freunde in den späten 50ern im Trierer C-Kurs gewesen. Hin und wieder habe ich als Jüngling da den Chor begleitet. In der Gegend gab es ja die Praxis, die kleineren Mozart- und Haydn-Messen ohne Orchester zu singen. Der Organist musste dann den Klavierauszug herunterdreschen.
Irgendwo habe ich bestimmt auch noch die Disposition herumliegen. 31 Register könnten hinkommen - sie müsste ziemlich deckungsgleich mit der in einer modernen Kirche in Bitburg sein - St. Peter, glaube ich.

So eine Orgel nach Supper steht (stand?) in Niederlosheim. Da war in meinen Jugendjahren der kath. Reli-Lehrer an meinem Gymnasium Pfarrer und ich habe da gegegentlich ausgeholfen. Sie stammt aus den späten 50ern und hat III/26. Irgendwie war Hermann Schroeder an der Genese beteiligt, der ja auf Weise-Orgeln "stand". Auf meine Anregung hin wurde das Rückpositiv, das auf der Hauptschiff-Empore stand und vom Spieltisch nur indirekt "um die Ecke" zu hören war, auf Höhe der Seitenempore (mit dem Hauptorgelkörper) an die gegenüberliegende Wand gehängt. Das war so Mitte der 70er. Es war die bis weit in die 60er übliche Kegel-/Taschenladen-Mischbauweise aus Plattling. Daher könnte es sein, dass die Orgel mittlerweile im Orkus ist ...
Das gab's im Hw. auch keinen 2' und als einzige Manualzunge eine dunkel knatternde Trompete 8' im Sw. Immerhin hatte das Pos. einen ganz brauchbaren Sesquialter, wenn ich mich recht erinnere.
Irgendein El-Khaida-Terrorist hatte da mal die Propektpfeifen ausgehoben und in die Bohrungen der Prospektlade Wasser gefüllt (ich hoffe, es war Wasser und kein menschliches Nierensekret). [grin] Der Pfarrer rief mich damals an und ich fand die Ursache der blubbernden Laute. Im Zuge der fälligen Orgelreperatur wurde dann auch gleich das Rp an seinen neuen Standort verbracht ...

Ja, das war eine der Sackgassen der Orgelbewegung: Der Glaube, dass man eine Orgel, die zur Gemeindebegleitung dienen soll, ohne Manualprinzipal 8' bauen kann. Heute wissen wir, dass das wirklich nur in Kleinsträumen geht. Daran habe ich ja auch in der Wichernkirche gelitten. Der Raum schrie förmlich nach einem Prinzipal 8' - ich habe ihn ja jetzt digital "Dazugemogelt".

Morgen soll ich in einer Friedhofshalle spielen, da stehen die üblichen, pedallosen "glorreichen vier" aus den 60ern - und zwar mit Mensuren für ein Kämmerlein - in einem Raum, der 300 Menschen Platz bietet, die beim zu erwartenden Regenwetter alle im dicken Mantel kommen werden. Ein ganz dünnes, saft- und kraftloses Gezirpe (dazu meistens abenteuerlich verstimmt), das die Leute in Grund und Boden singen. Ich habe dem Pfarrer angedroht, dass ich meine Feldorgel einsetze.

LG
Michael


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07.01.2015 10:10
#15 RE: Fette zweimanualige Dispositionen
Ma

Zitat von Wichernkantor
31 Register könnten hinkommen - sie müsste ziemlich deckungsgleich mit der in einer modernen Kirche in Bitburg sein - St. Peter, glaube ich.


Danke für die Info!
Ja, die Bitburger Petersorgel wurde in den 90ern von OBM Fasen (zum ersten Mal?) fertig intoniert und Männer aus der Pfarrei haben ihr eine Rückwand eingezogen. Gleichzeitig nicht angeschlosene RP-Pfeifen im HW-Gehäuse und ähnliche Späße korrigiert. Jetzt ist das, auch dank der halligen Akustik, ein schönes Instrument. Laut dem o.a. SebaldWvz hat sie tatsächlich 31 Register.
Domorganist Still (Trier) spielte seinerzeit zur Wiedereinweihung "Pomp and Circumstance", was prächtig klang!

Zitat von Wichernkantor

So eine Orgel nach Supper steht (stand?) in Niederlosheim.


Da haben wir sie ja schon, tatsächlich. Dort gibt es ja als extravagantes Highlight einen Sali im SW!
Supper katholisch...
Drei Mixturen in so einem kleinen Raum, das braucht man doch wirklich nicht.
Was haben denn damals die Nebenamtler-Landorganisten gesagt, die noch im alten Stil (strenges Legato) gelernt hatten und an die Sammlungen mit Zweizeilern in allen möglichen und unmöglichen Tonarten, Hauptsache F-Dur [wink] , gewöhnt waren, wenn ihnen von OSV solch eine Kiste für die aktuelle Orgelmusik des 20. Jahrhunderts (die sich ja in der Masse nie so recht durchgesetzt hat) vor die Nase gesetzt wurde? Den "Diebold" mit der Cimbel präsentiert oder den kleinen Kram erst gar nicht benutzt?

Gloria Concerto 350 Trend

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