Nie wieder Kreischpositiv!!

  • Seite 1 von 2
07.05.2015 06:57
#1 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Moderator

Jubel!
Frohlocken!
Böllerschüsse, untermalt von Beethovens Neunter! rgel: rgel: rgel:

Das Kreischpositiv im Seniorenzentrum ist kaputt. Und zwar so kaputt, dass es als "wirtschaftlicher Totalschaden" einzustufen ist. Nein, ich war's nicht. Großes Räuberehrenwort! Ich bin so unschuldig, dass ich für die Allegorie der Unschuld Modell sitzen könnte. Ehrlich. Ich habe nur drauf gespielt ... [wink]

Und bevor irgendein Obergedönsrat mit der Lizenz zum Orgeln-für-bedeutend-Erklären-und-unter-Denkmalschutz-Stellen aus Dekanat, Propstei oder Landeskirchenamt angedackelt kommt und erzählt "Wir hätten da noch was echt Historisches aus 1960 in der Leichenhalle von Oberpimpersdorf stehen und suchen einen neuen Standort dafür. Das geniale Instrument (Mensuren: Ernst-Karl Rößler, Disposition: Helmut Bornefeld) hat sogar fünf Register (Dreikantpommer, Doppelröhrflöte, Siebenquart, Unruh und Zweifachkegelregal) - und luxuriöser Weise ein angehängtes Pedal! Nun freut Euch doch!", hat der Kirchenvorstand Fakten geschaffen und die sofortige Beschaffung einer Digitalorgel beschlossen.

Gestern habe ich bestellt und am kommenden Mittwoch wird geliefert. Es wird eine Gloria Cantus 230 Trend. Mehr gibt die Portokasse nicht her. Mir wäre eine Klassik 226 einen Tick lieber gewesen. Aber der Andachtsraum ist wirklich nur ein größeres Wohnzimmer. Wenn da 50 Leute drin sind, ist die Bude brechend voll. Die Cantus dürfte mit einer angemessenen Beschallung spielend klar kommen. Wenn nicht, kommt ein Dave 8 dran, das reißt es garantiert. Die Cantus bietet ja auch ein paar Farben mehr als die kleine Klassik. Die Samples sind auf jeden Fall erheblich besser als die aller Mitbewerber im Einsteigersegment. Und nicht zuletzt: Sie hat die guten Viscount-Klaviaturen.

Neun Jahre lang hat das dünne, plärrige, im Diskant ständig verstimmte Ding mit der ruppigen Mechanik Sonntag für Sonntag meine Trommelfelle gefoltert.
Na ja, etwas Gutes hatte die Sache auch: Immerhin war ich so genötigt, mir ein üppiges Repertoire an manualiter-Literatur zu erarbeiten, so dass mich bei Vertretungsdiensten in der orgelbaulichen "terra incognita" des Taunus' oder des mittelhessischen Hinterlandes nichts schocken konnte.

Beim nächsten Gemeindefest gibt es Steaks - direkt vom Windladengrill. Prost: Prost: Prost:
Am Grill: der Unterfertigte. [grin] D [grin]

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
07.05.2015 08:31
#2 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Administrator

Ich gratuliere! [grin]
Bei uns im Altenheim steht mit Juni der Umzug ins neue Haus an... Die Frage, wo es eine Besenkammer gibt, in der so etwas wie ein Andachtsraum installiert werden könnte, ist bis zur Stunde nicht befriedigend geklärt. Von daher gesehen, habe ich nur wenig Hoffnung auf ein neues Örgelchen - zumal unsere uralte GEM ungebrochen funktioniert. Und selbst wenn mal Budget für eine neue Orgel vorhanden sein sollte: Mehr als eine einmanualige Minimallösung wird nicht drin sein. Angesichts einer derzeit aktuellen Forumsdiskussion neige ich für diesen Fall am ehesten zu einer Ahlborn Praeludium I; produktionstechnisch handelt es sich dabei wohl um eine Nachfahrin unserer alten GEM.


Auf Orgelsuche.

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 09:22
#3 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Moderator

Nachdem das Instrument (Gloria Cantus 230) am Mittwoch vor Himmelfahrt geliefert worden war (sagenhaft: montags bestellt, zwei Tage später vor der Tür!) und wir es an den Raum angepasst hatten, habe ich es gestern erstmals im Gottesdienst verwendet. Es entsprach voll meinen Erwartungen. Die kleine Orgel füllt den Raum angemessen aus und trägt den Gesang der Gemeinde sehr ordentlich. JEDER hat gemerkt, dass das etwas ganz anderes ist als es die vier kratzend und kreischend intonierten und im Diskant ständig verstimmten Register des Positivs waren. Sogar von den Stationen, auf die der Gottesdienst übertragen wird, kamen Rückfragen, "was denn da mit der Orgel passiert" sei.
Der Gottesdienstraum ist natürlich klein: 8 x 5 Meter bei 2,30 m Deckenhöhe (eigentlich ein Kelleraum - wenn wir uns da treffen, verstoßen wir gegen mindestens ein Dutzend EU- und Brandschutzverordnungen ... :verwirrt In einer Ecke an der Längsseite ist eine 2 x 3 m messende Bucht, die als "Sakristei" und "Orgelkammer" dient. Das Positiv haben wir an die Wand geschoben - Tastatur zur Wand, damit kein Masochist sich und andere länger damit quälen kann. Der neue Spieltisch steht davor - Blickrichtung nach vorn. So sind die eingebauten LS gegen die alte Gehäusevorderwand gerichtet und klingen indirekt in den Raum - merke: gerade in kleinen Räumen die Hörer nie direkter LS-Bestrahlung aussetzen! Am Spieltisch klingt die Orgel auch ohne Hochtöner satt, klar und brillant. Der übliche Verschattungseffekt, der bei "klassischer" Hosenbeinbeschallung durch das seitlich überstehende Fundamentbrett der Klaviaturen entsteht, ist beim zweimanualigen Minimalgehäuse weitgehend eliminiert - es sei denn man reckt Kopf und Oberkörper über die Manuale. (Eine umgemein "künstlerisch" wirkende Pose, die meinem Orgellehrer stets die Bemerkung entlockte: "Die Sporthochschule ist einen Kilometer weiter, hier lernen wir Orgelspielen ..." [grin])

Die Samples klingen ordentlich, natürlich nicht "premium" - aber erfreulich weit enfernt von "low budget". Beide Manuale stehen auf Prinzipalbasis 8' - was die Flexibilität beim Begleiten sehr erhöht. Sehr gute Idee: der Druckknopf "HR", der die Handregistrierung zurückholt. 8 x 6 Setzer werde ich wohl nie brauchen. In meinen Lehrjahren waren HR und zwei FK Standard, Klais und Steinmeyer bauten in ihren Dreimanualigen oft drei Kombinationsreihen. Ich hätte mir gelegentlich eine vierte gewünscht. Aber das hat mir bisher immer gelangt.
Es gibt drei verschiedene Registersätze: barock, romantisch, sinfonisch. Das dürfte auch reichen.
Einzige feste Kombination ist ein "ff" - in allen Werken Mixturplena, im Pedal plus 16'-Zunge. Um des Prinzips willen hätte man den Knopf ganz weglassen können. Schließlich gibt es genug Setzer.

Den "Hall"-Drehknopf habe ich nur ein paar Grad aufgedreht, so dass ein winziger Nachhall hörbar ist, den man dem pupstrockenen Raum gerade noch "abkauft".

Das Laminat-Gehäuse macht einen erfreulich wertigen Eindruck. Es ist tadellos gearbeitet, an den gerundeten Kanten findet sich kein Grat und keine sichtbare Nahtstelle. Die Viscount-Standard-Klaviaturen sind m.E. eh das Beste, was in diesem Segment am Markt ist. Wenn sie sich in Mondaino noch zu etwas knackigeren Pedalen durchringen könnten ... Aber damit kann ich leben.

Erstes Fazit: Ein Instrument mit erstklassigem Preis-Leistungsverhältnis, für die Raumverhältnisse und eine Gemeindegröße von ca. 50 Besuchern pro Gottesdienst (dann ist die Bude richtig voll) in jeder Hinsicht ausreichend. Ich bin sehr zufrieden. Nie mehr Kreischpositiv !!

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 11:24
avatar  SJL
#4 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
SJL

Hallo Michael,

das klingt doch alles sehr "positiv", im wahrsten Sinne.

Deine Abneigung gegen diese Instrumentengattung kann ich übrigens sehr gut nachvollziehen. Ich hatte damit mal ein traumatisierendes Erlebnis, das mir in späteren Jahren noch häufiger in verschiedenen Varianten in Alpträumen begegnete: es war Heiligabend, in der Dorfkirche gefühlte 5000 Besucher, laut tratschend. Ich fange beherzt an zu spielen mit "vollem Werk", und - es hat keiner gemerkt...

LG, Stephan


 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 11:37
#5 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Moderator

Duftig intoniert und mit einer eleganten, sensiblen Stechermechanik mag ich Positive durchaus - auch für solistisches Spiel. Händels Orgelkonzerte oder Pachelbels Choralpartiten können da richtig Spaß machen. Ich habe hier in der Gegend mal ein ganzes Konzert in einer kleinen Kapelle mit manualiter-Literatur auf fünf Registern (mit Schleifenteilung) bestritten. Das Instrument war das Meisterstück eines Orgelbauers. Aber das Ding im Seniorenzentrum haben wohl vor 50 Jahren die Lehrlinge aus Werkstattresten gebaut. Sowohl für's Literaturspiel als auch für das Begleiten des Gemeindegesangs - kein Baßfundament und mit Prinzpial-"Basis" 2' - *Grusel*!
Ceterum censeo: Die Orgelbewegung hatte viele Verdienste. Aber sie irrte, als sie glaubte, Hauptwerke für Instrumente, die zum Liedbegleiten dienen sollen, könne man ohne Prinzipal 8' bauen.


LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 12:05
#6 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Administrator

Möchte den Thread nicht zweckentfremden, aber das Thema "Prinzipal 8' und der Gemeindegesang" für ein mildes Offtopic nutzen. Hierzulande gibt es sehr viele Kleinorgeln - auch in größeren Kirchen - die nur einen 4füßigen Prinzipal aufweisen. Das darunterliegende Gedackt 8' ist zumeist sehr kräftig und grundiert den Klang bestens; mir wäre nie aufgefallen, dass der Gemeindegesang unter dem Fehlen des Prinzipal 8' leiden würde.
An meiner Dienstorgel (Rieger, II/P) steht jedes Manual auf Prinzipal-8-Basis, darunter sogar noch jeweils ein Gedackt 16'. Bei normalem Gottesdienstbesuch sind die Prinzipale 8' und 4' im Hauptwerk für den Gemeindegesang fast schon zu laut; heute am Pfingstmontag waren nur knapp 30 Leute beim Gottesdienst, Gedackt 8' (sehr füllig!) und Oktave 4' reichten zur Begleitung des Gesangs völlig aus.


Auf Orgelsuche.

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 13:11
#7 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Moderator

Mir geht es primär um das Vorhandenseindes des Registers. Ob man es verwendet, ist eine andere Sache. Natürlich gibt es, oft bei "Sparorgeln" der Jahrhundertwende und oft in großen Kirchen, sehr laute Prinzipale 8', denen ein sattes Gedackt vorzuziehen ist (wenn eine klar zeichnende Oktave darübersteht). Es ändert aber nichts an meinem Erfahrungstatbestand, dass ein klärender Prinzipal i.d.R. eine bessere Grundlage für die Gemeindebegleitung ist als ein dunkles Gedackt. Ich neige inzwischen dazu, dann den 4' darüber eher flötig zu wählen. Das ist jetzt übrigens meine Standard-Überegistrierung. Früher war es Gedackt mit Oktave 4' ...

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 14:07
#8 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Administrator

Zitat von Wichernkantor
Ich neige inzwischen dazu, dann den 4' darüber eher flötig zu wählen. Das ist jetzt übrigens meine Standard-Überegistrierung. Früher war es Gedackt mit Oktave 4' ...


Interessant, diese Variante verwende auch ich ab und zu; die Spitzflöte 4' (Extension aus Gemshorn 8' ) klingt an der erwähnten Riegerin wie ein sanfter Prinzipal 4', ist über dem Prinzipal 8' noch deutlich als Aufhellung vernehmbar.


Auf Orgelsuche.

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 14:43
#9 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
Ma

Ich habe gar nichts gegen Vier-Register-Positive. Aber warum sollte solch ein Instrument, dass sich super zum Continuospiel bzw. zur Begleitung von Solisten oder auch für den Solopart eines Orgelkonzertes eignet, den Gemeindegesang einer normalen Gemeinde tragen können? Die dahinter stehende Idee habe ich nie verstanden.

Zitat von Gemshorn

Bei normalem Gottesdienstbesuch sind die Prinzipale 8' und 4' im Hauptwerk für den Gemeindegesang fast schon zu laut; heute am Pfingstmontag waren nur knapp 30 Leute beim Gottesdienst, Gedackt 8' (sehr füllig!) und Oktave 4' reichten zur Begleitung des Gesangs völlig aus.



Wäre da nicht Prinzipal 8' plus zeichnende Flöte 4' (plus evtl. zugeschwellte Flöte 2' eine Alternative? Gedackt plus Oktave 4' hat für mich immer etwas von einem Positiv...

Gloria Concerto 350 Trend

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 15:20
#10 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Administrator

Zitat von Martin78
Wäre da nicht Prinzipal 8' plus zeichnende Flöte 4' (plus evtl. zugeschwellte Flöte 2' eine Alternative?


Schrub ich doch in meinem Posting vorhin. Und einen Zweifuß hat "meine" Riegerin leider nicht zu bieten.

Zitat von Martin78
Gedackt plus Oktave 4' hat für mich immer etwas von einem Positiv...


Oooh... du solltest dieses Gedackt mal hören. So ein füllig-tragendes Teil bekommst du garantiert in keinem Positiv. Gibt es eigentlich eine labiale Analogie zu einer Hochdruckzunge?


Auf Orgelsuche.

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 15:22
#11 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
Ma

Zitat von Gemshorn

Gibt es eigentlich eine labiale Analogie zu einer Hochdruckzunge?


In deinem Falle: Ein Weiglesches Seraphongedackt!

Gloria Concerto 350 Trend

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 15:24
#12 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Administrator

Bestimmt handelt es sich bei meiner Riegerin um etwas ganz Ähnliches.
Falls es sich bei der Solostimme hier um ein solches Register handelt, wage ich zu behaupten, dass "mein" Gedackt noch mehr Power zu bieten hat, wahrscheinlich weil es noch ein ganzes Stück weiter mensuriert klingt.


Auf Orgelsuche.

 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 16:27
#13 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Moderator

Das wäre mir als grundlage für die Liedbegleitung einfach zu dunkel. Gerade der 8' muss schon Harmonien klären und die Basslinie muss via Pedalkoppel schön zeichnen und die Richtung weisen. Über dieses Gedeckt müsste ein sehr konturierter Prinzipal 4', damit das was wird. Und das Pedal benötigte einen nicht zu dunklen offenen 8'.

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 16:33
#14 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
avatar
Moderator

Weigle baute um die Jahrhundertwende alle labialen Registerfamilien auf Wunsch auch als Seraphonstimmen (natürlich nur als 8'er). Die alte (1959 abgetragene) Trierer Domorgel und auch die im Krieg verbrannte der benachbarten Konstantinbasilika (Ev. Erlöserkirche) hatten das komplette Angebot: Prinzipal, Gedackt, Gamba und Flöte, dazu eine Labialoboe (leiser Geigenprinzipal plus scharf und laut intonierte Quintadena). Der langjährige Domorganist Ludwig Boslet war nach Aussagen meines ersten Orgellehrers von diesen Registern begeistert. Sie hatten übrigens nur leicht erhöhten Winddruck (120 mm), dafür zwei im 60-Grad-Winkel zueinander stehende Labien. Weigle hatte dafür ein Patent.

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
25.05.2015 18:51
avatar  Tabernakelwanze ( gelöscht )
#15 RE: Nie wieder Kreischpositiv!!
Ta
Tabernakelwanze ( gelöscht )

Meine Dienstorgel hat im HW auch nur einen Prinzipal 4', dafür aber im Pedal einen Prinzipal 8'. Damit kommt man bestens zurecht. Manchmal begleite ich die Choräle eine Oktave tiefer, das ergibt mit dem Schwiegel 2' eine schöne 8' und 4' Kombination.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!