Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
#1 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
Hallo Leute,
ich weiß, das Thema hatten wir hier schon recht erschöpfend in unterschiedlichen Spielarten. Wenn Ihr es satt haben solltet, einfach nicht weiterlesen ... :thx:
Aber ich will einfach auch den Vorgang als solchen dokumentieren. Ich habe mal wieder eine Anfrage aus einem Dorf hier in der Nähe bekommen, eine Hochzeit zu beorgeln. Ich hatte bereits im Vorfeld gesagt, dass ich gerne alles spiele, was genuin für Orgel komponiert wurde, mir spieltechnisch zugänglich und auf der Orgel (eine recht hübsche Zweimanualige aus den späten 80ern) darstellbar ist. Aber bitte keinen der bekannten „Hochzeitsmärsche“ oder Teile der „Hitparade“. Davon habe ich keine Noten, kaufe und beschaffe auch keine. Mir welche zu schenken, ist zwecklos, die frisst sofort die Katze. (Kluuuuge Katze! ) Und für das Üben ist mir die Zeit zu schade. Also meine üblichen klaren Ansagen, die die Gemeindesekretärin auch korrekt und vollständig weitergegeben hat.
Nun kontaktierte mich gestern die Brautmutter, ob es an der Orgel eine Steckdose gebe. Grund dieser Anfrage: Man wolle einen „Ghettoblaster“ auf der Empore aufstellen, der dann die gewünschten Klänge zu Ein- und Auszug liefern werde – verbunden mit der Bitte an meine Wenigkeit, das Teil zu bedienen. Ich habe der guten Frau zu verstehen gegeben, dass ich Kirchenmusiker sei und nicht Diskjockey (natürlich habe ich es etwas netter ausgedrückt ... ), zugleich gesagt, dass der Klang aus zwei Winzlingsmembranen eines etwas größeren CD-Players kaum raumfüllende Wirkung entfalten werde. (Die Kirche gehörte zu einem säkularisierten Frauenkloster, feinste Hochgotik, recht groß für dörfliche Verhältnisse, mit einer herrlich tragenden Akustik – jedwedes Schlagwerk wirkt darin wie ein Kanonenschlag, Musik mit üppiger Schlagzeugverwendung ist einfach nur Radau.)
Ich habe vorgeschlagen, dass es in der Hochzeitsgesellschaft doch sicher einen beschallungstechnisch versierten Jüngling gebe, der es sich zweifellos zur Ehre anrechne, durch die entsprechenden Schaltmanipulationen einen zentralen Beitrag zur würdigen Gestaltung der Feier zu leisten. Ich will mit so einem Käse einfach nix zu tun haben ... Niemand soll hinterher behaupten können: Der Michael war schuld, dass es sich so sch... angehört hat ...
Ich bin nun in einem Dilemma. Einerseits würde ich diesem „Event“ am liebsten ganz fernbleiben. Mein Maso-Faktor tendiert gegen null. Dann kann es passieren, dass die lieben Leutchen zum Begleiten der – immerhin vorgesehenen – Choräle auf einen „Virtuosen“ verfallen, der keine vier gleich langen Viertelnoten hintereinander spielen kann und alle Vorurteile über „ländliches Orgelspiel“ bestätigt: öde, träge und mit relativ niedriger Trefferquote bei erhöhtem Langeweilefaktor. :motz:
Andererseits würde ich der versammelten Festgemeinde gern ad aures demonstrieren, was für eine schöne Orgel sie in der Kirche hat – und dass sie klingt, im Gegensatz zum krawalligen Nebel aus der Nebelmaschine. :orgel:
Aber ich frage mich:
Ist es nicht vergebliche Liebesmüh? Sollte ich in dieser Zeit nicht lieber mit meiner ehemaligen Verlobten Spazieren oder Schwimmen gehen?
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor
dass ich Kirchenmusiker sei und nicht Diskjockey
LG
Michael
Hallo Michael, mach den lieben Menschen doch einfach klar, daß es zu bestimmten Anlässen entsprechende Musik gibt. In der Disco spielt ja auch keiner Großer Gott wir loben dich auf der Orgel, ergo hat in der Kirche auch die Discokonserve keinen Platz sondern Musik die dem Anlass würdig ist. Wie jeder weis gibt es da auch wunderschöne Stücke die nicht unbedingt dem Einschlafen dienen. Die Menschen sollten wieder üben zu lernen und verstehen, daß das Leben keine Mixtur ist sondern schon noch das eine von andern zu unterscheiden ist, nur so kann sich ein besondere Anlass auch hervorheben.
Ich weiß es klingt etwas revolutionär für Viele, aber ich habe für das gesellschaftliche Weicheiverhalten kein Verständnis.
#3 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
#4 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
Ich werde das Gefühl nicht los, da gegen Windmühlenflügel anzurennen. I.d.R. hatte ein Brautpaar letzte Erfahrungen mit "Kirchenmusik" in der Konfirmandenzeit. Der Vikar schrammelte auf der Gitarre "Herr, deine Ziege frißt das Gras am Ufer" und Hauptlehrer i.R. Ignaz Hinterguglberger schob auf der verstimmten Dorforgel Kadenzen durch die Gegend. Das sind halt einfach prägende Sozialisationen, die ich mit einem so niederschwellig wie möglich angelegten Kurzreferat über musikalische Ästhetik nicht auffangen kann. Ich kann nur versuchen, ordentliche Musik dagegenzusetzen. Ein qualitatives Konzept dagegen zu setzen - das wäre Aufgabe der übergeordneten Ober- und Hauptgedönsräte. Ich kann das nur in meiner eigenen Gemeinde. Und da geht das - noch ...
LG
#5 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
Tja, dieses Dilemma dürfte jedem hier bestens bekannt sein.
Frage doch mal die Pastoren, die bei diesen Hochzeiten hier, hier und dort zelebriert haben. Faust in der Tasche ballen - gut und schön, aber nicht alles muss man sich bieten lassen. Man kann es auch nicht damit retten, dass man als katholischer Priester erst danach einzieht, d.h. den Gottesdienst erst danach starten lässt. Wie hoch muss da die Frustationstoleranz sein? Nur noch wenige Paare entscheiden sich überhaupt für eine kirchliche Hochzeit, und dann muss man sich so einen Käse diskutieren lassen. Die grenzenlose Selbstdarstellung - "wir haben eine Kirche gefunden, wo wir den Einzug (...) machen konnten" - ohne Bezug zur Gemeinde, zum Priester, zur Kirche, Hauptsache, zu sich selbst.
Ich bin wahrhaft kein verknöcherter konservativer Christ (außer dass ich Orgel spiele! [wink]), aber da rollen sich bei mir die Zehennägel ein. Wie soll man seinen Kindern dann noch was von gemessenen Bewegungen (Begriffe wie "Demut" und "Ehrfucht" sind ja völlig out) im Kirchenraum in Gegenwart des Allerheiligsten erzählen, wenn Onkel und Tante wie wild geworden kunstlos durch den Mittelgang der Kirche hoppeln?
Im gelben Forum kommentierte ich diese Tänze mit: Genau so, wie die Festgesellschaft in die Kirche gehoppelt kommt, hoppelt sie nachher wieder hinaus - und ward (höchstwahrscheinlich) nie mehr gesehen.
Andererseits - dem gegenüber ist das mit dem CD-Player doch noch fast harmlos und vielerorts schon seit Jahren Standard. Du könntest also auch die Ohren auf Durchzug stellen, halbwegs neutrale Miene zum CD-Spiel machen und wenigstens den Rest der Feier mit der Orgel so zu gestalten, dass die Gemeinde merkt, was ne Harke ist bzw. wie man (NGL- und klassische) Lieder eben sehr ansprechend und mitreißend auf einer Orgel begleiten kann, so dass keiner sagen muss "Die Orgel hat gespielt" ... wenn du es nicht machst, suchen die sich jemanden (einer der klassischen Hochzeits"organisten", der vielleicht nur mit einem unzureichenden Keyboard anrückt oder auch sonst längst nicht so gut spielt wie du. "Versuchen, ordentliche Musik dagegenzusetzen" - das wäre vermutlich meine Entscheidung (aber nur, wenn niemand hoppelt).
Wenn da ein kurzes Gespräch nicht hilft, von der Ghettoblasteridee abzurücken dann würde ich auch lieber schwimmen gehen.
Ich hatte neulich nen Liedzettel eines Paares da stand an Punkt 1:
EINMARSCH: Beethoven -Treulich geführt
Der Liedzettel enthielt noch mehrere ähnliche dieser Inquisitionsinstrumente...
Das Paar wollte sich kein bißchen bescheinen lassen.
Nach Berichtigung des Komponisten, erörterte ich kurz das Thema "Einmarsch" um dann dankend abzulehnen und zu sagen: "... spiel ich nicht, kann ich nicht, üb ich nicht, hab ich nicht, kauf ich nicht, ...
#8 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
*Brüll* *kreisch* *japs*!
Das erinnert mich an die geniale Quizfrage: "Wer schrieb Beethovens Neunte?" Die Antwort (mit fragendem Unterton in der Stimme): "Rembrandt" ...
Wie fragte mich mal vor rund 40 Jahren ein Schulfreund, dessen Hochzeit ich beorgeln sollte: "Kennste das Stück von Exeption?"
(Für Spätgeborene: Das war in den 70ern mal ne holländische Kultband. Und beim "Stück" handelte es sich um BWV 565 ...)
Zitat von Martin78
Tja, dieses Dilemma dürfte jedem hier bestens bekannt sein.
Frage doch mal die Pastoren, die bei diesen Hochzeiten hier, hier und dort zelebriert haben. Faust in der Tasche ballen - gut und schön, aber nicht alles muss man sich bieten lassen.
wenn Onkel und Tante wie wild geworden kunstlos durch den Mittelgang der Kirche hoppeln?
Ich denke hier sollten auch die Hausherren Konsequenz zeigen. Ein Gotteshaus ist einfach kein Straßenfest. Ich denke man muß des den Leuten wie kleinen Kinder wieder klarmachen daß es auch noch Dinge gibt die zu respektieren sind. Auf der einen Seite möchten diejenigen mit der Kirche nichts zu tun haben, kennen nicht mal den Ablauf der Liturgie (live erlebt) und möchten sich dann in einer Umgebung was anderen heilig und wichtig ist auf oberflächlichste Art bespassen. Sollen wir uns das gefallen lassen? Tut mir leid, aber ich habe den Eindruck dass heute viele Mitbürger das DENKEN verlernt haben.
#10 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
Ich sehe das genauso wie Ihr, Martin und Bernhard.
Ich bezeichne das Phänomen immer als Verlust des Gefühls für die Hausnummer. Abfinden kann man sich damit nur schwer. Den Gegenentwurf leben, scheint mir das einzig sinnvolle Verhalten. Das geht aber nicht punktuell, sondern nur in Kontinuität. Wenn ich das in meiner Gemeinde mache, zeigt das Wirkung. Da ist bekannt, was ich mitmache und was nicht. Und ich stehe damit halt nicht allein, sondern bin eingebunden in einen Kreis von Mitarbeitern, die das genauso sehen.
In einer fremden Gemeinde (wo das pastorale Team sich einfach arrangiert mit den Wünschen der "Kundschaft") hat es wohl wenig Sinn, den Bilderstürmer zu machen und seine - begrenzten - Kräfte zu ver-(sch)wenden.
Ich will mich andererseits nicht "verbiegen". Und die paar Kröten, die es dafür gibt, sind auch als Schmerzensgeld lächerlich. Ich fühle mich einfach nicht wohl, wenn eine sehr stilvolle Kirche mit einem guten Instrument mit Auswüchsen absoluter Stillosigkeit vollgemüllt wird. Insofern tendiere ich zum Besuch im Hallenbad. Die Dame des Hauses wird das begrüßen. In die Kirche komme ich ja Sonntag wieder zur genüge ...
LG
Michael
#12 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
#13 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
Musikalisch würde mir die Steigerung um eine kleine Terz je Stophe (das wäre ja schließlich nur eine viertel Octave) durchaus ein gewisses Maß an "Plaisir" bereiten .... die SoprHähne fangen an zu krähen und dier Rest verschwindet in den melodischen Keller ....
#15 RE: Und ewig grüßt das Murmeltier ...
Jetzt anmelden!
Jetzt registrieren!