Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel

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12.01.2016 09:10
#1 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Das klassische Harmonium weist als Instrument mit Zungen einerseits eine gewisse Eigenständigkeit in puncto Klang und Literatur ähnlich einem Akkordeon auf. Andererseits wurde dieses Instrument mit/ohne Pedal bis zur Entwicklung der Analog- und Digitalorgeln als Orgelersatz in kleineren Kirchen und Kapellen verwendet.

Hochwertige Instrumente dieses Typs vermitteln durchaus ein eigenes Spielgefühl in puncto Klang und Anschlag, den ich manchmal authentischer finde als den Klang meiner Hymnus IV. In dem dass man mit "Sampling" einerseits den originalen Orgelklang "kopiert", ist es gleichzeitig nur eine Kopie und nicht das Original mit gewissen Einschränkungen.

Der Klang eines Pedalharmoniums ist einerseits wesentlich weiter vom klassischen Orgelklang entfernt und weist vielleicht auch gerade deshalb doch auch wieder eine gewisse Eigenständigkeit auf. Vergleichbar mit einem modernen Akkordeon mit handgemachten italienischen Zungen (= höchste Zungenqualität) und Tonkammernsystem (Cassotto), dessen Klang ich authentischer/lebendiger als den meiner HYMNUS IV finde.

So gesehen sind Sampling/Physical Modelling einerseits Versuche dem Original möglichst nahe zu kommen. Andererseits verliert man genau dadurch seine Eigenständigkeit als eigenes Instrument. Wie seht ihr das?

Johannes


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12.01.2016 09:50
#2 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Moderator

An Versuchen, den typischen Sound durchschlagender Zungen in die romantische Orgel zu integrieren, hat es ja nicht gefehlt: Walckers Physharmonica, die ganze Palette durchschlagender Oboen oder Posaunen (Koulen), die dann oft in eigene Schwellkästen oder Kammern gestellt wurden. Probleme gab's da immer nur mit der Stimmung. Denn die fixierten Zungen halten ja Ton, im Gegensatz zum Flötwerk.
Bei den Angloamerikanern heißt das Harmonium ja "reed organ".

Originalliteratur für Harmonium gibt es ja vor allem in Frankreich - Franck, Boellmann und Lefébure-Wely haben nicht ganz unbedeutende Zyklen geschrieben. Während sie sich vor allem an den gottesdienstlichen Praktiker wenden, hat Karg-Elert als einer der raffiniertesten Klangregisseure der späten Romantik ausgesprochene Virtuosenliteratur geschrieben. Die einschlägigen CD-Einspielungen von Johannes Matthias Michel kann ich nur empfehlen. Da kommt man aus dem Staunen nicht heraus, was auf dem Harmonium alles zu machen ist ...

LG
Michael


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12.01.2016 19:01
avatar  kirchenmaus ( gelöscht )
#3 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
ki
kirchenmaus ( gelöscht )

Also wir haben ja in einem Winkel der Pfarre noch ein Harmonium stehen - und ich habs mir nicht verkneifen können, einmal zu probieren, ob dieses stiefmütterlich behandelte Instrument noch funktionieren würde... und siehe da, es funktioniert noch (beruhigend, falls mal Stromausfall wäre [wink]: mein Eindruck ist (trotz Stramplerei) : Es hat schon etwas, allerdings eher für Schneewalzer und Co, und nicht unbedingt zur Gemeindegesangbegleitung - nach meinem Geschmack.. Aber wer weiß, vielleicht lassen wir unser Harmonium ja bei der nächsten Langen Nacht der Kirchen seit Jahrzehnten wieder mal erklingen...
@Wichernkantor: Hättest Du bitte genauere Angaben zu Deinen Literaturempfehlungen?


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12.01.2016 19:09
#4 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Administrator

In einer Stadtpfarre in meiner Umgebung wird die Werktagsmesse regelmäßig mit Harmonium begleitet; habe das mehrmals per Radioübertragung verfolgen können und muss sagen: Es funktioniert. Hochwertige Präludien sollte man sich dabei nicht erwarten, aber der Harmoniumsklang ist durchaus im Stande, den Gemeindegesang gut zu tragen. So hatte ich es auch aus meiner Jugendzeit in Erinnerung, wo im EisenstäDter Dom die Frühmessen in der kleinen Seitenkapelle gefeiert wurden, wo ebenfalls ein (uraltes) Harmonium stand und brav seine Dienste verrichtete. Das eher langsame Singtempo im Burgenland kam den beschränkten Fähigkeiten des Instruments dabei durchaus entgegen. [wink]

Zitat von Johannes
So gesehen sind Sampling/Physical Modelling einerseits Versuche dem Original möglichst nahe zu kommen. Andererseits verliert man genau dadurch seine Eigenständigkeit als eigenes Instrument. Wie seht ihr das?


Wie ist diese Frage gemeint? Kannst du sie etwas genauer ausführen?


Auf Orgelsuche.

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12.01.2016 19:44
#5 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Einerseits geht es in diesem Thread darum, dass ich einen "echt erzeugten" Klang eines Harmoniums/Akkordeons viel authentischer und viel lebendiger empfinde, als einen noch so guten gesampelten Klang, der nur durch wenige Lautsprechermembranen zu hören ist und nur stets eine Kopie des Originales ist.

So ist es beinahe ein Widerspruch in sich: je ähnlicher ich zB durch Sampling dem Original der Pfeifenorgel werde, desto weniger Eigenständigkeit besitzt er.


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12.01.2016 19:50
#6 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Moderator

In Frankreich waren sich die großen Meister der "Grand' Orgue" nicht zu fein, für Harmonium zu komponieren:

Boellmann:
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=119491&p=ext-record-21
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=119492

Franck:
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=127410&p=ext-record-19
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=106297

Lefébure-Wely:
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=195252&p=ext-record-17
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=195250
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=455636
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=455637

Dubois:
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=140886

Bei uns war es vor allem Karg-Elert, allerdings dachte er nicht an die gottesdienstliche Verwendung. Er verstand das Harmonium als Konzertinstrumnent sui generis.
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=108548

Sammlungen:
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=105061
http://www.bodensee-musikversand.de/product_info.php?products_id=105062

LG
Michael


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12.01.2016 19:57
avatar  Rohrflöte 4´ ( gelöscht )
#7 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
Ro
Rohrflöte 4´ ( gelöscht )

Eine Frage am Rande, das Pedalharmonium hat dann eine elektrische Windversorsorgung ? Harmonium mit Pedal dürfte aber ohnehin die Ausnahme sein...


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12.01.2016 20:41
avatar  kirchenmaus ( gelöscht )
#8 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
ki
kirchenmaus ( gelöscht )

@Wichernkantor: danke!


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12.01.2016 21:15
#9 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
Ma

Da werfe ich mal die (unüberprüfte) Behauptung in den Raum, dass es die Franzosen weitgehend alle auf imslp gibt! Vorteilhaft, wenn man mal schauen will, ob das was für einen ist, bevor man Geld für ein ordentliches Heft ausgibt.

Gloria Concerto 350 Trend

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12.01.2016 21:24
#10 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Moderator

Jo, es lohnt sich immer, da mal zu gucken, wenn man nix gegen Blattsalat hat und Geld sparen will. Ich mag es halt ordentlich gebunden, wenn es geht.


LG
Michael


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12.01.2016 21:26
#11 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Administrator

Danke für die vielen Links. Die Neusatzausgaben finde ich ja schön gemacht, aber die alten Sätze, die fast so aussehen als wären sie eine schlechte Kopie in 5. Generation halte ich für ein No-Go. Dass manche Verlage noch so etwas unters Volk bringen wollen... [sad]


Auf Orgelsuche.

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13.01.2016 00:21
avatar  pvh
#12 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
pv
pvh

Hallo,

Zitat von Wichernkantor

Jo, es lohnt sich immer, da mal zu gucken, wenn man nix gegen Blattsalat hat und Geld sparen will. Ich mag es halt ordentlich gebunden, wenn es geht.


Ich habe mir zu Weihnachten Zipolis Orgelbüchlein gewünscht: Das Christkind hat die Ausgabe bei IMSLP von Pierre Gouin in einem Copyshop ausgedruckt und mit Ringbindung versehen lassen. Vorne hat das Christkind eigenhändig einen Jacana Spinosa drauf gezeichnet. Ist ganz prima geworden und nix Blattsalat.

Zitat von Gemshorn

Die Neusatzausgaben finde ich ja schön gemacht, aber die alten Sätze, die fast so aussehen als wären sie eine schlechte Kopie in 5. Generation halte ich für ein No-Go.


Die neueren Ausgaben sind manchmal Ausgaben für Orgel und es fehlen die originalen Registrieranweisungen für das französische Standard-Harmonium (z.B. auch bei den schönen und gut lesbaren Ausgaben von Pierre Gouin auf IMSLP). Ich habe schon gelesen, dass bei Harmoniumkursen solche neuen Ausgaben deswegen nicht zugelassen sind.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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13.01.2016 07:40
#13 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Moderator

Zitat von Johannes

Einerseits geht es in diesem Thread darum, dass ich einen "echt erzeugten" Klang eines Harmoniums/Akkordeons viel authentischer und viel lebendiger empfinde, als einen noch so guten gesampelten Klang, der nur durch wenige Lautsprechermembranen zu hören ist und nur stets eine Kopie des Originales ist.



Oh, da gelang einem DO-Bauer unfreiwillig Großes: Bei einem spontanen Teil-Forentreffen vor Jahren verglichen Klaus und ich die Prinzipale diverser ausgestellter Orgeln. Und Klaus meinte beim Anspielen des Prinzipals 8' eines namhaften Herstellers: "Das klingt wie eine Melodica." Ich konnte da nur meinen Lieblings-Loriot-Spruch zitieren. Und eine Melodica ist ja im Prinzip ein Miniatur-Harmonium im Plastik-Gehäuse. [grin]

Natürlich klingt das Original immer besser und "echter" als ein noch so gut aufgenommenes und reproduziertes Sample. Es ist halt echt ...

LG
Michael


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13.01.2016 21:53
#14 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
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Zitat von Wichernkantor

... und Klaus meinte beim Anspielen des Prinzipals 8' eines namhaften Herstellers: "Das klingt wie eine Melodica." Ich konnte da nur meinen Lieblings-Loriot-Spruch zitieren. Und eine Melodica ist ja im Prinzip ein Miniatur-Harmonium im Plastik-Gehäuse. [grin]

Natürlich klingt das Original immer besser und "echter" als ein noch so gut aufgenommenes und reproduziertes Sample. Es ist halt echt ...
LG
Michael



Es kommt halt wie überall auf die Qualität des verwendeten Materials an. Auch bei Akkordeon-Zungen gibt es grundsätzlich 3 Qualitätsstufen:
- Standard-Zungen
- Tipo a Mano
- handgemachte Zungen, insb. italien. nach Paolo Soprani

Kommt dann noch ein Tonkammernsystem zB Cassotto hinzu, filtert das die Obertöne weg und selbst ein Akkordeon kann dann ziemlich orgelähnlich/flötig klingen. Derartige Instrumente stehen einem hochwertigen Klang eines Harmoniums um nichts nach, sind aber preislich auch etwas höher und preislich mit einer mittleren Digitalorgel vergleichbar.

Johannes


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14.06.2016 20:40
avatar  kirchenmaus ( gelöscht )
#15 RE: Pedalharmonium - Orgelersatz/eigenständ. Instrument - versus Digitalorgel
ki
kirchenmaus ( gelöscht )

Hallo wieder einmal!
Also: Der Überraschungseffekt bei unserer Langen Nacht der Kirchen war überdrüber: die meisten Leute wußten ja nicht mal, dass da hinten noch ein Harmonium steht, und die restlichen Wenigen staunten, dass es überhaupt noch funktioniert
Mittlerweile muss ich auch sagen: Was manche Leute als "außer-Takt-Trampelei" bezeichnen - das muss ja gar nicht sein, man muss sich die Luft nur eben einteilen. Natürlich hat es keinen Orgelklang, aber irgendwie hat es auch seinen Reiz.


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