So, hier ein paar Takte von meiner Erstbespielung des Johannus ONE:
Auf dem Weg zum Forumstreffen haben wir Freitag früh einen kurzen technischen Halt bei Kisselbach gemacht. Das ONE war spielfertig aufgebaut, darüber auf demselben Ständer zum direkten Vergleich ein Cantorum VI.
Um alle Spekulationen zu beenden: Das ONE ist hardwareseitig ein Dexibell, auf das Johannus eigene Software mit fünf eigenen Samplesets aufgespielt hat: American, British, French, German und Standard. Die Sets haben leicht voneinander abweichende Dispositionen, die Registernamen sind oberhalb des jeweiligen Tasters auf das Gehäuse aufgespritzt - durchaus praktisch gedacht, da der Austausch von Registerschildern entfällt.
Es gibt zwei Manualregistraturen, eine enthält den Prinzipalchor plus Zunge und Cornett/Sesquialter, die andere den Weitchor plus Einzelaliquot. Dazu drei Pedalregister, letztere auf den Bereich C-c1 wirkend. Beide Registraturen sind simultan und auf die Klaviaturhälften separiert nutzbar. Die Register innerhalb der fünf "Styles" sind austauschbar, d.h. durch längeren Druck auf die Registertaste lassen sich auch die über ihr notierten "Schattenregister" in die aktuell gewählte Disposition einbeziehen. Wer z.B. in der deutschen Disposition das franz. Cromorne wünscht, kann es sich zuschalten. Solche Veränderungen werden nicht gespeichert, d.h. beim erneuten Einschalten ist der Werksmodus wieder eingestellt.
Ein fundamentaler Unterschied zu den gängigen Sakralkeyborads ist der erweiterte Klaviaturumfang: E bis g4, also 76 Töne. Anstelle der üblichen Orgeltasten mit ihrem kürzeren Stichmaß sind gängige Piano-/Keyboard-Tasten verbaut. Auch der (dynamisierte) Anschlag entspricht nicht dem einer Orgeltaste, aber auch nicht der gewichteten Klaviertaste. Er kommt eher vom Yamaha-Keyboard her. Mir sagen Tastenmaße und Haptik der Cantorum VI-Klaviatur mehr zu. Diese Details der Ausstattung sind sicher dem Umstand geschuldet, dass das Gerät einen (sehr ordentlichen) Klavierklang bietet, zudem zahlreiche Orchesterstimmen, die ich nicht ausprobiert habe, da ich mich - auch aus Zeitgründen - auf die Orgelfunktionen beschränkt habe.
Ein weiterer Unterschied zu den Sakralklang-Mitbewerbern in diesem Segment: Die Manualteilung zum Erreichen der "virtuellen Zweimanualigkeit" hat keinen wählbaren Splitpunkt. Das Manual ist fest zwischen fis1 und g1 geteilt, wenn man denn die Teilung einschaltet. Dann koppelt die linke Manualhälfte automatisch eine Oktave hörer (das Pedal behält allerdings seine Tonhöhe und seinen Umfang bei), die rechte eine Oktave tiefer. So entstehen zwei Manuale nebeneinander statt übereinander, das linke mit dem Unfang E-fis2, das rechte mit G-g2. Darauf geht so manches an Literatur, Improvisiertes geht erheblich besser als auf der "klassischen" Teilung in zwei Bass- und drei Diskantoktaven.
Zum Klang:
Hier gilt, was für alle Sakralkeyboards gilt: Aus diesen kleinen Membranen darf man keinen großen Klang erwarten. Daher mein für alle Modelle geltender Rat: Gleich eine externe Abstrahlung mitkaufen. Ich besitze deren zwei, die ich uneingeschränkt empfehlen kann, um sich selber und den Hörern ein optimales Klangbild zu präsentieren.
1) das Dave 8 Roadie für rund 500 Euronen;
2) das Lucas Nano 300 für die, die es etwas kompakter und trotzdem ordentlich haben wollen - und die 250 Euronen mehr im Etat haben.
Ich bin mit beiden Systemen sehr zufrieden.
Die systemimmanente Baßschwäche der Keyborads ist beim ONE noch fataler, da das "ravalement" der 16'-Lage in der Tiefe in undefinierbares Pusten übergeht, wenn nicht extern abgestrahlt wird.
Die Samples haben mir durchweg gut gefallen. Natürlich bleiben sie via eingebauter LS unter ihren Möglichkeiten. Aber sie haben Potential. Schaltet man auf Manualteilung, sind die Flötenstimmen der linken, die Plenumstimmen der rechten Klaviatur zugewiesen.
Setzer und andere Spielhilfen sind da, wo sie hingehören: in der Vorsatzleiste. Das ist also wirklich sinnvoller gelöst als beim Cantorum. Obwohl das ONE ordentlich in die Breite geht im vergleich zu den Mitbewerbern, bringt es nur 13 kg auf die Waage. Mein Cantorum bringt es auf knapp einen halben Zentner. Unter dessen sehr "plastisch" aussehendem Gehäusekörper steckt halt ein massives Stahlchassis, das gehoben werden will. Wenn ich meine Feldorgel aufbaue, dann staunen hilfsbereite Leute immer wieder über die kompakte Masse dieses Gerätes.
Mein Urteil: Das ONE ist ein Keyboard, das gegenüber den Mitbewerbern Vor- und Nachteile bietet.
Auf der Haben-Seite schlagen geringes Gewicht und sehr gute Samples zu Buche, das Teilungskonzept ist nach etwas Eingewöhnung sicher auch eine Bereicherung. Zudem bietet es bei der Qualität der (Orgel-)Samples den gegenwärtigen "state of the art", während die Samples der Mitbewerber schon etwas angejahrt sind.
Die etwas "labbrige" Tastatur ist für mich aber ein deutliches Manko. Das Schicksal einer suboptimalen internen Abstrahlung teilt das ONE mit allen Konkurrenzprodukten.
LG
Michael
Kampfansage an die Italiener? 
