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Orgelmarathon Nordeifel 2018
#16 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Ach? Ich habe den Namen Sitzbass aus einem deiner Fotos abgeschrieben...
Hier --> Register
Eventuell ein Cello 8'? Nachdem es da ja auch einen Violonbass gibt. An einem Cello "sitzt" man ja...
#18 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Zitat von Larigot
In der Tat höchst informativ und unterhaltsam.
Bei Kloster Steinfeld kommen viele schöne Erinnerungen an unzählige Chor- und Orchesterwochenenden aus meiner Studienzeit wieder hoch - damals noch im Internatsambiente. Inzwischen setzt man dort wohl eher auf gehobene Hotellerie.
Jo, ein Gästehaus mit vier-Sterne-Standard - bei äußerst ziviler Preisgestaltung. Stilvoll eingerichtete Zimmer, sehr aufmerksames und freundliches Personal. Nicht diese professionell-glatte "Freundlichkeit" der großen Hotelketten, sondern echte Herzlichkeit. Eigenes Weingut an der Mittelmosel, aus dem vorzüglicher Riesling kommt. Und der Patron ist Orgelfan. Wäre mal was für ein Forumstreffen ...
LG
Michael
#19 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Zitat von Gemshorn
Ach? Ich habe den Namen Sitzbass aus einem deiner Fotos abgeschrieben...
Hier --> Register
Eventuell ein Cello 8'? Nachdem es da ja auch einen Violonbass gibt. An einem Cello "sitzt" man ja...
Lt. amtlicher Disposition ist es ein Oktavbass. Könnte sein, dass der Organist "Sitz" heißt ...
Nee, gerade verifiziert - der heißt Prinz.
Irgendein Insider-Joke vermutlich ...
LG
Michael
#21 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Nach dem akustischen Schock in Euskirchen sahen wir dem nächsten Spielort Flamersheim mit eher gemischten Gefühlen entgegen. Denn die dortige Orgel mit II/23 stammte aus derselben Werkstatt wie die in Herz Jesu. Ein Dutzend Jahre später gebaut, war sie zum Glück aus feinerem Holze geschnitzt. Zumal sich noch etliches Material der Vorgänger-Klaisine aus 1910 im Registerbestand befand. Es dürfte sich wohl um die Register des II. Man. handeln.
https://www.dropbox.com/s/uszqh62u04xlbo...ospekt.jpg?dl=0
https://www.dropbox.com/s/gk6vm34lpspbjx...anlage.jpg?dl=0
In CPE Bachs g-moll-Sonate jedenfalls klangen vor allem die Echostellen sehr appetitlich.
Auch diese Kirche ist durch Herausnehmen einer Seitenwand erweitert worden. Die Orgel blieb jedoch im alten Raumteil, was sich positiv auf die klanglichen Eigenschaften auswirkt. Das übrige Programm forderte Plenumstufen, die das Instrument mühelos hergab. P+F C-Dur BWV 547 ließ sich jedenfalls interpretieren, ohne dass die Trommelfelle erneutes Trommelfeuer abbekamen. In Mendelssohns Sonate Nr. II c-moll verwendete Matthias Grünert für die Kantilene des Adagio ein labial abgedecktes Krummhorn. Hoch gepokert und gewonnen! Die Zunge „stand“.
Gar nicht übel – so lautete unser Urteil über diese Orgel.
Ein weiteres Instrument der Werkstatt Schorn erwartete uns in Kuchenheim. Mit II/19 füllte es die St.-Martinus-Kirche mit einem angenehmen Plenum, aus dem auch die bei einer Sanierung durch Weimbs 1997 eingesetzten Mixturen nicht hervorstachen. Den Grundstimmen, mit denen Matthias Grünert die Fantasie c-moll BWV 537 registrierte, hätte ich etwas mehr Kontur gewünscht.
Zum Abschluss dieses Tages erwartete uns noch ein klangliches Bonbon: eine Klaisine von 1912 in der Kirche St. Severinus zu Mechernich. Hier war nicht nur am guten Zustand des Instrumentes zu spüren, dass die Gemeinde es hütet und schätzt. Erst kurz zuvor hatte Philipp Klais eine Restaurierung abgeschlossen. Trotz einer etwas reaktionsträgen Pneumatik gelangen die belebteren Passagen in Rheinbergers IV. Sonate rauschend und stringent, ebenso das fein ausdifferenzierte Intermezzo. Camillo Schumanns Festpräludium op. 2 ist ein Paradestück für eine engstufig arbeitende Crescendowalze – und damit konnte diese prächtige Orgel der Spätromantik aufwarten.
Am Abend lud der Patron unseres Standquartiers, selber enthusiasmierter Orgelfreund, den harten Kern in einen zum Partyraum umfunktionierten ehemaligen Schafstall – zwecks gemeinsamen Umtrunkes.
Meine Gemahlin konnte es nicht glauben, als ich ihr berichtete, dass wir kurz vor Mitternacht Zapfenstreich bliesen. Der Tag war eben nicht nur für mich anstrengend gewesen ...
LG
Michael
#22 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
#25 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Lieber Michael, hab herzlichen Dank für Deine Berichte.
Bei der Orgelweihe in Flamersheim war ich seinerzeit mit dabei. Wenn mich mei meine Erinnerung nicht täuscht spielte damals Viktor Scholz. Ich habe die Streicher noch recht eindrücklich in Erinnerung. Der Streichersound war seinerzeit für einige Fachkollegen eine "wiederentdeckte Neuerkenntnis".
#26 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
„Es ward Abend und es ward Morgen, der dritte Tag ...“ So steht’s in einer einschlägigen Fachschrift, die ich gelegentlich zu Rate ziehe. Und dieser Morgen erfreute mit strahlendem Sonneschein und knackiger Kühle. Ich genoss vor dem Frühstück die kontemplative Atmosphäre „meines“ Gartens hinter der Kirche. Anstrengend und leicht stressig würde es noch früh genug werden.
Denn an selbigem Tage ging es unter anderem nach Belgien. Aber zunächst war Monschau dran. Ein Bilderbuch-Städtchen in einem tief eingeschnittenen Flusstal. Noch hatten wir einen üppigen Zeitpuffer, den wir zu einem kleinen Stadtbummel nutzten. Schiefer und Fachwerk sind die bevorzugten Baustoffe einer stillvoll sanierten Altstadt. Am Wege fand sich eine Konfiserie, die die belgischen Pralinen offerierte, die bei meiner Angetrauten stets höchste Verzückung auslösen. Somit war die Frage des Mitbringsels definitiv geklärt.
Auch die sog. „Aukirche“ der Stadt ist aus Schieferbruchstein aufgeführt. Als ich den Raum betrat, stand ich vor vier großen Holzkisten mit Prospektpfeifen vorne. „Au weia, wenn die so klingt, wie sie aussieht ...“, unkte ich meine Assistentin an. Zum Glück machten wir die Erfahrung, dass man aus einem potthässlichen Gehäuse keine Rückschlüsse auf die inneren Werte einer Orgel ziehen soll. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, denn meine Wichernorgel war optisch auch keine Schönheit. Ihre Qualitäten lagen eindeutig im klanglichen Bereich. Die einschiffige Halle mit ihrem Tonnengewölbe wurde jedenfalls von der Orgel aus dem Hause Stahlhuth (1969, II/22) angemessen beschallt. Und für ein Kind der Orgelbewegung hatte sie durchaus satte Fonds in den 8’ und 4’-Lagen. Bachs Allabreve entfaltete sich in einem gesunden Plenum. Das schöne G-Dur-Concerto des Bach-Zeitgenossen Christoph Wolfgang Druckenmüller und die nicht minder anmutige, noch etwas filigraner gearbeitete Sonata F-Dur des Bach-Schülers Georg Andreas Sorge erklangen in leuchtenden, keinesfalls grellen Farben.
Diese Orgel widerlegt die These, dass die Orgelbewegung in der Fläche nur schrille Piepskisten hervorgebracht hat.
Vor Mittag ging es eine weite Wegstrecke zurück in das Weichbild von Aachen. In der dortigen Kirche St. Hubertus hat Wilbrand anno 1995 eine neue Orgel mit II/21 in ein neogotisches Gehäuse der Spätromantik gebaut. Die Disposition ist noch deutlich orgelbewegt, aber sie hat wieder Streicher und eine weichere Intonation. Ein reines Bach-Programm ließ sich gut darstellen. P+F c-moll 549, 7 Choräle aus der Neumeister-Sammlung, die Canzona 588 und P+F F-Dur aus den „acht kleinen“ – leichte Kost, schmackhaft serviert. Ein klassisches „Anfängerstück“ gewinnt enorm, wenn man es souverän gespielt hört ...
Unmittelbar an der belgischen Grenze liegt Breinig. Das Kirchenpatronat St. Barbara ließ auf Bergbau schließen. Korfmacher aus Linnich baute 1858 ein Werk mit II/27, das eher dem franko-flämischen als dem deutsch-romantischen Stilkreis zuzuordnen ist. Auch hier hat die Werkstatt Weimbs anno 2009 eine blitzsaubere Restaurierungsarbeit abgeliefert. Die schönen, warmen Grundstimmen der Orgel und die charakteristischen Zungen französischen Einschlages kamen in Mendelssohns „Vater-unser“-Sonate ebenso gut zur Geltung wie die Streicherei im lyrischen „Abgesang“, einem „Lied ohne Worte“ für Orgel. Zu diesem letzten Satz habe ich eine besondere Beziehung, die sogar Regionalkolorit hat. Er hat mir, dem bis dato nur mit Bach, Buxtehude, Böhm und Bruhns gefütterten Orgeladepten – in einem Konzert von Wolfgang Oehms in Himmerod – die Ohren für die Delikatesse schwebender Streicherklänge geöffnet.
Im belgischen Kelmis hat Stephan Schumacher aus Eupen 1969 eine neue Orgel mit II/24 quasi als Flügelaltar in den Chor gebaut. Kleine Kuriosität: Das neogotische Gehäuse, das auf der Westempore das Fenster flankiert, blieb im Holz erhalten. Das komplette Innenleben einschließlich der Prospektpfeifen ist irgendwann mal verschütt’ gegangen. Um das zu kaschieren, wurden einfach „Prospektpfeifen“ auf Papptafeln gemalt und in die Gehäusekästen eingesetzt. Um den Etikettenschwindel zu bemerken, muss man im Schummerlicht der Kirche schon zweimal hingucken ...
Wir hatten inzwischen Verspätung – deshalb habe ich meine Kamera nicht aus dem Auto geholt, um das bildlich zu dokumentieren. Die richtige Orgel vorn entpuppte sich als schöne „Bachorgel“ mit gesunden Plena und fein zeichnenden Flöten. Bachs d-moll-Triosonate war sehr filigran und subtil artikuliert zu gestalten. Die Präludien+Fugen a-moll 569 und d-moll 539 waren ein angemessener, funkelnder Rahmen.
Eine duftige Kleinorgel mit II/8 angehängtem Pedal als Brüstungswerk erwartete uns in der St.-Hubertus-Kirche in Lontzen. Guido Schumacher erstellte das Werk 1989. Es ermöglicht ein feinnerviges, gut durchartikuliertes Spiel. Mit J.G. Walthers ausladender Partita „Jesu, meine Freude“ zeigte Matthias Grünert, was aus einer kleinen, subtil ausintonierten Orgel an Farbe herauszuholen ist.
Weiter ging es nach Walhorn. Auch hier ist die Kirche aus Schieferbruchstein aufgeführt. Darin findet sich eine stattliche Orgel der Gebrüder Müller aus Reifferscheid. Diese Firma war im gesamten 19 Jh. bis zu ihrem Erlöschen nach dem 1. Weltkrieg mit ihren Instrumenten im Dreiländereck D/B/L stark vertreten. Die Müllers waren konservativ und hielten an der mechanischen Schleiflade fest, als selbst kleinere Firmen ihr „patentiertes System“ für die Pneumatik lieferten. Diese „Rückständigkeit“ führte zu ihrem Niedergang, denn als sie die „hochmoderne“ Pneumatik liefern musste, um überhaupt noch Aufträge zu bekommen, hatten die Mitbewerber 20 Jahre Erfahrungsvorsprung.
Den Walhornern jedenfalls hat diese Firmenpolitik ein solides Orgelwerk mit II/27 beschert, das die Werkstatt Thomas aus Francorchamps 2002 mustergültig rekonstruiert hat. Die Orgel hat satte Zungen und milde Plena. Matthias Grünert spielte u.a. Erst Friedrich Richters a-moll-Fantasie. Gerade in der Fuge zeigte sich, dass eine romantische Orgel mit mechanischer Schleiflade zur Darstellung polyphoner Strukturen höchste Eignung besitzt. Am nächsten Spielort, der ev. Kirche in Eupen, sollte sich das u.a. deutlich zeigen. Mendelssohns D-Dur-Sonate gehört ja eher zu den seltener gespielten. In gestuften Mezzoforte-Registrierungen waren schöne, ergiebige Flötenmischungen zu hören. Als „pezzo grosso“ gab es dann Rheinbergers VIII. Sonate e-moll – die mit der prächtigen Passacaglia am Schluss.
So schnell es die gewundenen Pfade im Hohen Venn zuließen (von „Straßen“ zu sprechen, könnte mir als Euphemisimus ausgelegt werden), erreichten wir Eupen, die Hauptstadt des deutschsprachigen Teiles Belgiens. In der dortigen ev. Kirche steht eine Walckerin aus 1907 mit II/27. Sie entstand, kurz bevor das Haus sich der „elsässischen Orgelreform“ um Albert Schweitzer und Emile Rupp anschloss, ist also noch geprägt von den letzten Entwicklungen der deutschen Spätromantik. Walckers Pneumatik galt nie als die schnellste. Und Rheinbergers Sonate Nr. XIV C-Dur ist im Kopfsatz von polyphoner Strickart, in der das „Orgelrauschen“ hinter der Klarheit der Strukturen zurücktreten muss. Das war gar nicht so einfach ... Die beiden Folgesätze, das „Idyll“ und die „Toccata“ entsprachen diesem Typus Orgel umso mehr.
Wir hatten kräftig Verspätung – auch aufgrund der „Überlänge“ der beiden vorangegangenen Programme –, als wir dann kurz vor Tagesschau in Raeren ankamen. Hinter der Fassade aus Schieferbruch verbirgt sich eine prächtige Barockkirche. Auch das Gehäuse der Orgel von 1744 hat die Zeiten und Kriege überdauert. Die Orgel darin ist neu. Das Haus Weimbs hat hier mit II/24 eine adrette Visitenkarte abgegeben. Wieder gab’s Rheinberger, diesmal die Nr. XI d-moll – die mit der herrlichen Kantilene (mit gestimmtem Hautbois!). Für mich einmal mehr ein Beweis, dass Rheinberger am besten auf Schleiflade und im klanglichen Idiom des Spätbarock oder der frühen Romantik klingt. Auf solchen Instrumenten kann ein kompetenter Interpret die hochkomplexen Strukturen der Ecksätze besonders deutlich herausarbeiten.
Es dunkelte bereits, als wir die lange Rückfahrt nach Steinfeld antraten. Dass der Tag nicht nur für den Interpreten (und das Aufnahmeteam – wenn mir etwas wirklich Streß bereitet, dann ist es ein aus den Fugen geratener Zeitplan, wovon meine geduldige Assistentin sicher eine Opernarie singen kann – sorry, Sabine! :hail:) anstrengend war, zeigte sich an einem bis dato bei Orgelmarathons absolut unbekannten Phänomen: Alle gingen gleich zu Bett. Sogar ich.
LG
Michael
#29 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Weder mit dem Artikel, noch mit dem Fernsehbeitrag hat sich die Journaille wirklich mit Ruhm bekleckert ...
Es gehört wohl zu den Entwicklungen, die gottseidank an mir vorbeigegangen sind, dass man aus Nebensächlichkeiten "rote Fäden" strickt - wie der Sache mit der "Nachtigall". Bekannterweise das wichtigste Orgelregister überhaupt ... :augenroll:
Mit "Informationswert" hat das leider nur noch äußerst wenig zu tun. "Bild" und "RTL" färben ab ...
Vermutlich erfährt der Zuschauer beim Bericht über eine Ausstellung von Bildern Rembrandts, mit welchen Haken die Bilder aufgehängt sind ...
LG
Michael
Trotzdem Danke für die Links!
Es wäre noch ganz clever gewesen, die blubbernde / zwitschende Nachtigall und nicht nur das Nachfüllen an sich zu zeigen ...
So bleibt festzuhalten, dass Herrn Grünert die Orgeln gut gefielen, die auch unser rasender Reporter gut fand: Raeren (Weimbs), Großbüllesheim (Seifert), Nideggen (Fasen).
Schon ganz gespannt auf den abschließenden Bericht vom Samstag:
Martin
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