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Orgelmarathon Nordeifel 2018
#1 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
#3 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Das wird sicher öfter nötig sein als bisher.
Meine Dienstorgel steht in einem Raum, der derzeit gegen Mittag Saunaklima entwickelt. Heute war um 11.30 Einschulungsgottesdienst. Beide Manualzungen stimmten ...
Bosch hat die Becherlängen exakt berechnet und so abgestimmt, dass sie mit dem Flötwerk mitgehen. Ich kenne etliche Orgeln dieses Hauses in meinem Beritt, deren Zungen fast immer stimmen.
Die eines anderen (durchaus traditionsreichen) Orgelbauers, dessen Instrumente hier in vielen Kirchen zu finden sind, sind nach einer Stimmung oft keine Woche zu gebrauchen ...
Die einer "mustergültig" und nach "Denkmalpflegerischen Gesichtpunkten" restaurierten Schöler-Orgel hierzulande stimmen ca. 20 Minuten ...
LG
Michael
Viel Spaß. Die orgel in Walhorn kenne ich, wen ich mich gut erinnere ist es eine von Müller (19e Jh.), die hat in die gegend viele instumente gebaut (auch in die Niederlände: Zuid Limburg). Ein schönes Instrument, "mit ein ziemlich klassische klang.
LG PM
#5 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Ja, Müller/Reifferscheid hatte im 19. Jh. durchaus regionale Bedeutung. Im gesamten Eifelraum bis nach Luxemburg und links der Mosel und des Rheins bis nördlich von Aachen hatte diese Firma ihre Kunden. Man baute überwiegend Orgeln für kleine Dorfkirchen bis etwa II/20. Lange hielt man an der mechanischen Schleiflade fest, was vielen Müllerinnen das Überleben im "Bildersturm" der Orgelbewegung sicherte. Als das Haus (sehr spät) auf Pneumatik umstellte, hatten andere Firmen in der Region (Stahlhut, Klais) einen Erfahrungsvorsprung mit diesem System, den die Reifferscheider Orgelmacher nicht mehr einholten.
LG
Michael
Die Hillesheimer Orgel ist klanglich ganz toll, in der klassizistischen Kirche klingt sie kathedralhaft. Beim Blick auf den Cockpit-Spieltisch von 1973 (bei der damaligen "Restaurierung" verlor sie ihre seitenspielige Spielanlage) würde man nicht unbedingt ein Stumm-Müller-Instrument vermuten ...
In Nideggen baute Orgelbau Fasen eine sehr schöne Orgel, ansonsten kenne ich nur die bekannten König-Orgeln in Schleiden und Steinfeld (da verpasst du was am Sonntag); im Netz gibt es noch eine Vorstellung der Korfmacher-Orgel in Breinig.
Ach ja, die Weimbs in St. Michael, AC-Burtscheid, durfte ich schon einmal ausprobieren - oder ist wirklich die griechisch-orthodoxe Michaelskirche gemeint?
#7 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Zitat von Martin78
im Netz gibt es noch eine Vorstellung der Korfmacher-Orgel in Breinig.
Super, das ist der neue und junge Michael in "Klein"
LG Matthias
#8 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Heute war das Schlusskonzert des Orgelmarathons Eifel in der Basilika Steinfeld. Leider habe ich es versäumt, denn ich musste gestern Abend auf die Piste gen Mittelhessen, weil ich heute früh auf dem Bock zu sitzen hatte.
Hier ein paar Impressionen - wohl in mehreren Teilen und lockerer Folge. Anfangs auch mit Bildern, ab dem zweiten Tag hatte ich dazu schlicht keine Zeit mehr. Denn zwischen den Spielorten lagen z.T. beträchtliche Entfernungen und das Spiel der Aufnahmetechnik mit dem Interpreten hieß "Hase und Igel". Eingespielter Assistentin sei Dank, gingen Auf- und Abbau des jeweiligen Bestecks zackig vonstatten und wir hatten stets rechtzeitig Saft und Signal, wenn Matthias Grünert in die Tasten griff.
Zweites Handicap war die enorme Hitze - zunächst draußen und drinnen. Harald hätte sich vermutlich pudelwohl gefühlt. Aber wenn man mit Kabeltaschen und Hochstativ über enge Emporentreppen kraxelt, an deren Ende eine noch höhere Temperatur wartet, träumt man nach dem dritten Konzert des Tages nur noch von einer kalten Dusche und einem kühlen Bier. Vor diese Fata Morgana hatten die Wettergötter jedoch viel Schweiß gesetzt ...
Erst gestern hatten sich die Temperaturen in den besuchten Kirchen den - inzwischen idealen - Außentemperaturen angeglichen.
Sogar der Aachener Dom, Schauplatz des Auftaktkonzertes am Mittwoch, glich mit seinen Wandplatten aus poliertem Marmor bei 30 Grad plus eher einem römischen Dampfbad als einer Kühlung verheißenden Kirche.
Gleich in der Vorhalle wurden wir freundlich empfangen - von einer großen Tafel, auf der all das in Schrift und Piktogramm (Lesen wird ja von weiten Kreisen der Bevölkerung inzwischen maßlos überschätzt) angeschlagen war, was in den geschichtsträchtigen und geheiligten Hallen streng verboten ist. Schneller wäre es umgekehrt gegangen - mein Vorschlag: "Beten und Spenden erlaubt."
Soviel zum Thema "einladende Kirche". Aber vermutlich muss man an Orten, an denen im Viertelstundentakt "andachtsfördernde" Busladungen knipsender Touris durchgeschleust werden, von denen die Wenigsten die Hausnummer kennen, so deutliche Ansagen machen ...
Wir wurden von einem sehr freundlichen Domschweitzer empfangen, aber der liebe Mann hatte keinerlei Informationen.
Er wusste lediglich, dass sich der Domorganist im Urlaub befindet und von der hohen Domgeistlichkeit niemand zu Eröffnung komme. (!) Schließlich kam der Subsitut des Dommusikers, ein netter und hilfsbereiter Kollege aus dem Aachener Umland. Aber er brachte keine besseren Nachrichten. Irgendjemand im Team kam dann auf die Idee, dass ich ein paar fromme Gedanken zum Auftakt absondern solle. Vermutlich deshalb, weil ich trotz Hochtemperaturen politisch korrekt gekleidet war ...
Ich zog mich also in die Nikolauskapelle zurück, um mir ein paar ökumenisch vertretbare Sentenzen zu Psalm 150 zurechtzulegen, als das Signal "Entwarnung" kam - die Kulturdezernentin der Stadt Aachen hatte sich in letzter Minute eingefunden und machte die einleitenden Honneurs.
Verboten war natürlich auch das Fertigen von Tonaufnahmen. Auf Anfrage war es auch uns verboten worden. Hm, irgendwie hatte ich dann doch ein paar Signale auf der Festplatte. Der liebe Gott und ich wissen, wie die dahingekommen sind ...
Und den Rest der Welt geht es nichts an ... :jump: Ätsch!
Die Orgel des Aachener Doms steht komplett auf dem Umgang des zentralen Oktogons. Es ist eine dreiteilige Anlage, im Kern von Hans Klais aus 1939, von seinem Sohn 1973 erweitert und 20 Jahre später vom selben Haus "reorganisiert".
In der Mittelachse steht ein dreimanualiges mechanisches Werk, das mit Rückprospekt auch den anschließenden Hochchor beschallt. Es hat einen eigenen Spieltisch.
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Um den Gehäusekörper luftig zu halten, wurde eine schlanke, aufstrebende Gliederung gewählt und die Pedaltürme zu beiden Seiten vom Hauptgehäuse abgesetzt. Zum Hochchor hin ist ein Rückpositiv eingesetzt. Eine sehr durchdachte und überzeugende Lösung. In den anschließenden Feldern des Oktogons rechts und links der Hauptorgel steht das alte Werk von Hans Klais, rechts mit Zentralspieltisch.
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Hier die Bilder vom Hauptspieltisch - der Organist hat nur über einen viergeteilten Monitor Blick auf die Altarinsel und andere Brennpunkte des liturigschen Treibens.
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Nicht einmal Karl der Große himself könnte dem amtierenden Maestro Cantore von seinem gegenüberliegenden Thron auf die Finger sehen, denn zusätzlich ist der Spieltisch gegen neugierige Blicke durch einen Paravent abgeschirmt. (Wäre ja auch zu peinlich, wenn zu sehen wäre, ob der Maestro in der Nase bohrt oder ob er Predigtlektüre säkularen Charakters studiert, während ein Stockwerk tiefer die heilsgeschichtlich bedeutenden Fragen definitiv geklärt werden ...)
Matthias Grünert eröffnete - wie könnte es anders sein - mit Bastis "Empidemischer". Und man kann sagen, war man will: Zur effektvollen Darstellung der klanglichen Möglichkeiten einer Großorgel ist sie bestens geeignet, wenn sie so stringent und intelligent gespielt wird. Der Aachener Dom ist ja keiner der größten, seine Kubatur ist lediglich sehr komplex. Die Orgel in diesem Raum ist mit III/62 durchaus angemessen dimensioniert. Und sie ist ganz, ganz großer Hans Klais: mächtig, kraftvoll, tragend, mit rheinischer Breite und Behäbigkeit, nie scharf oder schrill, immer saftig.
Der zweite Charakter dieser Orgel zeigte sich in einem meiner Lieblingsstücke aus Matthias Grünerts Repertoire, der 1956 entstandenen Sonate des ungarischen Zeitgenossen Frygies Hidas.
Diese Domorgel erlaubt herrliche, gläsern klingende und fein lasierende Mischungen im mp-Bereich. Die Aliquoten verschmelzen traumhaft schön mit den Grundstimmen. Selbst steile Lückenregistrierungen werden als angenehm empfunden. Trotz extremer Innentemperaturen - ich denke, es herrschten deutlich mehr als 30 Grad und von unten dräute ein Strom heißer, mit menschlichen Ausdünstungen angereicherter Luft nach oben in die Kuppel - :verwirrt: stimmten die vielen glänzenden Zungen, die sich von den heute üblichen Brüllern sehr angenehm unterschieden. Eine Klais-Orgel eben. Das mit der Stimmhaltung der Zungen sollte sich eine Stunde später und nur wenige Meter weiter ins Gegenteil verkehren - aber das ist eine andere Geschichte.
Vom Orgelspaziergang in Aachen und seinen Vororten mehr im nächsten Kapitel meines Erlebnisaufsatzes. Und jetzt mache ich etwas ganz Banales: Ich hänge beim "Tatort" ab und nippe an einem erfrischend kühlen "blanc de noir" vom fränkischen Weinstock.
LG
Michael
#9 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
#11 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
Nach der Sauna kommt bekanntlich die kalte Dusche. Wenige Schritte vom Aachener Dom entfernt liegt die evangelische Annakirche, ein weitläufiger Barocksaal mit eher schlichter Ausstattung. Üblicher Weise denkt man sich ja bei barocker Architektur viele bunte Bilder, pausbäckige Engel und entrückt blickende Heilige in ekstatischen Verrenkungen, umgeben von üppig sprießendem, goldenem Blatt- und Rankenwerk. In der Annakirche nichts dergleichen. Die Protestanten am Niederrhein, sofern sie die Gegenreformation überlebten, waren reformiert. Alles, was die Sinne zur Sünde reizte, war zu eliminieren. So bekam der blendend weiße Kirchsaal lediglich eine umlaufende, farblich äußerst dezent abgesetzte Stukkatur an der Decke und eine in dunklem Nußbaum getäfelte, geschwungene Emporenbrüstung. Schon in der Eingangshalle gefror mir das Ohrenschmalz in den Gehörgängen. Die Orgel war mir aus mehreren berufenen und urteilsfähigen Quellen als "die beste in Aachen" avisiert worden. Das erste, was ich von ihr hörte, waren Heuler - und zwar im Dutzend. Offenbar war die eingebaute automatische Trakturspannung (eine fürchterliche Erfindung - so was spielt sich, als greife man in einen Block aus hartem Schaumstoff. Druckpunkt: null) mit den herrschenden Raumtemperaturen überfordert und je nach gezogener Registerzahl heulten mehr oder weniger Wölfe. Sanftes beklopfen der Tasten im Diskant und eine weitgehende Änderung des Registrierplanes stellten die Sirenengesänge schießlich ab.
Dafür kam das Geheule aus anderen Kehlen. Die Zungen waren abenteuerlich verstimmt - und zwar in alle Richtungen. Ein Indiz dafür, dass die Temperatur nicht allein am akustischen Debakel schuld war. Und Matthias Grünert hatte ausgerechnet Francks Grande Pièce Symphonique für diese (laut Disposition) französisch-romantische Orgel (III/34, Weimbs 1994) gewählt. Es musste zwangsläufig eher nüchtern-reformiert zugehen, zumindest beim Registrieren. Die Versuchung, die Zungen als Batterie zu verwenden (mehrfach ging dem Interpreten dazu das Musikerblut durch), endeten stets in "teuflisch Geplärr und Geleyer" um einen gewissen J.S. Bach :bach: zu zitieren. Die weniger verstimmten Fonds verrieten, dass die Orgel mglw. ihre Qualitäten haben könnte, wenn sie denn mal wohltemperiert sein sollte. Ich vermute mal, dass an dieser Stelle ein hauptamtlicher Kirchenmusiker wirkt. Einem nicht ganz unrenommierten Kollegen das eigene Dienstinstrument in diesem Zustand bereitzustellen, ist m.E. nicht die feine englische Art. Leider sollte uns das noch einige Male passieren, dass die Orgeln in den Stadtkirchen z.T. etwas verlottert waren, während die Landorganisten ihre Instrumente (einschließlich Zungen!) "appellfähig" vorzeigten ... Nur am Rande sei erwähnt, dass in den Stadtkirchen durchweg digitale Pianiergerätschaften den Altarraum "zierten".
Hier gibt's noch ein paar Bildchen - keine Angst, ohne Ton ...
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Vor den Toren der Altstadt, in Burtscheid, liegt Aachens Kurgebiet. Darüber erheben sich - keine 100 Meter voneinander entfernt - zwei barocke Kirchen, die einander verblüffend ähneln. Nur an Details der Portalfassaden sind sie zu unterscheiden und etliche "Schlachtenbummler", die privat mitreisten, landeten zunächst auf der falschen Baustelle. In St. Johann Baptist erwartete uns eine orgelbewegte Dreimanualige (III/35) von Karl :bach:. Nein, kein Nachkomme von Basti. Die Werkstatt florierte regional im Neubau-Boom der 50er und 60er Jahre. Wer nicht genug Geld für Klais oder Seifert hatte, ging wohl zu Bach. Und in vielen Neubau-Gutachten der 90er Jahre war zu lesen: "Die Vorgänger-Orgel von Bach war nicht mehr zu gebrauchen."
In St. Johann Baptist kam man offenbar zu anderem Ergebnis - oder hatte kein Geld für einen Neubau. Also ließ man 2004 sanieren. Mit hörbarem Erfolg. Leider ist nicht bekannt, wer das gemacht hat. Hiermit belobige ich ihn unbekannter Weise. Denn das kann sich wirklich hören lassen. Außerdem ist der Freipfeifenprospekt durchaus stilvoll in die Wandnische auf der Empore hineinkomponiert.
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Was lag näher, auf einer Orgel von Karl :bach: Werke von Basti :bach: zu spielen?
Für die Partita BWV 766 gab die Orgel mannigfaltige Farben im mezzopiano-mezzoforte-Bereich her. Die Traktur arbeitete zuverlässig und die Stimmung war kaum durcheinander. So hörte man viele schöne Klänge. Und auch die Plena in der dorischen Toccata wirkten durchaus überzeugend. Zumal Matthias Grünert, dessen stringentes Bachspiel mir immer wieder gefällt, mit forschem Tempo in der Fuge keine "Längen" aufkommen ließ.
In der St. Michaelskirche gegenüber steht ein Neubau von Weimbs mit III/38 aus 1999. Ein Hingucker ist das als Rückpositiv eingebaute Glockenspiel. Hm, ein bisschen viel Aufwand für eine solche Spielerei. Ich hätte dankend darauf verzichtet und um ein oder zwei "richtige" Register mehr gebeten. Denn der Raum ist nicht gerade klein und im Bombardwerk hätten sich weite Prinzipale nicht schlecht gemacht ...
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Man. III ist ein Bombardwerk. Der geneigte Leser wird es vermuten: abenteuerlich verstimmt. Matthias Grünert spielte romantisches Nischenrepertoire, bei dem sich unter weitgehendem Verzicht auf Zungen (immerhin spielte die Hw-Trompete eingiermaßen mit) viel kaschieren ließ. Bei Nicholas Choveaux´bekannterer "Toccata" mit "Lasst uns erfreuen herzlich sehr" als c.f. im Pedal war indes wieder der "diabolus in musica" unterwegs.
Nun ging's in die Aachener Vororte. In Sankt Martinus erwartete uns der im Dom so hilfreiche Angelo Scholly, der an dieser Kirche als "Seelsorgebereichsmusiker" wirkt. (Ein kirchenbürokratischer Neologismus für "eierlegende Wollmichsau", die ein halbes Dutzend Landkirchen zu bespaßen hat ... )
In dieser Kirche steht dem rührigen Musikus eine Orgel von den Gebrüdern Maaß aus Köln zur Verfügung. Mit I/15 entstand das seitenspielige Brüstungswerk anno 1836 und ist die älteste Orgel Aachens. Alle noch älteren wurden von den Heeren verheert, die seit dem 30jährigen Krieg bis in die Moderne regelmäßig über den Landstrich zwischen Maas und Rhein herfielen ...
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Weimbs hat die Orgel 1988 restauriert. Und das ist rundum gelungen. Die behäbigen rheinischen Prinzipale passen wie angegossen in den Raum und in die Landschaft. Musik der frühen Romantik, die Matthias Grünert gewählt hatte, wie Mendelssohns d-moll-Präludium oder das F-Dur-Präludium vom Etüden-Czerny, boten schieres Hörvergnügen. Und beim Interpreten kam an diesem stimmigen Instrument in einem passenden Raum und einem verzauberten Publikum Spielfreude pur auf. Ein wunderschönes Instrument, ein absolut passendes und souverän interpretiertes Programm, eine proppevolle Kirche - was will man mehr? (Generell zeichneten sich die Konzerte im ländlichen Raum durch Total- bis Überfüllung aus.)
Letzte Station des ersten Tages war die Kirche St. Donatus in Aachen-Brand, eine neugotische Basilika mit sehr langem Hauptschiff. Die Orgel von Heinz Wilbrand aus 1998 ist auf einer hohen Empore unter einen Gurtbogen geklemmt. Sie war 2013 von Weimbs auf II/37 erweitert worden, u.a. um Chamaden 8' und 4'.
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Der Raum ist ein "Mensurfresser". Und da er zudem sehr hellhörig ist, entschied ich mich zur Vermeidung von allzu heftigen Sozialgeräuschen aus dem Publikum zur Nahmikrophonierung auf der Empore. Das hätte ich besser bleiben lassen. Denn der Intonateur hatte den akustischen Tücken des Raumes ebenfalls Rechnung getragen.
Eine "Batalla" von Antonio Martin y Coll, die beim Hörer im Kirchenschiff durchaus fröhlich-schmetternd ankam, wirkte auf der Empore wie ein Donnerwetter. Bei Bastis G-Dur-Fantasie 572 verzichtete Matthias Grünert auf die Essigzimbeln und legte die Ecksätze betont filigran an. Mehr als entspannend wirkte da Francks "Prèlude, Fugue et Variation", mit dynamisch sensibel nachgezeichneter Kantilene. Ich habe es genossen ...
Und danach war der erste Tag des Orgelmarathons Geschichte. Wir hatten einen recht weiten Heimweg zum (exzellenten - ich behaupte, dem bisher besten) Quartier im Kloster Steinfeld. Entgegen bisherigen Bräuchen bei den Orgelmarathons vergangener Jahre lüpften wir nur noch ein Tässchen regionalen Gerstensaftes - bei immer noch 28 Grad Außentemperatur und Gewittergrollen am Horizont.
Das Zweitbeste am Tag war die kalte Dusche, die mich - trotz fehlender Geräuschkulisse aus dem leeren Nachbarbett - gut und fest schlafen ließ.
LG
Michael
#12 RE: Orgelmarathon Nordeifel 2018
In der Nacht hatte es rundum gewittert und als ich im ersten Büchsenlicht die Nase aus dem Fenster streckte, empfing mich angenehm kühle Morgenluft. Ich zog los, das Gelände rundum zu erkunden und fand hinter der Steinfelder Kirche einen herrlichen Park, den die aufgehende Sonne gerade golden überflutete. Von einem Zwetschgenbaum gönnte ich mir eine handvoll frisch gereifter Pflaumen als Hors d`Oeuvre, fläzte mich in einen der umherstehenden Korbsessel und ließ mit die Morgensonne auf den Pelz scheinen. In solchen Momenten absoluten Wohlbehagens ist es schön, Psalm 19 auswendig zu können und ihn dem lieben Gott als Morgengabe vor die Füße zu legen. Der revanchierte sich prompt mit einer munteren Intrade über „All Morgen ist ganz frisch und neu“, die ich – zurück auf dem Zimmer – noch vor dem Frühstück ins Notebook geklopft habe.
Erste Etappe dieses Tages war das kleine Dorf Nideggen im tief eingeschnittenen Tal der Rur. Als ich die Kirche von weitem sah, lachte mein Herz noch lauter: edelste Spätromanik. Eine kleine, dreischiffige Basilika, deutlich aus der Schule der Baumeister, die Maria Laach und die Kirche in meiner Heimatstadt gebaut haben, in der ich meine organistischen Säuglings- und Lehrjahre verbracht habe. Im Inneren einer romanischen Kirche empfinde ich sofort ein Gefühl unendlicher Geborgenheit. Und dieses Sensorium wurde noch getoppt von den Klängen dieser Orgel.
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Hubert Fasen aus Oberbettingen hat sie mit II/22 in eine Nische des Turmraumes hineingebaut. Nach wenigen Takten dachte ich mir: „Wow, das nenne ich eine Dorforgel!“ Sie übersetzt die Architektur dieser Kirche in einen fulminanten Klang, der trägt und den Hörer einhüllt. Hinzu kamen ein ausgeschlafener, tatendurstiger Interpret und die perfekt zu dieser Orgel passenden Opera Basti Bachs: Partita BWV 770 für’s Spiel mit den herrlich ausdifferenzierten Flöten und Aliquoten, P+F e-moll 548 für gestufte Plena und ein mächtiges Tutti. Die lokale Organistin ist zu beneiden um diesen Arbeitsplatz. Bei den Zungen gab es ein paar kleine Ausreißer, doch die Kollegin hatte bereits die Gehäusefüllungen ausgehoben und eine Leiter parat, um das schnell zu beheben. Da dürfen sich einige Hauptamtler in anderen Orten, die wir besuchten, ein Beispiel nehmen ...
„Der Tag fängt gut an, so darf es bleiben“, raunte ich meiner Assistentin zu. Es kam noch besser.
Großbüllesheim gehört zu den Wohndörfern am Rande eines Ballungsraumes, die nach dem Krieg stark anwuchsen. Die zu klein gewordene Dorfkirche wurde nach einem im Linksrheinischen häufig verwendeten Rezept vergrößert: Man nimmt eine Seitenwand der alten Kirche heraus und erstellt ein neues Langhaus. Das kriegt dann eine gefaltete „Dachlandschaft“, die meistens dafür sorgt, dass der Schall vielfach gebrochen und der Raum zum unberechenbaren akustischen Hexenkessel wird. Auf architektonischer Entdeckungtour hätte ich diese Kirche links liegen gelassen.
Aaaaaaber: Darin stand die „Orgel des Tages“. Man hat sie vorne rechts neben dem Altarraum ebenerdig aufgestellt.
Sie hat II/29 und kommt aus Kevelaer. Andreas Saage hat sie intoniert. Da muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Michaels Traumorgel - in einer St-Michaels-Kirche ...
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Da singt alles. Kein Schwellwerk – der lokal zuständige „Seel-sor-ge-be-reichs-mu-si-ker“ (ich lasse mir dieses unsägliche Wortungetüm klerikalen Bürokratismus’ noch mal auf der Zunge zergehen) wollte keines. Er wollte eine Orgel im klanglichen Idiom des Spätbarock mit leicht französelndem Einschlag – und bekam sie in Perfektion. Nichts an dieser Orgel ist laut. Die Prinzipale singen nobel, die Flöten verbreiten puren Wohlfühlklang, die Aliquoten lasieren, die Mixturen leuchten, die Bässe tragen, die Zungen (sie stimmten natürlich) runden ab und vergolden. Die Traktur ist eine „suspendue“, die zum Trillern geradezu verführt – einfach, weil es sich so sagenhaft anfühlt. Der Kollege öffnete die Gehäusetüren, damit Kenner die blitzsaubere Arbeit bewundern konnten. Jeden Jahrgang der Meisterschule müsste man am Wandertag an und vor allem in dieses Instrument führen und den zukünftigen Firmeninhabern sagen: So und nicht anders baut man eine Orgel im 21. Jahrhundert – und zwar für die Ewigkeit!
Auch hier fand Matthias Grünert das absolut stimmige Werk für dieses Klangbild: Rincks F-Dur-Konzert. Einfach himmlisch. Gerade die Passagen in den Echostellen hatten die Dezenz von Kammermusik. Filigran und doch dicht. Ich war geplättet.
Etwas hausbackener ging es dann in Kuchenheim zu. Dort hat der lokale Orgelbauer Franz Joseph Schorn die neugotische Pfarrkirche anno 1896 mit II/20 ausgestattet. Weimbs hat sie zuletzt 2007 sehr ordentlich restauriert. Es ist eine typische rheinische Orgel der Spätromantik, wie sie auch andere Meister der Region lieferten – Schorn indes blieb (notabene: 1896!) der mechanischen Schleiflade treu. Das war denn auch deutlich zu hören, wenn es leiser wurde. In Adolf Hesses ausladener e-moll-Fantasie (m.E. ein vernachlässigtes Repertoirestück, um eine romantische Orgel auszureizen) entfaltete sich die rheinische Behäbigkeit der Grundstimmen. Die Orgel hat keine Mixtur, das II. Man. Besteht nur aus der Gesamtpalette der 8’er. Vermutlich wollte der Meister der Kundschaft zeigen, was er kann. Denn die Register sind allesamt charaktervoll durchintoniert. Die Trompete (auch sie stimmte!) kommt als Fortissimoformant daher, füllt den Labialfonds mächtig auf, was dem Klangbild ausgesprochen gut ansteht. In Mendelssohns G-Dur-Präludium zeigte Matthias Grünert, wie gut und substantiell reine 8’-Mischungen an diesem Instrument klingen.
In Euskirchen downtown steht die Herz-Jesu-Kirche, eine weitläufige Basilika der Jahrhundertwende im Stil der Neugotik, konzipiert als dreischiffige Halle mit hochgezogenen Seitenschiffen und einem tiefen Querhaus. Als ich den Raum betrat, dachte ich mir: Hier gehören 60 plus x Register hinein, wenn es etwas werden soll. An der Westwand klaffte ein leeres Loch vor dem hohen Giebelfenster. Hier hat es wohl mal eine – vermutlich raumfüllende und kriegszerstörte – Orgel gegeben.
Ihre Nachfolgerin steht ebenerdig links an der Querhaus-Wand. Mit III/34 vermag sie weder an diesem noch an einem anderen Standort, den Raum auch nur ansatzweise zu füllen. Ich vermute mal, sie war als Chororgel gedacht, als sie 1979 die Werkstatt Weimbs verließ. Insgeheim hoffte man wohl darauf, irgendwann das Geld für eine angemessene große Schwester an der Westwand zu haben.
Für ein raumbeherrschendes Plenum fehlen diesem Instrument die Mensuren und die Zungenchöre, die uns an anderen Spielorten bisweilen etwas überdimensioniert schienen. Alles zu eng, alles piepsig – und vor allem: alles grauenhaft verstimmt. Und zwar in alle Richtungen. In Bachs a-moll-Concerto waren die E-Dur- und H-Dur-Akkorde nicht mehr als solche zu erkennen. Ich dachte im ersten Moment: Die wird doch keine "historische" Stimmung haben? Doch weit gefehlt. An diese Orgel in diesem Zustand zur Vertretung gebeten, hätte ich auf der Stelle kehrt gemacht und den nächsten Biergarten aufgesucht. Mit dem Gerät ist der Gemeinde - jedenfalls derzeit - nicht mal klar zu machen, in welcher Tonart gesungen wird ...
In den herrlichen Schüblers gab es in den Zungen geradezu abenteuerliche Aussetzer und Verstimmungen. Da lagen einzelne Töne der cantus firmi einen satten Halbton daneben - mal nach oben, mal nach unten. Es ist lange her, dass ich mit solchen Geräuschen konfrontiert worden bin. Der arme Tropf, der an so was Dienst versehen muss, tut wir wirklich leid. Aber er hat ja ein Digitalpiano im Altarraum, um sich Trost zu spenden ... :duckundweg:
Wir verließen die Kirche in betretenem Schweigen und in der Hoffnung, damit das Tal der akustischen Tränen definitiv durchschritten zu haben. Glücklicher Weise trog uns diese Hoffnung nicht.
Darüber später mehr.
LG
Michael
In der Tat höchst informativ und unterhaltsam.
Bei Kloster Steinfeld kommen viele schöne Erinnerungen an unzählige Chor- und Orchesterwochenenden aus meiner Studienzeit wieder hoch - damals noch im Internatsambiente. Inzwischen setzt man dort wohl eher auf gehobene Hotellerie.
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