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Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Hallo,
mir ist zu diesem schönen Stück heute eine Notenausgabe untergekommen, die von der mir bekannten abweicht (ich spielte bisher die von IMSLP frei verfügbaren Noten). Es geht um die Melodieführung in den letzten Takten), da spiele ich auf den Halteton f zu und lasse die Begleitung in der rechten Hand mitlaufen. In der neuen Ausgabe finde ich aber den Vermerk, dass das f auf dem Nebenklavier zu spielen sei, was grifftechnisch nicht einfach ist, aber klappt. Habe mir daraufhin im Internet einige Aufnahmen angehört, beide Versionen waren vertreten, und noch eine dritte: Solo endet auf f und die durchlaufenden Viertel/Achtel gehen mit in die Begleitung.
Alle drei Versionen klingen ok, aber kann mir jemand sagen, wie wohl die Ursprungsversion von Rheinberger aussah?
Danke vorab,
Oliver
#2 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
#4 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Das ist ein interessantes Thema: Ich besitze selbst nur eine Einzelausgabe von Schott (ed. Rudolf Walter), in der keine Manualbezeichnung vorhanden, das f am Schluss von der Notation her jedoch dem Solomanual zugeordnet ist. Diese Notation entspricht der bei IMSLP vorhandenen und als Erstausgabe von 1888 bezeichneten Ausgabe im Verlag Rob. Forberg. Hast du weitere Detailkenntnis zur Genese der Orgelsonate bzw. zur Ur-Originalausgabe der Cantilene? Gab es vor der Verwendung in der Orgelsonate bereits eine Einzelausgabe?
Viele Grüße
Trompetendulzian
#5 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Martin Weyer hat bei Forberg 1978 zwei Bände mit Einzelsätzen aus den Sonaten, Fugen und Trios herausgegeben. Das waren nach langen Jahren der Abstinenz die ersten Rheinberger-Noten, die in Deutschland (wieder) verlegt wurden. Er beruft sich als Quelle auf die Originalausgaben, die nicht bei Forberg, sondern bei Leuckart erschienen sind. Leuckart war in München ansässig, wo Rheinberger ja gefühlte 100 Jahre die Orgelprofessur innehatte. (Dass es eine - zeitgleiche - "Originalausgabe" bei Forberg gegeben hat, ist m.E. nicht auszuschließen. Denn Bayern und Sachsen waren damals souveräne Staaten unter dem gemeinsamen Dach des Kaiserreiches.)
Weyer schreibt (und praktizierte in seinen Konzerten und Einspielungen), dass in den beiden letzten Takten f (Melodieton, ganze Noten, dazwischen Bindebögen) auf dem Nebenmanual anzuschlagen sei.
Als langjähriger Leiter des Rheinberger-Archives, der R.s Werk in Deutschland wieder populär gemacht hat, unterstelle ich ihm detaillierte Kenntnis der Quellenlage.
Dass mir Ende der 70er Jahre zu einem Vorspiel an der Hochschule Rheinbergers 3. Sonate (deren Noten ich mir in London bei Novello gekauft hatte) abgelehnt wurde mit der Begründung, das sei "kein orgelgemäßer Satz", hatte ich mal erwähnt, glaube ich ...
So "out" war diese Musik bei uns, als die "französische Welle" anhub. (Und sie teilte dieses Schicksal mit der Orgelmusik Mendelssohns ... )
LG
Michael
#6 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Danke, Michael, für die ausführliche Erläuterung! Ich werde mir gleich einen entsprechenden Vermerk in die Noten machen.
Im Werkverzeichnis der Rheinberger Gesellschaft sind leider nur Links zur aktuellen Carus-Ausgabe vorhanden jedoch keine Informationen zu früheren Veröffentlichungen.
Viele Grüße
Trompetendulzian
Die Leukartausgabe würde mich für die letzten Takte sehr interessieren. Ich habe hier die Neuausgabe von Billeter, der sich auf eine Erstausgabe bei Forberg beruft und keinen Hinweis auf eine Übernahme des f auf das leisere Manual bringt. Das wäre eine interessante Variante, gerade, wenn es sich um eine von R. autorisierte Ausgabe handelt.
#8 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Dass die letzte Note f auf das Nebenmanual zu legen ist, ergibt sich weder aus dem Autograph noch aus dem Erstdruck, ist aber musikalisch eigentlich zwingend, da die Solomelodie in Fortführung des vorletzten Taktes sich unter dieses f legt.
Mich hat das interessiert und habe die gestellte Frage im kritischen Bericht der in meinem Besitz befindlichen Rheinberger-Gesamtausgabe der Orgelwerke nachgeschlagen und ergänzend im Rheinberger-Werkverzeichnis von Hans-Josef Irmen und bei Bruno Weigl, Handbuch der Orgelliteratur, 1931 nachgesehen.
Daher eine kleine Korrektur zu Michaels Verlagsangaben: keine einzige Orgelsonate ist von Rheinberger bei Leuckart verlegt worden. Die meisten Orgelsonaten sind als Erstdruck bei Forberg erschienen; einige wenige bei Kistner/Leipzig und Aibl/München. So auch die Sonate 11 bei Forberg. Bei Leuckart hat Rheinberger nur die Zwölf Charakterstücke op. 156 und die Miszellaneen op. 174 verlegt.
Beste Grüße,
Willi
#9 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Zitat von Insulaner im Beitrag #1
In der neuen Ausgabe finde ich aber den Vermerk, dass das f auf dem Nebenklavier zu spielen sei, was grifftechnisch nicht einfach ist, aber klappt.
Wie löst du dies spieltechnisch? Wenn die Solostimme auf dem ersten Manual liegt, würde ich das f mit der rechten Hand auf dem zweiten Manual halten und die Solostimme auf dem ersten Manual spielen. Andersrum (Solo auf dem zweiten, Begleitung auf dem ersten Manual) ist es jedoch nicht zu realisieren - oder übersehe ich etwas?
Viele Grüße
Trompetendulzian
#10 RE: Rheinberger Cantilene aus Sonate op. 148
Genau so. Rheinberger unterrichtete i.d.R. an der zweimanualigen Orgel des Odeons. Und die hatte das in der Spätromantik und in Süddeutschland zeittypische Hauptwerk mit den "großen" Stimmen und den Solisten, dazu ein "Nebenwerk" mit Echo- und Säuselstimmen. Ursprünglich vorhandene Fußtritte für Kollektivzüge ließ er übrigens entfernen, um "die Schüler nicht vom Pedalspiel abzulenken".
Es ist also wohl so gedacht, dass das Solo der Cantilene auf I mit einem kräftigen Streicher registriert und auf II mit einem leisen, flötigen 8' begleitet wurde.
Als Weyer die Sonate an der Vaduzer "Rheinberger-Orgel" in den 70ern auf Schallplatte einspielte, verwendete er für das Solo die Oboe in III und begleitete auf II. Ging wohl auch irgendwie ...
LG
Michael
Zitat von kargelertfan im Beitrag #8
Dass die letzte Note f auf das Nebenmanual zu legen ist, ergibt sich weder aus dem Autograph noch aus dem Erstdruck, ist aber musikalisch eigentlich zwingend, da die Solomelodie in Fortführung des vorletzten Taktes sich unter dieses f legt.
Mich hat das interessiert und habe die gestellte Frage im kritischen Bericht der in meinem Besitz befindlichen Rheinberger-Gesamtausgabe der Orgelwerke nachgeschlagen und ergänzend im Rheinberger-Werkverzeichnis von Hans-Josef Irmen und bei Bruno Weigl, Handbuch der Orgelliteratur, 1931 nachgesehen.
Daher eine kleine Korrektur zu Michaels Verlagsangaben: keine einzige Orgelsonate ist von Rheinberger bei Leuckart verlegt worden. Die meisten Orgelsonaten sind als Erstdruck bei Forberg erschienen; einige wenige bei Kistner/Leipzig und Aibl/München. So auch die Sonate 11 bei Forberg. Bei Leuckart hat Rheinberger nur die Zwölf Charakterstücke op. 156 und die Miszellaneen op. 174 verlegt.
Beste Grüße,
Willi
Ah, das ist interessant. Dann gibt also die Quellenlage nichts dergleichen her. Musikalisch finde ich die Argumentation nachvollziehbar, aber nicht zwingend. Wenn am Schluss über der sich zurückziehenden Melodie nochmal der Grundton als Lichtpunkt auftaucht, kann diese - wenn mal so will - Erweiterung zur Zweistimmigkeit durchaus auch auf dem Solomanual stattfinden, vielleicht nicht gerade mit einer penetranten Sesquialtera.
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