Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Kultur auf dem Lande
#1 Kultur auf dem Lande
Bevor ich mich definitiv zur Ruhe setze, habe ich begonnen, noch ein (finales) Orgelprojekt anzuleiern.
In meinem Beritt gibt es eine herrliche romanische Kirche in einem alten Ortskern, ca. 120 Sitzplätze, dazu eine kleine (derzeit unbestuhlte) Empore, auf dem (genutzten) Friedhof gelegen, inzwischen aber abseits der heutigen Ortsmitte. Vor einigen Jahren wurde der Bau picobello restauriert und wird (außerhalb der Heizperiode) zu besonderen Anlässen für gottesdienstliche Zwecke genutzt. Dafür (und für geistliche Kammermusik aller Art) eignet er sich m.E. erheblich besser als das Kirchenzentrum aus den 80ern. Das ist zwar sehr funktional, aber mehr auch nicht. Im Sommer (vor allem in einem extrem heißen wie dem des Vorjahres) heizt der Kirchsaal auf wie eine Sauna. Beim letzten Schulanfangsgottesdienst herrschten in der Frühe 31 Grad! Da geht die Stimmung der Orgel in alle Richtungen in die Grätsche. Und in der alten Kirche wird es – dank dicker Mauern und kühlender Hanglage – nicht wärmer als 18 Grad.
In dieser herrlichen Kirche mit ihrem stilvollen Ambiente und mit schöner, tragfähiger Akustik steht seit 1949 die mittelhessische Minimallösung: Gedackt 8’, Prinzipal 4’, Rohrflöte 4’, Oktave 2’, Mixtur 3-4f und (gottseidank!) Subbaß 16 im Pedal.
Zum Glück mechanisch, daher robust und zuverlässig. Leider Gottes raumfüllend intoniert, jede Pfeife arbeitet am Anschlag. Es bläst ganz schön heftig um die Ohren. Standort: hinter dem Altar im Chorraum.
Das ist ein idealer Platz – und er würde ausreichen für eine kleine, feine Zweimanualige, die außer der gottesdienstlichen Funktion solistisch und im Ensemble zu Abendmusiken dienen könnte. Da der Raum nicht heizbar ist, natürlich nur saisonal.
Ich habe etwas Lobbyarbeit für diesen Gedanken gemacht. Und es gibt durchaus Gegenliebe für ein solches Projekt. Der Gedanke, eine „Kulturkirche auf dem Lande“ zu etablieren und dort mehr zu machen als Gottesdienst, scheint (mit Geduld, Hartnäckigkeit und langem Atem) realisierbar.
Als Grundlage für eine Kostenschätzung habe ich folgende Disposition gestrickt, die ich mit Zähnen und Klauen gegen alle Obergedönsräte verteidigen werde, die sich durch Praxis- und Ortsferne auszeichnen:
I. Hw
Holzprinzipal 8'
Gedackt 8' (alt)
Salizional 8' (ab c0)
Oktave 4' (alt aus Prinzipal 4')
Nachthorn 2'
Mixtur 3-4f 1 1/3' (evtl. alt)
Cromorne/Hautbois 8'
II. Pos.
Spillflöte 8'
Rohrflöte 4' (alt)
Quinte 2 2/3'
Oktave 2' (alt)
Terz 1 3/5'
Kleinoktave 1'
Pedal:
Subbass 16' (alt)
Gemshorn 8'
Fagott 16'
Letzteres werde ich stiften, wenn das Projekt realisiert wird.
Ich rechne mit einer Projektdauer von mindestens 5 Jahren. Denn der Bau einer Orgel erfordert i.d.R. das Bohren dicker Bretter.
Phase I ist die Gewinnung von Leuten, die ein bisschen (mehr) Geld in einen Topf legen, weil sie das Anliegen verstehen und fördern wollen. Einige gibt es bereits - weitere werde ich suchen. Parallel dazu habe ich einen befreundeten OBM (der nicht selber baut, also keine Eigeninteressen verfolgt) gebeten, mir eine realistische Kostenschätzung zu machen.
Dann habe ich Zahlen, mit denen ich arbeiten kann.
Phase II ist die Sedierung der Denkmalpflege, die natürlich befürchten wird, dass das neue Gehäuse den denkwürdigen Stein verdecken könnte, an den beim mitelhessischen Raubritterkonvent anno 1519 der Dackel von Graf Dagobert dem Scheinheiligen gepieselt hat.
Wenn ich bis dahin komme, stehen die Aussichten gut, auch den "Rest" hinzubekommen.
Mein sportlicher Ehrgeiz bestünde darin, das ganze Projekt komplett aus Eigenmitteln der Gemeinde, öffentlichen Fördermitteln und zu einem erheblichen Anteil aus Privatbeiträgen zu stemmen. Denn gegen jeden Orgelneubau auf dem Lande gibt es auf höheren administrativen Ebenen inzwischen zahlreiche professionelle Verhinderer.
LG
Michael
#2 RE: Kultur auf dem Lande
Ich finde, dass das nach einem wunderbaren Projekt klingt und eine Gemeinde mit einer Orgel dieser Disposition, die sovieles ermöglicht, könnte sich glücklich schätzen.
Darf man erfahren um welche Kirche es sich handelt, oder ist das noch unter Verschluss um nicht vorschnell in Haftung genommen zu werden?
Zitat von Gemshorn im Beitrag #3
Die Handschrift des Anleierers in Form der Kleinoktave ist mir nicht entgangen...
Kenn' ich !!!
Vor sieben Jahren kaufte ich meine Unico 400 DE...
Kaum war das Instrument daheim rief mich eine bis dahin unbekannte Person an. Ich habe doch eine Unico DE gekauft - ob denn da auch tatsächlich ein "Kleingedackt" im Positiv disponiert wäre...
Ach ja... - wie die Zeit vergeht...
VG
Aeoline
Hallo,
das Projekt wirkt zweifelsohne sympathisch und erst einmal nicht unrealistisch. Was ich vor Initiierung eines solchen Projekts allerdings sehr genau prüfen würde, ist die Frage, wer denn in 10, 15, 20, 30, 40 Jahren dafür sorgt, dass regelmäßig passende Konzerte angeboten werden und die Orgel auch genutzt wird. Ist in der Gemeinde schon einen Förderverein für (Kirchen-)Musik aktiv? Hat der auch Nachwuchs (also Leute unter 60 Jahren)? Hat der Verein oder ein/e zuständige/r Kantor/in Kontakte, um Organisten/innen oder Ensembles herzuholen? Lassen sich Konzerte dann auch finanzieren?
Das eine ist die Initiative zum Bau der Orgel, das andere deren mittelfristige Nutzung. Solange ein bestens vernetzter "Wichernkantor" dort aktiv ist, wird das sicher problemlos laufen. Aber wenn er sich endgültig zur Ruhe setzt?
Wir haben in unserer Vorstadt-Kirche am Pfingssonntag das 4. Konzert im laufenden Kirchenjahr, wobei ein weiteres wegen Krankheit des Dirigenten ausgefallen ist. Aber wenn ich nicht ehrenamtlich die Konzerte organisieren, Plakate und Programmzettel herstellen, ausdrucken und verteilen, Pressemitteilungen herausgeben und Wein und Saft für "Meet the artist" organisieren würde, gäbe es wahrscheinlich nichts. Aktuell sehe ich keinen, der das in der Vorstadt einmal übernehmen könnte, weil andere Hobby-Musiker/innen sich eher auf die "Zentralkirche" orientieren.
Aber wer weiß: Kommt Zeit, kommt Rat.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
#7 RE: Kultur auf dem Lande
Ich sehe das anders. Ich kann nur säen. Ernten müssen Jüngere. An der Stadtkirche gibt es eine Tradition des Musizierens mit eigenen und fremden Ensembles. Ob es die in 15, 20 Jahren noch gibt - da mache ich mir keinen Kopf. Denn das habe ich nicht in der Hand.
Die Kirche und ihre derzeitigen lokalen Repräsentanten wissen um die Außenwirkung geistlicher Musik auf die "Laufkundschaft" aus den örtlichen Reha-Kliniken.
Wenn da natürlich irgendwann ein "Zupfgeigenhansl" ins Pfarrhaus zieht, der lieber Regie bei "Kindermusicals" führt, anstatt Seelsorge zu betreiben, ist schwer zu prognostizieren, was passiert.
Und notabene: In erster Linie soll es eine inspirierende Orgel für ein fröhliches und farbenreiches gottesdienstliches Spiel werden.
LG
Michael
#9 RE: Kultur auf dem Lande
Jetzt anmelden!
Jetzt registrieren!