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Kreuz- und Querkoppeln
Zitat von Wichernkantor im Beitrag Die neue Johannus Live III
Gerade in vielen kleinen Orgeln habe ich Querkoppeln als Not- und Sparlösungen empfunden, mit denen fehlende Registerzahl ausgeglichen und die Orgel einfach "lauter" werden sollte. Als Ergebnis kam oben Geschrei, unten Brei heraus.
D'accord, aber eine Not- und Sparlösung ist doch besser als gar keine...?? Ich habe über 10 Jahre an einer Klais-"Interimsorgel" (II/P/10) aus den frühen Nachkriegsjahren Dienst getan, die immer wieder weiterverkauft wurde und bei uns - glaube ich - ihren dritten Aufstellungsort hatte. Ehrlich gesagt, ich habe die Subkoppel II-I geliebt: ein virtueller 16' im Manual (extrem hilfreich bei französischer Harmoniumliteratur), die tiefergelegte Mixtur aus II war bei modernen Improvisationen auch durchaus originell, und vor allem habe ich mich an Heiligabend beim "Ach du fröhliche" noch selber gehört (elektrische Traktur mit einer Entfernung Pfeifen - Spieltisch ca. 15 m).
Jedenfalls hoffe ich, dass dieses eigentlich schöne, aber für unseren Raum hoffnungslos unterdimensionerte Instrument irgendwo in Osteropa weiterhin Freude macht und und freue mich weiterhin über unsere Concerto, mit der ich alle diese Probleme nicht mehr habe.
(Back to topic: an großen Orgeln habe ich Querkoppeln noch nie vermisst, aber ich habe auch annähernd 0 Erfahrung mit großen Orgeln)
LG Christian
#2 RE:Kreuz- und Querkoppeln
Zitat von Aeoline im Beitrag #231
Sollte beim Forumstreffen eine 355cc vorhanden sein, werde ich diese mal antesten - oder noch besser: ein "Querkoppeln-Anwendungsspezialist" (m/w/d) gibt mir (uns) mal eine Vorführung...
VG
Aeoline
Super Vorschlag. Ich bin zu dem Thema auch noch völlig unbeleckt und genauso neugierig, diese Querkoppeln mal im Einsatz zu hören. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mal auf einer Orgelvorstellung in eine YouTube Video ein Beispiel gehört habe, wüsste aber doch gern etwas genauer, wie das klingt . Außerdem nach der vorhergehenden Diskussion: Die Do's und Dont's beim Einsatz von Querkoppeln.
Viele Grüße
Wilfried
Auch meine "2 cents" zum Thema Koppeln. In England werden diese ja schon fast inflationär eingebaut, auch große Kathedralorgeln (wie eine meiner Lieblinge), die eigentlich über genug Register verfügen sollen, haben mind. für das Schwellwerk Sub- und Superoktavkoppeln und Unison Off.
Ein schöne Buch über englische Orgeln stammt von Gordon Balch Nevin. Am Anfang von Teil 2, in Kap. VI beschreibt Nevin einige dos and donts zum Einsatz von Koppeln.
Wer das nicht alles lesen möchte, hier ein paar Anregungen:
- Ein einzelner 8'-Streicher wird mit 4' und 16'-Koppel zu einem "ganzen Orchester"
- Eine einzelne 4'-Flöte wird mit 4' / 16'-Koppel und "unison off" zu einer quasi Fl8 + Fl2 Solostimme
- Eine Trompete 8' mit 4'-Koppel verhilft dem Pedal zu einem dort vielleicht nicht vorhandenen 4'-Zunge für ein Pedalsolo.
Und dass auch englischsprachige Organisten sich nicht einig sind, ob das nun eine Supererfindung oder das Gegenteil ist, zeigt bspw. diese Diskussion hier.
Meinungsvielfalt ist doch was tolles
Also, ich bleibe dabei, diese Querkoppeln grundsätzlich bei Orgeln, in deren Epochen solche Koppeln eingebaut wurden, grundsätzlich als Bereicherung zu empfinden!
Selbst ein Genie wie Aristide Cavaillé-Coll baute, auch in kleineren Orgeln, eine "Octaves graves", also eine Suboktavkoppel und in größeren Werken sogar mehrere dieser Art ein! Und man kann also wirklich nicht behaupten, daß diese Orgeln bei gezogenen Suboktavkoppeln schlecht klingen!
Natürlich sind Register in den originalen Fußlagen immer besser! Aber gerade dann, wenn das Geld für zusätzliche Register fehlt, stellen solche Querkoppeln eine preisgünstige und auf elektrischem Wege relativ leicht zu realisierende Alternative dar!
Bei der von mir erwähnten Neobarockorgel mit wenig Grundstimmen und schreiender Intonation, die bei der Überholung etwas abgemildert wurde, wurde selbstverständlich nur eine Suboktav- und keine Superoktavkoppel eingebaut!
M E. kann sich das Ergebnis hören lassen...
#6 RE:Kreuz- und Querkoppeln
Zitat von Canticus im Beitrag #237
Also, ich bleibe dabei, diese Querkoppeln grundsätzlich bei Orgeln, in deren Epochen solche Koppeln eingebaut wurden, grundsätzlich als Bereicherung zu empfinden!
Dogmen im Orgelbau (wie auch in manch anderen Lebensbereichen) sind immer zeitgeistig. Jede Stilepoche hatte ihre. Alle erwiesen sich letztlich als geistige Evolutionsbremsen, wurden von den Zeitgenossen der nachfolgenden Epoche negiert oder gar verteufelt.
Cavaillé war ein Ausnahme-Orgelbauer. Ihn als Argument pro toto zu verwenden, halte ich für fragwürdig. In der Romantik ist viel Mist gebaut worden. Im Barock auch. In der Orgelbewegung auch. Überlebt hat nur das Gute. Und das ist gut so. Und selbst Widor schrieb an Cavaillé, dass ihm seine Zungen im Diskant zu laut seien ...
Den (vor allem in der l.H.) sehr hoch liegenden Manualpart in Widors Orgelwerken verdanken wir z.B. dem Umstand, dass er die tiefen Lagen vieler Orgeln seiner Zeit (mit Suboktavkoppeln) als zu unklar und klebrig empfand. Nachzulesen u.a. bei (Widor-Schüler) Hans Klotz (nein, nicht im "Buch von der Orgel", er hat Subtileres und Differenzierteres geschrieben), beim Widor-Schüler Emile Rupp (der wohl mit die geistreichsten Analysen zur Widors Musik geschrieben hat), bei H.J. Busch und anderen, die sich intensiv und undogmatisch mit seinem Werk auseinandergesetzt haben.
Ich würde keiner Gemeinde raten, in ihre Orgel Querkoppeln einbauen zu lassen, genauso, wie ich nur mit Bauchschmerzen zu Vorabzügen und Wechselschleifen raten würde. Notlösung bleibt Notlösung. Lieber "ehrliche" zwölf Register, sorfgältig durchmensuriert und ausintoniert, als weitere zehn vorgetäuscht.
LG
Michael
Tja, so hat jeder seine Meinung, sein Gehör und seine Erfahrungen, und das ist auch gut so! Wer Querkoppeln, falls vorhanden, nicht verwenden möchte, läßt sie eben weg...Es ist ja auch nicht so, daß der Einbau von Querkoppeln eine "Vorschrift" darstellt, aber eben EINE Möglichkeit...ganz undogmatisch...😃
#8 RE:Kreuz- und Querkoppeln
Na ja, mag sein, dass ich "traumatisiert" bin.
Ich musste vor Jahren mehrfach einen Improvisator über mich ergehen lassen, dessen aggressiv-depressives Spiel schon ohne Querkoppeln zu laut war. Mit diesen wurde es dann zum akustischen Vorhof der Hölle, dass mir nur noch der Paul Gerhardt-Vers aus "Befiehl Du Deine Wege" einfiel: Mach End, o Herr, mach' Ende ..." - oder lass wenigstens den Strom ausfallen ...
Mich stimmt es nachdenklich, dass wir im Orgelbau an einem Punkt angekommen sind, an dem Krawalltröten mit separaten Schlössern gegen Mißbrauch gesichert werden müssen. An diesem Punkt waren wir ja vor rund hundert Jahren schon mal ("Hochdruckregister"). Danach kamen wir vom Regen in die Traufe - die "Orgelbewegung" leitete eine Ideologisierung ein, in der es nur noch darum ging, die "rechte" (deutsche) Orgel zu kanonisieren.
Franzosen und Briten haben ihre Klangästhetik einfach behutsam und bruchlos weiterentwickelt. Wer mal die Chance hat, eine neuere Orgel von Mander oder Walker&Sons zu spielen, wird verblüfft sein, wie schön und nobel diese Instrumente singen. Da ist nix laut, nix forciert. Und trotzdem haben diese Orgeln Saft, Kraft und Tragfähigkeit für den Gesang einer vielköpfigen Gemeinde.
Wir hingegen stecken in einem beispiellosen Historismus fest. Wir bauen Stilkopien, die so "perfekt" sind, dass sie sogar die Macken ihrer Vorbilder imitieren. Und manche finden das toll ...
LG
Michael
Ja, lieber Michael,
da ist schon sehr vieles dran...die Deutschen...stimmt schon, das mit der "rechten" Orgel...Die Vereinnahmung der "Orgelbewegung" durch die Nazis...Auch so ein trauriges Kapitel für sich...
Habe da einen interessanten Mitschnitt aus dem Jahre 1985 (SWR): Eine Radiosendung von Hans Prolingheuer:
"Kirchenmusik im 'Dritten Reich' "...
Und dann noch das Buch von Michael Gerhard Kaufmann aus dem Jahre 1992:
"Orgel und Nationalsozialismus"
Sehr lesenswert!
Fazit: Die "Neobarocken" traten die "Romantiker" in Grund und Boden...
"Barock" war "deutsch" , "hart wie Kruppstahl"...
"Romantik" war "kleinbürgerlich", "verweichlicht" und "jüdisch"...
Bemerkenswert, daß die gesamten Protagonisten dieser "Orgelbewegung" nach dem Untergang des "tausendjährigen" ihre braune Vergangenheit vollkommen zukleistern (als Beispiel hatten wir in Heidelberg Herbert Haag) und manche von ihnen sich im Nachhinein als "Widerstandskämpfer" verkaufen und weiterhin unbehelligt amtliche Funktionen ausüben konnten (z.B. Oskar Söhngen)...
Vielleicht bin ich deshalb auch in gewisser Weise "traumatisiert"...
Ja, ich weiß: Das ist jetzt auch wieder OT...
Das sind ja Aspekte, auf die ich nie gekommen wäre... Interessant aber.
Wenns noch mehr Offtopic sein darf: Es wurde dieser Tage ein Smartphone mit Schnellladefunktion vorgestellt; das vom chinesischen Hersteller eingeführte Symbol für den Schnellladevorgang ist nicht ein einfacher, sondern ein doppelter Blitz, der fatal an das Symbol der SS erinnert... In Asien weiß man davon offenbar nicht viel.
#11 RE:Kreuz- und Querkoppeln
Du Schelm!
Trotzdestonichts, die SWR-Sendung (bei Gerhard Walcker-Mayer auf der Homepage verlinkt) und Kaufmanns Buch sind in der Tat hörens- bzw. lesenswert. Denn es geht um die Instrumentalisierung von Musik zu manipulativen Zwecken. Hochinteressante Materie!
Nebenbei: Das Verlinken bei Walcker hatte wohl auch etwas Selbstreinigendes. In den 30er Jahren verschwanden urplötzlich alle Synagogenorgeln aus dem Walcker-Werkverzeichnis.
LG
Michael
Ganz genau! Ja, hochinteressant! Auch deshalb, weil es ein ganz anderes "Licht" auf die Protagonisten der "Orgelbewegung" wirft...
Und der Herr Oscar Walcker war ja auch dick mit drin im Geschäft mit den "Braunen"...
Orgelmäßig betrieb er mit ihnen den Gigantismus in Form der so genannten "Reichsparteitagsorgel", Die "Endgültige" wurde 1936 in der Luitpoldhalle aufgestellt (ich glaube: 5 Manusle, 220 Register), nach dem ein Jahr zuvor für ein Nazi-"Oratorium" als dafür "dringendst benötigtes" Instrument "auf Befehl des 'Führers' " eines mit 50 Registern hinter einem riesigen Hakenkreuz-Transparent von der Firma Walcker eilends installiert wurde! Diese Orgel war eigentlich für die Martin-Luther-Gedächtniskirche Berlin-Mariendorf bestimmt, wo sie nach der Nazi-Veranstaltung, auf der u.a das "Horst-Wessel-Lied" mit Orgelbegleitung gegrölt zu hören ist, auch aufgestellt wurde, wo sie sich auch noch heute befindet...
Am Spieltisch agierten neben dem Nazi-Organisten Eduard Kissel auch ein Herr namens Günter Ramin, ein ganz überzeugter Anhänger der "Orgelbewegung", der es nach dem Krieg zu großem musikalischen Ruhm brachte...
Im wahrsten Sinne des Wortes "aufregende Zeiten", die die Akteure, die damals mitwirken, auch Odcar Walcker, nach dem "Untergang" ganz schnell zu tilgen versuchten...
In den "Erinnerungen eines Orgelbauers" von Oscar Walcker wurde das Kapitel "Reichsparteitagsorgel" einfach unterschlagen.
Es spricht sehr für die Firma Walcker, daß sie später ihr Archiv mit jenen "Details" für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat..
Zu Synagogen-Orgelmusik: Ich schätze sehr die Synagogen-Orgeln (viele bekannte Orgelbauer der damaligen Zeit erbauten auch Orgeln für Synagogen) und die Kompositionen für den bis vor dem Holocaust im europäischen Raum im jüdischen Gottesdienst gespielte und gesungene Musik eines Leo Lewandrowski, Salomon Sulzer u a. ...
Und diese Musik war romantisch...
#14 RE:Kreuz- und Querkoppeln
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