Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende

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06.08.2012 21:10
#166 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
cl

Liebes Gemshörnchen,
nur was geistig ist, kann geistlich sein.

Wieso sind Spees Bilder theologisch irrelevant?
Er benutzt Bilder der "Auferstehenden - quasi explodierenden Natur" als Symbolon für die Auferstehung Jesu. Die Menschen zur Zt. Spees haben im Winter gehungert. Zur Osterzeit fingen die Hühner erst wieder an, Eier zu legen...
Das sind doch Zeichen für Neues aufbrechendes Leben.
Hast Du außer den GL-Texten Spees von ihm schon etwas gelesen?
Antisemitisch ist GL 206 in keinem Falle. Beschreibt sie doch in spirituellen Bildern geschichtlich/historische Fakten.

Auf der Basis von Geschmacksbekundungen (Plunder!)- die für sich fast den apodiktischen Anspruch auf Allgemeingültigkeit beanspruchen, mag ich nicht so recht in einen Diskurs mit Dir eintreten. (Deine Bekundungen als Deine Privatmeinung seien Dir zugestanden.) Als studierter Magister bis Du kein Laie. Bloß weil ein Argument mehrfach (ggf. lauter) wiederholt wird, gewinnt es noch lange keinen Wahrheitszuwachs. Das Spiel: "Von der Lust am Mißverständnis" mag ich auf dieser Ebene gar nicht mitspielen.
Nix für ungut
Clemens

Liebe Grüße vom Clemens

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06.08.2012 21:16
#167 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Administrator

Kein Problem, Clemens. [wink]
Ich kann mit anderen Meinungen gut leben, auch wenn ich mich begründetermaßen außerstande sehe sie zu übernehmen.
Mir ist schon bewusst, dass man zunächst verstehen wollen muss, um dann auch wirklich zu verstehen. Das sage ich nicht nur zu dir, sondern auch zu mir. Weiters ist mir bewusst, dass gerade beim Thema Kirchenlied viel Emotionalität mitschwingt; ich sagte vorhin ja selbst, dass ich Spees "Ist das der Leib" irgendwie mag - aus Gründen, die mit der darin transportierten Theologie nichts zu tun haben.

Was GL 206 "O du mein Volk" betrifft, möchte ich aber doch eine Verdeutlichung versuchen.
Die Anschuldigungen dieses Liedes:

Zitat
- du legst des Kreuzes Joch auf mich
- durchbohrst des Retters Herz
- gibst Galle mir zum Trank
- du gibst die Dornenkrone mir


sind samt und sonders an das Volk Jesu gerichtet, Stichwort "Kollektivschuld der Juden". Diese Sichtweise entspricht weder den historischen Fakten noch der kirchlich-theologischen Deutung des Todes Jesu noch - ganz nebenbei bemerkt - der Darstellung des Evangeliums.

Zitat von clemens-cgn
Das Spiel: "Von der Lust am Mißverständnis" mag ich auf dieser Ebene gar nicht mitspielen.


Kann ich verstehen. Ich mag dieses Spiel auch nicht.


Auf Orgelsuche.

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07.08.2012 08:10
#168 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Moderator

Gesangbücher waren und sind Produkte des Zeitgeistes.

Ich sammle welche - das älteste, das ich habe, ist aus 1778, also aus einer Epoche, in der zwischen Pietismus und Rationalismus Gräben, Stacheldraht und Minenfelder verliefen.
Jedes Gesangbuch ist Ausdruck des theologischen Denkens und des musikalischen Empfindens seiner Zeit. Und auch die Spannweite dieses Denkens und Empfindens - unter zensurbedingter Kappung der Extreme an den Rändern - findet ihren Niederschlag.

Die abendländischen Gesellschaften vor ca. 1960 waren von relativer Konformität geprägt. In der Folge haben sich plurale Gesellschaften entwickelt. GL und EG waren die ersten Publikationen, die ansatzweise versucht haben, dieses Spannungsfeld einzufangen. Ob das a) gelungen und b) richtig war, entscheiden unsere Ur-Urenkel - auf dem Hintergrund des Zeitgeistes anno 2112 ff.

Jedes neue Gesangbuch - sei es das neue GL oder ein eventuelles "EG neu" - wird bei aller Mühe um Inklusivität immer theologische Denkweisen und musikalische Geschmäcker ausgrenzen.
Gerade bei den Katholiken sehe ich theologisch ein weitaus größeres Spannungsfeld, das von "Wir sind Kirche" bis "Opus Dei" reicht.
Interessanter Weise geht es bei Evangelens homogener zu - jedenfalls aus meiner Binnenperspektive. Die theologischen Bilderstürmer ("Gott ist tot" etc.) sind überwiegend in die Esoterik-Szene abgewandert und der ganze "klerikalfaschistische" und "hardcore-biblizistische" Flügel in die Freikirchen. Es gibt kaum etwas, das mir mehr über eine Denomination, ihre Lehre und Glaubenspraxis verrät, als ihr Gesangbuch.

Musikalisch gesehen ist das Fehlen von verbindlichen Stilmerkmalen das Stilmerkmal der Postmoderne. Auch da wird es nicht möglich sein, alles zwischen Freitonalität und E-Dur-H-Dur-E-Dur-Klampfenseligkeit zu berücksichtigen. Ob das gut und richtig ist (und was von den gegenwärtigen geistlichen Kompositionen in die Zeitlosigkeit eingehen wird), entscheidet sich ebenfalls in frühestens 100 Jahren.
Und ob das 21. Jh. einen Paul Gerhardt oder einen Johann Sebastian Bach hervorbringt, ist aus unserer Perspektive nicht zu erkennen.

Ein Gesangbuch muss in Worten und Tönen die Menschen (oder zumindest einen Teil von ihnen) in der Gegenwart erreichen. Insofern bleibt es immer zeitgeistig, zugleich auch immer Experiment - mit offenem Ausgang.

Ich lasse mich mal überraschen - auch davon, wann Evangelens Renovierungsbedarf erkennen lassen.

Ich sähe ihn schon lange ...

FG
Michael


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07.08.2012 11:51
#169 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Administrator

Zitat von Wichernkantor
Ich lasse mich mal überraschen - auch davon, wann Evangelens Renovierungsbedarf erkennen lassen.


Wie alt ist das EG denn? Ich selbst habe noch die vormalige Ausgabe zuhause, die meines Wissens noch während meiner Gymnasialzeit aktuell war.


Auf Orgelsuche.

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07.08.2012 12:24
avatar  Copula ( gelöscht )
#170 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
Co
Copula ( gelöscht )

Zitat von Wichernkantor
Ich lasse mich mal überraschen - auch davon, wann Evangelens Renovierungsbedarf erkennen lassen.

Ich sähe ihn schon lange ...



Wo siehst du ihn denn genau? Das interressiert mich stark. Die eine oder andere Änderung hätte ich auch so im Hinterkopf, aber ich bin nur ein Vorstadtorganist. Ich warte auch auf eine verbesserte Neuauflage, in der Hoffnung, das sie nicht verschlimbessert wurde und noch mehr moderne Klampfenlieder drin stehen.


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07.08.2012 12:51
avatar  PeterW
#171 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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+ 12.1.2018

Zitat von Copula
Ich warte auch auf eine verbesserte Neuauflage, in der Hoffnung, das sie nicht verschlimbessert wurde und noch mehr moderne Klampfenlieder drin stehen.


Als Hobby-Satiriker würde ich doch glatt ein Sakralklampfenforum aufmachen.


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07.08.2012 13:27
#172 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Moderator

@ Klaus:
eingeführt wurde es 1993 - übrigens auch mit gut zwei Jahren Verspätung.

@ Niklas:
Üblicher Weise wird in neuen Gesanbüchern der Zeitgeist der Vorgeneration durch den gegenwärtigen ersetzt.
Ich gehe davon aus, dass im Fall einer Neuausgabe oder Revision der gute, alte Kernbestand an Chorälen weitgehend unangetastet bleibt.
Verschwinden werden wohl die "modernen" Lieder, mit denen man heute keinen Konfirmanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt wie "Ins Wasser fällt ein Stein" oder "Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer". Einiges aus dieser Epoche wird indes wohl kanonsiert wie "Danke, für diesen guten Morgen" - immerhin eine schöne Modulationsübung. Oder Siggi Fietz' Diakonissenwalzer "Von guten Mächten", der in fast allen Regionalteilen der (zugegeben eher spröDen) Abel-Melodie den Rang abgelaufen hat. Auch die Taizé-Klassiker werden wohl überleben - ich wäre nicht traurig, wenn noch ein paar dazu kämen, denn sie sind höchst vielseitig einsetzbar und hochgradig gemeindetauglich.
Wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre das die ersatzlose Streichung zweier Morgenlieder: "Morgenlicht leuchtet" - typischer Klampfensong, den ein Solist möglicherweise schön, eine Gemeinde aber meistens fürchterlich unrhythmisch singt, weil sie kein Gefühl für einen schwingenden Dreiertakt entwickelt hat. Und "Auf und macht die Herzen weit" - eine entsetzlich langweilige Melodie - erinnert irgendwie an orffsches Topfdeckelschlagen mit Xylophon und Trinagel. Ich habe da demonstrativ mit Bordunquinten begleitet, als ich es noch spielen mußte.
Und ich flehe zum Herrn, dass "Laudato si" im tiefstmöglichen Orkus verschwindet. In diesem Jahr gab bisher es KEINE Hochzeit, bei der ich das fürchterliche Ding nicht schrubben mußte ...
Außerdem sollten wohl viele pseudo-neo-gregorianische und tonalitätsfreie Sachen wegfallen, die in kaum einer Gemeinde (und wenn, dann nicht gern) gesungen werden - z.B. EG 260, 237, 381, 416, 94, 285, 287 u.v.m - darunter Gesänge, in denen eine vom Wortaktzent unsinnige Synkope mit einem möglichst unsanglichen Intervall gekoppelt ist.

Was dann NEU hereinkommt - puh, da habe ich so meine apokalyptischen Visionen, von denen die meisten hoffentlich nicht in Erfüllung gehen. Wenn wir Pech haben, frisch aus US-Mega-Churches importierter Lobpreis-Müll, in denen die Gemeinde gefühlte 1000 mal wiederholt: "Er ist der Herr". (E-Dur - H-Dur - E-Dur - was sonst?)

Ups, ich muß jetzt wieder Radiomachen spielen.
LG

Michael


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07.08.2012 14:13
avatar  Copula ( gelöscht )
#173 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
Co
Copula ( gelöscht )

Wenn das was du geschrieben hast wirklich passiert, dann sage ich nur:
Dafuer: Dafuer: Dafuer: Dafuer: Dafuer: Dafuer: Dafuer: Dafuer:


Was besseres kann dem EG nicht passieren. Die ganzen modernen Kirchenlieder, wie "Ein Schiff das sich Gemeinde nennt" oder "Herr wir bitten komm und segne uns" sind nicht nur besonders schlecht zu begleiten, sondern auch noch besonders schlecht zu singen. Weg mit dem Dreck. Dem einzig modernem, dem ich ein bisschen, aber auch nur ganz ganz wenig, nachtrauern würde ist "Ins Wasser fällt ein Stein", weil das das einzige Lied bei Konfirmationen ist, was halbwegs gut mitgesungen wird. Abgesehen von EG331. rgel:

Zitat von Wichernkantor
Was dann NEU hereinkommt - puh, da habe ich so meine apokalyptischen Visionen, von denen die meisten hoffentlich nicht in Erfüllung gehen. Wenn wir Pech haben, frisch aus US-Mega-Churches importierter Lobpreis-Müll, in denen die Gemeinde gefühlte 1000 mal wiederholt: "Er ist der Herr". (E-Dur - H-Dur - E-Dur - was sonst?)


Au backe, das kann ja lustig werden. [sad] Bestimmt wird dann auch in jeder noch so kleinen Gemeinde ein Gospelchor vor dem Altar seine Stammplätze haben. Vielleicht findet ja das ein oder andere unserer Nachbarkonfession einzug. Ich denke da so an "Ein Haus voll Glorie schauet". Bei nochmehr modernem Gesülze gibt es den hier:

Hoffen wir mal das beste. Prost:


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07.08.2012 18:30
#174 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Moderator

Bis es soweit ist, fließt sicher noch viel Wasser die Lahn abwärts. Immerhin war das EKG von 1949 bis 1993 in Gebrauch, also 44 Jahre lang.
Und ich entsinne mich der entsetzlich langen Geburtswehen des EG Anfang der 90er. Weil halt das presbyterial-synodale Prinzip gilt. Bevor nicht jede Synode, jede Kommission und Konferenz ihren Senf dazu gegeben hat (einschließlich sämtlicher Frauen-, Gleichstellungs- und Minderheitenbeauftragten sowie der Arbeitsgemeinschaft für feministische Ökologie und der Interessengruppe "Tiergottesdienst", wird das nix. Und ehe man die kirchenmusikalischen Praktiker fragt, was die Gemeinden brauchen, kommen die Musikwissenschaftler zu Wort, die auf möglichst alten, auf jeden Fall unsanglichen und rhythmisch sperrigen Urfassungen bestehen. Und dann nicht zuletzt die zeitgenössischen Kompositeure im LKMD-Rang, die ihre Opusculi GEMA-trächtig unterbringen wollen ...

Huch, ich apokalyptisiere ja schon wieder...

Ich glaub, ich spiele jetzt lieber etwas Orgel. Das bringt auf andere (und bessere) Gedanken ...

FG

Michael


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07.08.2012 19:35
#175 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Administrator

Zitat von Copula
Vielleicht findet ja das ein oder andere unserer Nachbarkonfession einzug. Ich denke da so an "Ein Haus voll Glorie schauet".


"Ein Haus voll Glorie" hat katholischerseits ungefähr denselben Rang wie "Ein feste Burg" bei Evangelens. Will damit sagen: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in euer EG aufgenommen wird.
Eher friert die Hölle zu...


Auf Orgelsuche.

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07.08.2012 20:36
avatar  Copula ( gelöscht )
#176 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
Co
Copula ( gelöscht )

Das weiß ich doch. Aber es wäre eine wirkliche Bereicherung für das EG. Aber wie Michael schon sagte, das ist ein riesiger Prozess bis das zustande kommt. Na ja, ich hoffe mal, dass das jetzt nicht allzu schnell geht. Und vielleicht bin ich bis dahin hauptberuflicher Kirchenmusiker und darf meinen Senf auch noch dazu geben. Vielleicht kommt ja auch gleich ein neues Orgelbuch mit schöneren Sätzen heraus, die man auch getrost wegschmeißen kann. Aber erst kommt ja das Gotteslob. Kommt da auch

Zitat von Wichernkantor
aus US-Mega-Churches importierter Lobpreis-Müll

mit rein?


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07.08.2012 22:07
#177 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Moderator

Klaus hat es auf den Punkt gebracht:

Die Kirchenbilder des "Hauses voll Glorie" und der "festen Burg" sind nur bedingt kompatibel. Da würden die Oberbedenkenträger Zeter und Mordio schreien, wenn der Text von GL 639 für das "EG neu" zur Debatte stünde.

Zu den Orgelsätzen: Wie gesagt, die bayerische Ausgabe der Choralsätze und die Vorspiele dazu (beides als Loseblatt-Sammlung in der sog. "Orgelbox Bayern" sind m.E. vorbildlich. Sie sind allesamt handwerklich gut gemacht und haben in vielen Fällen Klangwitz und harmonischen Pfiff.

FG
Michael


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10.08.2012 08:53
#178 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Ihr Lieben,
entschuldigt bitte meine auf den einen oder anderen sicher langatmig anmutende Erzählung.
Habe einige Tage vorherige Postings auf mich wirken zu lassen. Wollte damit ergründen, ob sich meine Gefühle verstärken oder nicht. Oder ob meine Gefühle Momentaufnahmen waren, die wieder verflachten. Nachdem ich die letzten Passagen immer und immer wieder auf mich wirken ließ und feststellte, daß sie leider so blieben wie sie waren, melde ich mich jetzt doch mal mit etwas kritischer Stimme. Ich mußte feststellen, daß hier über Zeitgeistgeschmack im allgemeinen und persönlichen(!) Musikgeschmack im besonderen geht. Wie bereits bemerkt, gibt es ja nun unterschiedliche christliche Organisationen, die nicht nur theologisch unterschiedlich sind, sondern auch in ihrer ge- und erlebten Musik. Es wurde festgestellt, daß es das E(vangelische)G(esangbuch), das Katholische Gotteslob gibt. In der Neuapostolischen Kirche (nur zur Vervollständigung) gibt es seit 2004 neue Gesangbücher, die nunmehr auch durch Orgelbücher vervollständigt wurden. Diese ersetzten das seit etwa 75 Jahren genutzte Gesangbuch. Hierin enthalten unter anderem auch das Lied "Ein feste Burg" - und das, obwohl sich diese Organisation auf doch eher katholische Wurzeln beruft. [wink]
Nun muß ich aber auf den Punkt zu sprechen kommen, den ich in dieser Form kaum ertragen kann: Da wird vom Lobpreis-Müll(!) geschrieben. Aus dem eigenen Erleben heraus ist das eine Wertung, die ich so nicht stehen lassen kann. Ich komme aus eher tradiertem Elternhaus mit Kirchgang sowohl sonntags als auch unter der Woche mit traditionellen Chorälen. Seit etwa 3 Jahren besuche ich eine Evangelische Freikirche, die genau die gewerteten Lieder eigentlich immer singt. Zu Weihnachten hatten wir einmal ganz tradionell die Orgel genutzt. Es gab ein Vorspiel, gemeinsam gesungene Choräle und ein Nachspiel. Und ganz plötzlich fehlte eigentlich fast allen die Orgel als liturgisches Instrument. Ganz plötzlich fehlten etlichen die früher doch so oft gesungenen Choräle. Und trotzdem nutzt man die Orgel auch weiterhin nicht, sondern ist mehr im Lobpreis unter h-d-h zu Hause. Obwohl mir meine vormalige Musik häufig fehlt, fühle ich mich dort (derzeit) zu Hause. Ja, es stimmt: Die Qualität liegt tatsächlich woanders. Und vielen fehlt die traditionelle Musik!
Niemand der singenden Gemeinde wird wahrscheinlich auf den Gedanken kommen, wortwörtlich zu hinterfragen, ob es sich um zeitgemäßes Wort handelt oder nicht. Es muß in den vorgegebenen Melodierahmen passen. Und dafür sind sicherlich öfters Verrenkungen notwendig. Dafür sind sicherlich häufig auch Kompromisse nötig. Sicherlich auch nicht nur in der deutschen Fassung! Da solche Bücher ja nunmal nicht nur in Deutschland gesungen werden, muß man auch in Übersetzungen dieselben Hinterfragungen machen. Wenn wir dann beispielsweise den Umgang der nordischen Völker oder der Engländer mit dem Antisemitismus sehen, kann es uns schlecht werden! Das liegt aber ja auch an unserer Opferrolle. Worüber man hier in Deutschland niemals lachen würde, das empfindet man dort als einen supertollen Witz. Damit wir uns richtig verstehen: Ich kann darüber auch nicht lachen! Wir müssen das aus der Geschichte heraus sehen: Vor inzwischen über achtzig Jahren hat die Welt ungefähr an so einem Punkt gestanden wie heute! Und auch damals waren die Menschen sehr empfänglich für politische Ansagen wie: Arbeit für alle! Ja, und es stimmte. Tatsächlich gab es plötzlich Arbeit für alle. Niemand hinterfragte jetzt mehr. War doch alles gut?! Nein! Nichts war gut! Wichtig ist doch eher folgendes:
DAS DARF NIEMALS WIEDER PASSIEREN!!!!!!!
Wird es nicht plötzlich etwas unwichtiger, ob wir über einen eventuell zu vermutenden unpassenden oder nicht singbaren Text eines Liedes sprechen, das uns persönlich vielleicht nicht so gefällt?
Meine Lebensgefährtin benutzt oft folgenden Satz: "Iiiihh! Das schmeckt doch ekelig!"
Dabei ist mir der Ausdruck wichtig, und deshalb verbessere ich sie: "Das schmeckt mir(!) nicht!"
So ist es auch in der Musik. Es gibt unterschiedliche Geschmäcker! Alle wollen bedient werden. Dies passiert zum Beispiel auch in unterschiedlichen Glaubenskongregationen. Ich muß auch abwägen, was mir wichtiger ist: Mein persönlicher Musikgeschmack oder mein persönliches Glaubensempfinden. Und da habe ich für mich entschieden. Zum Leidwesen meines Musikgeschmacks.
Ich empfehle hierzumal eine Predigt die es wert ist, bis zum Ende gehört zu werden:
http://bruderpaulus.podspot.de/post/wut-...nisationsmacht/
Eine Predigt, die anmacht und zeitgemäßer ist als viele von uns vielleicht Kirche oder Gemeinschaft erleben.
Allen die bisher mitgelesen haben und empfinden konnten, was mich zu diesem Posting bewogen hat, ein ganz herzliches ,
Uwe

PS: Es ging mir nicht darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, sondern einfach nachdenklich zu stimmen auf die Gefühle und Befindlichkeiten anderer!

PORTA PATET MAGIS COR

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10.08.2012 10:51
#179 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Administrator

Zitat von Uwe13
So ist es auch in der Musik. Es gibt unterschiedliche Geschmäcker! Alle wollen bedient werden.


Da ist schon viel Wahres dran; ich freue mich ja auch, wenn ich Lieder im neuen Gotteslob entdecke, dir mir über die Jahre lieb und wert geworden sind. [smile] Und ja: Ich denke heute schon darüber nach, welche Lieder wir in ein pfarrliches Ergänzungsheft retten wollen, weil sie im neuen GL nicht mehr vertreten sein werden.*)

Aber ich frage: Geht es beim Kirchenlied ausschließlich um Geschmacksfragen? Gibt es nicht "objektivierbare" Kriterien für die Aufnahme in ein Gesangbuch? Und stehen da die Großkirchen nicht vor anderen Herausforderungen als die vielen kleinen Denominationen, die es da und dort gibt?
_______________________________
*) Dass Erich Przywaras Christkönigslied "O du mein Heiland" es nicht einmal in den Österreichteil geschafft hat, halte ich für eine gravierende Fehlentscheidung; kein Geringerer als Peter Planyavsky schrieb einen sehr schönen Begleitsatz dazu, der sich wohltuend von den althergebrachten Liedsätzen abhebt und das Lied "neu" klingen lässt. Erst vor wenigen Jahren wurde die Christkönigshymne für den ergänzten Wiener Diözesananhang reaktiviert - und nun wird es wieder abgeschoben, während das (außerhalb Tirols) völlig zurecht ausgestorbene "Auf zum Schwure" wieder hineingenommen wird? Was ist denn das für eine liturgische Bildungspolitik?


Auf Orgelsuche.

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10.08.2012 13:19
#180 RE: Gotteslob neu - Verzögerungen ohne Ende
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Moderator

Hallo Uwe,

fern lag es mir, irgendwen zu verletzen, am allerwenigsten einen Forumskollegen. Aber meine Kritik an vielen Lobpreisliedern, die derzeit auf dem Markt sind, mache ich fest:
a) an der harmonischen Dürftigkeit.
b) an der textlichen Dürftigkeit.

zu a) Bei den meisten genügen wirklich zwei Gitarrenakkorde. Natürlich ist das bei vielem aus der U-Musik auch der Fall. Und an die will man sich ja annähern - in der honorigen Absicht, "Kirchenferne" anzusprechen. Ein befreundeter Pfarrer hat mal seine Konfis gefragt, was sich den ändern müsse, damit sie gern zum Gottesdienst kommen. Antwort: VOR ALLEM DIE MUSIK. Also änderte er die "Musikfarbe", lud Bands ein und ließ seine Organistin auf dem Keyboard "Lobpreis" spielen. Die Konfis blieben aus - die bisherigen Gottesdienstbesucher übrigens auch.
Er sprach die Konfis darauf an. Einer war ehrlich und sagte: "Wir machen uns halt nichts aus Gottesdienst, egal, was es da für Musik gibt."

Ich lerne daraus: Die "gruftige" Musik ist oft nur Vorwand, um Desinteresse am Gottesdienst als Versammlungsform zu kaschieren. U-Musik statt Kirchenmusik macht den Gottesdienst also wohl nur bedingt "attraktiver".
Gottesdienst mit seinem relativ geregelten Ablauf ist das genaue Gegenteil eines "Events". Alles ist relativ vorhersehbar Die "Event"-Kultur lebt vom immer neuen Kick, den der Gottesdienst nicht bieten kann. Und ich denke, man sollte dieser Kultur nicht huldigen, sondern sich als "kulturelle Alternative" verstehen. Wenn das "elitär" ist, - in meiner zarten Jugend ein finales Totschlagargument jeder gesellschaftspolitischen Debatte - dann sollten wir den Mut haben, elitär zu sein.


zu b) Jetzt werde ich in der Tat höchst subjektiv: Ich erwarte von einem geistlichen Text (sieht man einmal davon ab, dass er keinen theologischen Unfug und keine frömmelnden Leerformeln enthält) eine gewisse intellektuelle Herausforderung. Durch berufsbedingte Prägung habe ich Freude an schönen, Verstand und Phantasie ansprechenden Sprachbildern.
Wenn mir jemand gefühlte 50 Mal den selben Satzfetzen um die Ohren haut, fühle ich mich schnell genervt. Rosenkranzbeten wird ja von manchen Leuten als meditativ empfunden. Mich würde es in eine Vorstufe des Wahnsinns treiben 90 mal - oder ist es öfter? - dieselbe Gebetsformel aufzusagen. Sorry, aber ich ticke halt so.
Von einem Liedtext erwarte ich, dass er mir etwas erzählt und dass seine Botschaft über die (zweifellos fundamentale) Aussage hinausgeht: "Dschiesass is thö aanssser" (So etwa klingt das von einem "Gospelchor" aus mittelhessischen Landfrauen - wobei die Schrift die Aussprache nur sehr ungenau wiedegeben kann)
Man sehe mir nach, wenn mir angesichts solcher akustischer Erfahrungen der Satiregaul durchgeht. Aber das Gegenteil von "gut" ist nun mal oft "gut gemeint".
Ich denke, beim gottesdienstlichen Musizieren sollten alle Beteiligten das, was sie tun, reflektiert tun.

Das Gesangbuch als "Rollenbuch" muss zwangsläufig stilistische und textliche Bandbreite bieten. Und es zeichnet sich wohl eine Entwicklung ab, dass der "volkskirchliche" Gottesdienst "für alle" ein Auslaufmodell ist und es immer mehr zu "Zielgruppengottesdiensten" kommen wird. Kindergottesdienste sind ja bereits eine lange etablierte Form. Und ich habe jeden Sonntag vor dem Hauptgottesdienst in der Kirche einen Gottesdienst in einem großen Seniorenzentrum. Da muss sich die Liedauswahl zwangsläufig auf Choräle beschränken, die die Teilnehmer noch im Langzeitgedächtnis abgespeichert haben - das gilt übrigens auch für die Melodiefassungen. "Es ist ein Ros" oder "Nun ruhen alle Wälder" sind dort nur in den isometrischen Fassungen mit gleichmäßigen Viertelnoten möglich.

Mein wesentliches Auswahlkriterium für ein Gesangbuch ist Gemeindekompatibilität.
Ich denke, dass wir da den Gemeinden eine gewisse Sorgfalt schuldig sind.

Ein neues Gesangbuch - wie immer es aussehen mag - müssen wir hinnehmen. Unser Job ist es, etwas daraus zu machen - konstruktiv und für unsere Gemeinden.

Prost:
Michael


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