Die Mauer ist weg!

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15.05.2020 09:06
#1 Die Mauer ist weg!
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Moderator

Mein Bruder hat mir eben mitgeteilt, dass die Grenze zu Frankreich geöffnet wird und er bei seinem französischen Kollegen zu einem Gelage geladen ist.

Beim Frühstück haben wir uns spontan entschlossen, morgen früh im ersten Büchsenlicht unsere Zahnbürsten und Nachtgewänder ins Auto zu werfen und nach Paris zu fahren. Denn ich habe Sonntag keinen Dienst und das dürfte die letzte Gelegenheit sein, die Stadt weitgehend tourifrei zu erleben.
Ich kenne einen Pfarrer an der deutschen ev. Gemeinde und zwei gut vernetzte Kollegen. Mal sehen, was es da so alles zu hören gibt ...

LG
Michael


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15.05.2020 10:40
#2 RE: Die Mauer ist weg!
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Administrator

Die andere - jene zwischen Österreich und Deutschland - wird auch bald weg sein: Mitte Juni.

Deshalb hier eine kleine Vorankündigung:
Weil eine potenzielle zweite Welle der Pandemie ebenso unkalkulierbar ist wie die Landung von Außerirdischen oder die Ankunft des Herrn anlässlich des Jüngsten Gerichts, spricht unser Vergnügungsausschuss im Hinterzimmer bereits über ein mögliches Forumstreffen im Herbst.

Für die, die gerne früh planen: Es wird nicht in Wien stattfinden!
Wien machen wir 2021, sub conditione Jacobea, wie Bonhoeffer es sagte, d.h. so Gott will und wir leben.

Ein Termin für das diesjährige Herbsttreffen steht allerdings bereits im Raum:
23. - 25. Oktober 2020

Näheres kann und möchte ich erst verlautbaren, wenn wir es ausgebrütet haben. Ich bitte noch um ein wenig Geduld.


Liebe Grüße
Euer Gemshorn


Auf Orgelsuche.

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15.05.2020 11:23
#3 RE: Die Mauer ist weg!
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Moderator

Auf jeden Fall wird das Treffen in Deutschland stattfinden. Ob im Norden, im Südwesten oder so ziemlich in der Mitte, darüber muss der Vergnügungsausschuss noch Konsens herstellen.

Ich werd' jetzt erst mal in Paris alte Kontakte auffrischen und neue knüpfen. Irgendwo im Hinterkopf spukt natürlich der Gedanke, wo vielleicht das übernächste Treffen stattfinden könnte ...

LG
Michael


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15.05.2020 11:27
#4 RE: Die Mauer ist weg!
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Administrator

Das über-übernächste!


Auf Orgelsuche.

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15.05.2020 11:42
#5 RE: Die Mauer ist weg!
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Moderator

Richtig!

LG
Michael


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15.05.2020 12:31
avatar  Viola da Gamba ( gelöscht )
#6 RE: Die Mauer ist weg!
Vi
Viola da Gamba ( gelöscht )

Viel Spaß!


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16.05.2020 13:41 (zuletzt bearbeitet: 16.05.2020 13:42)
#7 RE: Die Mauer ist weg!
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Juhuuu!!
Das nächste Forumstreffen ist schon wieder anvisiert!
Wie sehr ich mich freue!!
Der Einfachheit halber mal ein Vorschlag:
Könnte man es wieder mit einem Treffen bei Kisselbach verbinden?
Vielleicht gibt's ja auch bis dahin wieder "Neuigkeiten"!?

Viele Grüße
Bernhard

PLZ (erste zwei Ziffern): 69

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16.05.2020 16:14
avatar  mvn
#8 RE: Die Mauer ist weg!
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mvn

Zitat von Gemshorn im Beitrag #2


Ein Termin für das diesjährige Herbsttreffen steht allerdings bereits im Raum:
23. - 25. Oktober 2020

Näheres kann und möchte ich erst verlautbaren, wenn wir es ausgebrütet haben. Ich bitte noch um ein wenig Geduld.



Da war sie - die grosse Vorfreude - leider bereits wieder gedämpft

Ich gehe davon aus, dass mein Jahresplan bis dann wieder realistisch funktioniert.
- 24. Oktober: 10-Jahres-Jubiläum unseres ColCuore-Vereins (seit 6 Monaten geplant und organisiert).
- Orgeldienste am 18.10., 25.10. und 01.11.

Aber sicher eine tolle Alternative.

Ich tröste mich mit zukünftigen (hoffentlich problemlos möglichen) Forumstreffen.

LG
Martin

2014 - 2020 Gloria Concerto 234 DLX
2020 - ......... Gloria Concerto 350 Trend


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17.05.2020 06:57
#9 RE: Die Mauer ist weg!
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Moderator

Hallo ihr Lieben,

Grüße aus der sonnigen (und menschenleeren) "capitale du monde"! Auch ohne "Notre Dame" wäre sie die ultimative Location für ein Forumstreffen.
Mehr, wenn ich repatriiert bin. Jetzt ist erst mal "petit dejeuner" mit "café au lait", brioche, éclairs und anderen landestypischen "douceurs" dran. Dann geht es in die "grand messe" ...

LG
Michael


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17.05.2020 18:33
#10 RE: Die Mauer ist weg!
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Zitat von Canticus im Beitrag #7
Juhuuu!!
Das nächste Forumstreffen ist schon wieder anvisiert!
Wie sehr ich mich freue!!
Der Einfachheit halber mal ein Vorschlag:
Könnte man es wieder mit einem Treffen bei Kisselbach verbinden?
Vielleicht gibt's ja auch bis dahin wieder "Neuigkeiten"!?

Viele Grüße
Bernhard

Würde mich auch interessieren.


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17.05.2020 18:34
#11 RE: Die Mauer ist weg!
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Zitat von Wichernkantor im Beitrag #9
Hallo ihr Lieben,

Grüße aus der sonnigen (und menschenleeren) "capitale du monde"! Auch ohne "Notre Dame" wäre sie die ultimative Location für ein Forumstreffen.
Mehr, wenn ich repatriiert bin. Jetzt ist erst mal "petit dejeuner" mit "café au lait", brioche, éclairs und anderen landestypischen "douceurs" dran. Dann geht es in die "grand messe" ...

LG
Michael

Super, unbedingt auch berichten, wie es mit den Einschränkungen aussieht. Ich plane ein Treffen mit F. Blanc, sobald es die Umstände zulassen.


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17.05.2020 23:32
avatar  pvh
#12 RE: Die Mauer ist weg!
pv
pvh

Hallo,

ich will keine Wasser in den Wein schütten. Zur Mauer zwischen Deutschland und Frankreich schreibt der ADAC (15.5.; https://www.adac.de/news/coronavirus/?redirectId=quer.corona):
"Frankreich hat am 11. Mai seine strengen Ausgangsbeschränkungen gelockert. Die Bewegungsfreiheit der Menschen bleibt aber weiter stark eingeschränkt. Die Franzosen können dann zwar ohne Passierschein das Haus verlassen, allerdings dürfen sie sich nicht mehr als 100 Kilometer Luftlinie von ihrem Wohnort entfernen. Ausgenommen sind etwa Dienstreisen und familiäre Notfälle."

Für die Rückkehr nach Deutschland gilt (selbe Quelle):
"Deutsche, EU-Bürger und langjährig in Deutschland lebende Ausländer, die in die Bundesrepublik zurückkehren, müssen aktuell noch für zwei Wochen in häusliche Quarantäne, wenn sie sich mehrere Tage am Stück im Ausland aufgehalten haben.

Ausnahme: In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde die generelle Quarantänepflicht für Menschen, die aus dem Ausland einreisen, außer Vollzug gesetzt.

Die Quarantänepflicht soll in den kommenden Tagen für Einreisen aus der EU, dem Schengenraum und Großbritannien entfallen. Die Umsetzung liegt bei den einzelnen Bundesländern und kann daher zu unterschiedlichen Terminen erfolgen."

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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19.05.2020 11:33 (zuletzt bearbeitet: 25.09.2020 11:38)
#13 RE: Die Mauer ist weg!
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Moderator

Eigentlich war ein runder Geburtstag in der Familie Anlaß unserer Fahrt nach Paris.

Wir hatten uns das coronabedingt bereits abgeschminkt, als mein Bruder mir die Grenzöffnung mitteilte. Da haben wir uns spontan entschlossen, die Einladung doch noch anzunehmen. Da die Jubilarin an der deutschen Botschaft in Paris arbeitet, waren die entsprechenden „permissons“ und ein Privatquartier kein Problem. Die französische Gendarmerie schien ebenso erleichtert über die neuen Freiheiten wie wir. Und so wurden wir kein einziges Mal kontrolliert.

Im deutlich entvölkerten Stadtbild war die Präsenz der Schutzmänner und Frauen zwar signifikant hoch, vor allem an den touristischen „hot spots“, an denen im Normalfall Busladungen asiatischer Touristen mit Selfie-Stick umherwuseln. Die Gendarmen interessierten sich aber weniger für ein flanierendes älteres Ehepaar, der Herr mit Baskenmütze, die ergraute Dame im Schneiderkostüm. Vielmehr hatten sie mehr als ein Augenmerk darauf, dass sich Jugendliche nicht zu dicht zusammenballten. Und wenn sie beobachteten, dass kleine, weiße Tütchen den Besitzer wechselten, gingen sie blitzschnell dazwischen. Da waren aber vermutlich keine Coronaviren drin, sondern die Pülverchen, die so mancher zum Glücklichsein braucht …

Das Geburtstagskind ist u.a. Kirchenvorsteherin in der deutschen Ev. Gemeinde. Zudem schlägt sie nicht ganz ungelenk die Orgel und vertritt an derselben gelegentlich die Titularin, die konzertierend viel herumkommt und an einem der Pariser „Conservatoires“ unterrichtet. So war es kein Problem, vor Beginn der Geburtstagsfeierlichkeiten noch mal schnell in die ev. Kirche zu gucken und die Orgel zu betasten, die natürlich aus Deutschland stammt, von Detlef Kleuker mit II/19. Sie stammt aus 1964, als bei uns die Orgelbewegung in voller Blüte stand. Und das ist zu hören. Ich vermute mal, dass kein Geringerer als Jean Guillou an der Beschaffung beteiligt war, denn er hatte eine große Affinität zum Hause Kleuker.

Die Orgel ist – in einem schlichten Kirchsaal, der in eine Häuserzeile eingebaut ist - raumfüllend und kräftig, weniger scharf als befürchtet trotz sechsfacher Hauptwerks- und fünffacher Rückpositiv-Mixtur. Das Holzkrummhorn 8‘ im Umfeld der metallenen Labialen war natürlich abenteuerlich verstimmt. Nach einem Crashkurs im Zungenstimmen (wie’s der Zufall so fügt, hatte ich ein kurzes Stimmeisen in der Notentasche) schritten wir zur Tafel, was für den Samstag keine weiteren Orgelaktivitäten ermöglichte. Denn obwohl es sich um eine deutsche Geburtstagsfeier auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik handelte, hatten Umfang des Buffets und zeitliche Dauer der Festlichkeit durchaus Dimensionen "à la française" und wir waren froh, dass es zum Bett nur ein paar Schritte waren.

Sonntag früh war in der ev. Kirche kein Gottesdienst. Aus Paris-Besuchen in vorcoronaren Zeiten weiß ich, dass diese Stadt am schönsten ist, wenn sie erwacht. Als notorischer Frühaufsteher gelang es mir, die unausgeschlafene Gemahlin für einen Morgendämmerungs-Spaziergang an der „rive gauche“ der Seine zu enthusiasmieren. Wir schlenderten am menschenleeren Ufer entlang und lauschten auf den leisen Atem der schlafenden Stadt. Nur die Männer der Stadtreinigung fuhren mit einem Kleinlaster die Uferpromenade entlang und netzten aus einem großen Tank die Blumen in den Kästen und Beeten. Wir sahen vom linken Ufer aus den Ostchor der eingerüsteten Kathedrale und einen Teil der wüst zugerichteten Südfassade des Querhauses, dann trieb uns der Hunger zurück.
Nach opulentem Frühstück erhob sich die Frage nach dem wohin. Die Jubilarin sitzt in etlichen franco-germanischen Kulturräten und Beiräten und kennt nach rund 20 Jahren an der Seine dort Hinz und Kunz. Sie unterbreitete uns eine Fülle von Optionen, wir entschieden uns für die „Grand‘ Messe“ in Ste. Clothilde. Ein Telefonat genügte. "Bienvenue, naturellement." Es war zwar eine geschlossene Veranstaltung mit einer sehr überschaubaren Teilnehmerzahl. Aber in dem riesigen Raum fielen zwei Besucher mehr oder weniger wohl kaum auf. Zumal sie sich nicht in den Bänken aufhalten wollten, sondern neben bzw. hinter der (seit 2004) neuen elektrischen „Console“ der Orgel, die Cavaillé-Coll ursprünglich mit III/49 erbaut hatte, die heute – nach Elektrifizierung und mehreren Umbauten – 71 Stimmen zählt.

An der Clothilde wirkten u.a. César Franck 31 Jahre, Charles Tournemire 41 Jahre und als Rekordhalter Jean Langlais von 1945 bis 1987. Auf ihn gehen auch die gravierendsten Veränderungen zurück. Hatte Tournemire in den 30er Jahren vor allem einige zusätzliche Zungen ins SW einbauen lassen, um die Farben zu gewinnen, die er für seine mystische Orgelmusik brauchte, forderte und bekam Langlais die elektrische Traktur. Denn er pflegte ein Virtuosentum à la Dupré. Und dagegen wehrten sich CCs Barkerhebel. (Die Clothilde ist nicht die einzige Kirche, in der die Barkerhebel in CC-Orgeln durch elektrische Trakturen ersetzt wurden – sie waren nämlich nicht sonderlich pflegeleicht, wie die Restaurierungsgeschichte der Orgel in Sacré Coeur belegt.) Vor allem jedoch ließ Langlais im Positiv die komplette Aliquotenreihe zum 16‘, 8‘ und 4‘ einbauen. Der notorischen Enge, die auf vielen Pariser „Tribunes“ herrscht, entfloh man dann bei der jüngsten Restaurierung durch den Anschluss eines beweglichen Spieltisches unter der Empore. Dabei wurden auch die Aliquoten etwas domestiziert. Bei meinem letzten Besuch dort in den 90ern wirkten sie auf mich doch ziemlich spitz und dominant, jetzt klingt die Orgel wieder voll und rund.
Der Ahnengalerie habe ich entnommen, dass auch Flor Peeters in den ersten drei Jahren des II.Weltkrieges an der Clothilde Titulaire war, bevor er nach Mecheln berufen wurde.

Während der Messe amtierte einer der Subsituten. Es gab keine Literatur, sondern (sehr ansprechende und stilistisch geschlossene) Improvisationen zu den Themen der Gesänge. Für mich war es nicht neu, ist aber immer wieder ein Aufhorcher, dass der Gesang der (diesmal nicht vorhandenen) Gemeinde nicht aus Kirchenliedern in strophischer Form besteht, sondern aus Wechselgesängen. An einem Lesepult steht eine „Animatorin“/Kantorin, die die Gemeinde bei den Kehrversen dirgiert und die Doppelzeilen der liturgischen Texte mit leiser Orgelstütze solistisch singt. Normalerweise ist für diese Begleitung der Organist an der Chororgel zuständig, diesmal kam die gesamte Orgelbelgeitung von der „Tribune“. Die Gemeindeverse sind eingängig, im „Taizé-Stil“ gesetzt und lassen sich so leicht nachsingen, dass die Gemeinde keine Gesangbücher braucht.
Diese Form des Gottesdienstes ist durchaus ein ästhetisches „Gesamtkunstwerk“, vor allem, wenn die musikalische Qualität stimmt. Ich habe schon Schlimmes aus den rauen Kehlen solcher Kanzelsängerinnen gehört, aber die amtierende Chanteuse hatte eine angenehme, gepflegte Stimme, sang treffsicher und kantabel, frei von dramatischem Tremolo und mit sehr gut verständlicher Artikulation.
Das habe ich auch dem Curé widergespiegelt (mit der Bitte um Weitergabe), mit dem ich anschließend noch ein paar Takte geplauscht habe.

Mittags haben wir noch einen zweiten Orgelspaziergang gemacht, darüber später mehr.

LG
Michael


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22.05.2020 08:50 (zuletzt bearbeitet: 25.09.2020 11:33)
#14 RE: Die Mauer ist weg!
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Moderator

Sorry, dass es etwas gedauert hat. Aber am Mittwochabend haben meine Brüder und ich spontan beschlossen: „Vatertag“ = Muttertag. Wir haben uns gestern daheim getroffen und unter den Augen unserer Ahnfrau ein munteres Feuerchen mit ebenso munterem Treiben gemacht – getreu dem saarländischen Staatsmotto: Der Mensch denkt, Gott lenkt, der Saarländer schwenkt …

Nun zurück zum Sonntag in Paris: Zur Geburtstagsfeier am Samstag war natürlich auch der Militärattaché geladen. Und der riet mir zu einem Besuch im Invalidendom. Das ist nämlich die Kathedrale des französischen Armeebischofs. Und etwas Smartphone-Aktivität genügte, um die Präliminarien zu klären. Wir machten uns auf zum monumentalen „Veteranenkloster“, das der „Sonnenkönig“ im 17. Jh. für seine Kriegsversehrten am linken Seineufer aufführen ließ. Wir machen zackig Meldung bei einem uniformierten „Concierge“, der uns erst in die barocke Doppelkirche führte. Vorn unter der Kuppel steht der Sarkophag mit den sterblichen Überresten Napoleons I.

Im Hauptraum blickt man vom Altar aus auf das in Weiß und Gold gehaltene Prachtgehäuse von Aléxandre Thiery, in dem ursprünglich III/37 standen, in altfranzösischer Manier mit Messerückenpedal und „Ravalament“ bis Contra A.
Auf dem Weg zur Emporentreppe durch das Hauptschiff durchschreitet man ein Spalier aus den Regimentsfahnen besiegter Feinde der „Grande Armée“. Derlei im Berliner Dom oder gar in der Potsdamer Garnisonkirche - und wir müssten international ziemlich Prügel wegstecken. Völlig zu Recht, nebenbei bemerkt.

Es gibt ja unter „Experten“ die landläufig verbreitete Meinung, so ziemlich alle Orgeln in Paris seien von Cavaillé-Coll – und original erhalten bzw. restauriert.
Diese Orgel beweist das Gegenteil und ist weitaus eher prototypisch für die „gemeine Pariser Stadtkirchenorgel“. Sie ist eines der vielen Beispiele, wie Instrumente unter Integration des „gewachsenen Bestandes“ stets den Erfordernissen angepasst und erhalten wurden. Die Orgel in St. Louis des Invalides bewahrte sich ihren barocken Kern. In den Nachkriegsjahren arbeitete Beuchet-Debierre mehrfach an ihr, brachte die Klaviaturen auf üblichen Umfang, baute ein modernes Pedal, elektrifizierte die Traktur. Jedes Mal kamen neue Register hinzu, zunächst die breiteren Fonds der Romantik, dann in allen Werken äußerst kräftige Zungen und zum Schluß „neobarocke“ Aliquoten und Mixturen. Jetzt stehen 64 Register auf drei Manualen zur Verfügung, allein 18 Zungen (!). Am Spieltisch hört man natürlich, dass da divergierende klangästhetische Ansätze realisiert wurden. Vor allem die Chamaden zu 8' und 4' unterstreichen den Status der Militärkirche. Sie sind nämlich waffenscheinpflichtig. Aber wenn das „Plein jeu“ unter der Gewölbetonne entlang brettert, wird die „Grandeur de la Nation“ recht imposant glorifiziert.

Fußläufig erreichbar, in der Nähe des Louvre, liegt die von außen eher unauffällige Kirche St. Roch. In der französischen Revolution spielte sie eine gewisse Rolle als einer der Versammlungsorte der Jakobiner, erfuhr ich. Bei der dortigen Titularin Françoise Levéchin-Gangloff hatte unser Geburtstagskind einige Jahre lang privaten Orgelunterricht. Und so wurden wir nach telefonischer Anmeldung bereits erwartet. Im klassischen neunteiligen Orgelgehäuse mit fünfteiligem Rückpositiv aus 1751 hat so ziemlich jeder Orgelbauer, der in Frankreich einen Namen hatte, seine Spuren hinterlassen - bis hin zum heutigen „monument historique“ mit IV/53. Zuerst Cliquot kurz vor der Revolution. Nach Plünderung während derselben restaurierten und erweiterten Dallery Vater und Sohn, 1840 „aktualisierte“ Cavaillé-Coll die Klaviaturumfänge, erweiterte um ein Schwellwerk und baute eine seiner ersten Barkermaschinen ein. Letztere sorgte für umfangreiche Anschlußaufträge um die Jahrhundertwende durch den Maitre persönlich und seinen Nachfolger Charles Mutin. 1927 baute Gutschenritter ein viertes Manual ein. 1994 schloss Jean Renaud eine Rückführung auf das spätromantische Klangbild ab. Erhalten blieb dabei als Kuriosum die in Aequallage doppelt besetzte „Flute harmonique 8‘“ im II. Manual. Zwischenzeitlich wurde auch an dieser Orgel der Barkerhebel durch eine elektrische Traktur ersetzt. Die Spielnische blieb allerdings im Untergehäuse – wie so oft auf den Pariser „Tribunes“ wegen der äußerst beengten Platzverhältnisse. Unter den Titulaires befand sich von 1945 bis 1955 übrigens auch ein gewisser Pierre Chocherau …

Grund für die „Elektrifizierungswelle“ im Pariser Orgelbestand während der Zwischenkriegsjahre und nach dem II.Weltkrieg war wohl die dominierende Gestalt von Marçel Dupré, der zur Pflege seines Hochvirtuosentums den leichtgängigen elektrischen Trakturen mit reduziertem Tastenfall den Vorzug gab, die er in den USA kennengelernt hatte. Generell riet er seinen Schülern, die zeitweise ein Quasi-Monopol auf die „Tribunes“ der Hauptstadt hatten, CCs störanfällige Barkermaschinen durch elektromagnetische Zuganker-Systeme ersetzen zu lassen. Allein die notorisch leere Kasse der „Kirchenfabrik“ von St. Sulpice bewahrte CCs Meisterwerk vor dem Schicksal vieler Werkstattschwestern.
Nach diesem Besuch hatten wir Orgel genug und machten wieder „in Familie“.

Da wir uns anständig benommen haben, dürfen wir wiederkommen. Das Geburtstagskind muss noch 15 Jahre fronen bis zur Pensionierung. Wenn das Auswärtige Amt nicht auf die Idee kommt, sie an eine andere Botschaft zu versetzen, haben wir mittelfristig einen glänzend vernetzten Anlaufpunkt zur Erkundung der Pariser Orgelwelt, falls wir dort mal ein Forumstreffen machen wollen.

LG
Michael


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22.05.2020 18:40
#15 RE: Die Mauer ist weg!
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Intonationsmeister

Hallo Michael,

Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht über die Pariser Orgelwelt. Das wären ja tolle Aussichten für das Forentreffen 2022!

LG
Frank

Gloria Concerto 355cc

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