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Orgelregister Keraulophon 8'
Hallo Leute,
habe mich die Tage mit MagisterPerotin über die Disposition von St. Sulpice unterhalten. Dabei ist mir im Manual V (Solo) das Register " Keraulophon 8' " aufgefallen. Das Internet gibt dazu nicht viel her.
Ihr sicherlich umso mehr...
Lt. Disposition von St. Sulpice steht das Register in den "Jeux de fonds" - ist also keine Zunge, sondern rangiert zwischen " Gambe 8' " und " Prestant 4' "
Nach der "klassischen" Registeranordnung müsste es also das leiseste 8'-Register im Solo sein. Hat jemand nähere Info über die Charakteristik dieses IMHO seltenen Registers?
Oder sogar Klangbeispiele?
VG
Aeoline
Orgelkater
(
gelöscht
)
#2 RE: Orgelregister Keraulophon 8'
Lesen wir doch mal, was Paul Smets in "Die Orgelregister, ihr Klang und Gebrauch" schreibt. Leider habe ich nur die 5./6. Auflage von 1948, die Erstausgabe ist 1934 erschienen.
Keraulophon (von griech. Keraules = Hornbläser)
1. ein veraltetes Rohrwerk mit durchschlagenden Zungen,
2. eine Principalstimme oder eine flötenartige Pfeifenreihe von enger Mensur, im 8' oder 4' Ton, ähnlich dem Hornprincipal bzw. der Hornflöte. Das Register ist besonders in England verbreitet. Erfinder sind, nach Sachs, die englischen Orgelbauer Gray & Davidson (London St. Paul, 1843)
Ein knapp zweiseitiger Artikel ist bei G.A. Audsley "Organ-Stops and Their Artistic Registration" zu finden (1921).
Audsley berichtet dort, dass dieses Register auch im Positif der Merklin-Orgel in St. Eustache in Paris zu finden war. Er bedauert, dass dieses in England im Jahrhundert beliebte Register in Vergessenheit geraten ist, obwohl es für den orchestralen Orgelbau (wir schreiben das Jahr 1921) bestens geeignet ist.
Steinmeyer soll auch1880 in sein Instrument im Münchener Liebfrauendom ein Keraulophon eingebaut haben.
#4 RE: Orgelregister Keraulophon 8'
In meiner einstigen Dienstorgel von Zeilhuber aus 1935 stand im II. Manual ein Hornprinzipal mit den Namen Keraulophon 8' - es war der lauteste (!) von fünf labialen 8'ern dieses Manuals, deutlich saftiger und sonorer als der Flötenprinzipal 8' im selben Manual. In der Tenorlage entfaltete die Stimme in der Tat einen "horchnichten" Charakter, vor allem, wenn man sie in Sexten solistisch spielte.
Mahrenholz (Erstausgabe bei Bärenreiter 1930) ordnet das Keraulophon in die Prinzipalfamilie mit eben dieser Klanglichkeit ein, berichtet aber auch von Geigenprinzipalen mit dieser Titulatur.
LG
Michael
Aber wäre es ein "Hornbläser" mit "durchschlagenden" Zungen, hätte es ACC dann im Solo hinter die Gamba gesetzt?
Oder ist es ein Pendant zur " Basson-Hautbois 8' ", die ja gerne bei den romantisch-symphonischen Franzosen am Ende der 8'-Kette eingefügt wird, um den 8'-Chor zu "färben"?
VG
Aeoline
Zu diesem Thema konnte ich folgendes recherchieren:
Laut "Roland Eberlein: Orgelregister" handelt es sich bei diesem Register ausschließlich um eine Labialstimme.
In Gray & Davisons Werkbüchern wurde das Register ursprünglich mit "Corno Dulciana" bezeichnet, der Name Keraulophon (von keras = Horm und aulos = Pfeife oder keraules = Hornbläser) wurde erst später eingeführt.
Bei diesem Register handelt es sich um einen engmensurierten, offenen Streicher, der der Dulciana ähnelt.
Nach FR kam das Register über die Firma Ducroquet, konnte sich dort aber nicht lange halten.
Mit herzlichem Gruß
Flauten
PS: Sollte jemand an dem entsprechenden Artikle aus eberlin Interesse haben, bitte ich um eine kurze PN.
Audlsey gibt eine genaue Beschreibung mit Mensuren dieses Labialregisters. Allerdings fehlen im von Rollin Smith herausgegebenen Nachdruck zwei Bildtafeln, eine davon hätte das Keraulophon in seiner Labialform gezeigt. Und wir befinden uns auch 60 Jahre später als CC in einer ganz anderen Landschaft.
Vielleicht hat ja auch jemand von Roland Eberlein den Band "Orgelregister"?
Es würde sich vielleicht empfehlen Günter Lade zu kontaktieren. Seine Publikationen über den französischen Orgelbau zeugen von profunder Kenntnis. Oder eben doch direkt Daniel Roth.
#10 RE: Orgelregister Keraulophon 8'
Es ist ja nichts neues, dass Registernamen in verschiedenen Orgellandschaften unterschiedliche Bauformen bezeichnen.
Ich könnte jetzt bei Eberlein, Dobler/Locher, Smets etc. nachsehen. Bin aber gerade zu faul dazu ...
Irgendwo gibt es auch ein Namenslexikon im web, ich weiß nur gerade nicht mehr, wo.
Vermutlich käme heraus, dass es sich bei uns um einen Hornprinzipal, bei den Amerikanern um einen Streicher, bei den Franzosen mglw. um eine durchschlagende Zunge handelt. An der sprachlichen Bedeutung "Horn" (keraulos) läßt sich noch am wenigsten deuteln.
Ähnliche Fälle gibt es bei den Registernamen "Dulcian(a)" (labial oder lingual) und dem amerikanischen "Erzähler 8'", der so ziemlich alles zwischen Lieblich Gedeckt und Stentorprinzipal darstellen kann, je nachdem, aus welcher Schmiede er kommt.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #10
bei den Franzosen mglw. um eine durchschlagende Zunge
Laut Eberlein ist kein einziges "Keraulophon" als Zungenregister bekannt.
Evtl. liegen aber Verwechslungen mit dem "Kerophon" vor, das wiederum ein Zungenregister mit durchschlagender Zunge, und in England um 1900 gebaut worden ist.
Mit abendlichen Gruß
Flauten
Hier: http://www.organstops.org
Und konkret: http://www.organstops.org/k/Keraulophone.html
Hallo Gemshorn,
Dein Link führt auf die gleiche Seite wie der meinige aus dem Eröffnungspost. Insofern - keine neuen Erkenntnisse...
VG
Aeoline
#14 RE: Orgelregister Keraulophon 8'
Zitat von Flauten im Beitrag #11
Laut Eberlein ist kein einziges "Keraulophon" als Zungenregister bekannt.
Sollte sinnvoller heißen: Laut Eberlein ist ihm kein einziges "Keraulophon" als Zungenregister bekannt.
Wenn er sich intensiver mit amerikanischen "reed organs" beschäftigt hätte, stünde dieser Satz sicher so nicht da ...
LG
Michael
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