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Was kosten Träume (Register)?
TubaEpiscopalis
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gelöscht
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#1 Was kosten Träume (Register)?
Kennt ihr das?
Ihr besucht eine schöne (Dorf-) Kirche, schöne Fenster, schöne Architektur und schöne Orgel. Dann schaut ihr Euch die Disposition an und denkt "merkwürdig, keine Zunge im Hauptwerk. Eine Schwebung zum Streicher im zweiten Manual wäre nett. Im dritten Manual bitte noch eine schöne Solostimme...eine Flöte zum Beispiel."
Doch, was kostet der Spaß? Einmal abgesehen davon, dass mich niemand um meinen Rat zur Erweiterung der Disposition gebeten hat und ich auch nicht weiß, ob genug Platz da ist.
Trotzdem geht mir die Frage nach dem Preis von dieser Träumerei nicht mehr aus dem Kopf und vielleicht weiß ja einer von Euch, was eine 8' Zunge, 8' Flöte und 8' Schwebung + Orgelumbau circa kosten würde.
Viele Grüße,
TubaEpiscopalis
#2 RE: Was kosten Träume (Register)?
Puh, das ist sehr schwer zu sagen. Als Faustregel für die Kalkulation gilt ein Registerpreis von 25 - 30 T€, bei eidgenössischen Edelfirmen auch gern mal 40 T€.
Die Pfeifen selber sind nicht das Teure. Eine (vorintonierte) Trompete 8' kostet beim Pfeifenmacher (je nach Material und Legierung) ca 8 T€, eine offene Pfeifenreihe 8' (Flöte, Schwebung) liegt bei 6-7 T€, je nach verwendeter Legierung und nach Bearbeitungsaufwand.
Entscheidend sind jedoch die eigentlichen Erweiterungsarbeiten. Ihr Umfang ist abhängig vom Ladensystem. Zu einer elektrischen Kegellade lässt sich relativ einfach und kostengünstig eine kleine Zusatzlade (mglw. als Einzelventillade) bauen. Eine Schleiflade "anzustückeln" erfordert einen erheblich höheren Arbeitsaufwand, der Zubau einer mechanischen Lade ist wohl am teuersten. Zumal geprüft werden muss, ob die Windversorgung ausreicht. Auch die Windführung (Gebläse, Kanäle, Regulatoren) muss ggf. überarbeitet werden.
Je nach Aufwand und gewählter Firma würde ich im günstigsten Fall (bei ordentlicher Materialqualität und sorgfältiger, langlebiger Ausführung) 50 T€ veranschlagen - die Skala ist nach oben offen. Multiplex-Systeme, die inzwischen wieder im Schwange sind, kommen eventuell günstiger. Aber einer mechanischen Orgel eine elektrische Multiplex-Lade aufzupfropfen, halte ich für einen Stilbruch.
LG
Michael
Manchmal erschrecke ich über den apokalyptischen Reiter mit Namen „Teuerung“, der seit Jahren ungebremst durch die Lande zieht. Es ist noch nicht ewig her (genau vermag ich es nicht mehr zu sagen, vielleicht 15 Jahre?), dass in meiner Heimatpfarre eine neue Orgel gebaut wurde; damals galt als durchschnittlicher Registerpreis EUR 8.000,- bis EUR 10.000,- ...
Wie sich die Zeiten ändern...
#4 RE: Was kosten Träume (Register)?
Zu Beginn der 70er Jahre kalkulierten die Orgelbauer bei einem Neubau mit 10 TDM pro Stimme - als sich das Jahrzehnt dem Ende zuneigte, wurde mit 20 TDM gerechnet.
In dieser Zeit stiegen die Löhne pro Jahr um 5% plus x, innerhalb weniger Jahre verdreifachten sich zeitgleich die Preise für Zinn und Eichenholz.
Das führte an der Wende von den 70ern zu den 80ern zu einem massiven Einbruch der Neubau-Aufträge bzw. zum Bau von Spar-Orgeln. Ich war um 1980 an einem Projekt beteiligt, bei dem eine mittelgroße Kirche zu beschallen war, die mit rund 30 Stimmen angemessen bestückt gewesen wäre. Der Vorschlag des amtlichen OSV lautete auf II/12 mit Prinzipalbasis 4' im "Hauptwerk" ...
Ich habe dann mit massivstem Binnendruck Prinzipalbasis 8' und den Einbau einer Trompete durchgesetzt, damit die Orgel (mit II/14) wenigstens etwas Substanz entwickeln konnte. Ein Fagott 16' war schon nicht mehr finanzierbar, obwohl es dringend nötig gewesen wäre.
Dasselbe Phänomen beobachten wir jetzt wieder: Gerade in kleineren Gemeinden werden - wenn überhaupt noch - Orgeln mit Wechselschleifen, Vorabzügen, Querkoppeln, Transmissionen und anderen Notlösungen gebaut. Zu erleben, wie sich die Zufriedenheit mit diesen Instrumenten entwickelt, ist mir ja vielleicht noch vergönnt - wiewohl ich nicht sonderlich wild darauf bin.
LG
Michael
LG
Michael
Danke Euch für die kompetente Erörterung!
Die "betreffende" Orgel hat eine elektrische Spieltraktur und pneumatische Registertraktur (interessante Kombination, frage mich, warum nicht alles elektrisch/ pneumatisch ist). Man dürfte also relativ günstig davonkommen. Da ist also bestimmt noch ein nettes Glockenspiel und ein Zimbelstern als Spielerei drin...ok, jetzt reicht es mit den Träumereien...
Auch auf die Gefahr hin, hier als Ketzer verbrannt zu werden...
Ein hier im Forum nicht ganz unbekannter ehemaliger Kantor der Wichernkirche in Gießen hat seine PO in eben dieser Kirche midifizieren lassen und unauffällig einen Verstärker und zwei Boxen neben dem Orgelgehäuse versteckt...
Prompt wurden so "viele Träume wahr"... - ich erinnere mich an einen zauberhaften 8' Prinzipal im Hauptwerk und noch so einige andere leckere Sachen...
Wenn ich so lese, welche Hardwareerweiterungen an einer bestehenden PO nötig sind, um zusätzliche Register zu realisieren, frage ich mich, ob nicht eine Midifizierung als Lösung VIELLEICHT auch denkbar wäre?
#7 RE: Was kosten Träume (Register)?
#8 RE: Was kosten Träume (Register)?
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #7
Jo, davon gibt es zum Glück auch noch einige Klangdokumente.
Jo, und eben dieser Wichernkantor hat immer gesagt: "Wer klingt, hat Recht"...
Also ist es doch reichlich egal, ob der Klang durch den Einsatz von zigtausend Euro aus angeflanschten Windladen und neuen Pfeifen oder aus einem Dritteldutzend Lautsprecher kommt...
Vielleicht fehlt nur "Mut zur Lücke"?
VG
Aeoline
#9 RE: Was kosten Träume (Register)?
Zitat von Aeoline im Beitrag #8
Jo, und eben dieser Wichernkantor hat immer gesagt: "Wer klingt, hat Recht"...
Ich weiß das, Du weißt das - und ein paar andere wissen das auch.
Aber es gibt leider immer noch Leute, die wollen das gar nicht wissen. Aber es werden immer weniger ...
(Interessant ist es, wer von den "amtlichen" OSV, die ex officio jedes Sample für Teufelswerk erklären müssen, daheim eine DO hat - vermutlich als "abschreckendes Beispiel" ...)
Allein die zukünftige Kassenlage wird Denkverbote wegfegen.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #9
Allein die zukünftige Kassenlage wird Denkverbote wegfegen.
Also wenn Fa. Kisselbach eine AG wäre, wäre Dein Satz ein klares Kaufsignal für deren Aktien...
VG
Aeoline
#12 RE: Was kosten Träume (Register)?
Zitat von Aeoline im Beitrag #6
Auch auf die Gefahr hin, hier als Ketzer verbrannt zu werden...
Ein hier im Forum nicht ganz unbekannter ehemaliger Kantor der Wichernkirche in Gießen hat seine PO in eben dieser Kirche midifizieren lassen und unauffällig einen Verstärker und zwei Boxen neben dem Orgelgehäuse versteckt...
Prompt wurden so "viele Träume wahr"... - ich erinnere mich an einen zauberhaften 8' Prinzipal im Hauptwerk und noch so einige andere leckere Sachen...
Wenn ich so lese, welche Hardwareerweiterungen an einer bestehenden PO nötig sind, um zusätzliche Register zu realisieren, frage ich mich, ob nicht eine Midifizierung als Lösung VIELLEICHT auch denkbar wäre?
Auch mein "kleines, reiches Land" bleibt nicht vor Budgetkürzungen verschont - bereits ab 2021! Da kommt der (Orgel) musikalische Bereich gerade gelegen.
Im Okt 2018 habe ich eine Mittelfristplanung Orgelunterhalt für insgesamt 10 PO und 1 Truhenorgel erstellt (bis 2050). Für die Jahre 2020 bis 2022 habe ich (in Absprache mit den 3 anderen Mitgliedern der Orgelkommission) fogendes geplant:
a) 1 Orgelersatz (kleine 1-manualige PO mit 6 Register und angehängtem Pedal - Ausbau auf 2 Manuale mit Pedalregister)
b) 1 Revision mit Ausbau 3. Manual
c) 2 Revisionen nach 25 Jahren
Fazit der Entscheidungsbehörden:
a) ersatzlos gestrichen (das Örgelchen spielt ja noch....)!
b) auf unbestimmte Zeit verschoben (trotz zwei kostspieligen Reparaturen)
c) 2020 und 2021 werden keine Revisionen ausgeführt
Quo Vadis Orgellandschaft??? Ich mache mir echt Sorgen um unsere PO. Ich hoffe wenigstens, dass Midifizierung und Digitalisierung (Hybridtechnik) ein möglicher Rettungsweg werden könnte.
LG
Martin
#14 RE: Was kosten Träume (Register)?
„Sie spielt ja noch...“
Das klassische Totschlagargument der Ahnungslosen.
Ich frage mich halt immer, worauf die Entscheidungsträger warten: Bis sie nicht mehr spielt? Und dann?
Manche glauben wohl, dass man die nächste Orgel spontan beim nächsten Baumarkt kaufen kann...
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