Leute, Leute!

Wer gestern nicht in Kelkheim war, hat was verpasst! Eigentlich genügt ja ein einziges Werk von Duruflé, in einem Orgelkonzert einen Schluss- und Glanzpunkt zu setzen. Daniel Beckmann hingegen hatte "opera omnia" auf dem Tablet geladen. Und während der fleißige und kundige "Normalinterpret" sich pro Konzert mit der Besteigung eines "Viertausenders" des organistischen Repertoires begnügt, nahm Beckmann die Hörerschaft mit auf eine Gipfeltour.
Er unterstrich die Universalität der Musik Duruflés schon dadurch, dass er nicht eine der Stildispositionen/Intonationen der Kelkheimer Installation auswählte, sondern mit der "Normaleinstellung" spielte, die ja den Typus der möglichst vielseitigen Universalorgel repräsentiert. Dass Duruflés Musik darauf "geht", wurde für mich zu einer der schönen Erfahrungen dieses Abends.
Beckmann ist ein absoluter Ausnahme-Intepret. Er scheint keine technischen Grenzen zu kennen. Vor allem in den rhythmisch vertrackten und raffiniert ausgefeilten Fugen wurde seine souveräne Spieltechnik offenbar, die gepaart ist mit einem untrüglichen Sensus für die Dreiheit von Instrument, Raum und Klang, auf die sich jeder Interpret als Gegebenheiten einlassen muss. Da er jeden Tag an einem Großinstrument in einem Riesenraum spielt, weiß er um diese Wechselwirkungen und bezieht sie in seine hochdifferenzierte Klangregie ein.
Ersten Szenenapplaus gab's für Duruflés Hommage an den im Krieg gefallen Komponisten Jehan Alain. Die Fuge, die sich im letzten Drittel verdichtet und ständig an Dramatik gewinnt, war für mich ein erster Höhepunkt dieses Programms.
Was diese Orgel an Farben hergibt, wurde in den "Veni-creator"-Variationen besonders deutlich. In einem der Weihekonzerte der sinfonischen Ostchor-Orgel des Mainzer Doms hatte ich bereits vor wenigen Wochen die Suite op.5 gehört, die als Duruflés komplexestes und anspruchsvollstes Stück gilt. In Kelkheim, in einer Akustik, die bei aller Tragfähigkeit erheblich durchhörbarer ist, waren Details zu erkennen, die selbst bei sorgfältigster Klangregie im Großraum untergehen.

Mein Fazit: Ein in jeder Hinsicht großer Konzertabend. Ein grandioses "Geburtstagsständchen" für unseren Mitforisten Stephan.

LG
Michael