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Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Ich habe mal gelesen, dass man in der Barockzeit im Pedal nie mehrere 16füsser zusammen gezogen hat, da diese viel Luft „frassen“. Bei einem 16fuss-Zungenfundament war die 16fuss-Zunge denn auch das einzige 16fuss Register, Prinzipal 16fuss hätte schon zuviel Luft genommen. Kürzlich habe ich auf contrebombarde eine Einspielung des BWV 542 auf der neuen Bach-Orgel in Regensburg gehört und bei den Registereinstellungen war im Pedal 16‘ Prinzipal, 16‘ Subbass und eine angekoppelte 16‘ Zunge aus dem Manual eingeblendet - also anders, als es vielleicht früher Usus war.
Nun muss man heute ja nun wirklich nicht alles so machen, wie man es früher aus einer Notwendigkeit heraus machen musste. Aber - ein Ansatz für historisierendes Spiel?
Wer weiss etwas von diesen „lungensparenden“ Überlegungen in der Barockzeit und hat das eine Konsequenz auf Eure Registrierungen?
Liebi Grüess, Roland
#2 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Ich kann mir so etwas gut vorstellen. Der Kalkant wäre sicher dankbar gewesen. Ich weiß zwar nichts definitives zu dem Thema, über historische Registrierungen streitet man schon lange. Wenn man aber logisch überlegt. Es wird auch viel über Winddruck der alten Zungen spekuliert, die Situation in Frankreich betrachtet man jetzt nicht. Es ist teilweise schon auffällig, wie weich die alten Posaunen insbesondere in Norddeutschland aus der Barockzeit klingen. Ich habe mal so gelernt, die Labialen nimmt man um die harten Zungen zu „besänftigen“. In modernen oder richtig gesagt moderneren Orgeln mag es sogar zutreffen. Eine richtig barocke Orgel habe ich leider nie gespielt also habe ich keine entsprechende Erfahrung. Aber von den großen und erfahrenen Forianern weiß bestimmt jemand was davon. Interessant ist das Thema allemal.
#3 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
#4 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
#5 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Im Booklet zu OAMs Sampleset der Schnitger-Orgel in Steinkirchen heißt es
Zitat
In der Regel werden bei diesen Instrumenten keine Register der gleichen Fußlage innerhalb eines Werks
gezogen, speziell bei den (Pedal-)Zungen, also beispielsweise nicht Trompet 8 zusammen mit Principal 8.
Gründe sind Windverbrauch und (Ver-)Stimmung.
Darüber hinaus wird auf Die Norddeutsche Orgelschule von Paolo Crivellaro verwiesen.
Eine weitere Anlaufstelle ist vielleicht die Unterseite Orgelregistrierung der Webseite der Walcker-Stiftung. Dort sind beispielsweise Silbermanns Registrieranweisungen aus Grosshartmannsdorf und Fraureuth zu finden, in denen die Posaune 16' immer zum Subbass 16' dazugezogen wird.
Es dürfte hier also durchaus eine Abhängigkeit zur Orgellandschaft bestehen.
Viele Grüße
Trompetendulzian
#6 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Zitat von trompetendulzian im Beitrag #5
Eine weitere Anlaufstelle ist vielleicht die Unterseite Orgelregistrierung der Webseite der Walcker-Stiftung. Dort sind beispielsweise Silbermanns Registrieranweisungen aus Grosshartmannsdorf und Fraureuth zu finden, in denen die Posaune 16' immer zum Subbass 16' dazugezogen wird.
Leider betrifft es eher kleinere Orgel mit Pedalwerken von max. 3 Registern. Schade, daß kein solches Beispiel für Dresden oder Freiberg. Mit wirklich großen Pedalwerken und sogar 32´. 3 Zungen. Da könnte man sehr differenziert registrieren. Wenn ich mich nicht täusche hat Freiberg (Dom) nicht mal eine Pedalkoppel.
Das sogenannte „Äqualverbot“, deren Protagonisten keine zwei oder noch mehr Register der gleichen Fußlage ziehen würden, begründet sich mit Stimmungsungleichheiten zum einen und Luftversorgungsproblemen zum anderen. Das dürfte für die Instrumente der damaligen Zeit durchaus zutreffend gewesen sein. Wer schon an alten Orgeln gespielt hat, wird zudem bei zunehmender Anzahl von Stimmen und Registern bemerkt haben, dass das Instrument bei nicht ganz optimaler Luftversorgung zu Windstößigkeit neigen kann. Es gilt dann, aufmerksam zu bleiben, wann Plenumklang und Virtuosität die Orgel an ihre Grenzen bringt, um den Kollaps zu vermeiden.
Grundsätzlich ist das Ohr der letzte Richter, historische Regeln sind wichtig und es ist sicher vorteilhaft, sie zu kennen. Aber unsere heutige Spielsituation ist nicht mehr mit jener der damaligen Zeit vergleichbar, daher suche ich immer „die beste Lösung vor Ort“, auch jenseits aller Ge- und Verbote. Nach meiner Erfahrung sind regelkonforme Registrierungen häufig wenig zufriedenstellend und letztlich ging und geht es ja zu jeder Zeit immer darum, einen guten und überzeugenden Klang zu finden und um die Unterschiedlichkeit von Orgeln weiß hier sicher jeder Bescheid.
Oje, Äqualverbot...
Das ist ungefähr genauso unerleuchtet wie "keine Mixturen in der Fastenzeit".
An meinen verschiedenen Dienstorgeln war es noch jedesmal ein Gewinn, zum Prinzipal 8' auch eine Flöte in selber Fußtonlage hinzu zu ziehen. Verstimmtheiten können zudem auch bei Achtung des Äqualverbots auftreten. Und wenn zwei Register unerwünscht zueinander schweben, verwende ich sie bis zur nächsten Stimmung sowieso nicht gemeinsam. Dafür brauche ich keinerlei "Verbote", sondern einzig zwei Ohren und ein bisschen Gehirn dazwischen.
Der von Nassard gewiesene Weg, "nach Gehör" und im Einzelfall zu entscheiden, ist m.E. das beste, was man tun kann.
#9 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
@ pattisier
Zitat von pattissier im Beitrag #4
Der aber auch nicht ganz unumstritten ist...
.... auch wenn er in vielen Punkten umstritten ist, hat er in vielen Punkten doch recht.
Das sogenannte Äqualverbot wurde in Niedersachsen bis in die 70iger Jahre noch verbindlich für Instrumente aus der Barockzeit und teilweise des Neobarock unterrichtet.
Ein Spargelkrummhorn mit einem Gedackt abzudecken wurde allerdings ebenso unterrichtet.
Allerdings habe ich von meinen Lehrern seinerzeit auch gelernt, daß diesbezüglich die Spielregeln vom jeweiligen Instrument im jeweiligen Klangerlebnis endgültig festgelegt werden und von daher NICHT als absolut gelten können.
Wenn der Subbaß der Posaune den Wind "wegfrißt", dann bleibt er halt weg und die Posaune sollte dann auch allein ihren Dienst versehen.
Ursachen können sein: zu klein geratene Windmagazine Schöpfbälge und Motoren, zu klein geratene Windladenquerschnitte....
Das Äqualverbot macht z.B. werkübergreifend (Koppeln) auch bei historischen Instrumenten erst wieder Sinn, wenn der Wind nicht reicht.
Die Niederländer (aus einer Johannusbeschreibung) scheinen die als jauchzend beschriebene, tremolierende Balgplatte mit dem daraus resultierenden Klangergebnis mitunter zu lieben. Der Unterschied zwischen atmendem Wind und "Windstößigkeit" ist geschmacklich ganz schnell eine Gradwanderung.
Letztlich entscheidet das Ohr und guter Geschmack über eine Äqualregistrierung.
Eine Ausnahme bildet die Orgel etwa ab Frühromantik bis zur Symphonik und heutigen universal einsetzbaren Instrumenten. Hier entsteht z.B. bei einem Gedackt dem ein Streicher beigegeben wird etc. eine neue Klangfarbe. Das Klangfarbspiel durch Hinzufügung von Registern der gleichen Lage macht es durchaus interessant. Auch hier entscheidet Geschmack und das Ohr.....
#10 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Auf die Möglichkeit des Mischens möchte ich nur ungern verzichten. Andererseits habe ich eine ganze Reihe von Orgeln, die das überhaupt nicht vertragen. Regale und Hausorgeln sind einfach nicht dafür gedacht. Wenn ich solch einer Kleinorgel zusätzliche Register spendiere, dann als Alternative zu bereits bestehenden Registern und nicht zum Mischen. Ich kann auch mehrere gleiche oder ähnliche Register nehmen, die sich zum Beispiel durch die Mensurbreite oder durch Filter unterscheiden. Mischen gibt da wenig Sinn.
Anders bei grösseren Orgeln, da hat man deutlich mehr Spielraum. Einer meiner Favoriten ist die Kombination aus Kornett V und Kornett II mit modifiziertem Frequenzverlauf und einige Töne leicht gegeneinander verstimmt. Ich muss ja nicht zwingend in einer einzigen Epoche denken, sondern kann es mir leisten, meinem Geschmach nachzugeben.
Ich benutze gerne den Orgel-Expander Content EXP-220 und um dieser zweimanualigen Orgel mehr Würze zu geben ergänze ich sie gern zum Beispiel um diese Kornettkombination auf einem weiteren Manual.
Liebe Grüsse, Mike
Ich lese aus den verschiedenen Aussagen, dass
1. die Lunge eines Instrumentes bestimmt, ob ein allfälliges Äqualverbot als notwendiges Übel praktiziert werden muss oder nicht
2. die Spiel- und Klangerzeugungsfreude des Organisten eindeutig höher zu bewerten ist
3. man nicht stur sein soll und sich durch „Verbote“ nicht unnötig kasteien soll
4. und man sich an den Möglichkeiten des jeweiligen Instrumentes individuell orientieren sollte
Das entspricht auch meiner Auffassung: Eine „äqualverbotene“ Registrierung kann durchaus einen möglichen Charakter darstellen, ob sich die Organistenkollegen zur damaligen Zeit an solche Sachen gehalten haben - ich denke eher nicht (wenn sie ihr Instrument oder der Kalkant nicht dazu gezwungen haben)
Roland
Zitat von Gemshorn im Beitrag #8
Oje, Äqualverbot...
Das ist ungefähr genauso unerleuchtet wie "keine Mixturen in der Fastenzeit".
An meinen verschiedenen Dienstorgeln war es noch jedesmal ein Gewinn, zum Prinzipal 8' auch eine Flöte in selber Fußtonlage hinzu zu ziehen. Verstimmtheiten können zudem auch bei Achtung des Äqualverbots auftreten. Und wenn zwei Register unerwünscht zueinander schweben, verwende ich sie bis zur nächsten Stimmung sowieso nicht gemeinsam. Dafür brauche ich keinerlei "Verbote", sondern einzig zwei Ohren und ein bisschen Gehirn dazwischen.
Der von Nassard gewiesene Weg, "nach Gehör" und im Einzelfall zu entscheiden, ist m.E. das beste, was man tun kann.
Danke für die Blumen...
Die zwei Ohren sind ja meistens vorhanden, während... okay, ist ein anderes Thema 🙂
Zitat von orgelditi im Beitrag #12
So ganz nebenbei sei an JSB erinnert, der an einer neuen Orgel stets zuerst mit allen Registern die "Lunge" prüfte.
Für eine Orgelabnahme ist das auch nachvollziehbar, aber dabei geht es ja nicht um künstlerischen Ausdruck, sondern zunächst „nur“ um Prüfung der technischen Umsetzung des Orgelbauhandwerks.
Selbst bei einem noch so fetten Plenum habe ich noch nie wirklich alle Register gezogen, gerade bei größeren Instrumenten kann man einige Stimmen ohne Klangverlust weglassen. Ich praktiziere das sogar mit Hauptwerk so. An der PO spart es Luft und bei HW Rechenleistung.
#14 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Ein Beispiel einer größeren Orgel mit 19 Pedalregistern ist in den Registrierungen von Daniel Magnus Gronau für die Orgel von St. Johann in Danzig 1746 zu finden. Hier werden im Pedal fast immer drei labiale 16 Fuß-Register zusammen gezogen.
#15 RE: Registrierung von Luftfressern in der Barockzeit
Zitat von trompetendulzian im Beitrag #14
Registrierungen von Daniel Magnus Gronau für die Orgel von St. Johann in Danzig 1746...
Roman Perucki hatte mal erzählt, dass der Dom in Oliva (selbe Gegend) wohl bis zu 24 Kalkanten hatte -- da reicht es dann vielleicht auch für ein paar 16er ;)
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