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Frage zum alten Choralspiel
#1 Frage zum alten Choralspiel
Hallo zusammen,
ich habe mal eine Frage in die Runde zu dem Thema des Choralspiels in früheren Zeiten. Früher wurde ja sehr viel langsamer gesungen im Gottesdienst. Dementsprechend war der Orgelspieler und die Gemeinde da ja etwas freier als Heute wo sehr viel mehr auf Rhythmus und weniger auf die Worte geachtet wird.
Ich beschäftige mich schon länger mit den alten Sätzen, habe viele dazu befragt, aber noch keine wirklich zufriedenstellende Antwort gefunden. Allgemein wird gesagt, dass sehr viel langsamer gespielt wurde, jedoch ist sehr viel langsamer ein sehr dehnbarer Begriff. Ich habe einmal ein Beispiel angehängt und möchte einmal in die Runde fragen, ob jemand weiß ob es irgendwo Aufnahmen gibt, die diese Art wiedergeben. So könnte ich mir nämlich mal einen akustischen Eindruck davon machen wie es klingen könnte. Ich habe bei der Geschwindigkeit auch wirklich keinen Ansatz. Was ist eurer Meinung in dem Fall langsam für den Choral (eine Strophe), 40 Sekunden, 2 Minuten, 10 Minuten (extremes Beispiel, aber möglich)? Natürlich darf auch gerne jemand eine eigene Interpretation davon zeigen.
Die Noten stammen aus 1874, sind also nicht mehr geschützt.
Notenbeispiel.png
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#2 RE: Frage zum alten Choralspiel
Ich denke, ein gutes Beispiel ist dies hier:
https://youtu.be/YAnAqdPQHdo
Vor allem die Zeilenüberleitungen gibt es noch bis ins 19. Jhd. in Choralbüchern.
Was das Singen betrifft, soll, ich meine, Schubert mal gesagt haben, dass man eine Zeile auf einem Atem singen können sollte.
#3 RE: Frage zum alten Choralspiel
Danke, dass höre ich mir mal Morgen in Ruhe an. Also könnte ich mich eher von der Geschwindigkeit an Kantaten halten, die eher langsam gesungen werden. Vielleicht sogar noch einen Tick langsamer.
Das Problem was ich immer dabei habe ist, dass die Grenze zwischen langsam und schleppend eben sehr fließend sind. In den einem Moment ist es im langsamen angenehmen Fluss, im nächsten Moment wirkt es irgendwie schleppend und träge...
Zitat von Sc1978 im Beitrag #2
Was das Singen betrifft, soll, ich meine, Schubert mal gesagt haben, dass man eine Zeile auf einem Atem singen können sollte.
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die Preußen waren damals ja sehr gemütlich unterwegs. Was Schubert gesagt hat, das war wohl seine Sicht der Sache, ein anderer könnte sagen, dass ein Wort so lange erklingen sollte, bis man seinen Sinn begriffen hat... Die Wahrheit liegt wohl dazwischen irgendwo. Was ich immer erschreckend finde ist, dass die Gemeinde ihre Lieder herunter singt und wenn man einmal fragt um was es überhaupt ging und wie man es verstehen kann, was die Aussage ist. Dann kommt meistens nur ein fragender Blick, weil es für viele wohl nur eine Pflicht ist auf dem Gottesdienstprogramm.
Eigentlich schade, da die Geschichten hinter den Liedern ja oft sehr spannend ist. Ich habe mich schon immer für die Geschichten interessiert. Warum hat jemand diesen Text geschrieben, was ist die Geschichte dahinter. Natürlich gibt es diese seelenlosen Stücke, die nur geschrieben wurden, weil es jemand konnte. Aber sehr viele Stücke haben eben eine Geschichte und wenn man diese kennt, dann spielt man es selbst auch anders.
#4 RE: Frage zum alten Choralspiel
Zitat von Sc1978 im Beitrag #2
Was das Singen betrifft, soll, ich meine, Schubert mal gesagt haben, dass man eine Zeile auf einem Atem singen können sollte.
Ohne es nachweisen zu können, stammt dieses Zitat kaum von Franz Schubert (der sich nie mit dem kirchlichen Volksgesang beschäftigt hat), sondern eher von Christian Friedrich Daniel Schubart, in dessen musitheoretischen Werken das Thema eine Rolle spielt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_F...Daniel_Schubart
http://imslp.org/wiki/Category:Schubart,...riedrich_Daniel
Zum Tempo des Gemeindegesangs:
Es stimmt, dass langsamer gesungen wurde, und dass bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zeilenzwischenspiele eingefügt wurden. Das beste Beispiel dafür bietet J. S. Bach mit seinen sogenannten Arnstadter Orgelchorälen (z.B. BWV 729 oder 732), in denen die Zeilenzwischenspiele geradezu ausufern, die aber zur Gemeindebegleitung gedacht waren. Wir haben das mal in einem Gottesdienst bei der GdO-Orgeltagung in Dresden ad experimentum realisiert anhand eines Liedblattes von Kreuzorganist Holger Gehring, in dem die Melodien untransponiert mit Zeilenzwischenspielen aus alten Handschriften verwendet wurden. Mit voller Kraft geschmettert! Im Laufe der weiteren historischen Entwicklung wurden diese Zeilenzwischenspiele gestutzt und schließlich entfernt. Man findet sie noch in abeschwächter Form im Werk von Christian Heinrich Rinck, z. B. in Choralbuch für das Großherzogthum Hessen 1814
https://imslp.org/wiki/Choralbuch_f%C3%B...istian_Heinrich)
siehe dort die Nr. 20, 21, 24, 30, 31 als Beispiele.
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Eigentlich schade, da die Geschichten hinter den Liedern ja oft sehr spannend ist. Ich habe mich schon immer für die Geschichten interessiert. Warum hat jemand diesen Text geschrieben, was ist die Geschichte dahinter. Natürlich gibt es diese seelenlosen Stücke, die nur geschrieben wurden, weil es jemand konnte. Aber sehr viele Stücke haben eben eine Geschichte und wenn man diese kennt, dann spielt man es selbst auch anders.[/quote]
Wenn Du Näheres über Hintergründe zu Texten und Melodien des Kirchengesangs wissen willst, empfehle ich Dir
Thust, Die Lieder des Evangelischen Gesangbuchs, 2 Bände, Bärenreiter
Franz-Kurzke-Schäfer, Die Lieder des Gotteslob, Verlag Kath. Bibelwerk Stuttgart, oder
Geistliches Wunderhorn - Große deutsche Kirchenlieder, Verlag C. H. Beck
Ist halt nicht kostenlos zu haben; bekommt man ggf. über die Fernleihe von Bibliotheken.
Viele Grüße,
Willi
#5 RE: Frage zum alten Choralspiel
Zitat von kargelertfan im Beitrag #4
Wir haben das mal in einem Gottesdienst bei der GdO-Orgeltagung in Dresden ad experimentum realisiert anhand eines Liedblattes von Kreuzorganist Holger Gehring.....
Wie wurde das ganze von der Gemeine angenommen?
Das von dir genannte Buch kenne ich. Ich selbst bevorzuge da aber die "Liederkunde zum evangelischen Gesangsbuch", da mir dies ausführlicher ist und ich nur die Bände kaufen muss die mich auch interessieren. Günstiger ist diese Variante jedoch nicht :)
#7 RE: Frage zum alten Choralspiel
Zitat von Christian_Hofmann im Beitrag #5
Wie wurde das ganze von der Gemeinde angenommen?
Die durchaus positive Erfahrung damit lässt sich sicher nicht auf eine "normale" Ortsgemeinde übertragen. Denn diese "Spezial-Gemeinde" bestand aus ca. 120 Tagungsteilnehmern, die darauf mit Ankündigung vorbereitet waren.
#8 RE: Frage zum alten Choralspiel
[quote=""|p71562]
Die durchaus positive Erfahrung damit lässt sich sicher nicht auf eine "normale" Ortsgemeinde übertragen.
Das vermute ich ja auch. Wenn ich einfach mal ein solches Liedblatt ausgeben würde, dann würde es vermutlich nichts werden. Die Gemeinden sind meiner Erfahrung nach ja oft daran gewöhnt wie es schon immer war und die wenigsten können überhaupt mit Noten etwas anfangen im Gesang. Da wird irgendwie die Worte so gesungen wie man es sich denkt, in Erinnerung hat, oder zum Rest der Gemeinde passt.
Ich werde mal schauen ob ich so ein Zwischending machen kann. Also ein oder zwei Lieder dieser Form ausgeben und den Gemeindechor einsetzen. So nach dem Motto hört es euch einmal an wie es gedacht ist vom Chor und wenn ihr wollt, dann stimmt einfach mit ein. Wenn nicht, dann genießt den Chor einfach :)
Im Kontext der Offenen Kirche bin ich ja oft lange in der Kirche und wenn nichts weiteres zutun ist, dann spiele ich gerne mal in die alten Form an der Orgel, also schön langsam. Damit hat man schöne Musik im Raum und bringt niemanden in die Verlegenheit mitsingen zu wollen, oder anzunehmen dass es sich um ein liturgisches Spiel handelt.
Wobei das hier in der evangelischen Gemeinde nicht so wichtig ist, da kann ich eigentlich jederzeit auch das Choralspiel mal durchgehen. In Katholischen Gemeinden habe ich aber schon mitbekommen, dass es dort nicht erwünscht ist ein Choralspiel außerhalb der Gottesdienste zu spielen. Und wenn doch, dann soll es so gestaltet werden, dass niemand einen falschen Eindruck bekommt. Also abgewandelt oder im anderen Rhythmus und keinesfalls die übliche Choral Registrierung... Gut, darüber kann man nun streiten. Aber so sind in einigen Gemeinden wohl die Regeln.
Christian, man sollte dich direkt in die Kommission für das nächste Gotteslob holen. Diese wird bestimmt abermals gut eingesungene Melodien abändern, sodass die Organisten für die nächsten Jahrzehnte damit beschäftigt sind, der Gemeinde zu erklären, warum nun eine einzelne Note oder deren Wert anders zu singen ist.
Daumen hoch.
Hallo,
Zitat von Christian_Hofmann im Beitrag #8
Wobei das hier in der evangelischen Gemeinde nicht so wichtig ist, da kann ich eigentlich jederzeit auch das Choralspiel mal durchgehen. In Katholischen Gemeinden habe ich aber schon mitbekommen, dass es dort nicht erwünscht ist ein Choralspiel außerhalb der Gottesdienste zu spielen. Und wenn doch, dann soll es so gestaltet werden, dass niemand einen falschen Eindruck bekommt. Also abgewandelt oder im anderen Rhythmus und keinesfalls die übliche Choral Registrierung... Gut, darüber kann man nun streiten. Aber so sind in einigen Gemeinden wohl die Regeln.
also, das wäre mir neu. Sicher ist es so, dass in touristischen Brennpunktkirchen oder in Kirchen, in denen ständig viele Leute beten (Wallfahrtskirchen, bei Anbetungen...), nicht Orgel geübt werden soll. Aber wenn geübt werden kann, was doch regelmäßig in den meisten Kirchen der Fall ist, kontrolliert doch niemand, ob Rhythmus und Melodie oder gar die Registrierung stimmen. Jedenfalls ist mir so etwas noch nie passiert und ich habe schon an ungezählten Orgeln in katholischen Kirchen im In- und Ausland gespielt und geübt.
Beste Grüßevon der Waterkant
Christoph P.
#11 RE: Frage zum alten Choralspiel
Ich finde das Dokument leider nicht mehr. Wenn es mir wieder begegne teile ich es gerne mal.
Zitat von pvh im Beitrag #10
Sicher ist es so, dass in touristischen Brennpunktkirchen oder in Kirchen, in denen ständig viele Leute beten (Wallfahrtskirchen, bei Anbetungen...), nicht Orgel geübt werden soll.
Natürlich sehe ich es genau so, dass man zu besonderen Anlässen nun nicht unbedingt einen Schüler die Grundlagen üben lassen sollte. Von diesen besonderen Tagen mal abgesehen, sehe ich das ganze recht pragmatisch. In einer Kirche wird nun einmal auch gearbeitet. Da laufe ich eben auch mal mit dem Staubsauger durch und der Orgelschüler übt seine Stücke. In unserer Kirche kommen auch im Jahr rund 10.000 - 15.000 Besucher vorbei und da müssen dann eben einige auch damit leben, dass der Nachwuchs mal unschöne Töne in den Raum wirft. Das Orgelspiel lernt man nun einmal an einer Orgel :)
Auf der anderen Seite sollte man es auch nicht zu dramatisch sehen. Ich habe auch schon Stücke geübt vor einem Gottesdienst wo gefühlt mehr Töne falsch waren als richtig. Dann auf dem Heimweg sprechen einen die Leute an wie schön das doch klingt... Die meisten Besucher werden nichts sagen, da sie es vermutlich nicht hören wenn es etwas schief war und das Metrum nicht getroffen wurde. Der erfahrene Orgelspieler wird auch nichts sagen, da er aus seiner Vergangenheit weiß wie es ist :)
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