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Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
Ich spiele 2025 mehrere Konzerte zum Thema „Lehrer Lämpels Literaturliste“ (Max und Moritz) und überlege mir, was der norddeutsche Landorganist um 1860 in seinem Repertoire wohl hatte.
Ausser den 8 Präludien und Fugen - habt Ihr Ideen, was zu der Zeit übliche und häufig gespielte Literatur war?
Liebi Grüess, Roland
#2 RE: Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
Hier ist genau die Literatur, die in der ersten Hälfte des 19. Jh. und darüber hinaus in Norddeutschland von den Lehrerorganisten gepflegt wurde:
https://www.bodensee-musikversand.de/pro...&p=ext-record-9
Die Bände gibt es auch einzeln.
LG
Michael
#4 RE: Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
Zitat von Roland im Beitrag #1
Ich spiele 2025 mehrere Konzerte zum Thema „Lehrer Lämpels Literaturliste“ (Max und Moritz) und überlege mir, was der norddeutsche Landorganist um 1860 in seinem Repertoire wohl hatte.
Ausser den 8 Präludien und Fugen - habt Ihr Ideen, was zu der Zeit übliche und häufig gespielte Literatur war?
Liebi Grüess, Roland
Ich frage mich ob zu der damaligen Zeit überhaupt Literatur in den Kirchen auf dem platten Land gespielt wurde ?
(Also ich meine jetzt nicht die Stadtkirchen.)
Grund A: Gab es überhaupt ausreichend spielbare Orgeln in den Kirchen ?
Elektrischen Strom für ein Gebläse gab es noch nicht. (wenn jemand üben wollte, brauchte er einen Helfer für den Blasebalg)
Wahrscheinlich war oftmals ein Harmonium in den kleineren Kirchen vorhanden.
Grund B: Gab es ausreichend Landorganisten welche das Orgelspiel via Musikunterricht erlernt haben ?
Konnte man überhaupt Orgelunterricht zu der Zeit nehmen ? Musikschulen gab es nicht und ob es in der nächstgelegenen größeren Stadt einen Organisten gab welcher auch unterrichtet hat ?
Ich erinnere mich an meine Kindheit und frühe Jugend (70er und 80er) wo oftmals Autodidakten auf der Orgelbank saßen. Literatur wurde kaum gespielt, da das Spielvermögen dafür gar nicht vorhanden war.
#5 RE: Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
Der Herausgeber der drei Bände, der Freiburger Musikwissenschaftler Konrad Küster, hat umfangreiche Studien zur ländlichen Musizierpraxis und ihren Rahmenbedingungen betrieben, in denen Deine Fragen hinreichend beantwortet werden. Das Konzentrat ist den Bänden als (ausführlicheres) Vorwort vorangestellt. Es hier zu zitieren, wäre ein Raum- und Zeitproblem. Die Materie ist etwas komplexer.
Nur ein Gedanke: Die Landorganisten in der Region um die Hansestädte waren keine orgelspielenden Lehrer, sondern Lehrer spielende Organisten. In diversen Ländern, z.B. Mecklenburg oder Holstein, trug der (ländliche) Lehrer die Berufsbezeichnung "Kantor", da ihm primär der Kirchendienst oblag.
Dass es keine "ausreichend spielbaren" Landorgeln gab, ist dadurch widerlegt, dass es kaum eine Gegend mit höherer Dichte an historischen Instrumenten in den Landkirchen gibt als Im Norden und entlang der Küste.
LG
Michael
Wilhelm Busch hat einen Teil seines Lebens in Wiedensahl verbracht, einer kleinen Gemeinde mit ein paar Hundert Dorfbewohnern. Max und Moritz hat autobiografische Züge und die Nachbarn in Wiedensahl hiessen z.B. Bolte. Eine Orgel gab es in der im Spätmittelalter erbauten Kirche auch schon. Auf der Zeichnung in Max und Moritz sitzt Lehrer Lämpel an seiner Orgel, über dem Spieltisch sind 12 Registerknöpfe zu sehen. Bei aller Frage nach Niveau, Ausbildung und Begabung stellt sich auch die Frage, ob ein orgelspielender Landlehrer überhaupt Möglichkeiten hatte, an grössere spielbare Literatur heranzukommen. Wenn Lehrer Lämpel grössere Literatur zur Auswahl hatte, dann, weil er ein interessierter Orgelspieler war.
Ich werde die von Michael erwähnten Bände mal genauer anschauen.
LG
Roland
#7 RE: Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
Hallo,
vielleicht noch ein paar HInweise: An den damaligen Lehrerbildungseinrichtungen (um 1860 gabe es übrigens noch keine Lehrerinnen, die ersten gab es erst ein paar Jahre später) gehörte Orgelspielen zum Ausbildungsprogramm. Christian Heinrich Rinck, der als erster oder einer der ersten mit Verkauf der Hefte mit seinen Kompositionen ziemlich gutes Geld verdiente, war auch unter Lehrern sehr beliebt. Die Publikation von Noten erfolgte damals anscheinend zum Großteil auf Subskripitionsbasis, die Listen der verbindlichen Vorbesteller wurde mit abgedruckt (keine DGSVO damals). Ich habe gerade in Op. 120 ("24 Fugirte Orgelstücke") nachgesehen: Da findet sich unter den "Subscribenten" ein guter Teil von Lehrern und Hilfslehrern, Seminaristen (also solchen, die gerade die Lehrerausbildung durchlaufen), aber auch Pfarrer.
Natürlich stand nicht in jedem Dorf eine zweimanualige Orgel mit 25 Registern oder so, aber mit einer einmanualigen Orgeln mit 5-10 Registern und vielleicht fest angehängtem Pedal und auch mal einem eigenständigen Pedalregister (Subbass) konnte man schon rechnen:
https://orgelmuseum-malchow.jimdofree.co...ventar/b/bibow/
https://orgelmuseum-malchow.jimdofree.co.../a/ankershagen/
In etwas größeren Orten oder bei reicheren Bauern* waren dann auch schon mal zwei Manuale angesagt:
https://orgelmuseum-malchow.jimdofree.co...entar/k/kessin/
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
* Beispiel: Die Bauern des kleinen Dorfes Wadersloh im Münsterland wurden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die aufblühende Zementindustrie so reich, dass sie sich Ende des 19. Jahrhunderts eine völlig übertrieben riesige Kirche im Dorf leisten konnten. Entsprechend findet man heute dort eine dreimanualige Orgel mit 46 Registern.
Hallo zusammen. Hier noch ein Tipp zur organistischen Lehrerausbildung:
https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Ka...Q0h01ZZ1?pid=8#
Kleine Nebenbemerkung:
Wer als Lehrer in die Stadt wollte, lernte Violine und andere Streichinstrumente. Organisten gab es hier genug.
Wer Orgel lernte ging meist auf das Land.
Im übrigen gibt es viele Publikationen "zum Gebrauch in Lehrerseminaren". Einfach mal bei imslp suchen. Man findet dort einiges.
#9 RE: Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
P.S.: Noch etwas zu den Harmonien: Diese waren zwar um 1860 schon erfunden, wurden in großen Stückzahlen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebaut und dienten in Privathaushalten als Ersatz für teurere Klaviere und in kleineren Versammlungsräumen religiöser Gemeinschaften oder Kapellen als Orgelersatz.
Zitat von Roland im Beitrag #6
Bei aller Frage nach Niveau, Ausbildung und Begabung stellt sich auch die Frage, ob ein orgelspielender Landlehrer überhaupt Möglichkeiten hatte, an grössere spielbare Literatur heranzukommen. Wenn Lehrer Lämpel grössere Literatur zur Auswahl hatte, dann, weil er ein interessierter Orgelspieler war.
Die Literatur kann ja auch noch vom Vorgänger herumliegen oder der Pfarrer hat sie gekauft (siehe Suscribentenliste).
Und hier ist noch Lehrer Lämpel in Aktion zu sehen:
https://www.wilhelm-busch.de/wp-content/...ichnung-01.jpeg
BGvdW
chp
#10 RE: Literaturauswahl von Lehrer Lämpel
Küster hat auch nur einen Bruchteil an Literatur erfasst. Ein Großteil der damaligen Orgelliteratur basierte auf Chorälen. Und auch Herr Küster wunderte sich, als ich ihm mal mitteilte, dass man Schwencke, Cunze und Co in zahlreichen ausländischen Orgelpublikationen finden kann. Vieles war eben n i c h t nur von lokaler Bedeutung.
Guten Rutsch ins 2025!
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