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Registrierung im Gottesdienst
Mhh - war das ein katholischer Pfarrer? Ich weiß jetzt nicht ob ich mir das nur einbilde, aber ich habe immer wieder den Eindruck, daß in der katholischen Kirche oft die Gemeinde permanent einen Ton (oder einen gefühlten halben Takt ) hinter der Orgel her hinkt. Nach dem Motto: "Erstmal abwarten welcher Ton jetzt kommt - und dann schnell nachsingen". In den evangelischen Kirchen habe ich sowas noch nie bemerkt. Teilt jemand die Erfahrung mit mir? Wie geht man als Organist damit am besten um?
#20 RE: Registrierung im Gottesdienst
Ich kann Deine Erfahrungen aus meinem Umfeld nur bestätigen. In vielen kath. Gemeinden bestehen offensichtlich (negative) Traditionen in puncto Gemeindegesang. "Das war immer so" ist nach wie vor Totschlagargument Nr. 1, wenn jemand was ändern will.
In den Unterrichtswerken der Jahrhundertwende (ich sammle so ein Zeug) für angehende kath. Lehrerorganisten wurde sogar schulmäßig gelehrt, den ersten Akkord eines Begleitsatzes so lange zu halten, bis die Gemeinde einsetzt (der sog. "Lumpensammler". Dazu lange Fermaten auf den Zeilenschlüssen, erneuter "Lumpensammler", um im Schlußtakt natürlich ein "gefühlvolles" Ritardando. Die nächste Strophe dann im retardierten Tempo ... Letzteres steht natürlich nicht im "Lehrbuch der Orgelkunst zum Gebrauch an königlichen Lehrerseminaren", ergab sich aber oft aus der Praxis und dem Unvermögen des Organisten, das erste Tempo wieder aufzunehmen und durchzusetzen. Ich habe noch greise Titulare so spielen hören - mit dem Erfolg, daß die Gemeinden noch lahmer sangen, als der Organist spielte und man sich beim - seltenen - 3. Vers fragte, wer denn hier gerade beerdigt wird.
Wenn ich - gelegentlich - in einem kath. Gottesdienst aushelfe, gestalte ich das Choralvorspiel so, daß der c.f. in Tempo und Metrik genau so zu hören ist, wie er im folgenden der Choral gesungen wird. Ich zähle die Pause zwischen Vorspiel und Begleitsatz exakt aus und führe die Melodie dann solistisch mit profilierter Registrierung - z.b. Prinzipalchor mit Mixtur und (so vorhanden und gestimmt) Trompete 8', begleitet von Fl. 8' und Prinzipal 4' in II. Den ersten Ton des Begleitsatzes dehne ich ganz leicht und setze ihn vom folgenden Melodieton deutlich ab. Außerdem spiele ich die Baßlinie je nach Raumakustik mehr oder weniger portato. Eine halbwegs intelligente Gemeinde (die, in der ich manchmal aushelfe, ist zugleich Universitätsgemeinde) kapiert, was ich von ihr will.
Um vom Anfang an Schwung in die Sache zu bringen, spiele ich auch mal die erste Choralzeile unisono in vier Oktaven.
Ich besitze ein kath. Orgelbuch einer süDdt. Diözese aus der Vorkriegszeit, da beginnen alle Begleitsätze mit einem Orgelpunkt über die komplette erste Verszeile. Sinn dieser Maßnahme lt. Vorwort: Die Gemeinde soll allmählich ins Tempo finden - also der "Lumpensammler" auf vier Takte ausgedehnt. Nett ausgedacht gedacht und gut gemeint ...
Ich habe lange Jahre in Nordbayern gearbeitet, wo aufgrund ehemaliger territorialer Zugehörigkeiten zu kath. Fürstbistümern und ev. Reichsgrafschaften geschlossen katholische und protestantische Dörfer bunt durcheinander und nebeneinander liegen. In den ev. wurde sauber im Metrum gesungen, in den kath. geschleppt. Was meine These bestätigt, daß es sich um unterschiedliche konfessionelle Traditionsbildung handelt.
Kleine Arabeske: Ich habe eine zeitlang Gottesdienste in einem Klinikum "ökumenisch" beorgelt. Und der (wie so oft) längst pensionsreife kath. Krankenhauspfarrer - übrigens eine Seele von Mensch - zog mich immer auf, ich solle "nicht so evangelisch daherorgeln". Er meinte damit Choralvorspiele, die mehr als acht Takte hatten ...
Grüße
Michael
Genau so übel wie singende Pfarrer finde ich Organisten, die meinen selber mitbrüllen zu müssen. Wie wollen die hören, wie die Gemeinde singt?
Ebenso ungünstig auf den Gemeindegesang wirken sich auch ständig wechselnde Kirchenmusiker aus. Der eine spielt so, der andere so, da kommt es schon mal zu Irritationen.
Ansonsten kann ich nur Michael beipflichten. Das Vorspiel muss in dem Tempo kommen, in dem das Lied dann auch gesungen wird, allerdings höre ich immer wieder sehr schnelle Intonationen auf denen dann der Choral sehr lahm, in einem ganz anderen Tempo folgt. Und das ganze dann von Vollprofis!
Dass katholischerseits eher langsam (und mitunter unrhythmisch) gesungen wird, muss ich leider bestätigen. Mindestens bei uns hier im Burgenland kenne ich kaum eine Gemeinde, wo qualitativ hochwertiger Gemeindegesang kultiviert wird. Ganz im Gegenteil wird man von Pfarrern und Gemeindemitgliedern gleichermaßen zurechtgewiesen, wenn es denn wieder einmal "zu schnell" gewesen sein soll.
Allerdings mag es regionale, weniger konfessionelle Unterschiede geben; das müsste man einmal genauer unter die Lupe nehmen.
So viel kann ich sagen: Es gibt hierzulande eine gewisse Tradition der "Bequemlichkeit", die einem Bewahren schlechter Angewohnheiten gleichkommt.
Schneller singen? Aber gewiss nicht! Neue Lieder lernen? Nicht mit uns!
Wer als Kirchenmusiker seinen Idealen treu bleiben will, hat es mitunter nicht leicht.
Sorry für das Lamento; auch aus mir spricht ein gewisser Frust, wie ihr merkt.
Herzlichen Dank für Eure detaillierten Ausführungen! Da kann man doch schon eine ganze Menge daraus lernen. Vor ein paar Jahren hatte ich mal eine kath. Messe in einem Dorf in der Eifel besucht. Dort durfte ich das komplette geschilderte Spektrum mit "Lumpensammlern" usw. tatsächlich live erleben - ich hatte als Evangelischer dabei das Gefühl gleich platzen zu müssen.
Anschließend suchte ich die Orgelempore auf. Die Orgel stammte aus der Jahrhundertwende 19xx und der Organist war wohl des gleichen Baujahrs. Die Orgel wurde wohl auch nie regelmäßig von jemand anderem außer ihm gespielt. Aber ein sehr liebenswerter Mensch! Er hat mich gebeten, doch gerne mit seinem Instrument ein Weilchen zu spielen und ihm dann den Schlüssel nach Haus zu bringen. Sie hatte wirklich wunderschöne Register dabei, allerdings die pneumatische Traktur hatte eine Verzögerung, die man fast mit der Eieruhr ausmessen konnte!
Wenn ich mir nun vorstelle darauf diese Gemeinde begleiten zu müssen. Sicher vergingen dabei von der Entscheidung jetzt den Ton zu spielen bis zum Drücken der Taste und dem Erklingen des Tons und dem Einsatz der Gemeinde mehrere Sekunden! Kann man da überhaupt noch irgendwie regulierend einwirken?
Das Orgelbuch zum Gotteslob macht einem ja auch eine obligate Spielweise nicht gerade einfach. Die Problematik mit den eigentlich viel zu kurzen und im Bezug zum Choral oftmals viel zu schnellen Intonationen wird einem hier nochmal bewusst. Mitunter bekam ich auch schon selbst beim Mitsingen in der Gemeinde Probleme mit der Tonlage, wenn das Vorspiel oder ein Choralvers mit zu starkem Einfluß von Alliquoten oder quinttönigen Registern gespielt wurde.
Die Choralzeile dann unisono zu spielen, eignet sich das eher zum Vorspiel oder auch für den ersten Vers?
@Gemshorn: Ein Kirchenmusiker soll ja auch Diener und Knecht sein und nicht experimenteller Künstler.
Zitat von Mikelectric
Das Orgelbuch zum Gotteslob macht einem ja auch eine obligate Spielweise nicht gerade einfach.
Kannst du das näher ausführen?
Unzulängliche Orgeln wären ja eigentlich schon ein neues Threadthema — glaubt mir, ich kann ein Lied davon singen.
Letztlich liegt es auch an der Leidensfähigkeit des Organisten, wie lange er an einem grauenhaften Instrument durchhalten will. Ich wage die Vermutung, dass nicht wenige KollegInnen neurotisch ausharren, obwohl die Situation längst unerträglich ist.
Die Choräle im Gotteslob sind ja ausschließlich in einem System mit 2 Notenzeilen gesetzt. Sopran+Alt in der oberen und Tenor+Baß in der unteren Zeile. Üblicherweise, so habe ich mir von kath. Organisten erklären lassen, wird dann Sopran+Alt in der rechten Hand gespielt, Tenor in der linken Hand, alles in einem Manual. Der Baß wird im Pedal gespielt sofern vorhanden, sonst im Manual - richtig?
Die Evangelischen gehen öfter hin und spielen den Cantus-Firmus (meist Sopran) auf einem separaten Werk als solistische Einzelstimme hervorgehoben (also obligat). Dadurch fällt es auch leichter den Gemeindegesang zu führen und der Gemeinde fällt es leichter die Melodie zu erkennen. Dazu sind die Stimmen im Choralbuch häufig in einem dreizeiligen System gesetzt. Natürlich kann man das auch aus den zwei Zeilen des Gotteslob so spielen, aber viele (nebenamtliche) Organisten haben dann Mühe Alt+Tenor-Stimme aus zwei verschiedenen Notenzeilen mit den unterschiedlichen Notenschlüsseln in der linken Hand zu vereinigen.
(Habe ich das so jetzt ausreichend richtig beschrieben um auch dem kritischen Anspruch evtl. mitlesender Kantoren zu genügen? [smile])
Zitat
Unzulängliche Orgeln wären ja eigentlich schon ein neues Threadthema — glaubt mir, ich kann ein Lied davon singen.
Au ja, das hört sich spannend an.
Zitat
Ich wage die Vermutung, dass nicht wenige KollegInnen neurotisch ausharren, obwohl die Situation längst unerträglich ist.
Es sind gewiss die Organisten, die dem Vorbild Jesu, zumindest im Leidensweg, am meisten folgen.
Zitat von Mikelectric
.... allerdings die pneumatische Traktur hatte eine Verzögerung, die man fast mit der Eieruhr ausmessen konnte!
Wenn ich mir nun vorstelle darauf diese Gemeinde begleiten zu müssen Sicher vergingen dabei von der Entscheidung jetzt den Ton zu spielen bis zum Drücken der Taste und dem Erklingen des Tons und dem Einsatz der Gemeinde mehrere Sekunden! Kann man da überhaupt noch irgendwie regulierend einwirken?
Unsere Pfeifenorgel hier in der Gemeinde ist auch pneumatisch. Und es stimmt, dass die Verzögerung sehr sehr gewöhnungsbedürftig ist.
Man kann sich aber daran gewöhnen und dementsprechend auch in einem normalen Tempo spielen. Nur das direkte "Feedback" fehlt oder es kommt zu spät.
Ich erinnere mich, dass mein Vater mich nach den ersten Gottesdiensten, die ich damals spielte, immer sauber zusammengestaucht hat, dass ich zu langsam spiele und dass der Gemeindegesang so nicht mit der Orgel zusammenpasst. Ich denke, dass ich damals immer auf das "feedback" des Gesangs gewartet habe. Das war falsch. Ein innerliches leises Mitsingen in dem Tempo, das man sich vorstellt, das hat dann geholfen. Dass der Ton nach dem Drücken der Taste immer noch viel zu lange braucht um zu ertönen, ist eventuell das Problem. Wenn man dann wartet bis man was hört, dann wird das Orgelspiel "elendiglich" langsam.
Mich tröstet aber, dass dieses Problem nicht nur mich damals betraf, sondern dass es auch heute noch Organisten gibt, die damit kämpfen.
In einer Nachbargemeinde ist das Gegenteil zu beobachten. Dort spielt der Organist so schnell, dass man gar nicht zum Schnaufen kommt und der Gesang der Orgel hinterherhechelt, so als ob das ein Wettrennen wäre.
Das ist auch nicht besser.
Zitat von Mikelectric
Die Choräle im Gotteslob sind ja ausschließlich in einem System mit 2 Notenzeilen gesetzt. Sopran+Alt in der oberen und Tenor+Baß in der unteren Zeile. Üblicherweise, so habe ich mir von kath. Organisten erklären lassen, wird dann Sopran+Alt in der rechten Hand gespielt, Tenor in der linken Hand, alles in einem Manual. Der Baß wird im Pedal gespielt sofern vorhanden, sonst im Manual - richtig?
Die Evangelischen gehen öfter hin und spielen den Cantus-Firmus (meist Sopran) auf einem separaten Werk als solistische Einzelstimme hervorgehoben (also obligat). Dadurch fällt es auch leichter den Gemeindegesang zu führen und der Gemeinde fällt es leichter die Melodie zu erkennen. Dazu sind die Stimmen im Choralbuch häufig in einem dreizeiligen System gesetzt. Natürlich kann man das auch aus den zwei Zeilen des Gotteslob so spielen, aber viele (nebenamtliche) Organisten haben dann Mühe Alt+Tenor-Stimme aus zwei verschiedenen Notenzeilen mit den unterschiedlichen Notenschlüsseln in der linken Hand zu vereinigen.
Da muss ich widersprechen. Das evangelische Choralbuch ist genauso geschrieben - zwei Notenzeilen (S+A und T+B), so dass der Organist für das c-f-Spiel Alt und Tenor in zwei verschiedenen Schlüsseln lesen (und umsetzen) muss. Wie auch beim Gotteslob, wie ich deiner Beschreibung entnehme.
Die dreizeilige Notation habe ich bisher nur in einer Ausgabe von Strube ("Choralbuch kreativ" gefunden. In Teilen auch in "Lasset den Lobgesang hören" von Rudolf Suthoff-Groß.
Danke für die Korrektur! Natürlich habe ich da Senf erzählt, daß dies im evangelischen Choralbuch besser wäre - nein es fördert mit seinen 2 Zeilen das obligate Spiel natürlich auch nicht mehr als das Gotteslob. Aber soweit ich weiß, wird obligates Spiel evangelischerseits häufiger verwendet als im Katholischen. Aber bitte korrigiert mich wenn es anders ist. Ich hatte nur gerade einige Notenbilder von Chorälen im 3-zeiligen System vor mir liegen als ich den Text schrieb - sorry.
Ich weiß nicht, was bei Evangelens gepflogen wird, leider.
In meinem Umkreis gibt es aber sehr, sehr viele Gemeinden, wo Menschen Orgel spielen, die in ihrer Jugendzeit irgendwann einmal ein wenig Klavierunterricht hatten. Da wird das Pedal völlig ignoriert, auch vom Registrieren versteht man nichts. Habe selbst erlebt, dass bei steckvoller Kirche und eifrig singender Gemeinde nur ein Gedackt 8' zur Begleitung des Gemeindegesangs verwendet wurde. [sad]
Atemzäsuren werden grundsätzlich als Fermaten für den vorangehenden Akkord verstanden, das Tempo wird an die Langsamstsingenden angepasst.
Ironie des Schicksals, das just in solchen Gemeinden nicht selten neue Orgeln gebaut werden.
Anderenorts, wo es durchaus solide Organisten gibt (ja, auch das kommt vor!), muss man sich mit uralten Krüppelwerken bescheiden, die selbstredend unter Denkmalschutz stehen (man fragt sich, warum) und so auf ewige Zeiten die Aussicht auf eine neue Orgel zunichte machen. [sad]
Auweh, ich sollte langsam die Klappe halten; mir geraten die eigenen Beiträge schon zu zynisch...
Das Orgelbuch zum EG (Bärenreiter) enthält für jedes Lied einen vier- und einen dreistimmigen Satz, beide auf zwei Systemen notiert. Wen man die entsprechende Grifftechnik übt, lassen sich fast alle Sätze mit hervorgehobener Melodie spielen (gilt auch für das Orgelbuch zum "Gotteslob" die dreistimmigen Sätze kann man bloß manualiter mit separatem c.f. oder als Trio ausführen. Ein Nachteil des EG-Orgelbuchs: Anders als das GL-Orgelbuch enthält es nicht alle Liedstrophen. Die braucht man aber für die textgerechte Phrasierung und Artikulation.
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