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Bekenntnis zur Digitalorgel — Ketzerei?
Zitat von Gemshorn
Unterm Strich hieße das, dass Digitalorgeln kirchenuntauglich sind.
Dabei kennst Du ausreichend viele Pfeifenorgeln, die selbst für die Kirche untauglich sind selbst wenn man sie nur für liturgischen Gebrauch einzuschätzen hat.
Leute, machen wir uns doch mal nichts vor! In vielen Kirchen stehen irgendwelche noname-Hobel, die für sich den Denkmalschutz vollautomatisch in Anspruch nehmen, bei denen man sagen müßte "Denk mal!" Wir orientieren uns bei PO immer an Namen der Orgelbauer, die ihr Handwerk verstanden, und lassen die vielen mißglückten Werke außer Acht.
@Gemshorn: Was empfindest Du, wenn Du von Deinem Gemeinde-Hobel zurückkehrst an Deine Neuerwerbung, und Dir geht ein "Whow" über die Lippen?
Wohlgemerkt, ich kenne Dein "Whow" und teile es.
Ich empfinde leichte Resignation.
Der Hobel ist unter Denkmalschutz, weil barock (kein Argument, ich weiß... aber sag das mal dem Schwachverständigen...). Selbst das Anstreben einer Zweitorgel ist kein Thema, da es an Problembewusstsein fehlt. 30 Jahre Orgelspiel auf tiefstem Niveau haben ihre Spuren hinterlassen; und es stimmt ja, dass auch aus dem Hobel noch einiges herauszuholen ist. Aber bei welchem Aufwand!
Und Digitalorgeln — meine Vermutung — gelten hierzulande immer noch als Teufelswerk.
Zitat von Gemshorn
Und Digitalorgeln — meine Vermutung — gelten hierzulande immer noch als Teufelswerk.
Aber doch nur, weil man an jenen Standorten die PO mit dem irrationalen Begriff "sakral" einschleimt, obwohl es trotzdem "nur" ein Musikinstrument bleibt, auch wenn die Schleierbretter mit Blattgold belegt sind und neckische Putten, als Engel verkleidet, das Ambiente aufwerten sollen.
Das scheint mir zu kurz gegriffen.
Nicht, dass die Pfeife als "sakral" gilt — das tut sie nicht — sondern dass sie als alleiniglich sakraltauglich gilt. Fragt man die Gründe für diese Einstellung ab, stößt man auf allerlei Ungereimtheiten, Mythen und Undurchsichtigkeiten.
Mein Fazit: Man will den Wert einer guten Digitalorgel gar nicht erkennen. Und an diesem Nichtwollen scheitert jede Argumentation.
Zitat von Abstrakte
Den Hardliner (igitt, digital) wird in der Regel vom Arbeitgeber ein Traum von PO zur Verfügung gestellt. Restauration bezahlt der Chef, Stimmen 2mal per anno bezahlt der Chef. Die hochgerechneten 150 bis 400 T€ hat vor Jahren auch der Chef bezahlt.
Dies ist wirklich das beste Argument, um nicht konstruktiver Kritik an der Digitalorgel gleich von Anbeginn den Wind aus den Segeln zu nehmen. Daran hab' ich noch gar nicht gedacht. Wirklich perfekt analysiert.
Ich habe als Jugendlicher öfters auf Analog- und Digitalorgelinstallation in Kirchen gespielt (laaaang ist's her). Abgesehen davon, dass diese Instrumente den heutigen in vielerlei Hinsicht klar unterlegen waren, störte mich häufig besonders eines im Vergleich zur PO: der schwache Schalldruck. In der Regel war davon nicht der ganze Frequenzgang betroffen, sondern besonders das Klangfundament, seltener die Höhen und die Brillanz. Gut möglich, dass da die limitierte Polyphonie oder nicht optimal eingestellte Parameter eine Rolle spielten, ABER ich denke, dass das Problem eher bei der unzureichenden Verstärkung und vor allem Abstrahlung lag (ja, ich weiss, mein Lieblingsthema...).
Da gab's zum Teil noch Orgeln - heute würde einen das blanke Entsetzen packen (die On-Off Schalter, mit denen man die Gemeinde zu Tode erschrecken konnte, GEM, deren Hauptschalter öfters mal nicht funktionierte, Schwellpedal für die ganze Orgel, das manch ein Organist aufs Schrecklichste missbrauchte, die tollen Setzer der Content (oder war's Eminent?) Orgeln PP bis FF, die nebst dem Hervorbringen klanglicher Missgeburten bei jedem Umstellen knallten, etc).
Zitat von Gemshorn
Und Digitalorgeln — meine Vermutung — gelten hierzulande immer noch als Teufelswerk.
http://www.farfeleder.at/orgelverein/news.php [240T€]
http://cross-press.net/Docu/GLAUBE/St.Pe...orgel/index.htm
http://www.pfarre-schoenberg-lachtal.at/...&id=9&Itemid=10
Ich hatte vor ein paar Wochen Gelegenheit, in Ede bei Johannus auf einer Digitalorgel in deren kirchenraumähnlichem Konzertsaal zu spielen (für diejenigen, die mal dort waren: das relativ "kleine" Instrument auf der Empore).
Der klang dort war einfach nur phänomenal. Mit Sicherheit auch ein Ergebnis der aufwändigen Abstrahlbatterien.
Wer da ernsthaft gegen argumentiert oder es gar verteufelt, ist für mich ein Ignorant.
Oder bestochen.
Grüße,
Matthias
#26 RE: Bekenntnis zur Digitalorgel — Ketzerei?
Ach Leute,
diese Debatte ob Pfeife oder Sample ist doch längst nur noch ein Thema für Ideologen – so wie der Krieg zwischen Hauptwerkern und Samplern, Samplern und Physical Modellern, Physical Modellern und Hauptwerkern und jedem gegen jeden.
Musiker haben da ein ganz simples Verfahren: Sie spielen auf allem, was klingt.
Und von allem, was nicht klingt, lassen sie sie Finger.
Pfeife klingt nicht per se „gut“ oder „schlecht“. Von den paar hundert Pfeifenorgeln, die mir in den vergangenen 40 Jahren unter die Finger gekommen sind, würde ich um die 20 Prozent als wirklich „gut“ bezeichnen (d.h. überlegt disponiert, angemessen dimensioniert, ordentlich intoniert, handwerklich solide und funktionssicher). Von den elektronischen Orgeln 0 (in Worten: „null&ldquo Prozent. Das war eine technische und musikalische Sackgasse. Von den digitalen Installationen, die mir bisher in Kirchen oder Friedhofshallen unter die Finger gekommen sind, (in Verwendung als gottesdienstliches Instrument) ebenfalls so um die 20 Prozent. Der Rest klingt schlecht, funktioniert schlecht, ist über- oder unterdimensioniert. (Eine Digitalorgel französisch-sinfonischen Stils mit 60 Registern und voll aufgedrehtem Kunsthall – aber dafür mit Hosenbeinbeschallung - in einer kleinen, kammermusikalisch intimen mittelhessischen Dorfkirche ist einfach eine absolute Stillosigkeit.)
Hauptwerk habe ich noch nicht im Gottesdienst gespielt, ebenso keine Orgel mit physical modelling.
Ich möchte die Option nicht mehr missen, daheim in einem wohltemperierten Musikzimmer den spieltechnischen Teil der Dienstvorbereitung mit mehr als drei engst mesurierten, piepsigen und meistens verstimmten Pfeifenregistern und angehängtem Pedal absolvieren zu können. (Und auch einmal in virtuellen Klängen zu baden, die meine Pfeifenorgel nicht bietet - und es gibt nicht wenige Kollegen, die genauso ticken.) Es hat schon seine Gründe, warum solcher Orgelminimalismus auf der Ladach-Homepage in dutzendfacher Ausfertigung den Laden hütet …
In meiner Gemeindekirche hingegen fände ich es fatal, mir Töne aus vier oder fünf (oder meinetwegen auch zehn) bodennahen Lautsprechermembranen von meiner sangesfreudigen Gemeinde in Grund und Boden singen zu lassen. Da könnten die Samples noch so edel sein. Unsere Pfeifenorgel (II/15) ist nicht wirklich „groß“ aber sie „trägt“ einfach gut, ist musikalisch intoniert und funktioniert zuverlässig.
Anderswo mögen die Verhältnisse anders liegen. Dann darf man auch ungeschmäht zu anderen Lösungen kommen. Ferndiagnosen und „absolute Wahrheiten“ kommen immer von Ideologen.
Musiker spielen (am besten im Gottesdienst), hören, urteilen … und wer klingt, hat Recht.
FG
Michael
Hallo,
ich finde, man muss hier immer eine Abwägung treffen zwischen einem a) von der Gemeinde bezahlbaren Instrument, b) einem der Raumgröße angemessenen Instrument und c) dem Spaßfaktor. Wenn ich teilweise in Kirchen mit 100 Sitzplätzen lediglich ein einmanualiges Positiv verbaue, nur dass eine PO in der Kirche steht, mag das zwar bezahlbar sein. Allerdings finde ich, dass das Spielen eines einmanualigen Positivs mit angehängtem Pedal bei 100 Zuhörern null Spass macht. Da spiele ich lieber zuhause auf meiner DO. Und wenn ich in diesem Fall die Wahl zwischen der besagten PO und einer DO habe, dann lieber doch die DO...
Viele Grüße
Meschmesch
#28 RE: Bekenntnis zur Digitalorgel — Ketzerei?
In ähnlich gelagerten Verhältnissen war ich mal von einer Gemeinde zum Sachberater bestellt. Der Raum hatte allerdings rund 200 Sitzplätze. Die Gemeinde verfügte über ein Budget von unter 100.000 MARK. Dafür hätte es damals neu ein (qualitativ hochwertiges) Pedalpositiv mit sieben Registern auf Prinzipalbasis 4' gegeben. Benötigt hätte der Raum 15 bis 20 Register und unbedingt Prinzipalbasis 8' - nicht finanzierbar, da sich die Gemeinde gerade ein (den Aktivitäten angemessenes) Gemeindezentrum geleistet hatte.
Die Organistin schrieb einen Wunschzettel: 70 plus X Register digital, französisch-sinfonisch, mit drei 32'ern. (Herrliche Lachnummer. Alle welschen Registernamen zusammengeschreiben, die sie jemals gehört hatte - nach dem Motto: Hauptsache "harmonique".) Der ferne Chefideologe empfahl per Ferndiagnose das Positiv. Als der Kirchenvorstand nicht willfahren wollte, reiste er höchstselbst 250 km an, um diesen (erfolglos) einzuschüchtern, blieb allerdings bei der Ferndiagnose. Er betrat nicht einmal die Kirche ...
Mein Vorschlag - der dann realisiert wurde - sah so aus: Für die Erfordernisse des ev. Gottesdienstes pleno- solo- und c.f.-fähig disponierte, zweimanualige Gloria Monarke mit mild und warm klingender, freundlicher Intonation nach barockisierenden Vorbildern und aufwendigster Abstrahlung. Nach mehr als einem Dutzend von Jahren ist die Gemeinde immer noch zufrieden. Dank bester Hardware funktioniert das Instrument störungsfrei. Und wenn ich gelegentlich dort aushelfe, komme ich immer zum Schluß, dass es eine gute zweitbeste Lösung, aber die damals beste realisierbare Lösung war.
Damals gab es noch keinen Markt für gebrauchte Orgeln. Heute würde ich - unter denselben (finanziellen) Rahmenbedingungen und Sachzwängen - zu einer guten Gebrauchtorgel (Pfeife) von ca. 20 Registern raten, wenn der Markt sie denn gerade hergäbe.
Die vorhandene Gloria bietet im solistischen Literaturspiel sehr schöne Farben und im Trio äußerst plastische und differenzierte Mischungen. Die Klaviaturen erlauben so viel Artikulation, wie auf Elektrik eben möglich ist. Aber die Gemeinde singt sehr kräftig und in Festgottesdiensten erzeugt die Orgel trotz 24kanaliger Abstrahlung in den Mittellagen m. E. nicht genügend Tragfähigkeit für die Domestizierung des Gemeindegesanges - mit Tragfähigkeit meine ich nicht Lautstärke!
Ceterum censeo - jeder Fall ist ein Einzelfall und braucht sorgfältiges Abwägen aller Faktoren, wenn am Ende eine Lösung stehen soll, die weitgehende Zufriedenheit herbeiführt.
FG
Michael
Hallo,
ich sehe das auch relativ pragmatisch.
Allerdings: Wenn ich auf Reisen bin, egal ob dienstlich oder privat, informiere ich mich immer, ob es vielleicht da unterwegs oder am Zielort eine Möglichkeit gibt, auf einer Orgel zu spielen. Manchmal gehe ich auch vor Ort in die Kirchen und frage, z.B. nach einem Gottesdienst, nach, ob ich einmal spielen kann. Als Dorforgler vermeide ich natürlich wichtige historische und auch große Orgeln in frequentierten Kirchen und suche eher nach 2manualigen Instrumenten in "ruhigen" Kirchen. Wenn ich jetzt aber überlege: Ich habe noch nie versucht, auf einer DO zu spielen, mich interessieren da nur POn.
Warum? Ein Kollege hat mir mal gesagt, dass er ganz gerne bei McDonald's esse, weil man da weltweit diesselbe Qualität und denselben Geschmack geboten bekomme. Das ist sicher faszinierend. Aber wenn ich nach Frankreich, Mexico, Singapur oder Marokko reise, möchte ich persönlich immer lieber die lokale Küche kennen lernen. Ich probiere da alles von der einfachsten Garküchen an der Straße bis hin zu guten Restaurants. Wieso sollte ich nun versuchen, in Poitiers, Sevilla oder Salzburg in einer Kirche eine Viscount xy oder Johannus yz auszuprobieren?
Zum finanziellen Argument: Klar ist das vielfach so, dass eine Gemeinde sich keine PO leisten kann, und ichstimme auch zu, dass nicht in jedem Dorf eine große PO Sinn macht. DOn sind für mich schon eine Wohltat, ohne sie ginge bei uns im armen Nodosten beispielsweise kirchenmusikalisch gar nichts. Es geht für mich hier aber auch um Kultur im weiteren Sinne. Diesselben finanziellen Argumente werden derzeit genutzt, wenn es um die Schließung von Theatern, Orchestern, Kunst im öffentlichen Raum usw. geht. Ich bin mal gespannt, ab wann der Abriss von wenig genutzten gotischen Kirchen diskutiert wird. Eine Stadt, Region oder Gesellschaft aber, die nichts mehr für Kultur und ihre Geschichte und Traditionen aufbringen möchte und mir außer Massenkultur (Roland Kaiser in der Stadthalle usw.) nichts bietet, ist für mich wenig attraktiv. Wir brauchen gute Kunst und Kunstobjekte genauso wie gute Ingenieure. Wenn ich mir ansehe, was beispielsweise für Fußball so ausgegeben wird (man könnte ja mal nachfragen, was die Polizei für ein Bundesligawochende kostet, eine einzelne Hundertschaft kostet, soweit ich weiß, für ein Wochenende ca. 50.000 Euro), so frag ich mich schon, ob da die eine oder andere PO nicht drin sein müsste. Geld ist in größeren Mengen schon da, blos wie verteilt man es?
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
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