Stimmung/Temperament

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09.03.2013 14:14
avatar  Falcon 2000 ( gelöscht )
#16 RE: Stimmung/Temperament
Fa
Falcon 2000 ( gelöscht )

Ich muss diesen Thread wieder hochholen.
Irgendwie entging mir die Antwort auf die Frage selbst.

Welche Stimmung, welche Temperatur sollte man denn für welche Stücke nehmen?
Ich habe jetzt einige Bücher und das Internet benutzt, kenne das Pythagoräische Komma, habe vom Limma, Ditonus gelesen, weiß, dass es die schöne Wolfsquinte gibt, dass es weit über 100 Stimmungen gibt, etc etc, und "bin so klug als wie zuvor".
Was nehme ich für was her?

Wenn ich mit der gleichstufigen Stimmung z.b Takles "Festmusikk" spiele, dann ist das grundsätzlich unterschiedlich zur 1/4 tönigen. Das erstemal als ich das machte, hat es sehr schräg im Ohr geklungen, aber nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich daran und es macht richtig Spass. Klingt dann irgenwann "interessanter", abwechslungreicher.
Nur als mein Sohn reinkam, meinte er "Papa, du spielt das ja jetzt ganz falsch".
In meinen Ohren klang es gut, aber nicht in seinen.

Wir haben uns also gehörmäßig an die gleichstufige gewöhnt und empfinden diese als "richtig". Wenn man aber länger in einer anderen spielt, dann kann man sich auch an diese gewöhnen, auch in unterschiedlichen Tonarten.

Welche Musik ist aber i.A. für welche Stimmung ideal?
Wenn neue Orgeln heute nach Valotti, etc gestimmt werden, ist dann bald die gleichstufige wieder "misstönig"?
Warum wird nach alten Stimmungen gestimmt?

Habt ihr eine Vorliebe für eine bestimmte Stimmung oder wechselt ihr für unterschiedliche Musik? Oder bleibt ihr bei der gleichstufigen Stimmung?

Etwas verwirrt,
Christoph


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09.03.2013 15:44
avatar  pvh
#17 RE: Stimmung/Temperament
pv
pvh

Hallo,

Zitat von Falcon 2000
Welche Stimmung, welche Temperatur sollte man denn für welche Stücke nehmen?


zunächst mal die, die gut klingt und gefällt. Da ich unsere Kirchenorgel nicht einfach mal umstimmen kann, übe ich meist mit der heute üblichen gleichstufigen Stimmung. Wenn ich mal hören will, wie die Stücke zur Zeit er Komposition klangen, nehme ich halt die Stimmung, die damals üblich war. Also etwa:
- Mittelalter bzw. Zeit der Gotik (gibt es aber wenig Literatur, etwa "Robertsbridge Codex", Buxheimer Orgelbuch, vielleicht auch noch Hofhaimer und solche Sachen, da bin ich mir aber nicht sicher): Pythagoreisch (habe ich aber gar nicht an der Orgel).
- Ab Renaissance (tja, wieder Hofhaimer und Konsorten) und etwa bis ca. 1700 (also auch Sweelinck, Pachelbel, vieles von Buxtehude): Mitteltönig.
- Ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (1675): Stimmungen nach Werkmeister, Sorge, Kirnberger und wie sie alle heißen (Buxtehude, Bach).
- Ab 1750, und ziemlich überall ab ca. 1820: Heutige gleichstufige Stimmung (spätestens alles ab der Romantik).

Ausnahmen gibt es sehr, sehr viele. Beispiele:
- Frescobaldi empfahl bereits um 1640 die gleichstufige Stimmung für die Orgel in der Basilica S. Lorenzo in Damaso.
- In Spanien wurde weit ins 17. Jahrhundert hinein die mitteltönige Stimmung verwendet, in Mexico sogar bis ins 19 Jahrhundert hinein (die hatten auch damals kein Geld für die jeweils neuesten Trends).

Faustregel: Pythagoreisch braucht man an der Orgel eigentlich so gut wie nicht. Musik der Rennaissance bis Hochbarock kann man immer mal mitteltönig probieren, vor allem bei Tonarten mit bis zu 2 Vorzeichen, 3 gehen eigentlich schon nicht mehr (z.B. Wolfsquinte as-es bei Es-Dur bei 1/4 Komma). Pachelbels Terz- und Sextorgien beispielsweise schreien förmlich nach Mitteltönigkeit. Für Bach und Spätbarock eine der Stimmungen, die den Übergang zur gleichstufigen bilden. Werkmeister III ist hier oft ein guter Kompromiss. Ab Spätklassik, Romantik alles gleichstufig.

Von Sorge gibt es ein Stück ("Toccata per ogni modi", in der es quer durch die Tonarten geht. Das kann man ja mal für verschiedene Stimmungen ausprobieren.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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09.03.2013 16:12
avatar  Falcon 2000 ( gelöscht )
#18 RE: Stimmung/Temperament
Fa
Falcon 2000 ( gelöscht )

Hallo @chp
Vielen Dank für die schnelle und umfassende Antwort.

Und genau

Zitat von chp
... vor allem bei Tonarten mit bis zu 2 Vorzeichen, 3 gehen eigentlich schon nicht mehr (z.B. Wolfsquinte as-es bei Es-Dur bei 1/4 Komma).


diese Wolfsquinte finde ich gut Von F-Dur nach As-Dur, genau dieser Gegensatz würzt die Suppe.


Zitat
Pachelbels Terz- und Sextorgien beispielsweise schreien förmlich nach Mitteltönigkeit. Für Bach und Spätbarock eine der Stimmungen, die den Übergang zur gleichstufigen bilden. Werkmeister III ist hier oft ein guter Kompromiss. Ab Spätklassik, Romantik alles gleichstufig.

Von Sorge gibt es ein Stück ("Toccata per ogni modi", in der es quer durch die Tonarten geht. Das kann man ja mal für verschiedene Stimmungen ausprobieren.



Ich werde mich da mal in der Zukunft damit beschäftigen, das muss ich ausprobieren.

Vielen Dank
Christoph


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