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Stimmung/Temperament
Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstanden habe. Je mehr Vorzeichen, desto weniger ist z. B. die mitteltönige Stimmung (ich weiß, es gibt etliche Modifikationen dieser Stimmung) brauchbar. C-Dur, F-Dur, G-Dur, D-Dur gehen wunderbar, aber auch a-moll, d-moll oder g-moll. Dann wird es schon schwierig. Die Werkmeister-Stimmungen ermöglichen schon einen Gebrauch fast aller Tonarten, allerdings mit einigen Schärfen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer neue Stimmungen entwickelt, z. B. um die Werke Bachs besonders gut darzustellen (Kellner). Am langweiligsten ist eigentlich die gleichstufige Temperatur, die die heute gebräuchliche ist, obgleich bei Orgelneubauten inzwischen häufig wieder modifizierte Stimmungen gelegt werden.
Zitat von Tabernakelwanze
Am langweiligsten ist eigentlich die gleichstufige Temperatur, [...]
Wieso denn das?
Gerade die gleichstufige Stimmung weist die größte Farbigkeit auf, weil kein Intervall wirklich "rein" ist.
Nicht nur, daß alle Tonarten für unser Gehor (inzwischen) damit gut darstellbar sind, auch alle Epochen sind darauf spielbar, so daß wir einerseits (durch Gewöhnung¹ Harmonie empfinden, zugleich die Musik durch die feinen Reibungen belebt wird.
Man stelle sich mal Liszt auf Pythagoreischer, 1/4-Komma-mitteltönige, Valotti, Werckmeister oder sonstwas für Stimmung vor!
Nein, die "Evolution" der Stimmungen hat in der gleichstufig temperierten nach vielen (Fehl-)versuchen erst mal einen Abschluß gefunden, indem die Quinten minimal kleiner und die Terzen etwas größer als rein sind. Somit wurde das pythagoreische Komma ausgeglichen - quasi eine Quadratur des Kreises. Nichtsdestoweniger bleibt sie ein Kompromiß, bisher allerdings ein tragfähiger für alle chromatischen Musikinstrumente.
¹ Die Gewöhnung des Gehörs im historischen Verlauf sollte nicht unterschätzt werden. So wurde z. B. in der mittelalterlichen Musik die Terz als "Dissonanz" empfunden.
Die mitteltönige Stimmung, deren Intervalle auf ganzzahligen Schwimungsverhältnissen beruhen, schmeichelt unseren Gehör sicher mit ihrer "Sauberkeit", wenn es spielbare Tonarten sind. Und ein Pachelbel klingt damit schon sehr anheimelnd. Doch wer kann seine Pfeifenorgel für jedes Stück neu stimmen (lassen)?
Langweilig, weil eben alles völlig gleich ist. Wo ist da die Farbigkeit, die ich für die Musik der entsprechenden Epochen brauche? Wir haben es da mit gleichmäßigen Verstimmungen zu tun, die jede Farbigkeit in der alten Musik abtötet. Ich bin natürlich nicht so blöDe und würde Liszt in mitteltöniger Stimmung oder Werckmeister spielen , aber es gibt noch viele andere Stimmungen! Und die alten Meister k l i n g e n erst richtig in der dazu passenden Stimmung, z. B. die chromatischen Durchgänge, bei Scheidt & Co. Da haben wir es in Choralvorspielen häufig mit Schärfen zu tun, die den zugrunde liegenden Text in ganz neuem Licht erscheinen lassen. Die Musik erklärt ihn gerade zu. Wenn wir das ganze dann mit unserer "langweiligen" gleichstufigen Stimmung hören, bleibt von diesen Klangerlebnissen wenig.
Da unsere Digitalorgeln uns all die Stimmungsänderungen auf Knopfdruck erlauben, sollten wir sie auch fleißig nutzen. Wer da Scheidemann u. a. gleichstufig örgelt ist selber schuld und beraubt sich eines ganz besonderen Klangerlebens!
und sowas:
http://www.koelnklavier.de/quellen/tonarten/allgemein.html
funktioniert bei gleichschweben auch nicht.
Mit der gleichstufigen Stimmung gehen einfach wesentliche Ausdrucksmöglichkeiten verloren. Man kann ein Stück in den Tonarten wahllos hoch und runter transponieren und es ändert sich eben nur die Tonhöhe, aber nicht der Klangcharakter des Stücks. Ich kann mir schwer vorstellen, daß Bach uns mit dem "Wohltemperierten Klavier" diese Eintönigkeit als Wohltemperierung verkaufen wollte. Im Gegenteil leben die Tonarten doch erst und machen Sinn, wenn es Tonarten gibt in denen ganz reine Intervalle überhaupt möglich sind und für die musikalische Darstellung von Sanftheit verwendet werden können und ebenso in anderen Tonarten auch "Wolfsquinten" bewusst eingesetzt werden können um musikalisch dramatische Inhalte damit darzustellen.
Das Clavier sei wohl "Temperieret", nämlich gefärbt in allen Schattierungen. Aber nicht Wohltemperiert dahingehend, daß alles exakt ausgeglichen sein soll.
Gruß Michael
Zitat von Mikelectric
Man kann ein Stück in den Tonarten wahllos hoch und runter transponieren und es ändert sich eben nur die Tonhöhe, aber nicht der Klangcharakter des Stücks.
Das ist eben nicht richtig. Alle, die über ein entsprechend geschultes Gehör verfügen, bemerken sofort, wenn ein Stück transponiert wurde, auch wenn nur um einen halben Ton.
Aus welchem Grunde wurden denn zuweilen mehr als drei Vorzeichen verwendet? Um den Interpreten mit 6 b's zu ärgern? Um mit dem Tonumfang unterschiedlicher Instrumente zurechtzukommen? Nein, um dem Stück genau den Charakter der Tonart zu geben, den sich der Komponist vorstellte.
Zitat von Mikelectric
Ich kann mir schwer vorstellen, daß Bach uns mit dem "Wohltemperierten Klavier" diese Eintönigkeit als Wohltemperierung verkaufen wollte.
Nun, das unterscheidet Dich von Bach. Er stellte es sich so vor.
Zitat von Mikelectric
Das Clavier sei wohl "Temperieret", nämlich gefärbt in allen Schattierungen. Aber nicht Wohltemperiert dahingehend, daß alles exakt ausgeglichen sein soll.
Selbst in der gleichstufigen Stimmung ist "nicht alles exakt ausgeglichen". Frage mal einen (guten) Klavierstimmer nach seinen "Tricks".
Zitat von PeterW
Alle, die über ein entsprechend geschultes Gehör verfügen, bemerken sofort, wenn ein Stück transponiert wurde, auch wenn nur um einen halben Ton.
Klar merkt man das - es hat ja eine andere Tonhöhe.
Zitat
Aus welchem Grunde wurden denn zuweilen mehr als drei Vorzeichen verwendet? Um den Interpreten mit 6 b's zu ärgern? Um mit dem Tonumfang unterschiedlicher Instrumente zurechtzukommen? Nein, um dem Stück genau den Charakter der Tonart zu geben, den sich der Komponist vorstellte.
Genau - und der Charakter ist ausschließlich abhängig von der in dieser Epoche üblicherweise verwendeten Stimmtemperatur, so wie Tabernakelwanze es schon richtig dargestellt hat.
Zitat
Nun, das unterscheidet Dich von Bach. Er stellte es sich so vor.
Ich gehe davon aus Du kanntest Bach noch persönlich pa:
Zitat
Selbst in der gleichstufigen Stimmung ist "nicht alles exakt ausgeglichen".
Stimmt, die einzig exakten Intervalle sind die Oktaven. Alle anderen Fehler teilen sich gleichmäßig auf.
Zitat
Frage mal einen (guten) Klavierstimmer nach seinen "Tricks".
Eine Klaviersaite unterliegt auch anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten als eine Orgelpfeife oder ein elektrischer Tonerzeuger. Wenn von Clavier geredet wird ist oftmals die Klaviatur gemeint, z.B. einer Orgel oder eines Cembalo und weniger ein Pianoforte als Instrument.
Lieber Terzglockenton:
Der Quintenzirkel funktioniert schon seit der Renaissance [wink] , nur gab es eine Reihe ungelöster Probleme, weil nun die in der mittelalterlichen Musik wegen der bis dahin verwendeten pythagoreischen Temperatur als dissonant empfundene Terz nun mit Einführung der Chromatik Dur-/Moll-bestimmend wurde. Damit machte sich eine andere Temperatur erforderlich, zunächst die sog. reine Stimmung, die reine große Terzen enthielt. Diese Temperatur konnte aber auf Tasteninstrumenten nicht wiedergegeben werden, weshalb man hier die mitteltönige Stimmung verwendete.
Nur die Wohltemperierte Stimmung für Tasteninstrumente "funktioniert" mit dem (ein wenig "gestauchten", ich schrieb weiter unten wie) Quintenzirkel. Auf Tasteninstrumenten werden die b's und # logischerweise schon immer(!) enharmonisch verwechselt, auch vor der Wohltemperierten.
Fis ist gewiß substantiell etwas anderes als ges, auch heute noch: Bei Streichern und Bläsern.
Ausgangspunkt war doch meine folgende Aussage:
Zitat von Mikelectric
Mit der gleichstufigen Stimmung gehen einfach wesentliche Ausdrucksmöglichkeiten verloren. Man kann ein Stück in den Tonarten wahllos hoch und runter transponieren und es ändert sich eben nur die Tonhöhe, aber nicht der Klangcharakter des Stücks.
PeterW hat dem widersprochen. Jetzt redet PeterW aber plötzlich von einer wohltemperierten Stimmung, die etwas völlig anderes darstellt als die heute übliche gleichstufige (oder auch gleichschwebende) Stimmung!
Lieber PeterW, bei der gleichstufigen Stimmung beträgt der Abstand einer Stufe, also ein Sekundschritt, jeweils genau 100 Cent. Wie soll da bitte beim Transponieren eines Stückes auf eine x-beliebig andere Tonart ein anderer Klangcharakter dabei herauskommen Außer der Tonhöhe ändert sich da nichts!
Bei einer wohltemperierten Stimmung (es gibt verschiedene) ist das schon anders. Hier beträgt eine Stufe eben nicht 100 Cent. Sondern die Aufteilung erfolgt dermaßen, daß die gängigen Intervalle möglichst einigermaßen rein klingen und ein Ausgleich nach subjektivem Gehörempfinden stattfindet - deshalb auch "wohltemperiert". Hier haben dann unterschiedliche Tonarten auch sehr wohl verschiedenen Klangcharakter.
Es spricht einiges dafür, daß Bach auf Instrumenten mit wohltemperierter Stimmung gespielt hat, möglicherweise sogar mit mitteltöniger Stimmung. Demzufolge hat er sein "Wohltemperiertes Klavier" wohl auch dafür geschrieben um die Charaktere der unterschiedlichen Tonarten zu demonstrieren. Das jetzt mit einer gleichstufigen Stimmung wiederzugeben macht wie gesagt für mich keinen allzu großen Sinn.
Es ist mir aber bewusst, daß in einem großen Teil der Musikliteratur das anders gesehen werden mag. Ich zumindest halte das für falsch und damit bin ich aber nicht der Einzige. Jedoch bin ich noch zu jung, als daß ich Herrn Bach selber dazu hätte befragen können - also ist es nur meine Meinung. Ich bewundere aber alle, die genau wissen, was Bach gedacht hat.
Ein Klavier wird üblicherweise gleichstufig gestimmt, allerdings muß durch die Unzulänglichkeiten der stark gespannten Saiten in den oberen und unteren Oktaven eine Spreizung der Oktaven vorgenommen werden, wodurch eigentlich auch keine wirkliche Gleichstufigkeit mehr gegeben ist. Damit sind noch nicht mal die Oktaven wirklich alle rein vorhanden.
Den armen Klavierstimmern bleibt ja letztlich nur die Möglichkeit zu "Tricksen". Diese Instrumente sind eben von Grund auf unvollkommen, aber ich war auch noch nie ein Freund des Pianoforte-Klangs und den absterbenden Tönen gewesen.
Eine Orgel klingt dementsprechend mit einem göttlichen Ton der Ewigkeit und wird auch ganz anders gestimmt!
Im übrigen beachte man auch den gravierenden Unterschied zwischen Quintenzirkel und Quintenspirale.
Gruß Michael
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