Camerons Riesenbaby in ganzer Pracht

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13.08.2014 08:22
#31 RE: Camerons Riesenbaby in ganzer Pracht
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Administrator

Du warst nicht gemeint, Tabernakelwanze.
Und wie ich oben schon sagte: Aus meiner Sicht ist der Forumsname durchaus der Diskussion würdig.


Auf Orgelsuche.

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15.09.2014 03:25
avatar  Dieter Schuster ( gelöscht )
#32 RE: Camerons Riesenbaby in ganzer Pracht
Di
Dieter Schuster ( gelöscht )

Kurz mal zurück zum Eingangsthema [wink]

Ich habe Cameron's M&O Orgel mehrfach gehört, sowohl allein mit ihm in Aufbau- und 'Warmspielsituationen' als auch live im Konzert, konnte auch die Entstehungsgeschichte der Orgel von ersten Skizzen bis zum 'roll-out' recht zeitnah verfolgen.

In diesem Zusammenhang mag es von Interesse sein, dass es ursprünglich lange und intensive Gespräche darüber gab, ihm zwei sehr individuell konzipierte Rodgers Touringorgeln zu bauen - eine für die USA, eine für den Rest der Welt. Dies ist letztendlich daran gescheitert dass wir das am Ende von CC konzipierte End-Design auf der Basis unserer Plattform SO weder bauen konnten noch wollten. Insofern war es für ihn nur folgerichtig, sein Trauminstrument von M&O bauen zu lassen, denn niemand anderes als ein 'Boutique Workshop' wie M&O hätte das realisieren können - und CC's Sony-Deal hat ihm das schließlich auch ermöglicht.

Was aber stellt seine Orgel eigentlich dar, und wie klingt sie?

Kurz gesagt: Niemand anderes als Cameron Carpenter könnte mit diesem Instrument irgend etwas sinnvolles anfangen - es ist schlicht die höchstmögliche Individualisierung eines Werkzeugs an die genre-, spieltechnik-, kreativitäts-, und weltanschauungsübergreifenden Ideale eines einzelnen Ausnahmekünstlers. In dieser Orgel wimmelt es nur von völlig 'orgeluntypischen' Features, Ideen und Konzepten, losgelöst von jeglichen Traditionen und Normen. Der nach oben und unten erweiterte Pedalkompass ist da nur ein zwar unmittelbar auffälliges, gleichwohl vergleichsweise aber eher nebensächliches Detail.

Dies ist weder eine 'Sakralorgel', noch eine Theater-, Jazz- oder Schweineorgelorgel - es ist schlicht SEINE Orgel. Man kann sie noch nicht einmal als 'Crossover-Orgel' bezeichnen, einfach weil Cameron sich nicht in die so titulierte Riege von Künstlern wie Vanessa Mae, David Garrett oder meinetwegen auch Barbara Dennerlein einordnen lässt, und das gilt auch für seine höchst eigene, individuelle Orgel. Hier können auch tradierte Begriffe aus dem traditionellen Orgelverständnis nicht greifen - diese Orgel ist weder Barock- noch sonst irgendwie disponiert, sie ist 'Cameron-spezifiziert'.

Wie klingt diese Orgel denn nun? Für Orgelpuristen vermutlich einfach nur schrecklich, weil sie ganz und gar keinen Normen und sonstigen 'Schubfächern' Rechnung trägt, und weil sie das auch überhaupt nicht soll. Verfechter der reinen Orgellehre wird es auch ziemlich irritieren, dass die Cameron-Orgel im Grunde keine klar gegliederten Werke aufweist und auch die Anzahl direkt anwählbarer Einzelregister am Bedienpanel eher begrenzt ist. Dafür gibt es allerdings umso mehr 'neuartige' Funktionen und Kombinationen, die bisher weder im traditionellen Pfeifenorgelbau noch bei digitalen Instrumenten vorkommen, für Cameron's Zugang und Verständnis zum Thema Orgel aber unentbehrlich sind.

Andererseits sind die meisten Einzelregister exquisit und von höchster Reproduktionsqualität, ungeachtet ihrer meist amerikanischen Herkunft und Ausrichtung (damit in auch eingeschränkter Bandbreite)- man kann an diesem Instrument unter anderem also durchaus prächtig 'konventionell Orgel spielen', was allerdings nur einen Teil der insgesamt vorhandenen Klang- und Ausdruckspalette dieses 'Gesamtkunstwerkes' repräsentieren würde.

Ähnliches gilt ja auch für die individuelle Einschätzung von Cameron Carpenter als Künstler: Wer seine allerhöchst eigenen Interpretationen u.a. von Bach'schen Werken nicht mag oder gar verurteilt, wird auch seine Orgel nicht mögen wollen und können. Als jemand, der in seinen eigenen Auslegungen aber durchaus neues, interessantes und auch schönes finden kann, erkenne ich seine Orgel auch als ein für IHN geradezu ideales Werkzeug.

Fazit: Die Orgel ist, so wie sie ist, für Cameron Carpenter perfekt, für alle anderen Organisten wird sie aber ein undurchschaubares Rätsel sein und bleiben. Wer aber wirklich versuchen will, das Phänomen 'Cameron und seine M&O Orgel' besser kennen zu lernen und zu ergründen, kommt nicht daran vorbei, eines seiner Konzerte zu besuchen oder zumindest seine erste CD mit der neuen Touringorgel zu kaufen bzw. downzuloaden.

Noch eine Randbemerkung aus eigener Beobachtung zu Cameron's Ansehen in traditionellen Orgelkreisen: Zwischen 2011 und 2013 war ich häufig mit CC auf Tour, um seine in Europa oft eingetzte Rodgers Masterpiece Übungs- und Touringorgel jeweils vor Ort zu installieren und zu intonieren. In insgesamt ca. 10-12 Konzerten habe ich im Publikum auch viele bekannte Gesicher aus der Orgelszene gesehen, von bekannten/etablierten Konzertorganisten, über Orgelsachverständige und Orgelbauer, bis hin zu eher orgelkonservativen Journalisten und Verbandsvertretern. Mein regelmäßiger Eindruck bei der Beobachtung dieser Honoratioren während dieser Konzerte: Erstaunen, Faszination, ungläubiges Kopfschütteln über Cameron's Performance und Virtuosität - bis hin zur engagierten Mitwirkung an 'Standing Ovations'. Dies allerdings fand und findet sich in offiziellen Statements und Kommentaren genau dieser Besucherkreise zu Konzerteindrücken und in CD-Rezensionen aber nur selten wieder - vermutlich wäre das auch nicht unbedingt standesgemäß, könnte vielleicht ja auch von der orgelkonservativen Zunft empfindlich abgestraft werden und letztendlich womöglich dem eigenen Ansehen schaden...


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