Kleine zweimanualige Dispositionen

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23.01.2015 07:36
#46 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Hallo Hendrik,

dein Vorschlag II ist keine "reinrassige" Wechselschleifen-Lösung. Denn deren Sinn ist es ja, einen Gesamt-Manual-Registerfundus ganz oder fast ganz auf zwei Manualwerken verfügbar zu machen. Zu diesem Zweck wird eine einzige, recht üppig dimensionierte Manuallade gebaut, bei der es für jedes Wechselregister (meistens alles außer Prinzipal 8', Mixtur und evtl. die Zunge) zwei Schleifen nebeneinander gibt. Über jeder dieser Schleifen befindet sich ein Stock, der für jede darauf stehende Pfeife die Windzuführung aus zwei Kanälen ermöglicht. Rückschlagventile an der Mündung der Kanäle müssen verhindern, dass sich der Wind in den anderen Kanal "verschleicht" bzw. das eine Pfeife aus zwei Kanälen doppelten Wind bekommt. Das ist also ein recht komplexes System, das sehr sauber gebaut sein muss und einen erhöhten Arbeitsaufwand erfordert. Daher meine Frage, wieviel Ersparnis solche Lösungen wirklich bringen.

So wie Du es darlegst, handelt es sich bei Deinem zweiten Vorschlag um Register des Man. II, die - statt via Manual-Generalkoppel - einzeln ins HW transmittiert werden. Dieses Transmissionssystem war bei elektropneumatischen Kegelladen sehr leicht auszuführen und weit verbreitet - vor allem, um dem Pedal kleinfüßige Stimmen aus einem oder mehreren Man. zuzuführen. Da sparte es wirklich Pfeifenmaterial, Platz und Holz. Die Register des HW sind in Deinem Vorschlag, wenn ich ihn richtig verstanden habe, nicht in II spielbar.
Vorabzüge erhöhen zudem den Materialaufwand und die Abmessungen der gesamten Lade. Denn sie muss auf eine etwas weitere Teilung gebaut werden, damit die doppelten Bohrungen durch die Schleifen etwas "Spiel" haben und der Wind keinen Schleichweg in Pfeifen findet, in denen er nix verloren hat.

Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass ein echtes Register immer die bessere Lösung ist. Und meine Vermutung ist halt, dass die finanzielle Ersparnis bei so arbeitsintensiven Konstruktionen nicht so gewaltig ist, wie weithin behauptet. Aber wie gesagt, ich würde das mal gern am konkreten Projekt in Zahlen sehen.

LG und schönen Tag
Michael


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23.01.2015 19:08
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#47 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Ja, eine reine Wechselschleife ist das nicht,
allerdings habe ich von solchen Lösungen auf Schleiflade schon öfters gelesen, eine sogar angespielt. Ich vermute, dass hier eine "normale" Schleife neben einer Wechselschleife gebaut und beide Schleifen mit einer doppelten Traktur angespielt werden, aber genau wissen tu ich es nicht.
Laut Kirchenmusiker amortisiert sich die teure Schleife über den Verzicht auf Register. Wenn man alles doppelt baut, was man ggf. vielleicht mal doppelt brauchen könnte, entfällt die Ersparnis und man kann tatsächlich eine "normale" Orgel bauen.


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24.01.2015 09:50
#48 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
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Moderator

"Richtige" Register erlauben ganz andere Optionen. So hat z.B. eine Oktave 4' im Hauptwerk eine völlig andere Funktion als ein Prinzipal 4' im Positiv oder im Schwellwerk. D.h. sie sind anders zu intonieren und zu mensurieren. Gerade im Prinzipalchor führen "eierlegende Wollmichsäue" statt charaktervoller, klug durchmensurierter Oktavstimmen schnell zu langweiligem Einheitsbrei. Noch markanter ist das bei den 2'ern. Es macht einen himmelweiten Unterschied, ob eine Superoktave 2' über den Prinzipalen 8' und 4' im Hw steht oder im Brustwerk "Prinzipalbasis" über einem Gedackt und einer Rohrflöte ist. Auf Wechselschleife kommt dann schnell irgendwas heraus, bei dem sinnvollerweise "Register 2'" auf dem Zug stehen würde.
Dasselbe gilt für eine Quinte 2 2/3'. Im Hw. ist sie eingebunden in das Klanggefüge des Prinzipalchores und darf ruhig etwas Kraft und Kontur entwickeln, in einem Nebenwerk kann sie Farbstimme sein und muss auf Verschmelzung intoniert werden.

LG
Michael


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24.01.2015 10:09
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#49 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Genau dashalb ist es ja auch wenig sinnvoll, alles auf die teure Wechselschleife zu packen. Mein Vorschlag beruht auf der Idee, den Kern eines sinnvollen Hauptwerks (Plenum und eine hübsche 8'-Flöte für des Triospiel) nur auf einem Manual verfügbar zu machen und damit diesen Registern eine klare Aufgabe und Intonation zuzuweisen. Der "Rest" kann hingegen sehr unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, ohne zwingend auf unterschiedlichen Werken unterschiedlich intoniert zu sein und steht dann sinnvollerweise auf einer Wechselschleife, damit die Register dort zum Einsatz gebracht werden können, wo sie gerade benötigt werden.
Man darf bei dem Vorschlag nicht vergessen, hier sind nur fünfzehn Register gebaut. Geht man bei klassischer Werkteilung bei gleichen Kosten von mutmaßlich (in Ermangelung von echten Zahlen) etwa siebzehn Registern aus, wäre es nicht selbtsverständlich, dass bei einem kompletten Prinzipalchor im HW noch zusätzlich Prinzipale im Schwellwerk gebaut wären.


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24.01.2015 10:22
#50 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
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Moderator

Wobei - immer unter dem Aspekt des gottesdienstlichen Spiels betrachtet - ein Prinzipal 4' im Nebenwerk sehr sinnvoll ist. Er erhöht die Flexibilität beim Choralbegleiten enorm. Denn man hat genug Substanz, einen Vers in II zu begleiten und kann währenddessen in I eine andere Registrierung vorbereiten ...
Na ja, das Für und Wider solcher Lösungen muss anhand der lokalen Gegebenheiten sorgfältig abgewogen werden ...

Ich hätte hier so einen Fall, da wäre ich (im Interesse größerer Farbigkeit im Spiel) auch für eine Wechselschleifen-Lösung - allerdings in einem Raum, der mit einem Prinzipalchor und zwei Flötchen satt vollzumachen ist. Aber meistens ist es ja umgekehrt - da müssen 15 Register für einen Raum reichen, der 30 brauchen würde ...

LG
Michael


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24.01.2015 10:48
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#51 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Zitat
Aber meistens ist es ja umgekehrt - da müssen 15 Register für einen Raum reichen, der 30 brauchen würde ...


Das ist dann wirklich eine unsinnige Sparlösung.

Ich habe im Sommer 2013 mal eine Matinée auf der Seifert-Orgel in der Anker-Gottes-Kirche in Laboe gehört. Leider finde ich die Dispoition gerade nirgends. Die Kirche ist eine typische 60er-Jahre-Dorfkirche, nicht allzu groß. Das Instrument, gebaut 2006, hat neunzehn Register, davon die meisten auf Wechselschleife. Die Intonation ist meiner Erinnerung nach französisch inspiriert, verfügt aber z.B. auch über so etwas exotisches wie eine Walckersche Physharmonika (da allerdings unter anderem Namen). Die Organistin (Beste C-Schein-Absolventin des Jahrganges 2013, Namen vergessen) hatte ein Programm zusammengestellt, welches sowohl Boellmann als auch Bach enthielt und meinen Laienohren nach klang beides auf dieser vergleichsweise kleinen Orgel sehr überzeugend.

Was ich damit sagen will: Baut man eine Wechselschleife nicht als reine Sparlösung sondern denkt sie von der Möglichkeitenseite her, bietet sie mit vergleichsweise kleiner Registerzahl in kleineren Kirchen eine Bandbreite an Klängen, die mit anderen Lösungen wahrscheinlich verschlossen bliebe. In großen Kirchen aber sind separat gebaute Werke sicherlich sinnvoller.


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24.01.2015 10:59
#52 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
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Moderator

D'accord! Prost:

LG
Michael


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28.01.2015 11:17
avatar  martin ( gelöscht )
#53 RE: Kleine zweimanualige Dispositionen
ma
martin ( gelöscht )

Zitat von Wichernkantor
Denn deren Sinn ist es ja, einen Gesamt-Manual-Registerfundus ganz oder fast ganz auf zwei Manualwerken verfügbar zu machen. Zu diesem Zweck wird eine einzige, recht üppig dimensionierte Manuallade gebaut, bei der es für jedes Wechselregister (meistens alles außer Prinzipal 8', Mixtur und evtl. die Zunge) zwei Schleifen nebeneinander gibt. Über jeder dieser Schleifen befindet sich ein Stock, der für jede darauf stehende Pfeife die Windzuführung aus zwei Kanälen ermöglicht. Rückschlagventile an der Mündung der Kanäle müssen verhindern, dass sich der Wind in den anderen Kanal "verschleicht" bzw. das eine Pfeife aus zwei Kanälen doppelten Wind bekommt. Das ist also ein recht komplexes System, das sehr sauber gebaut sein muss und einen erhöhten Arbeitsaufwand erfordert. Daher meine Frage, wieviel Ersparnis solche Lösungen wirklich bringen.


Bei so einen Aufbau, könnte man ein Register doch schon fast aus beiden Manualen gleichzeitig spielbar machen.

Ein einfacherer Aufbau müsste sein:
Doppelte Anzahl von Tonkanzellen, wobei gleiche Töne von I und II nebeneinander liegen. Für jedes Register eine Schleife mit den Stellungen I - Aus - II. Der Pfeifenstock muss ausreichend dick sein, das man für jede Pfeife einen Hohlraum schafft, der den Wind aus den beiden Ein-Positionen zur Pfeife führt.

Mehraufwand gegenüber einer normalen Schleiflade wäre dann:
* doppelte Anzahl Tonkanzellen
* dickerer Pfeifenstock
* größerer Hohlraum unter jeder Pfeide


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