Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Harmonium: Gebläse nachrüsten?
#16 RE: Harmonium: Gebläse nachrüsten?
Erinnerungsmäßig geht es mir wie Dir ...
Ich habe als Orgelsäugling einen herrlichen Schwank mit einem zweimanualigen Pedalharmonium erlebt - natürlich im Weihnachtsgottesdienst. Kann ich bei Gelegenheit (Forumstreffen?) mal erzählen.
Aber S. Karg-Elert schrieb für das französische "Kunstharmonium" Virtuosenliteratur, die er auch selber spielte. Also sicher nicht aus "Mitleid" ... [grin]
Hatte Clemens nicht mal einschlägige Dateien gepostet?
Zur Präzisierung der Ansprache hatten diese Instrumente eine "Percussion", d.h. eine Hammermechanik, die die Zungen "anschubste" und so für eine präzise Ansprache sorgte. Das funktionierte sogar.
Johannes Michel, Kantor an der Christuskirche in Mannheim, hat das (gesamte?) Harmoniumwerk von K.-E. beim Label cpo eingespielt. Hörenswert! Klangbeispiele gibt's sicher auf der jpc-Page.
LG
Michael
Unabhängig von behaupteten "Entwicklungssackgassen" bin ich vom Klang unseres Harmoniums sehr angetan, unser Hausorganist übrigens auch.
Natürlich: Wenn ich ein hoffnungsloser Apfel-Fan bin, kann ich ewig beklagen, dass die Birne nicht wie ein Apfel schmeckt... Dennoch wird sich kaum überzeugend argumentieren lassen, dass die Birne ein mangelhafter Apfel sei. Eine Birne ist eine Birne.
Und ein Harmonium ist ein Harmonium.
Ich lade dich übrigens gerne ein, PeterW, das Ding mit eigenen Ohren zu hören. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Urteil dann anders ausfällt. [wink]
Zum eigentlichen Thema: Spielt es eine Rolle, ob saugen oder blasen? Beim Akkordeon wird ja abwechselnd gesaugt und geblasen.
#19 RE: Harmonium: Gebläse nachrüsten?
Zitat von Flute8
Zum eigentlichen Thema: Spielt es eine Rolle, ob saugen oder blasen? Beim Akkordeon wird ja abwechselnd gesaugt und geblasen.
Ja, Druckwind ist dosierbar. Damit wird das Instrument dynamisiert. Das erfordert aber eine kultivierte, gleichmäßige Trettechnik.
Der Druck des Saugwindes ist hingegen konstruktionsbedingt konstant. Die "Qualität" des Tretens spielt dabei kaum eine Rolle.
Beim Akkordeon ist die Balgbewegung bei Druck und Zug gleichermaßen beeinflussbar.
LG
Michael
Zitat von Gemshorn
Liebe Leute, in Ermangelung einer Unterrubrik "Harmonium" stelle ich die Frage hier:
Ist es aus eurer Sicht möglich, ein Harmonium nachträglich mit einem Gebläsemotor auszurüsten?
Ist es sinnvoll?
Hintergrund der Frage: In unserem Altenheim steht ein voll funktionsfähiges, wunderschön klingendes Harmonium. Allerdings muss man ganz schön in die Pedale treten, wenn man Plenum spielt...
Auch mein 2manualiges Pedalharmonium (Peter T. vor 1870) mit Pedal (C-d' wurde in den 60er Jahren mit einem Laukhuff-Gebläse nachgerüstet, damit ein Pedalspiel möglich wird, ohne dass der zweite Fuss ständig mit dem Blasbalg beschäftigt ist. Dabei wurde aber der Expressionszug stillgelegt. Auch bestand ursprünglich die Möglichkeit, das Harmonium durch einen zweiten Helfer und einem Blasbalghebel mit Luft zu versorgen. Diese Vorrichtung wurde aber ausgebaut. Hier erfolgte eine Generalüberholung durch den Orgelbauer in der Nähe. Wenn bei Dir der Balg besonders viel Luft benötigt, prüfen lassen, ob nicht auch etwas Luft beim Balg ausgeht. Ansonsten müsste das Nachrüsten eines elektrischen Gebläses durch einen Orgelbauer keinen allzu großen Aufwand verursachen.
Es könnte aber auch sein, dass - ähnlich wie bei Akkordeon/Harmonika - mit der Zeit die Tonklappen etwas undicht werden, da die Tastenfedern nachlassen und das Instrument aus diesem Grund schon etwas mehr Luft als sonst benötigt. Dies macht sich dann halt erst im Plenospiel bemerkbar.
Hingegen bewirkt ein vorhandener Sordino-Register-Zug, dass bewusst etwas Luft aus der Windlade entweichen soll, um den Klang gedämpfter bzw. leiser zu machen.
ad Unterschiede zwischen Druckwind-/Saugwind-Harmonien:
Die ältere Form der (heute wertvolleren) Druckwindharmonien unterscheidet sich von den jüngeren Saugwind-Harmonien (=amerikanisches System) durch folgende Merkmale:
- Expressionszug beim Druckwind-Harmonium (damit wird der zwischengeschaltete Magazinbalg ausgeschaltet, um ein dynamischeres Spiel zu ermöglichen)
- Bass-/Diskant-Teilung bei dis'/e' (statt: h°/c' bei Saugwind-Harmonien)
- Tonumfang C-c4 (statt: F-f3 bei Saugwindharmonium=amerikan. System)
Die Erfahrung mit einem einmanualigen Harmonium mit vergleichsweise hohen Luftverbrauch beim Plenumspiel habe ich vor einiger Zeit mit einem Druckwind-Harmonium von Kotkiewicz gemacht. Ein hervorragender Klang dieses Instruments (samt 4'-Register), aber dennoch musste man beim Spielen darauf achten, dass dem Instrument nicht die "Luft ausgeht".
Als Jugendlicher hatte ich oft mehrmals in der Woche Wochentagsmessen mit einem Estey-Saugwind-Harmonium zu begleiten. Daher habe ich auch eine gewisse Praxis mit dem Harmoniumspielen. Dieses Saugwind-Harmonium hatte zwar kein 4'- Register, dafür aber zwei Oberoktavkoppeln und ein 16'-Subbass-Register von der großen Oktave abwärts. Der Luftverbrauch des Saugwind-Harmoniums war bei weitem nocht so hoch, wie der des Kotkiewicz-Druckwind-Harmoniums.
Johannes
Demnach ist unser Harmonium eindeutig ein Druckwindharmonium.
Der Tonumfang reicht jedoch bis zum Kontra-F nach unten, also weiter als bei der Orgel. Sagt man auch beim Harmonium Ravalement?
Zur Bedienung mit dem Knie gibt es eine Schwellvorrichtung, die den Klang nochmals richtig stark werden lässt, allerdings muss man dann auch schneller treten, da dabei mehr Luft verbraucht wird.
Hallo,
Zitat von Gemshorn
Ich dachte, die Schwellbarkeit ist ein eindeutiges Kennzeichen eines Druckwindharmoniums?
nein, die Schwellbarkeit durch stärkers oder schwächers Treten/Pumpen ist dabei gemeint. Dazu gibt es einen Registerzug "Expression", der so einen Balg, der für gleichmäßigen Druck sorgt, lahmlegt. Das ist jetzt etwas salopp formuliert.
Saugwindharmoniums haben meist 2 Knieschweller: Links werden wie bei einer Walze alle Register der Reihe nach eingeschaltet. Rechts wir eine Art Generalklappe geöffnet, die normalerweise (in der Normallage) die Lautstärke dämpft.
Amerikanische Harmoniums sind meist Saugwindinstrumente. Ravalement sagt aber beim Harmonium nicht, wenn die Tastatur bis Kontra-F geht.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
Hallo,
Zitat von PeterW
Das Harmonium stellt instrumentengeschichtlich eine Entwicklungssackgasse dar, sollte sie doch als "Orgel für Arme" einen Ersatz schaffen, vorwiegend für Liturgischen Gebrauch in Gemeindesälen. Die Hersteller sind Legion, einer der bekannten ist Lindholm in Grimma. Letztere Firma hat sich vom Harmonium schon lange verabschiedet, als sie noch ganz brauchbare Cembali und Spinette herstellte (eins davon steht bei mir).
das sehe ich nicht so. Die ersten Harmoniums (Aeoline, Physharmonika...) anfang des 19. Jahrhunderts (z.B. die Cousins Eschenbach und Schlimbach in meiner Heimatstadt) entstanden unter der Perspektive, einen neuen Instrumententypus (Zungenklang) zu konstruieren. Viele Orgeln im 19. Jahrhundert erhielten damals Harmoniumsregister, z.B. die Ladegastorgel im Moskauer Nationalen Glinka Museum für Musik, die älteste Orgel Russlands. Besonders in Frankreich ging es den Orgelbauern darum, Tasteninstrumente mit "Dauerton" und Expression zu konstruieren, Ersteres leistet das Klavier nicht, so wie Letzteres die Orgel nicht kann.
Als Orgelersatz taugen Harmoniums nicht so, besonders die langsame Ansprache der Saugwindinstrumente (ohne Perkussion) ermöglicht die Darstellung klassischer Orgelliteratur nicht. Als Orgelersatz verwendete man Harmoniums, soweit ich weiß bzw. Ahrens & Klinke schreiben, in Deutschland erst im 20. Jahrhundert (in den USA schon deutlich vorher), besonders nach dem 2. Weltkrieg gabe es nochmal eine Welle. Man muss das Harmonium als eigenständiges Instrument sehen und nicht als Orgelersatz betrachten. Ich habe im Bassbereich (bis h) 8', 4' und 2', dazu eine Oktave krachenden Subbass 16', im Diskantbereich (ab c' hat es 2x8', 4', 16 '. Das hat mit Orgel nicht viel zu tun. Übrigens könnte man auch fragen, warum man sich nach Erfindung des Klaviers noch mit Cembalo, Spinett oder gar Clavicord herumschlägt.
Zitat von PeterW
Warum sollte man heuzutage noch Mühe in ein Fossil stecken, das vielleicht noch als Beleg fürs Museum taigt?
Weil es nett ist, ein Museumsstück zu Hause stehen zu haben? Als Möbelstück übertrifft ein Harmonium im Stil des Historismus, Jugendstil oder Art Deco jede moderne Digitalorgel um Längen (WAF etc.). Außerdem wird der Harmoniumsklang beispielsweise durch die Yogawelle aktuell ganz schön populär ("Ach, du hast ein Harmonium zu Hause - toll! Ich liebe diese beruhigenden Klänge!". In meiner Jugend habe ich Harmoniums sehr gering geschätzt, ohne eines näher kennen gelernt zu haben. Wir waren noch orgelbewegt geprägt. Ich musste später (vor meiner Orgelpause) auch einmal eine Zeit lang Gottesdienste auf dem Harmonium begleiten, das war schrecklich. In den letzten Jahren bin ich dann immer wieder auf Harmoniums gestoßen, einmal habe ich ein bisschen mit einem Klarinettisten zusammen gespielt und das machte richtig Spaß. Inzwischen schätze ich den Klang vieler Harmoniums sehr, genauso wie die früher verachtete romantische Musik sowie Neo-Baustile.
Zitat von PeterW
Ach so: Warum ist bisher keiner der Digitalorgelhersteller in aller Welt auf die Schnapsidee gekommen, ein "Digitalharmonium" auf den Markt zu bringen?
Gibt es beispielsweise hier oder hier. [wink] Davon abgesehen liefert die Industrie schlicht das, was nachgefragt wird, nicht was sinnvoll, künstlerisch wertvoll oder nachhaltig ist. Die frühere Rolle des Harmoniums hat heute das Keyboard, wobei mein Keyboard auch Harmonium (reed organ) an Bord hat.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
Zitat von PeterW
Warum sollte man heuzutage noch Mühe in ein Fossil stecken, das vielleicht noch als Beleg fürs Museum taigt?
Z.b. weil es meinem Großvater gehört hat. Damals gab es noch keine leistbaren Kirchenorgeln für zuhause. Mein Großvater war im Jahr 1910, als er dieses Harmonium kaufte, ein junger Bursch mit großer Begeisterung für die Königin der Instrumente und ehrenamtlich Organist in der Pfarrkirche Schönkirchen im Marchfeld. Hätte es damals schon digitale Kirchenorgeln gegeben und das zu leistbaren Preisen, wäre er sicher der erste gewesen, der sich eine gekauft hätte. Er wäre vermutlich glückselig gewesen, wenn er nur eine meiner 3 heutigen Sakralorgeln erlebt hätte. Das waren eben andere Zeiten, für moderne Menschen schwer vorstellbar.
Auch ich bin vom Klang dieses Choral-Mopeds heute nicht mehr wirklich begeistert und spiele natürlich lieber auf meinen Digitalorgeln. Aber als kleiner Bub haben mich die vollgriffigen Improvisationen meines Großvaters fasziniert, der diesem kleinen Harmonium tatsächlich orgelartige Klänge entlocken konnte, zmindest habe ich das damals so empfunden.
Deshalb will ich dieses "Fossil" in Ehren halten und restaurieren lassen, wenn das nicht zu teuer kommt, das bin ich dem Mann, dem ich meine "Organistengene" verdanke, einfach schuldig.
Übrigens: Die Bass-/Diskant-Grenze ist bei meinem Harmonium zwischen e und f. Würde das nicht eher für Druckwind sprechen ?
P.S.:
Zitat von PeterW
Letztenendes befriedigten mich die Klänge solcher Instrumente kaum, weil aus durchschlagenden Zungen trotz vieler Trickserei mit Mensuren der Stimmplatten und Kanzellen der Register klanglich einfach nicht mehr herauszuholen war.
Warum sollte man heuzutage noch Mühe in ein Fossil stecken, das vielleicht noch als Beleg fürs Museum taigt?
mir sind noch 2 Dinge eingefallen. Zum einen haben die Beatles und andere Gruppen auch in den 60er und 70er Jahren Harmoniums verwendet (es gab ja auch elektrisch betrieben Instrumente, die nicht mehr nach Harmonium aussahen), um sphärische Klänge zu zaubern. Im Anschluss wurden solche Klänge dann natürlich von elektrischen und elektronischen Instrumenten produziert. Es ist natürlich klar, dass sich ein klassisches Harmonium schon wegen des Gewichts nicht als Tour-Instrument eignet (obwohl, so eine klassische Hammond-Orgel ja fast noch schwerer ist). Als im vergangenen Jahr ein lokal recht bekannter und auch recht guter Songschreiber und Musiker mit einem Hobby-Kollegen zu Besuch war, war er von meinem Harmonium kaum mehr wegzubekommen, so fasziniert war er von den Klängen. Die beiden haben dann ein bisschen improvisiert, Gitarre mit Harmonium, das war wirklich faszinierend. Ich habe mein Harmonium ja midifizieren lassen, um auch im Wohnzimmer via GrandOrgue Orgel, Cembalo oder Klavier spielen zu können, habe das aber, abgesehen von der Probierphase, praktisch noch nie genutzt.
Zum anderen habe ich sowieso eine Schwäche für alte Technik wie Dampfeisenbahnen, Segelschiffen, Metallkonstruktionen der Gründerzeit (Bahnhöfe!, Eiffelturm, Blaues Wunder in Dresden), Moskauer Metrostationen, das Wunderwerke des Tritts für den automatischen Registerschweller in der Schweriner Domorgel (hier ein Beispiel wie Hochbarock auf einer romantischen Orgel klingen kann) usw. Mit dem Harmonium kann ich ein Stück traditioneller (Orgelbau-)Technik (Emil Müller war zunächst Orgelbauer und hat mit Kreutzbach gearbeitet) zu Hause nutzen, und das sogar bei komplettem Stromausfall.
Auch wenn ich kein Steam-Punk bin, ist das mein "assoziativer" Bezug zum Harmonium, nicht Kindheitserinnerungen. Man mag das als nostalgisch und rückwärtsgewand abtun, aber dem einen gefällt halt deis, dem anderen jenes. Ich habe Freunde, die von modernen Cities wie Singapur oder New York ganz fasziniert sind, andere finden die Natur in Australien und Neuseeland großartig. Ich fahre im Urlaub aber lieber dahin, wo ich auf Schritt und Tritt der Geschichte und auch alten Zeiten nachspüren kann. Andalusien, Mexiko, Kleinasien sind (oder wären) solche Orte und Regionen. Schon als Kind und Jugendlicher habe ich Bücher über Geschichte, Archäologie etc. gelesen ("Götter, Gräber und Gelehrte" war eines meiner Lieblingsbücher).
Ein Kollege ist hier im Winter mit Trabbi und im Sommer mit einer Schwalbe unterwegs. Das ist zunächst an sich noch dämlicher als ein Harmonium, weil man andere mit Lärm und Gestank belästigt, aber irgendwie eben auch faszinierend.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
Ich bin mal ganz ketzerisch:
In der Romantik wurden barocke Orgeln als rückwärtsgewandt vernichtet, in der Orgelbewegung die romantischen und heute die orgelbewegten von den Puristen. Ebenso wird das Harmonium von der eletronischen und digitalen Orgel verdrängt. Aber immer kam/kommt ein Zeitpunkt, wo man dieser Vernichtung hinterhertrauert, weil das Vernichtete rar geworden ist. Das Harmonium ist ein Stück Kulturgeschichte, die bewahrt werden sollte, wo es qualitativ sinnvoll ist. Allein das ist Grund genug.
Jetzt anmelden!
Jetzt registrieren!